Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.01.2023, Az. 2 A 4/22

2. Senat | REWIS RS 2023, 546

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Sachliche Zuständigkeit für Prüfungen am Zentrum für Nachrichtendienstliche Aus- und Fortbildung (ZNAF)


Leitsatz

Maßgeblich für die Bestimmung des Geschäftsbereichs des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO sind die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs des BND.

Tenor

Das [X.] erklärt sich für unzuständig.

Der Rechtsstreit wird an das sachlich zuständige [X.] verwiesen.

Gründe

I

1

Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen seiner Zwischenprüfung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im [X.]. Er begehrt die Zulassung zur Wiederholung der Zwischenprüfung.

2

Der Kläger war [X.] beim [X.] und nahm am Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst im [X.] teil. Mit Bescheid vom 28. Januar 2022 teilte der [X.] - Prüfungsamt am [X.] ([X.]) - dem Kläger mit, dass er die Zwischenprüfung nicht bestanden habe. Durch Bescheid vom 27. April 2022 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er aufgrund der in der Wiederholung erbrachten Leistungen die Zwischenprüfung endgültig nicht bestanden habe. Die Rechtsmittelbelehrung beider Bescheide verwies auf die Möglichkeit eines Widerspruchs zum [X.], die der Kläger jeweils wahrnahm.

3

Mit Bescheid vom 28. April 2022 teilte das [X.] dem Kläger mit, dass sein Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des Tages ende, an dem ihm das Schreiben über das endgültige Nichtbestehen der Zwischenprüfung für die Laufbahn des mittleren Dienstes im [X.] zugegangen sei.

4

Am 16. September 2022 hat der Kläger Klage zum [X.] erhoben und beantragt,

die Bescheide des [X.]es vom 28. Januar 2022 sowie vom 27. April 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger zur Wiederholung der Zwischenprüfung des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im [X.] zuzulassen.

5

Durch Widerspruchsbescheid vom 2. November 2022 hat der [X.] - Prüfungsamt am [X.] ([X.]) - die Widersprüche gegen die Bescheide vom 28. Januar und vom 27. April 2022 zurückgewiesen. Eine Rechtsmittelbelehrung - und damit die Angabe des für eine Klage zuständigen Gerichts - ist dem Bescheid nicht beigefügt. Der Kläger hat den Widerspruchsbescheid nachfolgend in die Klage einbezogen.

6

Mit Schriftsatz vom 3. November 2022 hat die Beklagte die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.] und in der Sache beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Es handle sich nicht um einen Vorgang im Geschäftsbereich des [X.]es im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.]. Der Kläger sei bis zu seinem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis dem [X.] zugehörig gewesen. Der Umstand, dass es sich beim [X.] um eine gemeinsame Ausbildungseinrichtung von [X.] und [X.] handle, rechtfertige keine andere Beurteilung; vielmehr handle es sich dabei um eine eigene Behörde. Da der Zuständigkeitsbereich des [X.] keinerlei örtlichen Bezug aufweise, richte sich die örtliche Zuständigkeit nach § 52 Nr. 4 Satz 2 [X.].

8

Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 29. November 2022 ist die Beklagte um Darlegungen zu Errichtung und Organisation des [X.] gebeten worden. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2022 hat die Beklagte hierzu Ausführungen gemacht und die Verwaltungsvereinbarung für die Zusammenarbeit des [X.]es und des Bundesamtes für [X.] am [X.] vorgelegt.

9

Der Kläger ist dem Verweisungsantrag mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2022 entgegengetreten. Das Prüfungsamt am [X.] sei als Behörde anzusehen, die jedenfalls auch im Geschäftsbereich des [X.]es liege.

II

Das [X.] ist für die Klage nicht zuständig, weil die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] nicht vorliegen. Der Rechtsstreit ist an das [X.] zu verweisen (§ 83 Satz 1 [X.] i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).

Nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] entscheidet das [X.] im ersten und letzten Rechtszug über Klagen, denen Vorgänge aus dem Geschäftsbereich des [X.]es ([X.]) zugrunde liegen. Mit dieser Sonderregelung der instanziellen Zuständigkeit soll den besonderen Geheimschutzinteressen des [X.] Rechnung getragen und der Gefahr des Bekanntwerdens sensibler Informationen vorgebeugt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, [X.]. 14/4659 [X.]). Zum Geschäftsbereich des [X.] gehören Vorgänge, für die nach dem einschlägigen Fachrecht eine Zuständigkeit des [X.] besteht (vgl. [X.], Beschluss vom 14. Januar 2021 - 6 AV 7.20 - juris Rn. 7; [X.], in: [X.], [X.], 2. Aufl. 2018, § 50 [X.] Rn. 19).

Diese Voraussetzungen sind für die auf eine Wiederholung der Zwischenprüfung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für den mittleren Dienst im [X.] gerichtete Klage nicht erfüllt. Weder ist der Kläger in dienstrechtlicher Hinsicht dem [X.] zugeordnet noch liegt in seiner Ausbildung eine fachlich dem [X.] übertragene Aufgabe. Dienst- und Ausbildungsbehörde für den Kläger ist gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 4 Nr. 1 der Verordnung über den Vorbereitungsdienst für den mittleren Dienst beim [X.] und den mittleren Dienst im [X.] (MD[X.]VerfSchVDV) vielmehr das [X.].

