Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2018, Az. 4 StR 569/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8223

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Gegenstand

Verfall von Wertersatz: Berücksichtigung von Wertsteigerungen des Erlangten


Leitsatz

Für die Bestimmung des Wertersatzverfallsbetrages nach § 73a Satz 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 sind Wertsteigerungen des Erlangten ab dem Zeitpunkt, zu welchem die Voraussetzungen des Wertersatzverfalls eingetreten sind, unbeachtlich.

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Juni 2017, soweit es den Angeklagten betrifft, mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a) im Maßregelausspruch;

b) in den Aussprüchen über den Verfall sowie den Verfall des Wertersatzes.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des [X.] vom 23. November 2015 zu einer ersten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer zweiten Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei einem [X.] von fünf Jahren und fünf Monaten der Strafe angeordnet. Ferner hat es einen Pkw [X.] des Angeklagten für verfallen erklärt, den Verfall des [X.] in Höhe von zehn Millionen Euro angeordnet sowie ein Notebook und zwei Mobilfunkgeräte des Angeklagten eingezogen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das [X.] hat mit der Sachrüge teilweise Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s vertrieb der Angeklagte in der [X.] von Mai 2015 bis zu seiner Festnahme am 14. April 2016 unter dem Pseudonym „z100“ als maßgeblicher Organisator unter Mitwirkung weiterer Personen über das [X.] Betäubungsmittel, insbesondere Amphetamin, Kokain, Crystal Meth, MDMA, [X.], Marihuana und LSD. Die Betäubungsmittel wurden sowohl über einen mit üblichen Browsern aufrufbaren Webshop als auch über eine Plattform im sogenannten „[X.]“ angeboten. Die Bezahlung erfolgte nach den Vorgaben des Angeklagten ausschließlich in der virtuellen [X.]-Währung Bitcoin. Die eingenommenen Bitcoins verwaltete der Angeklagte mittels eines sogenannten Wallets, einer mit einer „elektronischen Geldbörse“ vergleichbaren Software. Über dieses Wallet wurden im Tatzeitraum für [X.] 8.102 Einzahlungen über insgesamt 6.049,76731891 Bitcoins abgewickelt; diese hatten – ausgehend von einem Wert je Bitcoin von 1.740,33 Euro am 19. Mai 2017 – einen Gesamtwert von 10.528.591,55 Euro. Zum [X.]punkt der Festnahme des Angeklagten wurden über sein Wallet noch 757 Bitcoins verwaltet, zum [X.]punkt der Hauptverhandlung noch etwa 400 Bitcoins.

3

Gegenstand der Verurteilung sind acht Taten, bei denen unter Mitwirkung des Angeklagten zwischen 10 kg und 45,35 kg – insgesamt 211,05 kg – Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 30 % Amphetaminbase sowie insgesamt 3 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 10 % THC in [X.] erworben und nach [X.] verbracht wurden, von wo aus anschließend ihr Vertrieb über das [X.] erfolgte.

II.

4

Die Revisionsbeschränkung durch den Verteidiger Prof. Dr. S.     , nach der die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 [X.] vom Rechtsmittelangriff ausgenommen sein soll, ist unwirksam, da sich das Rechtsmittel auch gegen den gesamten Schuldspruch richtet. In einem solchen Fall kann nicht wirksam auf die Anfechtung der Unterbringung nach § 64 [X.] verzichtet werden, da die Feststellung einer [X.] unerlässliche Voraussetzung der [X.] ist (vgl. [X.], Beschlüsse vom 19. Januar 2010 – 4 [X.], [X.], 171, 172; vom 26. August 2009 – 2 [X.]; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 64 Rn. 129 mwN). Es kommt daher nicht mehr darauf an, dass ohnehin die unbeschränkt eingelegte und damit weiter gehende Revision des Verteidigers [X.]       für den [X.] maßgeblich wäre (vgl. [X.]/[X.], [X.], 61. Aufl., § 344 Rn. 5).

III.

