Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2021, Az. X R 14-16/20, X R 14/20, X R 15/20, X R 16/20

10. Senat | REWIS RS 2021, 1219

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 27.10.2021 - X R 28/20: Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei grenzüberschreitender Betätigung innerhalb der EU)


Leitsatz

NV: Vorsorgeaufwendungen, die bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit bereits vom Beschäftigungsstaat im Rahmen der Besteuerung der dort erzielten und im Inland steuerfreien Einnahmen zum Abzug zugelassen wurden, sind im Rahmen der inländischen Besteuerung nicht nochmals als Sonderausgaben zu berücksichtigen.

Tenor

Die Verfahren [X.], [X.]/20 und [X.]/20 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15.01.2020 - 1 K 1476/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 15.01.2020 - 1 K 1479/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 15.01.2020 - 1 K 1478/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten der Revisionsverfahren [X.] und [X.]/20 hat der Kläger allein, die Kosten des Revisionsverfahrens [X.]/20 haben die Kläger gemeinsam zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Ehegatten und wohnen im Inland. Für die Streitjahre 2013, 2015 und 2016 wurden sie jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt; für das Streitjahr 2014 erfolgte eine Zusammenveranlagung.

2

Der Kläger ist Freiberufler. Diese Tätigkeit übte er in den Streitjahren im Inland selbständig sowie in [X.] im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses aus. Als Arbeitnehmer unterlag er nach den Feststellungen des Finanzgerichts ([X.]) der luxemburgischen Sozialversicherungspflicht. In den Streitjahren entrichtete er folgende Beiträge:

        

   Rentenversicherung   

   Krankenversicherung   

   Pflegeversicherung   

   2013   

9.052,34 €

3.168,32 €

1.658,97 €

   2014   

9.220,92 €

3.425,32 €

1.820,14 €

   2015   

9.231,00 €

3.429,00 €

1.785,00 €

   2016   

9.214,00 €

3.422,00 €

1.594,00 €

3

Nach luxemburgischem Einkommensteuerrecht sind zwar Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung als Sonderausgaben abziehbar (Art. 110 Nr. 1 loi concernant l'impot sur le revenu), nicht aber solche zur Pflegeversicherung.

4

Den Arbeitslohn des [X.] stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) bei den Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre jeweils nach Art. 14 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. d des Abkommens zwischen der [X.] und dem Großherzogtum [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 23.04.2012 ([X.] 2014, 728, [X.], 21) --DBA [X.]-- unter Progressionsvorbehalt steuerfrei. Die vorgenannten Beiträge zur luxemburgischen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung berücksichtigte das [X.] nicht als Sonderausgaben. Hierauf lautende Änderungsanträge der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheide für 2013, 2014 und 2016 blieben ebenso erfolglos wie der insoweit geführte Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015.

5

Das [X.] hat den hiergegen erhobenen Klagen insoweit stattgegeben, als es das [X.] verpflichtete, die Einkommensteuerbescheide für die [X.], 2014 und 2016 dahingehend zu ändern, die in [X.] geleisteten Beiträge zur Pflegeversicherung als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzuerkennen. Für das Streitjahr 2015 änderte es den Einkommensteuerbescheid aus dem gleichen Grund. Für den darüber hinausgehend geltend gemachten Sonderausgabenabzug sämtlicher in [X.] entrichteten Sozialversicherungsbeiträge erkannte das [X.] keine Rechtsgrundlage. Ein Anspruch, die bereits in [X.] steuermindernd berücksichtigten Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung nochmals im Wohnsitzstaat abzuziehen, bestehe nicht.

6

Mit ihren Revisionen vertreten der bzw. die Kläger die Ansicht, die Anforderungen an die Ausnahme vom [X.] gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 Buchst. c EStG verstießen gegen die unionsrechtlich garantierte Arbeitnehmerfreizügigkeit und gegen die Grundsätze der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) in der Entscheidung [X.]/16 (Rs. [X.]). Selbst nur ein geringfügiger steuerlicher Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Beschäftigungsstaat führe unzulässigerweise zu einer Versagung des [X.] im Wohnsitzstaat. Wegen des Vorrangs des Unionsrechts vor nationalem Recht sei der Wortlaut des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG normerhaltend dahingehend zu reduzieren, dass die Voraussetzungen von Buchst. c der Vorschrift nicht zu beachten seien. Die hiermit verbundene doppelte steuerliche Berücksichtigung der Renten- und Krankenversicherungsbeiträge im [X.] sei hinzunehmen; dies sei lediglich Folge der parallelen Anwendung der Steuerrechtsvorschriften in [X.] und der [X.].

