Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.11.2014, Az. V S 30/14

5. Senat | REWIS RS 2014, 1258

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Kindergeld - Streitwert bei einer Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung


Leitsatz

NV: Nach der bis zum 31. Juli 2013 geltenden Rechtslage bemisst sich der Streitwert --in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung-- bei einer Verpflichtungsklage gegen die Ablehnung einer Kindergeldfestsetzung nach der Summe der streitigen Kindergeldbeträge (Anschluss an BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, BFHE 247, 119) .

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) hatte am 12. Oktober 2010 die Festsetzung von Kindergeld für seine vier in der [X.] lebenden minderjährigen Kinder bei der Beklagten, Beschwerdegegnerin und Antragsgegnerin (Familienkasse) beantragt.

2

Gegen die ablehnende Entscheidung der Familienkasse erhob er Klage beim Finanzgericht ([X.]). Mit dieser begehrte er den Ablehnungsbescheid vom 16. November 2010 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18. Januar 2011 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für seine vier Kinder festzusetzen.

3

Das [X.] wies die Klage durch Urteil vom 17. Januar 2013  2 K 544/11 Kg ab, ohne die Revision zuzulassen. Die am 3. April 2013 eingelegte Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wies der [X.] ([X.]) durch Beschluss vom 15. Januar 2014 V B 37/13 als unbegründet zurück.

4

Die Kostenstelle des [X.] hat in der Kostenrechnung vom 3. Februar 2014 dem Verfahren wegen Nichtzulassung der Revision einen Streitwert von 3.092 € zu Grunde gelegt.

5

Der Kläger hat demgegenüber unter Hinweis auf den [X.]-Beschluss vom 24. Mai 2000 VI S 4/00 ([X.]E 192, 19, [X.], 544) die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 12.479 € beantragt.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision wird auf 3.092 € festgesetzt.

7

1. Der nach Beseitigung rechnerischer Ungenauigkeiten auf eine Streitwertfestsetzung von 15.460 € gerichtete Antrag ist zulässig.

8

Nach § 63 Abs. 2 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) setzt in der Finanzgerichtsbarkeit das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstands durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse dies beantragt oder das Gericht sie für angemessen erachtet. Das nach ständiger Rechtsprechung des [X.] erforderliche besondere Rechtsschutzbedürfnis (z.B. [X.]-Beschluss vom 17. November 2011 IV S 15/10, [X.]E 235, 122, [X.], 246, m.w.N.) ergibt sich daraus, dass der III. [X.] des [X.] seine Rechtsprechung --mit Zustimmung des [X.]. [X.]s des [X.]-- bei der Bestimmung des Streitwerts in Fällen vorliegender Art geändert hat ([X.]-Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, [X.]E 247, 119, juris, Rz 12 und 23).

9

2. Der Streitwert ist für Fälle vorliegender Art --in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des [X.]-- nach § 52 Abs. 3 i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 in der für den Streitfall gültigen Fassung (GKG) zu bestimmen.

a) Maßgeblich für die Streitwertermittlung ist das durch den [X.] nach § 52 Abs. 3 GKG zu bestimmende Klägerinteresse.

Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist der Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert (§ 47 Abs. 3 GKG). Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG bestimmt sich der Streitwert im Rechtsmittelverfahren nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Fehlt es --wie hier-- an [X.], weil das [X.] allein darauf gerichtet ist, die Zugangsschranke (Nichtzulassung der Revision) zur Revisionsinstanz zu beseitigen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 3), ist nach § 47 Abs. 1 Satz 2 GKG die Beschwer maßgebend.

Die Beschwer des Rechtsmittelführers (hier des [X.]) ergibt sich regelmäßig aus dem (ganzen) Umfang des Unterliegens in der Vorinstanz, d.h. aus einem Vergleich der dort gestellten Anträge und der Entscheidung des [X.] ([X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 [X.]O Rz 114; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 135 Rz 103). Demnach ist bei unverändertem Streitgegenstand und vollem Unterliegen des [X.] in der Vorinstanz der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens mit dem Streitwert des ersten Rechtszugs identisch (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 19. April 2012 II E 3/12, [X.]/NV 2012, 1167, unter Rz 8, m.w.N.).

Der Streitwert des ersten finanzgerichtlichen Rechtszugs bestimmt sich nach § 52 Abs. 1 GKG. Danach ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des [X.] für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des [X.] --wie im [X.] eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG); diese Regelung geht § 52 Abs. 1 GKG vor ([X.]-Beschluss in [X.]/NV 2012, 1167, unter Rz 9 f.).

b) Im Streitfall betrifft der Antrag des [X.] in der Vorinstanz einen auf eine bezifferte Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt (§ 52 Abs. 3 GKG). Für den Streitwert sind ausschließlich die Kindergeldansprüche des Streitzeitraums maßgeblich.

aa) Das [X.] kann den Anspruch auf Kindergeld grundsätzlich nur in dem zeitlichen Umfang in zulässiger Weise zum Gegenstand einer Inhaltskontrolle machen, in dem die Familienkasse den Kindergeldanspruch geregelt hat (zeitlicher Regelungsumfang). Dabei umfasst ein mit einer Verpflichtungsklage angegriffener Ablehnungsbescheid eine Regelung des [X.] ab dem Monat der Ablehnung bis längstens zum Ende des Monats der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Urteil vom 24. Juli 2013 XI R 24/12, [X.]/NV 2013, 1920, unter Rz 19, und [X.]-Beschluss vom 12. November 2013 [X.] B 94/13, [X.]/NV 2014, 176, unter Rz 6 f., für Ablehnungsbescheide; [X.]-Urteil vom 5. Juli 2012 V R 58/10, [X.]/NV 2012, 1953, unter Rz 14, für Aufhebungsbescheide).