5

Die Verfahrensrügen bleiben aus den vom [X.] in seiner Antragsschrift vom 18. Januar 2018 genannten Gründen ohne Erfolg. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat:

6

Die in der Revisionsbegründung des Verteidigers [X.]       erhobene Aufklärungsrüge, mit der die unterbliebene Vernehmung der Zeugin L.    beanstandet wird, ist bereits unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]), weil die ladungsfähige Anschrift der Zeugin nicht mitgeteilt wird (vgl. [X.], Urteil vom 21. November 2013 – 4 [X.]; Beschluss vom 30. Juli 2014 – 4 [X.]; LR-[X.]/[X.], 26. Aufl., § 244 Rn. 368).

IV.

7

Die Sachrüge führt zur Aufhebung der [X.] und zur Aufhebung der Verfallsentscheidungen; im Übrigen ist sie unbegründet.

8

1. Der Schuldspruch und die Einziehungsentscheidung nach § 74 [X.] weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

9

2. Der Strafausspruch hat ebenfalls Bestand.

[X.] Erörterung bedarf insoweit nur die von der [X.] gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] vorgenommene nachträgliche Gesamtstrafenbildung.

Das [X.] hat angenommen, dass neben den [X.]n aus den Fällen 1 bis 3 auch die wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verhängte [X.] aus Tat 4 (vier Jahre und sechs Monate) mit der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 23. November 2015 gesamtstrafenfähig ist.

a) Eine Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] setzt allerdings voraus, dass die einzubeziehende Tat im [X.]punkt der Vorverurteilung im materiell-rechtlichen Sinne beendet ist (vgl. [X.], Urteil vom 26. Oktober 2017 – 4 [X.], juris Rn. 14; Beschluss vom 18. August 2015 – 1 [X.], [X.], 305). Da das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Sinne der §§ 29 ff. BtMG erst beendet ist, wenn diese an den Abnehmer gelangt sind und die Gegenleistung erbracht ist (vgl. [X.] in Körner/[X.]/[X.], BtMG, 8. Aufl., § 29 Teil 4 Rn. 201; [X.], BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 628), kommt es für die Gesamtstrafenbildung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 [X.] insoweit nicht ausschließlich auf den [X.]punkt des [X.], sondern auch auf etwaige nachfolgende Handelsakte an (vgl. [X.], Beschluss vom 16. September 2014 – 3 [X.], juris Rn. 4).

b) Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils erfolgten der Erwerb und die Einfuhr der Betäubungsmittel in Tat 4 an einem nicht näher bezeichneten Tag im Oktober 2015. Damit war die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zwar im Oktober 2015 beendet, das tateinheitlich begangene Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge indes lediglich vollendet, denn die Betäubungsmittel wurden anschließend noch bestimmungsgemäß über das [X.] vertrieben. Da die nächste Einfuhrfahrt (Tat 5) erst am 23. Dezember 2015 stattfand, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass zum [X.]punkt der Vorverurteilung durch das [X.] am 23. November 2015 noch nicht sämtliche im Rahmen von Tat 4 erworbenen Betäubungsmittel (30 kg Amphetamin und 2 kg Marihuana) abgesetzt waren.

c) Der genaue [X.]punkt der Beendigung von Tat 4 kann hier jedoch letztlich dahinstehen, da der Senat auszuschließen vermag, dass das [X.] ohne Berücksichtigung von Tat 4 auf eine niedrigere erste Gesamtstrafe erkannt hätte und der Angeklagte durch eine rechtsfehlerhafte Gesamtstrafenbildung beschwert wäre. Denn auch in diesem Fall verbliebe es bei Bildung der ersten Gesamtfreiheitsstrafe bei einer Einsatzstrafe von vier Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe (aus Tat 3). Dass das [X.] angesichts der weiteren einzubeziehenden Strafen von vier Jahren, drei Jahren und sechs Monaten sowie einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe auch mit Blick auf das den Angeklagten treffende Gesamtstrafenübel eine noch geringere als die äußerst maßvoll bemessene Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren festgesetzt hätte, schließt der Senat aus.

3. Dagegen hält die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 [X.] rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Denn das angefochtene Urteil verhält sich nicht zu der Frage, ob die Gefahr besteht, dass der Angeklagte infolge seines Hanges zukünftig erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird (§ 64 Satz 1 [X.]). Auch dem Zusammenhang der Urteilsgründe lässt sich die unterbliebene Gefährlichkeitsprognose nicht entnehmen. Deren gänzlich fehlende Erörterung erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft, da sich eine negative Prognose trotz des festgestellten Betäubungsmittelkonsums des Angeklagten nicht von selbst versteht.