7

Der Kläger zu 1. beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil 1 K 1476/19, soweit der Klage nicht stattgegeben wurde, aufzuheben sowie das [X.] zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide für 2013 vom 15.12.2014 und für 2016 vom 20.12.2017 jeweils dahingehend zu ändern, dass weitere Sonderausgaben in Höhe von 12.221 € (2013) bzw. 12.635 € (2016) abgezogen werden;
das angefochtene Urteil 1 K 1479/19, soweit der Klage nicht stattgegeben wurde, aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 29.04.2016 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 27.06.2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom [X.] dahingehend zu ändern, dass weitere Sonderausgaben in Höhe von 12.660 € abgezogen werden.

8

Beide Kläger beantragen sinngemäß zudem,
das angefochtene Urteil 1 K 1478/19, soweit der Klage nicht stattgegeben wurde, aufzuheben sowie das [X.] zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 03.12.2015 dahingehend zu ändern, dass weitere Sonderausgaben in Höhe von 12.646 € abgezogen werden.

9

Das [X.] beantragt jeweils,
die Revision zurückzuweisen.

Das [X.] hält § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG nicht für unionsrechtswidrig. Ein doppelter Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Beschäftigungs- und Wohnsitzstaat müsse vermieden werden. Der vom [X.] bejahte Sonderausgabenabzug für die in [X.] geleisteten Beiträge zur dortigen Pflegeversicherung wirke sich auf die Höhe der bisherigen Steuerfestsetzungen für die Streitjahre nicht aus. Jene Beiträge fielen geringer aus als der bisher jeweils in Abzug gebrachte Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3, 3a EStG gemäß Abs. 4 Satz 2 der Vorschrift.

Entscheidungsgründe

I[X.]

Die na[X.]h § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 der Finanzgeri[X.]htsordnung ([X.]O) zu gemeinsamer Ents[X.]heidung verbundenen [X.]isionen sind unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 [X.]O zurü[X.]kzuweisen.

Das [X.] hat zu Re[X.]ht ents[X.]hieden, dass dem bzw. den Kläger(n) für die in [X.] entri[X.]hteten Beiträge zur Renten- sowie zur Krankenversi[X.]herung kein Sonderausgabenabzug zusteht. Die Beiträge unterliegen dem in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG geregelten Abzugsverbot (dazu unten 1.). Eine Ausnahme hiervon ergibt si[X.]h weder aus Teilsatz 2 der Vors[X.]hrift (unten 2.) no[X.]h aus der unionsre[X.]htli[X.]h garantierten Arbeitnehmerfreizügigkeit (unten 3.).

1. Die Beiträge des Klägers zur luxemburgis[X.]hen Rentenversi[X.]herung und zur dortigen Krankenversi[X.]herung unterfallen den [X.] des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 [X.]. a sowie Nr. 3 Satz 1 [X.]. a EStG. Über diese Einordnung besteht zwis[X.]hen den Beteiligten zu Re[X.]ht ebenso wenig Streit wie darüber, dass die grundsätzli[X.]hen Voraussetzungen des Auss[X.]hlusses eines [X.] na[X.]h § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG vorliegen. Diese Vors[X.]hrift s[X.]hließt zwe[X.]ks Vermeidung eines doppelten steuerli[X.]hen Vorteils (statt vieler Senatsurteil vom 05.11.2019 - X R 23/17, [X.], 34, [X.], 763, Rz 15, m.w.N.) den Abzug von Vorsorgeaufwendungen aus, wenn diese --wie vorliegend-- in unmittelbarem wirts[X.]haftli[X.]hen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Der Kläger bezog in den Streitjahren als in [X.] tätiger Arbeitnehmer Arbeitslohn, der na[X.]h Art. 14 Abs. 1 [X.] [X.] dem dortigen Besteuerungsre[X.]ht unterfiel und im Inland --wenn au[X.]h unter [X.] steuerfrei gestellt wurde (Art. 22 Abs. 1 [X.]. d [X.] [X.] i.V.m. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG).

