Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2023, Az. XI ZR 60/22

11. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 4448

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Gegenstand

Schadensersatz des Kapitalanlegers bei Prospektfehlern: Umfang des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung


Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 10. Zivilsenats des [X.] vom 28. Februar 2022 wird zurückgewiesen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts sowie die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] nicht erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Dabei hat der Senat die Erfolgsaussichten einer Revision geprüft und verneint (BVerfGK 6, 79, 81 ff.; 18, 105, 111 f.; 19, 467, 475).

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 22.000 €.

Gründe

I.

1

Der Kläger erklärte am 14. August 2010 seinen Beitritt als Treugeber für eine von der [X.] zu 2 als Treuhänderin gehaltene Kommanditbeteiligung an der [X.]. Die [X.] betrug 20.000 € [X.] eines Agios in Höhe von 1.000 €. Die [X.] waren Gründungsgesellschafterinnen. Die Beklagte zu 1 war zudem Herausgeberin des am 19. März 2010 aufgestellten Prospekts.

2

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Prospekt fehlerhaft ist, und hat die [X.] unter anderem auf Zahlung von 20.030 € Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag mit der [X.] zu 2 in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, da die spezialgesetzlichen Ansprüche verjährt seien und daneben eine Haftung der [X.] unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen sei.

3

Das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.], die sich nur gegen die Beklagte zu 2 richtete, durch Urteil zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im [X.] noch von Interesse - ausgeführt, dass das [X.] sich entgegen der Ansicht des [X.] sehr wohl hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Beklagte zu 2 als Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] aF anzusehen sei, und dass das [X.] dies auch zutreffend bejaht habe. Auch soweit der Kläger sich gegen den vom [X.] im Beschluss vom 19. Januar 2021 ([X.]) befürworteten Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gegenüber der Prospekthaftung im weiteren Sinne wende, bleibe die Berufung des [X.] ohne Erfolg. Soweit der Kläger in der Berufungsbegründung auf Entscheidungen des II. und I[X.] des [X.]s verweise, sei die dort zugrunde gelegte Differenzierung zwischen einer "allgemeinen" selbständigen Aufklärungspflicht und der Haftung für die Verwendung fehlerhafter Prospekte im Lichte der neueren Rechtsprechung des [X.]. Zivilsenats des [X.]s als weniger überzeugend anzusehen. Gehe man davon aus, dass (auch) die Prospekthaftung im weiteren Sinne an eine Aufklärungspflicht der Gründungsgesellschafter anknüpfe und diese ihrer Pflicht unter anderem mit Hilfe eines Prospekts genügen könnten, sei der Anknüpfungspunkt beider Normengefüge - der Prospekthaftung im weiteren Sinne einerseits und der spezialgesetzlich geregelten Prospekthaftung andererseits - identisch. Soweit sich daher der persönliche und sachliche Anwendungsbereich beider Haftungsnormen deckten, spreche dies dafür, mit dem [X.]. Zivilsenat des [X.]s von einem Vorrang der die [X.] ausdrücklich aufgreifenden spezialgesetzlichen Normen auszugehen.

4

Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des [X.].

II.

5

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zurückzuweisen.

6

Die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß den § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) schließt in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung der Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB aus (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2021 - [X.], [X.], 237 Rn. 22 ff., vom 14. Juni 2022 - [X.] ZR 395/21, [X.], 1679 Rn. 7 f. in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908, vom 26. Juli 2022 - [X.] ZB 23/20, [X.], 2137 Rn. 50 ff. und vom 13. Dezember 2022 - [X.] ZB 10/21, [X.], 245 Rn. 12 ff., jeweils mwN). Der Senat hat nach Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde entschieden, dass dies auch für eine Haftung eines Gründungsgesellschafters als Treuhandkommanditist unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB gilt (Senatsbeschlüsse vom 20. September 2022 - [X.] ZB 34/19, [X.], 2371 Rn. 59 ff., vom 22. November 2022 - [X.] ZB 28/21, [X.], 174 Rn. 21 ff. und vom 13. Dezember 2022 - [X.] ZB 10/21, [X.], 245 Rn. 24).

7

Allerdings kann ein Gründungsgesellschafter Anlegern aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung - etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen - nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB (und gegebenenfalls § 278 BGB) haften. Insoweit schließt die spezialgesetzliche Prospekthaftung eine Haftung aus c.i.c. nicht aus (Senatsbeschlüsse vom 27. April 2021 - [X.], [X.], 774 Rn. 8 und vom 14. Juni 2022 - [X.] ZR 395/21, [X.], 1679 Rn. 16 in der Fassung des Beschlusses vom 5. September 2022, [X.], 1908). Eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 [X.], §§ 44 ff. [X.] aF kommt auch dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der [X.] erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter. Eine personelle Verflechtung mit der Vertriebsgesellschaft begründet keine Verantwortung für den Vertrieb (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juni 2023 - [X.]/21 zur Neuausrichtung der nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.] bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter).

8

Die Beklagte zu 2 trägt keine Vertriebsverantwortung, da nach dem Prospekt die N.          E.            GmbH & Cie. KG den Vertrieb übernommen hat und der [X.] zu 2 auch keine Geschäftsführungsbefugnis zukommt.

9

Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Ellenberger     

  

Matthias     

  

Schild von Spannenberg

  

Sturm     

  

Ettl     

  

Meta

XI ZR 60/22

11.07.2023

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 28. Februar 2022, Az: 10 U 13/21

§ 241 Abs 2 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 311 Abs 2 BGB, § 44 BörsG vom 16.07.2007, §§ 44ff BörsG vom 16.07.2007, § 13 VerkaufsprospektG vom 22.12.2006

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.07.2023, Az. XI ZR 60/22 (REWIS RS 2023, 4448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 4448

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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