4. Die Verfallsentscheidungen des [X.]s – Anordnung des Verfalls bezüglich des Pkw [X.] sowie des Verfalls des [X.] in Höhe von zehn Millionen Euro – haben ebenfalls keinen Bestand. Zwar ist die [X.], die zutreffend das bis zum 1. Juli 2017 geltende Recht angewandt hat (§ 316h Satz 2 EG[X.]), im Ausgangspunkt zurecht davon ausgegangen, dass Bitcoins als erlangte Vermögensvorteile dem Verfall unterliegen, so dass hieran auch die Anordnung des [X.] anknüpfen kann (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Juli 2017 – 1 [X.], [X.], 401, 404 f.; [X.], NStZ 2016, 441, 444; Greier, [X.], 249, 252 f.; Goger, [X.], 431, 432 f.). Die vom [X.] ausschließlich auf die Vorschriften der §§ 73, 73a [X.] aF gestützten Verfallsanordnungen sind aber nicht tragfähig begründet, auch nicht in Bezug auf den für verfallen erklärten Pkw [X.].

a) Das [X.] ist bereits von einem zu weiten Anwendungsbereich der §§ 73, 73a [X.] aF ausgegangen.

aa) Bei der Anordnung des Verfalls beziehungsweise des Verfalls des [X.] nach §§ 73, 73a [X.] aF muss die Tat, für die oder aus der etwas erlangt worden ist, von der Anklage umfasst und Gegenstand der Verurteilung sein ([X.], Beschlüsse vom 23. Mai 2012 – 4 [X.], [X.], 312; vom 20. April 2010 – 4 [X.], [X.], 255; vom 7. Januar 2003 – 3 [X.], [X.], 422 f.; vom 28. März 1979 – 2 StR 700/78, [X.]St 28, 369; [X.]/[X.], 3. Aufl., § 73 Rn. 24). Eine Anordnung des Verfalls bzw. des [X.] nach §§ 73, 73a [X.] aF für Erlöse aus nicht zur Aburteilung gelangten Straftaten ist unzulässig; insoweit kommt – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – nur der erweiterte Verfall nach § 73d [X.] aF in Betracht ([X.], Urteil vom 19. Oktober 2011 – 1 StR 336/11, [X.], 81, 82).

Die insoweit erforderliche Abgrenzung hat das [X.] nicht vorgenommen. Den Urteilsgründen kann weder entnommen werden, in welchem Umfang die vom Angeklagten vereinnahmten Bitcoins den urteilsgegenständlichen Straftaten zuzuordnen sind, noch ist ersichtlich, ob der Pkw [X.] gerade durch Einnahmen aus den verfahrensgegenständlichen Straftaten finanziert worden ist.

Gegenstand der Verurteilung ist allein der Handel des Angeklagten mit insgesamt 211,05 kg Amphetamin und insgesamt 3 kg Marihuana in acht Fällen. Nur insoweit kamen Entscheidungen nach den §§ 73, 73a [X.] aF in Betracht. In den Urteilsgründen werden den verfahrensgegenständlichen Taten jedoch keine Einnahmen – auch nicht im Wege einer Schätzung – zugeordnet, sondern es werden lediglich die Gesamteinnahmen des Angeklagten aus [X.]n im Tatzeitraum benannt. Nach den Feststellungen des [X.]s veräußerte der Angeklagte im Tatzeitraum jedoch neben Amphetamin und Marihuana zahlreiche weitere illegale Betäubungsmittel. Diesbezügliche Verkaufsmengen werden im angefochtenen Urteil zwar nicht im Einzelnen mitgeteilt. Dass auch dieser nicht verfahrensgegenständliche Handel von nennenswertem Umfang war, liegt aber bereits angesichts der im Depot der [X.] sichergestellten [X.] nahe (u.a. etwa 1,3 kg Kokain; 4.158 Einheiten LSD; 4,6 kg MDMA in kristalliner Form; 5,1 kg MDMA in Form von [X.]-Pillen). Zudem ergibt sich aus den in den Urteilsgründen mitgeteilten, vom Angeklagten ungefähr erzielten Verkaufspreisen für Amphetamin und Marihuana, dass allein mit den verfahrensgegenständlichen [X.] kein der Verfallsentscheidung entsprechender Betrag erwirtschaftet worden sein kann.

bb) Es kommt hier auch nicht in Betracht, die Verfallsanordnung ergänzend auf den – von der [X.] nicht in den Blick genommenen – erweiterten Verfall nach § 73d [X.] aF zu stützen.