2. Eine Ausnahme vom Auss[X.]hluss des [X.] kommt na[X.]h der einfa[X.]hgesetzli[X.]hen Re[X.]htslage ni[X.]ht in Betra[X.]ht.

a) § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG bestimmt, dass Vorsorgeaufwendungen [X.] 1 Nr. 2, 3 und Nr. 3a der Vors[X.]hrift ungea[X.]htet eines unmittelbaren wirts[X.]haftli[X.]hen Zusammenhangs mit steuerfreien Einnahmen als Sonderausgaben zu berü[X.]ksi[X.]htigen sind, soweit sie in unmittelbarem wirts[X.]haftli[X.]hen Zusammenhang mit in einem Mitgliedstaat der [X.] oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäis[X.]hen Wirts[X.]haftsraum oder in der [X.] erzielten Einnahmen aus ni[X.]htselbständiger Tätigkeit stehen ([X.]. a der Vors[X.]hrift), diese Einnahmen na[X.]h einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ([X.]) im Inland steuerfrei sind ([X.]. b) und der Bes[X.]häftigungsstaat keinerlei steuerli[X.]he Berü[X.]ksi[X.]htigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt ([X.]. [X.]). Diese in Reaktion auf das [X.]-Urteil [X.] vom 22.06.2017 - [X.]/16 ([X.]:[X.], [X.], 1271) dur[X.]h das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im [X.] und zur Änderung weiterer steuerli[X.]her Vors[X.]hriften vom 11.12.2018 ([X.], 2338) eingefügte Ausnahme vom [X.]verbot ist für alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes no[X.]h offenen Fälle und damit au[X.]h im Streitfall anwendbar (§ 52 Abs. 18 Satz 4 EStG).

b) Im Streitfall sind zwar --ohne dass dies näher ausgeführt werden müsste-- die in [X.]. a und b des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG benannten Anforderungen erfüllt, ni[X.]ht aber diejenigen des [X.]. [X.]. Denn bei der vorliegend gebotenen versi[X.]herungsspartenspezifis[X.]hen Betra[X.]htung (vgl. hierzu ausführli[X.]h Senatsurteil vom 27.10.2021 - X R 11/20, Rz 39 ff.) lässt der Bes[X.]häftigungsstaat [X.] die vorliegend streitigen Beiträge zur Renten- und zur Krankenversi[X.]herung im Rahmen der Besteuerung der dort erzielten Einnahmen in vollem Umfang zum Abzug zu.

3. Für die geforderte no[X.]hmalige Berü[X.]ksi[X.]htigung der vorgenannten Aufwendungen bei der inländis[X.]hen Besteuerung besteht --wie vom [X.] zutreffend erkannt-- keine Re[X.]htsgrundlage. Ein sol[X.]her Anspru[X.]h ergibt si[X.]h insbesondere ni[X.]ht aus dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsre[X.]hts vor nationalem Re[X.]ht (vgl. hierzu u.a. Urteile des Bundesfinanzhofs --[X.]-- in [X.], 34, [X.], 763, Rz 44; vom 20.09.2006 - I R 113/03, [X.], 220, unter [X.]; vom 22.07.2008 - VIII R 101/02, [X.], 453, BStBl II 2010, 265, unter [X.]). Weder erweisen si[X.]h die Anforderungen an die Ausnahme vom [X.]verbot gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG im vorliegenden Einzelfall als unionsre[X.]htswidrig (unten a) no[X.]h können die Kläger aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit das Re[X.]ht herleiten, Vorsorgeaufwendungen staatenübergreifend mehrfa[X.]h in Abzug zu bringen (unten b).