Ausweislich der von der Beklagten im Verfahren abgegebenen Stellungnahmen sind das [X.] sowie dessen Prüfungsamt zwar organisatorisch in den [X.] eingegliedert (vgl. hierzu auch § 1 Abs. 1 Satz 1 der am 1. September 2020 in [X.] getretenen Verwaltungsvereinbarung für die Zusammenarbeit des [X.]es und des Bundesamts für [X.] am [X.]). [X.] tatsächlich werden die Prüfungen am [X.] daher durch den [X.] organisiert und durchgeführt. An diese geübte Praxis kann für die Auslegung des Begriffs des Geschäftsbereichs im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] indes nicht angeknüpft werden, weil die Bestimmung des gesetzlichen Richters nicht der Behördenpraxis anheimgestellt sein kann (vgl. hierzu auch [X.], Urteil vom 30. Oktober 2018 - 2 A 1.18 - [X.] 316 § 48 VwVfG Nr. 143 Rn. 14). Maßgeblich für die Festlegung des Geschäftsbereichs im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] sind deshalb die gesetzlichen Regelungen zur Ausgestaltung des Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs des [X.].

Nur für diesen gesetzlich begründeten Geschäftsbereich ist auch die generelle Einschätzung spezifischer Geheimhaltungsinteressen "für Angelegenheiten des [X.]es" gerechtfertigt (vgl. [X.]. 14/7474 S. 14 f.). Dem entspricht, dass die Beklagte ausdrücklich klargestellt hat, dass ein Bekanntwerden der in dem Verfahren thematisierten Fragen zu Ausbildung und Prüfung im [X.] auch im Hinblick auf die damit möglichen (mittelbaren) Kenntnisse der für den [X.] maßgeblichen Ausbildung keine spezifischen Geheimhaltungsinteressen des [X.] berühren würde. In materieller Hinsicht stehen mithin keine Angelegenheiten im Streit, deren Geheimhaltungsbedürftigkeit eine sachliche Zuständigkeit des [X.]s nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] rechtfertigen würde.

Die sachliche Zuständigkeit folgt damit der allgemeinen Regelung aus § 45 [X.]. Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 52 Nr. 4 Satz 1 [X.]. Die Regelung ist weit zu verstehen und umfasst auch die auf die Entstehung oder den Fortbestand des Beamtenverhältnisses bezogenen Prüfungen (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 27. November 2008 - 4 S 2332/08 - juris Rn. 2; zur abweichenden Einordnung der zweiten juristischen Staatsprüfung [X.], Urteil vom 30. Juni 1972 - 7 [X.] 22.71 - [X.]E 40, 205 <207>). Da der Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 [X.] mit Ablauf des Tages aus dem Beamtenverhältnis entlassen war, an dem ihm das endgültige Nichtbestehen der gemäß § 41 Abs. 1 und § 46 MD[X.]VerfSchVDV i. V. m. § 17 Abs. 3 Nr. 2 [X.] vorgeschriebenen Zwischenprüfung bekanntgegeben worden ist, hatte er im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (vgl. [X.], Urteil vom 16. April 1970 - 8 [X.] 146.67 - [X.]E 35, 141 <142>) keinen dienstlichen Wohnsitz mehr. Örtlich zuständig ist damit das [X.], in dessen Bezirk der Kläger seinen bürgerlichen Wohnsitz hatte.

Der Rechtsstreit ist daher an das [X.] zu verweisen (vgl. § 83 Satz 1 [X.] i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG); die Beteiligten sind hierzu angehört worden.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt gemäß § 83 Satz 1 [X.] i. V. m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG der Schlussentscheidung vorbehalten.

Meta

2 A 4/22

10.01.2023

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: A

§ 50 Abs 1 Nr 4 VwGO, § 52 Nr 4 S 1 VwGO, § 83 S 1 VwGO, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 3 Abs 1 Nr 2 MDBNDVerfSchVDV, § 4 Nr 1 MDBNDVerfSchVDV, § 41 Abs 1 MDBNDVerfSchVDV, § 46 MDBNDVerfSchVDV

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.01.2023, Az. 2 A 4/22 (REWIS RS 2023, 546)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 546

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 A 2/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Übernahme vom Tarifangestellten- in das Beamtenverhältnis auf Probe nur bei besonderem Fachwissen


6 AV 7/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung für konsularische Hilfe wegen angeblicher Vorgänge im Geschäftsbereich des BND


6 A 5/09, 6 A 5/09 (6 PKH 29/09) (Bundesverwaltungsgericht)

Rechtsweg; Bundesnachrichtendienst; Vertrauensperson


7 C 18/14 (Bundesverwaltungsgericht)

Zugang zu von den Nachrichtendiensten stammenden Informationen bei anderen Behörden


2 A 9/16 (Bundesverwaltungsgericht)

Bewerbung um Einstellung als Tarifbeschäftigter beim BND; Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.