Die Vorschrift des § 73d [X.] aF ist gegenüber §§ 73, 73a [X.] aF subsidiär. Eine Anwendung des erweiterten Verfalls nach § 73d [X.] aF ist daher erst dann möglich, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen der §§ 73, 73a [X.] aF erfüllt sind (vgl. [X.], Urteil vom 11. Dezember 2008 – 4 [X.], [X.]R [X.] § 73a Anwendungsbereich 2; Beschlüsse vom 11. Februar 2016 – 3 [X.], juris Rn. 5; vom 8. August 2013 – 3 [X.], [X.], 82, 83; vom 20. April 2010 – 4 [X.], [X.], 255; vom 7. Januar 2003 – 3 [X.], [X.], 422, 423; LK-[X.]/[X.], 12. Aufl., § 73d Rn. 11). Dies hindert es, in dem Verfahren wegen einer Anlasstat, die auf § 73d [X.] aF verweist, Gegenstände dem erweiterten Verfall zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber zumindest möglicherweise konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen der vorrangig anwendbaren §§ 73, 73a [X.] zu prüfen sind ([X.], Beschlüsse vom 11. Februar 2016 – 3 [X.], aaO; vom 8. August 2013 – 3 [X.], aaO).

Vorliegend liegt es nahe, dass etwaige weitere Straftaten des Angeklagten konkretisiert werden können, da im Verfahren alle Angeklagten geständige Angaben gemacht haben und die einzelnen Bestellvorgänge in weiten Teilen durch [X.] dokumentiert sind.

b) Zudem erweist sich die Anordnung des [X.] der Höhe nach insoweit als rechtsfehlerhaft, als das [X.] die Wertsteigerung der Bitcoins bis kurz vor Ende der erstinstanzlichen Hauptverhandlung berücksichtigt hat, obwohl der Angeklagte die Bitcoins bereits zum [X.]punkt seiner Festnahme zum weit überwiegenden Teil nicht mehr innehatte.

aa) Nach § 73a Satz 1 [X.] aF ordnet das Gericht, soweit der Verfall eines bestimmten Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des [X.] oder aus einem anderen Grunde nicht möglich ist oder von dem Verfall eines Ersatzgegenstandes nach § 73 Abs. 2 Satz 2 [X.] aF abgesehen wird, den Verfall eines Geldbetrags an, der dem Wert des [X.] entspricht. Auf welchen [X.]punkt für die Wertbestimmung abzustellen ist, ist bislang unterschiedlich beurteilt worden.

(1) Nach teilweise im Schrifttum vertretener Auffassung ist für die Wertbestimmung im Rahmen von § 73a Satz 1 [X.] aF generell auf den [X.]punkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung abzustellen (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 73a Rn. 2; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 27. Aufl., § 73a Rn. 12; [X.] in [X.], [X.], 28. Aufl., § 73a Rn. 4; [X.], [X.], 64. Aufl., § 73a Rn. 3; LK-[X.]/[X.], aaO, § 73a Rn. 13; [X.]/[X.], 5. Aufl., § 73a Rn. 6).

(2) Nach der Gegenansicht ist im Rahmen des § 73a Satz 1 [X.] aF derjenige [X.]punkt maßgeblich, zu welchem der Wertersatzanspruch als solcher entsteht; wird der Verfall des ursprünglich erlangten Gegenstandes im Sinne von § 73a Satz 1 Var. 2 [X.] aF nachträglich unmöglich, soll daher auf den [X.]punkt des Eintritts der Unmöglichkeit abzustellen sein (vgl. [X.]/[X.], aaO, § 73a Rn. 17; [X.]/[X.], 9. Aufl., § 73a Rn. 3; [X.] in [X.][X.], Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, § 73a Rn. 6; [X.], Gewinnabschöpfung als strafrechtliche Sanktion, 1983, [X.] f.; [X.], [X.], 2002, [X.]). Dieser Auffassung hat sich zuletzt das [X.] bezüglich des maßgeblichen Verkehrswertes von ursprünglich erlangten Aktien angeschlossen ([X.], Urteil vom 6. Juni 2014 – 2 Ss 541/13, AG 2015, 45, 46 f.).

