Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2018, Az. 1 StR 108/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 8981

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Gegenstand

Tatförderung durch „Dabeisein“ nur bei genauen Feststellungen


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. November 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in vollem Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2

1. Das [X.] hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3

Der nicht revidierende Mitangeklagte [X.]beschloss, den ihm über [X.] bekannten Geschädigten [X.]in dessen Wohnung zu überfallen und unter Vorhalt eines Messers zu berauben oder zu erpressen. [X.]weihte den Angeklagten in den von ihm geplanten Überfall ein, wobei das [X.] sich nicht davon überzeugen konnte, dass er dem Angeklagten mitteilte oder diesem sonst vorab bekannt wurde, dass ein Messer zum Einsatz kommen sollte. Der Angeklagte billigte den Überfall in dem ihm geschilderten Umfang und vereinbarte mit [X.]  , dass er den Überfall absichern werde. Beide kamen überein, der Angeklagte solle zum Haus des Geschädigten [X.]     mitkommen, davor warten und gegebenenfalls in dessen Wohnung nachkommen, sofern [X.]  die Unterstützung des Angeklagten anfordern und diesem die Tür zur Wohnung öffnen sollte.

4

Am 8. Mai 2017 nach 20.15 Uhr begaben sich [X.]  und der Angeklagte gemeinsam zur Wohnung des Zeugen [X.]     . Beide postierten sich gegen 22.00 Uhr getrennt voneinander vor dem Mehrfamilienhaus, in dem der Geschädigte [X.] wohnte. Der Geschädigte [X.] holte [X.]  unten vor der Haustür ab und nahm ihn mit in seine Wohnung, wo beide zunächst eine Flasche Wein tranken, rauchten und sich unterhielten. Nach den Feststellungen ließ sich [X.]  hierfür etwa eine Dreiviertelstunde Zeit, um die Lage zu sondieren. Der vor der Haustür stehende Angeklagte wurde des Wartens überdrüssig; er schrieb mehrere [X.] an [X.] und rief diesen mehrfach auf dem Mobiltelefon an, ohne dass [X.]  die Anrufe annahm. Der Angeklagte verließ in der Folge seinen Posten vor der Haustür, was er [X.]  um 23.01 Uhr per [X.] mitteilte. [X.]  hatte erst danach Gelegenheit, die [X.] des Angeklagten zu lesen. Er erkannte, dass der Angeklagte ihn nicht mehr durch persönliches Eingreifen in der Wohnung würde unterstützen können, und führte die Tat sodann alsbald durch.

5

Die Strafkammer hat angenommen, der Angeklagte habe [X.] nicht nur im [X.] verbal und durch zeitweises [X.] vor dem Haus in seinem [X.] bestärkt, sondern dies habe auch die Tat in ihrem konkreten Ablauf beeinflusst und gefördert.

6

2. Die Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zum Raub nicht, denn es ist nicht durch konkrete Fakten belegt, inwieweit der Angeklagte die Tat eines anderen gefördert oder erleichtert hat.

7

Wegen Beihilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen [X.] und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr.; [X.], Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 2 StR 58/15, [X.], 343, 344 und vom 4. Februar 2016 - 1 [X.], [X.], 136, 137; Urteil vom 16. Januar 2008 - 2 [X.], [X.], 284 mwN). Die bloße Kenntnis von der Begehung der Tat und deren Billigung ohne einen die Tat objektiv fördernden Beitrag reicht allerdings nicht aus, um die Annahme von Beihilfe zu begründen. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann zwar schon ein bloßes „Dabeisein“ die Tatbegehung im Sinne aktiven Tuns fördern oder erleichtern (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 2 StR 505/11, [X.], 287; Urteil vom 10. Februar 1982 - 3 [X.], [X.] 1982, 517, 518). In derartigen Fällen bedarf es aber sorgfältiger und genauer Feststellungen darüber, dass und wodurch die Tatbegehung in ihrer konkreten Gestaltung objektiv gefördert oder erleichtert wurde, und dass der Gehilfe sich dessen bewusst war ([X.], Beschlüsse vom 13. Januar 1993 - 3 [X.], [X.], 233 und vom 24. März 1993 - 2 StR 99/93, [X.], 385).

8

Vorliegend ist nicht hinreichend belegt, inwieweit die (spätere) Haupttat durch die Anwesenheit des Angeklagten vor der Haustür allein im [X.] sowie durch das Senden von [X.] und die Anrufe bei dem Haupttäter [X.] , die diesen nicht erreicht haben, konkret gefördert oder erleichtert wurde. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte habe dadurch den Haupttäter [X.] in seinem [X.] bestärkt, findet in den Urteilsgründen keine ausreichende Grundlage. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass nicht festgestellt ist, dass der Angeklagte zuvor aktiv in die Planung der Tat involviert war. Auch der Inhalt der Absprachen zwischen dem Angeklagten und [X.] ist nicht beweiswürdigend unterlegt. Überdies ist nicht belegt, dass und inwieweit der Angeklagte den Haupttäter [X.] nach Verlassen seines Postens vor der Haustür weiter unterstützt haben könnte. Die schlichte Behauptung der Strafkammer, der Angeklagte habe [X.] im [X.] der Haupttat ein erhöhtes Sicherheitsgefühl verschafft, das dieser zum längeren Sondieren der Lage genutzt habe, und habe diesen dadurch - gleichsam fortwirkend - in seinem [X.] bestärkt ([X.], 26), reicht insoweit nicht aus; diese Umstände sind ihrerseits nicht beweiswürdigend belegt.

9

3. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die Feststellungen insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht neue widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen.

Raum     

        

Jäger     

        

Radtke

        

Fischer     

        

Hohoff     

        

Meta

1 StR 108/18

17.05.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 14. November 2017, Az: 18 KLs 112 Js 44740/17

§ 27 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.05.2018, Az. 1 StR 108/18 (REWIS RS 2018, 8981)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8981

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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