bb) Die bisherige Rechtsprechung, wonach sich der Streitwert in [X.] --wie beantragt-- nach dem Jahresbetrag des Kindergelds zuzüglich der Summe des im Streit befindlichen Kindergelds bis zur Einreichung der Klage richte (vgl. [X.]-Beschlüsse in [X.]E 192, 19, [X.], 544, vom 14. Dezember 2001 [X.] B 285/01, [X.]/NV 2002, 534, juris Rz 8, und vom 28. Oktober 2011 III S 25/11, Zeitschrift für Steuern und Recht 2011, [X.]), hat der III. [X.] des [X.] --mit Zustimmung des [X.]. [X.]s des [X.]-- durch Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14 ([X.]E 247, 119, juris Rz 23) aufgegeben. Der beschließende [X.] schließt sich --im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen in der Rechtsprechung (vgl. dazu [X.]-Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, [X.]E 247, 119, juris Rz 9 ff.)-- der geänderten Auffassung aus den im Beschluss des [X.] vom 2. Oktober 2014 III S 2/14 ([X.]E 247, 119, juris Rz 12 ff.) genannten Gründen an.

3. Nach diesen Maßstäben ist der Streitwert nach den bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung streitigen Kindergeldansprüchen auf 3.092 € festzusetzen.

a) Mit der Verpflichtungsklage begehrt der Kläger die Festsetzung von Kindergeld für den Streitzeitraum Oktober 2010 bis Januar 2011 (vier Monate).

Nachdem der Kläger im Klageverfahren --ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 17. Januar 2013-- Kindergeld erst ab dem Monat Oktober 2010 begehrte, muss der [X.] nicht darüber entscheiden, ob der Ablehnungsbescheid der Familienkasse vom 16. November 2010 möglicherweise eine Regelung auch für Zeiträume vor Oktober 2010 betraf. Der streitige Zeitraum endet im Monat der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, also im Monat Januar 2011.

b) Für die Bestimmung des Streitwerts ist die Höhe des Kindergelds nach § 66 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung maßgeblich. Dieses beträgt im Streitzeitraum monatlich für das erste und zweite Kind jeweils 184 €, für das dritte Kind 190 € und für das vierte und jedes weitere Kind 215 €.

Unerheblich ist deshalb, dass sowohl im Urteil als auch in der Sitzungsniederschrift die Anträge dahingehend lauten, dass für drei Kinder ein Kindergeldbetrag in Höhe von 154 € und für das vierte Kind ein erhöhter Betrag von 179 € zu leisten ist. Insoweit hat das [X.] lediglich die Kindergeldbeträge i.S. des § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG in einer für den Streitzeitraum nicht maßgeblichen Fassung beziffert.

c) Danach ergibt sich ein für vier Kinder --jeweils vier Monate umfassender-- streitiger Kindergeldbetrag in Höhe von insgesamt 3.092 € [(184 € für das erste und zweite Kind, 190 € für das dritte Kind und 215 € für das vierte Kind = 773 € pro Monat) x 4 Monate].

Dieser Streitwert erhöht sich nicht deshalb, weil in [X.] bei einer objektiven Klagehäufung der in § 52 Abs. 4 GKG geregelte [X.] mehrfach angesetzt werden müsste ([X.]-Beschluss vom 2. Oktober 2014 III S 2/14, [X.]E 247, 119, juris Rz 26 f.).

4. Gerichtsgebühren für die Streitwertfestsetzung fallen nicht an, da es an einem entsprechenden Gebührentatbestand im GKG fehlt (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 18. Oktober 2012 IV S 17/12, [X.]/NV 2013, 248, unter 3.).

5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG i.V.m. § 128 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung).

Meta

V S 30/14

18.11.2014

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

§ 47 Abs 1 S 1 GKG, § 47 Abs 1 S 2 GKG vom 05.05.2004, § 47 Abs 3 GKG vom 05.05.2004, § 52 Abs 1 GKG, § 52 Abs 3 GKG vom 05.05.2004, § 52 Abs 4 GKG, § 63 Abs 2 S 2 GKG, § 66 Abs 3 S 3 GKG, § 71 Abs 1 S 2 GKG, § 66 Abs 1 S 1 EStG 2009, § 128 Abs 4 FGO, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.11.2014, Az. V S 30/14 (REWIS RS 2014, 1258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1258

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

III R 25/15 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld: Streitgegenstand einer (Untätigkeits-)Klage gegen einen Kindergeld-Ablehnungsbescheid; Pflegekinder - Haushaltsaufnahme nicht zu Erwerbszwecken


V R 27/14 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld: Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bei mehraktiger Ausbildung


XI B 77/14 (Bundesfinanzhof)

(Kindergeldanspruch: Wegfall der Arbeitsuchendmeldung des Kindes - Teilweise Revisionszulassung bei teilbarem Streitgegenstand - Kostenentscheidung - …


XI R 19/14 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld: Ausbildungsdienststelle als regelmäßige Arbeitsstätte


XI R 23/12 (Bundesfinanzhof)

Kindergeld: Vorrangige Anspruchsberechtigung des im anderen EU Mitgliedstaat lebenden Elternteils - Rechtsschutzbedürfnis


Referenzen
Wird zitiert von

11 Ko 1250/23

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.