bb) Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung insoweit, als für die Bestimmung des [X.]betrages nach § 73a Satz 1 [X.] aF Wertsteigerungen des [X.] ab dem [X.]punkt, zu welchem die Voraussetzungen dieser Vorschrift eingetreten sind, unbeachtlich sind; bei nachträglicher Unmöglichkeit des unmittelbaren Verfalls im Sinne des § 73a Satz 1 Var. 2 [X.] aF bleiben ab diesem [X.]punkt eintretende Wertsteigerungen somit außer Betracht (in diese Richtung weist auch die Gesetzesbegründung für die ab dem 1. Juli 2017 geltende Vorschrift des § 73c [X.], die die Einziehung des Wertes von Taterträgen regelt und die inhaltlich die Vorschrift des § 73a [X.] aF übernommen hat, vgl. BT-Drucks. 18/1925, [X.]; [X.], [X.], 497, 504).

Während sich weder aus dem Wortlaut des § 73a Satz 1 [X.] aF noch aus der Gesetzesbegründung zu dieser Vorschrift (BT-Drucks. 5/4095, [X.]) für die vorliegende Frage etwas ergibt, sprechen für dieses Verständnis Sinn und Zweck der Verfallsvorschriften. Diese haben das Ziel, dem illegitimen Empfänger die durch eine rechtswidrige Tat erlangten Vermögensvorteile wieder abzunehmen (LK-[X.]/[X.], aaO, § 73 Rn. 7; [X.]/[X.], aaO, § 73 Rn. 4; [X.]/[X.], aaO, § 73 Rn. 7; [X.], aaO, [X.]). Dabei muss die Abschöpfung spiegelbildlich dem Vermögensvorteil entsprechen, den der Täter aus der Tat gezogen hat ([X.], Urteile vom 27. November 2013 – 3 StR 5/13, [X.]St 59, 80, 92; vom 19. Januar 2012 – 3 StR 343/11, [X.]St 57, 79, 82; Beschluss vom 27. Januar 2010 – 5 [X.], NJW 2010, 882, 884; LK-[X.]/[X.], aaO, § 73 Rn. 19; [X.] in [X.], Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Aufl., § 73 [X.] Rn. 23).

Wertsteigerungen, die der ursprünglich erlangte Gegenstand erfährt, nachdem der Täter diesen nicht mehr innehat, kommen dem Tätervermögen jedoch nicht mehr zugute. Würde man gleichwohl solche nachträglichen Wertzuwächse im Rahmen von § 73a [X.] aF berücksichtigen, orientierte sich die Abschöpfung an einem Wert, der von dem Täter zu keinem [X.]punkt seiner Verfügungsgewalt über das Erlangte hätte realisiert werden können (vgl. [X.], aaO; [X.]/[X.], aaO; [X.], aaO, [X.]; [X.], aaO, [X.]). Dies ginge aber über die genannte Zielsetzung des Verfalls – spiegelbildliche Abschöpfung illegitim erlangter Vermögensvorteile – hinaus. Eine solchermaßen verschärfte Haftung rechtfertigt sich auch nicht aufgrund des Rechtscharakters des [X.] nach § 73a [X.] aF, da dieses Institut lediglich der Lückenschließung für Fälle dient, in denen ein an sich zulässiger Verfall des erlangten [X.] aus bestimmten Gründen nicht möglich ist ([X.] in [X.]/[X.], aaO, § 73a Rn. 1; LK-[X.]/[X.], aaO, § 73a Rn. 2; [X.], aaO, [X.]; Sotiriadis, Die Entwicklung der Gesetzgebung über Gewinnabschöpfung und Geldwäsche, 2010, [X.]). Mit dieser bloßen [X.] ist eine über die illegitime Vermögensmehrung hinausgehende Haftung nicht vereinbar.

cc) Gemessen daran hätte die [X.] bei der Ermittlung des [X.]betrages nicht auf den Wert der Bitcoins, den diese zum [X.]punkt der Hauptverhandlung hatten, abstellen dürfen.

