Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2015, Az. 2 StR 58/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8467

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Gegenstand

Unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen einer Beihilfehandlung


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. August 2014, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.

I.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s erwarb der nicht revidierende Mitangeklagte [X.] Kokain sowie 755,2 Gramm [X.] zum gewinnbringenden Weiterverkauf. Er versteckte die Drogen an verschiedenen Stellen in seiner Wohnung, wo sie am 24. Oktober 2013 bei einer Wohnungsdurchsuchung aufgefunden wurden. In der Wohnung nächtigte zu diesem Zeitpunkt neben weiteren Personen auch der Angeklagte. Er hatte sich schon zuvor auf Bitten des [X.]bereit erklärt, einen Teil des [X.] zu übernehmen und zu diesem Zweck 10 [X.] mit insgesamt 8,69 Gramm Kokain in seinem [X.] im Schlafzimmer gelagert.

3

2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Zwar habe er Kenntnis davon gehabt, dass [X.]Betäubungsmittel in der Wohnung gelagert habe, die er verkaufen wollte. Er habe [X.]aber weder unterstützt noch dies vorgehabt.

II.

4

Das Urteil hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

5

1. Die den Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

6

Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatgerichts; der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt aber, ob diesem dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 30. März 2004 - 1 [X.], [X.] 2004, 238; Urteil vom 2. Dezember 2005 - 5 [X.], [X.], 925, 928). So liegt es hier:

7

Dass sich der Angeklagte bereit erklärt hat, einen Teil des [X.] zu übernehmen, steht zur Überzeugung des [X.]s aufgrund des Umstands fest, dass 10 [X.] in einer Schrankabtrennung gefunden wurden, in der sich auch der Ausweis des Angeklagten befand. Die Einlassung des Angeklagten sowie des Wohnungsinhabers [X.], es habe keine feste Zuteilung der Schrankabtrennungen gegeben, hat das Gericht als reine Schutzbehauptung bewertet, die lebensfremd erscheine.

8

Diese Überzeugungsbildung des [X.]s ist lückenhaft. Das [X.] ist offenkundig davon ausgegangen, dass in einer Wohnung vorhandene Schrankfächer nach allgemeiner Lebenserfahrung den einzelnen Nutzern einer Wohnung fest zugeteilt werden. Schon das Bestehen eines solchen Erfahrungssatzes erscheint zweifelhaft. Jedenfalls aber hätte sich das Gericht mit tatsächlichen Umständen auseinandersetzen müssen, die einen solchen Erfahrungssatz hier in Frage stellen können. Solche Umstände waren vorliegend gegeben, denn zum Zeitpunkt der Wohnungsdurchsuchung hielten sich in der Wohnung neben dem Angeklagten und dem Wohnungsinhaber [X.]regelmäßig noch drei weitere Personen auf. Die Küche war provisorisch eingerichtet, alle fünf Personen schliefen auf am Boden liegenden Matratzen. Der Schrank, in dem sich die [X.] befanden, bestand aus vier Abtrennungen. Für die [X.] bestand daher hinreichend Anlass, insbesondere die vorgefundene Wohnsituation sowie die Existenz von nur vier Schrankabtrennungen für fünf Personen in die Beweiswürdigung einzustellen. Der [X.] kann nicht ausschließen, dass das [X.] schon unter Berücksichtigung dieser Umstände zu einer anderen Überzeugung gelangt wäre.

9

2. Dessen ungeachtet tragen die landgerichtlichen Feststellungen auch nicht den Schuldspruch, denn hinsichtlich der Beihilfehandlung des Angeklagten fehlen ausreichende Feststellungen zum äußeren und inneren Tatgeschehen.

Als Gehilfe wird gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe leistet. Diese Hilfeleistung muss sich auf die Begehung der Haupttat zwar nicht kausal auswirken; erforderlich ist aber, dass sie die Haupttat zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen [X.] und Beendigung in irgendeiner Weise erleichtert oder fördert (st. Rspr., vgl. [X.]surteil vom 16. Januar 2008 - 2 [X.], [X.], 284 mwN).

Feststellungen dazu hat das [X.] nicht getroffen. Die knappen Ausführungen, der Angeklagte habe sich an dem späteren Verkauf der 10 [X.] beteiligen wollen, belegen für sich genommen keine tatsächlich erfolgte Förderung oder Erleichterung der Haupttat. Zwar kann eine Haupttat in Ausnahmefällen auch schon durch das bloße Bereiterklären späterer Unterstützung gefördert oder erleichtert werden. Aber auch die Voraussetzungen einer solchen psychischen Beihilfe sind nicht belegt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Angeklagte den Haupttäter [X.]durch seine Zusage, ihm beim späteren Abverkauf zu unterstützen, in seinem [X.] bestärkt oder ihm ein erhöhtes Sicherheitsgefühl gegeben hätte.

Eine bloß versuchte Beihilfe ist demgegenüber straflos. Auch eine Verurteilung nach § 30 Abs. 2 StGB (Verabredung zu einem Verbrechen) käme nur dann in Betracht, wenn der in Aussicht genommene Tatbeitrag des Angeklagten täterschaftliche Qualität erreichen sollte. Ist seine Mitwirkung - wie hier - im Falle der Durchführung nur als die eines Gehilfen zu werten, bleibt er insoweit straffrei ([X.]surteil vom 31. Oktober 2001 - 2 [X.], [X.], 74, 75).

Da indes nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein neuer Tatrichter noch ergänzende Feststellungen zur Beihilfehandlung des Angeklagten - jedenfalls aber zu den Voraussetzungen eines möglichen Besitzes von Betäubungsmitteln - treffen kann, verweist der [X.] die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Tatgericht zurück.

Fischer     

     Eschelbach     

Ott

Ri[X.] [X.] ist wegen
Urlaubs an der Unterschrift
gehindert.

Bartel     

Fischer

Meta

2 StR 58/15

09.07.2015

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aachen, 14. August 2014, Az: 98 KLs 901 Js 51/14 - 1/14

§ 29 BtMG, § 29a BtMG, § 27 Abs 1 StGB, § 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.07.2015, Az. 2 StR 58/15 (REWIS RS 2015, 8467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8467

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