a) Der Senat muss ni[X.]ht ents[X.]heiden, ob § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 [X.]. [X.] unionsre[X.]htswidrig ausgestaltet ist und daher --wie die Kläger meinen-- ni[X.]ht anzuwenden wäre. Hierfür könnte zwar spre[X.]hen, dass der Wortlaut der Norm ("keinerlei") selbst betragsmäßig kleinste Entlastungen im Bes[X.]häftigungsstaat für ein [X.]verbot im Inland genügen lässt und dies mit dem Postulat des [X.], im Li[X.]hte der Arbeitnehmerfreizügigkeit die gesamte persönli[X.]he und familiäre Situation des Steuerpfli[X.]htigen im Ganzen gebührend zu berü[X.]ksi[X.]htigen (u.a. [X.]-Urteil [X.] vom [X.], [X.]:C:2002:750, Rz 101, Slg. 2002, I-11819), in Konflikt treten könnte (vgl. bereits Senatsurteil in [X.], 34, [X.], 763, Rz 56; insoweit einen Unionsre[X.]htsverstoß annehmend Förster, [X.] Steuerre[X.]ht --DStR-- 2018, 1405, 1410; ebenso [X.], [X.] 2020, 651, 653; s.a. [X.] in [X.], EStG, 20. Aufl., § 10 Rz 35b: mindestens 90 % effektive Gesamtentlastung). Allerdings ist diese Frage für den Streitfall ni[X.]ht ents[X.]heidungserhebli[X.]h. Die vorliegende Konstellation zei[X.]hnet si[X.]h vielmehr dur[X.]h das Gegenteil einer Minimalentlastung aus. Denn es steht ni[X.]ht im Streit, dass in [X.] bei der Besteuerung der dort erzielten Einnahmen aus ni[X.]htselbständiger Tätigkeit die Beiträge zur Renten- und zur Krankenversi[X.]herung in vollem Umfang abgezogen werden können. Aus diesem Grund entspri[X.]ht die Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 [X.]. [X.] jedenfalls für den vorliegend zu ents[X.]heidenden Fall exakt den Anforderungen, die der [X.] aufgestellt hat, um den Wohnsitzstaat von dessen primärer Pfli[X.]ht zur steuerli[X.]hen Berü[X.]ksi[X.]htigung der persönli[X.]hen und familiären Situation zu entbinden (vgl. hierzu Urteile [X.], [X.]:C:2002:750, Rz 101, Slg. 2002, I-11819; [X.] und Gar[X.]et vom 12.12.2013 - C-303/12, [X.]:C:2013:822, Rz 70, 73, Hö[X.]hstri[X.]hterli[X.]he Finanzre[X.]htspre[X.]hung 2014, 183, sowie [X.], [X.]:[X.], Rz 74, [X.], 1271; s. zudem Senatsurteil in [X.], 34, [X.], 763, Rz 31).

b) Der von den Klägern verfolgte Anspru[X.]h ergibt si[X.]h au[X.]h ni[X.]ht aus der unionsre[X.]htli[X.]h gewährleisteten Arbeitnehmerfreizügigkeit.

aa) Art. 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] (A[X.]V) verbietet dem Wohnsitzstaat nur eine steuerli[X.]he S[X.]hle[X.]hterstellung des grenzübers[X.]hreitend bes[X.]häftigten Arbeitnehmers im Verglei[X.]h zu einem im Inland tätigen Arbeitnehmer. Sie gebietet es aber ni[X.]ht, diejenigen Vorsorgeaufwendungen, die bereits der Bes[X.]häftigungsstaat im Zuge der dortigen Besteuerung gebührend zum Abzug zulässt, no[X.]hmals im Wohnsitzstaat zu berü[X.]ksi[X.]htigen. Von diesem Grundsatz ist der erkennende Senat bereits in seiner Ents[X.]heidung vom 18.04.2012 - X R 62/09 ausgegangen ([X.], 434, [X.], 721, Rz 40, unter Hinweis auf das [X.]-Urteil [X.] vom 19.11.2009 - [X.]/08, [X.]:C:2009:719, Rz 51, 74, Slg. 2009, [X.]; vgl. au[X.]h Förster, DStR 2018, 1405, 1409; Kulosa in [X.]/[X.]/Raupa[X.]h, § 10 EStG, [X.] 2019, Rz J 18-4; [X.]/[X.], EStG, 40. Aufl., § 10 Rz 136 a.E.).