dd) Der vorliegenden Entscheidung steht nicht die zu § 401 der Reichsabgabenordnung ([X.]) ergangene Entscheidung des [X.] vom 27. August 1953 (1 StR 781/52, [X.]St 4, 305 ff.) entgegen. Die Vorschrift des § 401 [X.] ermöglichte in Abs. 1 die Einziehung der steuerpflichtigen Erzeugnisse und zollpflichtigen Waren, hinsichtlich derer eine Steuerhinterziehung begangen worden war, sowie der zur Tatbegehung genutzten Beförderungsmittel; Abs. 2 sah im Fall einer nicht mehr vollziehbaren Einziehung die Auferlegung einer Wertersatzleistung vor. Für die Bemessung dieser Wertersatzleistung war der [X.]punkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung als maßgeblich erachtet worden ([X.], aaO).

Hieraus ergibt sich keine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 GVG (vgl. auch [X.], aaO). Die Entscheidung vom 27. August 1953 betraf ein anderes, inzwischen aufgehobenes Gesetz. Das Verfallsrecht der §§ 73 ff. [X.] aF wurde dagegen erst durch das [X.] vom 4. Juli 1969 ([X.] I, [X.] ff.) zum 1. Januar 1975 eingeführt und geht in seinem Anwendungsbereich deutlich über die Einziehung nach § 401 [X.] hinaus. Zudem war die Einziehung nach § 401 [X.] – anders als der Verfall – als Nebenstrafe ausgestaltet (vgl. [X.], [X.], 2. Aufl. [1956], [X.] und 109).

c) Es kommt schließlich nicht mehr entscheidend darauf an, dass auch die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c [X.] aF durch das [X.] durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet, da es in Anwendung dieser Vorschrift lediglich den von ihm aufgrund der erlangten Bitcoins errechneten Betrag von 10.528.591,55 Euro auf zehn Millionen Euro reduziert, sich aber nicht in tragfähiger Weise damit auseinandergesetzt hat, ob der Wert des [X.] auch insoweit noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden ist (§ 73c Abs. 1 Satz 2 [X.]; zur Prüfungsreihenfolge [X.], Beschlüsse vom 16. Juli 2015 – 4 StR 265/15, [X.], 307; vom 21. März 2013 – 3 StR 52/13, [X.], 630; jeweils mwN).

Das [X.] hat seine Annahme, der Verfallsbetrag von zehn Millionen Euro sei noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden, allein auf die Erwägung gestützt, der Angeklagte habe Interesse an Immobilien in [X.], [X.] und [X.] bekundet. Aus dem bloßen, nicht näher spezifizierten Interesse an Immobilien ergibt sich jedoch nicht, dass der Angeklagte über erhebliche finanzielle Mittel verfügte.

5. a) Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat – mit Blick auf die Ausführungen des [X.]s auf [X.] – darauf hin, dass es auf die Möglichkeit der Anordnung eines unmittelbaren Verfalls von Bitcoins nach § 73 [X.] aF ohne Auswirkung ist, ob den Ermittlungsbehörden der private Schlüssel für das Wallet bekannt ist. Die Erlangung der faktischen Verfügungsgewalt über die Bitcoins setzt zwar die Kenntnis des privaten Schlüssels voraus; die mit einer [X.] verbundenen tatsächlichen Hindernisse betreffen aber allein die Vollstreckung der Verfallsentscheidung und lassen die Anordnung des Verfalls unberührt ([X.], Beschluss vom 27. Juli 2017 – 1 [X.], [X.], 401, 405; [X.], NStZ 2016, 441, 445).

b) Auch das neue Tatgericht wird bei den zu treffenden Verfallsentscheidungen das bis zum 1. Juli 2017 geltende Recht anzuwenden haben (vgl. [X.], Urteil vom 29. März 2018 – 4 StR 568/17, NJW 2018, 1831, 1832).

Sost-Scheible     

      

Franke     

      

Bender

      

Quentin     

      

Feilcke     

      

Meta

4 StR 569/17

06.06.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Landau (Pfalz), 2. Juni 2017, Az: 5 Js 68/16 - 1 KLs

§ 73a S 1 StGB vom 13.11.1998, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.06.2018, Az. 4 StR 569/17 (REWIS RS 2018, 8223)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8223

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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