Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2020, Az. 4 StR 336/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1627

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Gegenstand

Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Aussetzung der Hauptverhandlung wegen neu hervorgetretener Umstände


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2019 im Adhäsionsausspruch

a) dahin klargestellt, dass festgestellt ist, dass der Angeklagte verpflichtet ist, der Adhäsionsklägerin      [X.]Schadenersatz für sämtliche künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus den verfahrensgegenständlichen Taten vom 25. September 2017 und 1. Oktober 2017 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,

b) dahin abgeändert, dass Zinsen auf den der Adhäsionsklägerin       [X.]zuerkannten Betrag ab dem 8. Dezember 2018 und Zinsen auf den der Adhäsionsklägerin         [X.]     zuerkannten Betrag ab dem 11. Januar 2019 zu zahlen sind.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die durch die Adhäsionsverfahren der Adhäsionsklägerinnen [X.]und [X.]    entstandenen besonderen Kosten sowie die den Nebenklägern M.    und [X.].   und die den Neben- und Adhäsionsklägerinnen [X.]und [X.]    im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit leichtfertigem Verursachen des Todes einer Person durch Verabreichen von Betäubungsmitteln und wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzlichem Verabreichen von Betäubungsmitteln in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit schwerer Vergewaltigung, zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Es hat ferner die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Anordnung über die Reihenfolge der Vollstreckung getroffen. Ferner hat es ihn verurteilt, Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz an die Neben- und Adhäsionsklägerin [X.]ab dem 7. Dezember 2018 aus dem als Schmerzensgeld anerkannten Betrag von 8.000 [X.] und an die Neben- und Adhäsionsklägerin [X.]     ab dem 10. Januar 2019 aus dem als Schmerzensgeld zuerkannten Betrag in Höhe von 5.000 [X.] zu zahlen. Die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und führt zur Abänderung des Adhäsionsausspruchs im Zinsbeginn sowie zur Klarstellung hinsichtlich des Feststellungsausspruchs; im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] als unbegründet (§ 349 Abs. 2 [X.]).

2

1. Die Adhäsionsklägerinnen haben Anspruch auf [X.] aus den ihnen zuerkannten [X.] gemäß § 404 Abs. 2 [X.], § 291 Satz 1 BGB, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Dezember 2018 - 4 StR 292/18, juris, mwN).

3

Rechtshängigkeit ist mit Eingang des [X.] der Adhäsionsklägerin [X.] bei Gericht am 7. Dezember 2018 bzw. mit der Stellung des [X.] der Adhäsionsklägerin [X.]    am 10. Januar 2019 eingetreten, so dass [X.] ab dem 8. Dezember 2018 bzw. ab dem 11. Januar 2019 zu zahlen sind. Der [X.] hat die Entscheidung daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 [X.] abgeändert.

4

2. Der Feststellungsausspruch betreffend die Adhäsionsklägerin [X.]ist, wie der [X.] in seiner Antragsschrift vom 7. August 2019 zutreffend ausgeführt hat, klarstellend dahin zu ergänzen, dass sich die festgestellte Ersatzpflicht nur auf künftig entstehende Schäden bezieht.

5

3. Zu den Verfahrensrügen 2 und 4 (S. 13 ff. bzw. 31 ff. der [X.]) bemerkt der [X.] ergänzend zu den Ausführungen des [X.]:

6

a) Die Rüge der Verletzung von § 265 Abs. 3 [X.] ist nicht zulässig ausgeführt. Der Sache nach handelt es sich bei dem beanstandeten Hinweis der [X.] vom 23. Januar 2019 um einen Hinweis nach § 265 Abs. 1 [X.]. Dieser entspricht zwar nicht den Anforderungen, die die höchstrichterliche Rechtsprechung an den Inhalt eines Hinweises nach § 265 Abs. 1 [X.] stellt (vgl. [X.], Beschluss vom 17. Oktober 2006 - 4 [X.], [X.], 116 mwN). Zwar ist der Hinweis mit der Formulierung eingeleitet „In tatsächlicher Hinsicht kommt jeweils in Betracht“; er enthält aber im Weiteren ohne jeden [X.] und undifferenziert lediglich den zusammengefassten Gesetzestext von § 177 Abs. 2, 6 und 7 StGB. Eine Verletzung des § 265 Abs. 1 [X.] ist aber nicht gerügt, sondern ausdrücklich nur die Verletzung des § 265 Abs. 3 [X.]. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf Aussetzung der Hauptverhandlung nach § 265 Abs. 3 [X.] liegt indes nur vor, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des [X.] rechtsfehlerhaft verkannt wurden, obgleich ein normgemäß begründeter Antrag gegeben war (Löwe/[X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 265 Rn. 119; MüKo-[X.]/[X.], § 265 Rn. 76; SSW-[X.]/[X.]/[X.], 4. Aufl., § 265 Rn. 35). An letzterem fehlt es hier.

7

In dem in der Hauptverhandlung gestellten Aussetzungsantrag ist nicht konkret ausgeführt, welche neue Umstände (Tatsachen) hervorgetreten sind, die einen Aussetzungsanspruch nach § 265 Abs. 3 [X.] begründen. Der Aussetzungsantrag beschränkt sich auf das pauschale Bestreiten, dass der Angeklagte bei den Treffen mit den Nebenklägerinnen [X.] und [X.]    eine Waffe, ein gefährliches Werkzeug, ein Mittel oder sonst einen Gegenstand im Sinne von § 177 Abs. 7 StGB mit sich geführt habe. Es ist aber Sache des Antragstellers, im Aussetzungsantrag die neu hervorgetretenen Tatsachen bestimmt zu bezeichnen und deren Richtigkeit unter der Behauptung, auf die Verteidigung insoweit nicht genügend vorbereitet zu sein, zu bestreiten (vgl. [X.]sbeschluss vom 13. März 2018 - 4 StR 27/18, [X.], 558).

8

b) Auch die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 [X.]), weil die [X.] es unterlassen habe, den Sachverständigen Dr. P.    zur Erstattung eines ergänzenden Gutachtens hinsichtlich des Vorliegens der psychiatrischen Voraussetzungen des § 66 StGB, insbesondere eines Hanges im Sinne von § 66 Abs. 4 Nr. 4 StGB, unter Beachtung der von der [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen zur Verabreichung sedierender Substanzen durch den Angeklagten anzuhalten, ist nicht zulässig ausgeführt. Es mangelt sowohl an einer hinreichend konkreten Tatsachenbehauptung als auch an dem konkret zu erwartenden Beweisergebnis.

9

4. Der geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten gemäß § 473 Abs. 4 [X.] teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.

Sost-Scheible     

        

Roggenbuck     

        

Cierniak

        

Bender     

        

Feilcke     

        

Meta

4 StR 336/19

12.02.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Magdeburg, 28. Januar 2019, Az: 21 Ks 11/18

§ 265 Abs 1 StPO, § 265 Abs 3 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.02.2020, Az. 4 StR 336/19 (REWIS RS 2020, 1627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1627

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 443/20

GSSt 1/20

Zitiert

4 StR 292/18

4 StR 27/18

Zitieren mit Quelle:
x

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