bb) Hiergegen lassen si[X.]h ni[X.]ht die Erwägungen des [X.] Senats des [X.] in dessen Vorlagebes[X.]hluss an den [X.] vom 16.09.2015 - I R 62/13 ([X.]E 251, 204, [X.], 205) anführen. Zwar hat der [X.] Senat dort die Ansi[X.]ht vertreten, eine zweimalige Berü[X.]ksi[X.]htigung von Vorsorgeaufwendungen sei nur die Folge der parallelen Anwendung der Steuerregelungen im [X.] sowie im Bes[X.]häftigungsstaat und wäre daher unionsre[X.]htli[X.]h ni[X.]ht unzulässig (dort Rz 41). Diese Auffassung ist allerdings im Kontext der seinerzeit geltenden nationalen Re[X.]htslage zu würdigen, na[X.]h der --anders als nunmehr-- ein inländis[X.]her Sonderausgabenabzug von Vorsorgeaufwendungen bei steuerfreien Einnahmen unabhängig von einer steuerli[X.]hen Entlastung im Bes[X.]häftigungsstaat ausges[X.]hlossen war (ebenso [X.] Mün[X.]hen, Urteil vom 07.08.2020 - 1 K 1501/18, Ents[X.]heidungen der Finanzgeri[X.]hte 2021, 626, [X.]. I R 55/20). Dass au[X.]h der [X.] Senat die damaligen Erwägungen im Hinbli[X.]k auf § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG für zeitli[X.]h überholt ansieht, ergibt si[X.]h aus dessen Ents[X.]heidung vom 13.04.2021 - I R 19/19 ([X.]/NV 2021, 1357). Dort hat der [X.] Senat verdeutli[X.]ht, dass das Unionsre[X.]ht den Wohnsitzstaat weder auf [X.] des [X.] no[X.]h im Rahmen des [X.] verpfli[X.]hte, (Alters-)Vorsorgeaufwendungen, deren Berü[X.]ksi[X.]htigung dur[X.]h ein [X.] dem besteuernden Bes[X.]häftigungsstaat übertragen worden sei, no[X.]hmals im Rahmen der inländis[X.]hen Besteuerung zum Abzug zuzulassen (dort Rz 21, 26). Der hiermit einhergehende Auss[X.]hluss eines doppelten Abzugs derselben Vorsorgeaufwendungen gilt zur Überzeugung des erkennenden Senats ebenso, wenn --wie im [X.] die Entpfli[X.]htung des Wohnsitzstaats darauf beruht, dass der Bes[X.]häftigungsstaat außerhalb einer bi- oder multilateralen Übereinkunft die steuerli[X.]he Entlastung des Arbeitnehmers übernimmt.

4. Die Ents[X.]heidung des [X.], für die Beiträge des Klägers zur luxemburgis[X.]hen Pflegeversi[X.]herung einen Sonderausgabenabzug zuzulassen, hat für die vorliegenden Verfahren keine Relevanz. Die hierfür zugrunde gelegten Erwägungen sind zwar der Sa[X.]he na[X.]h zutreffend (vgl. Senatsurteil vom 27.10.2021 - X R 11/20, Rz 39 ff.). Ebenso trifft aber der Hinweis des [X.] zu, dass denno[X.]h die Einkommensteuer für die Streitjahre ni[X.]ht herabzusetzen sei. Das [X.] hatte nämli[X.]h für Vorsorgeaufwendungen i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a EStG bereits die in Abs. 4 Sätze 2 und 3 der Vors[X.]hrift festgelegten Hö[X.]hstbeträge von 1.900 € (Jahre 2013, 2015 und 2016) bzw. 3.800 € (2014) berü[X.]ksi[X.]htigt. Die vom [X.] zusätzli[X.]h anerkannten Pflegeversi[X.]herungsbeiträge (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]. b EStG) wirkten si[X.]h daher steuerli[X.]h ni[X.]ht mehr aus. Au[X.]h die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG lagen ni[X.]ht vor. Die Klagen hätten somit --anders als vom [X.] tenoriert-- abgewiesen werden müssen. Eine revisionsre[X.]htli[X.]he Korrektur unterbleibt allerdings, da das [X.] wegen fehlender steuerli[X.]her Auswirkungen die Ents[X.]heidungen ni[X.]ht angefo[X.]hten hat.

5. Die Kostenents[X.]heidung beruht jeweils auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

6. Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündli[X.]he Verhandlung ents[X.]heiden (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 [X.]O).

Meta

X R 14-16/20, X R 14/20, X R 15/20, X R 16/20

10.11.2021

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 15. Januar 2020, Az: 1 K 1476/19, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 2 S 1 Buchst a EStG 2009, § 10 Abs 1 Nr 3 S 1 EStG 2009, § 10 Abs 2 S 1 Nr 1 Teils 1 EStG 2009 vom 11.12.2018, § 10 Abs 2 S 1 Nr 1 Teils 2 EStG 2009 vom 11.12.2018, Art 45 AEUV, Art 14 Abs 1 DBA LUX 2012, Art 22 Abs 1 Buchst d DBA LUX 2012, § 32b Abs 1 S 1 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015, EStG VZ 2016

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 10.11.2021, Az. X R 14-16/20, X R 14/20, X R 15/20, X R 16/20 (REWIS RS 2021, 1219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1219

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