Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2010, Az. III ZR 260/09

3. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 1102

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Gegenstand

Kapitalanlagebetrug im Zusammenhang mit der Beteiligung an einen Filmfonds: Vorsatznachweis bei unterlassenen für die Anlageentscheidung bedeutenden Angaben im Emissionsprospekt


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Teilurteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 11. September 2009 - 20 U 1566/09 - gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu binnen eines Monats nach Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

1

Der Kläger erwarb durch auf Abschluss einer "Beitrittsvereinbarung" gerichtete Erklärung vom 26. Juni 2000 eine Beteiligung an der [X.] in Höhe von 50.000 DM zuzüglich 5 % Agio, die er zum Teil durch Aufnahme eines Darlehens finanzierte. Der Beitritt wurde - dem von der [X.] zu 3, der Komplementärin der Beteiligungsgesellschaft, herausgegebenen Prospekt entsprechend - über die Beklagte zu 1, eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, als Treuhandkommanditistin nach einem im Prospekt Teil B abgedruckten Vertragsmuster "Treuhandvertrag und Mittelverwendungskontrolle" vorgenommen. Zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos aus der Filmvermarktung war im Emissionsprospekt vorgesehen, dass für einen Anteil von 80 % der Produktionskosten Sicherheiten bestehen sollten, etwa in Form von Ausfallversicherungen. Nachdem Produktionen nicht den erwünschten wirtschaftlichen Erfolg hatten, erwies sich der Versicherer, die [X.], nach Eintreten der Versicherungsfälle als zahlungsunfähig. Insgesamt erhielt der Kläger aus der Beteiligung Ausschüttungen von 26,3 %, das sind 6.723,46 €.

2

Der Kläger hat neben der Treuhandkommanditistin deren Geschäftsführer, den [X.] zu 2, die Beklagte zu 3 und deren Geschäftsführer, den [X.] zu 4, und den [X.] zu 5, neben dem [X.] zu 4 Gesellschafter der Komplementärin und seinerzeit zugleich Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der [X.] und [X.] (im Folgenden: [X.]), auf Rückzahlung des eingezahlten Betrags unter Berücksichtigung der erlangten Ausschüttung und der durchgeführten Fremdfinanzierung in Anspruch genommen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung aller Ansprüche aus der Beteiligung.

3

Das [X.] hat dem Hilfsantrag gegen die Beklagte zu 1 in Höhe von 15.722,04 € nebst Zinsen entsprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren ist über das Vermögen der [X.] zu 3 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das [X.] hat die Beklagte zu 1 nach teilweiser Umstellung der Klageanträge durch Teilurteil zur Zahlung von 17.813,84 € nebst Zinsen und zur Freistellung des [X.] von allen unmittelbaren und mittelbaren Verbindlichkeiten aus dem aufgenommenen Darlehen verurteilt; die Berufung der [X.] zu 1 und die weitergehende Berufung des [X.] hat es zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihren Revisionen begehren die Beklagte zu 1 die Abweisung der Klage und der Kläger - nach Rücknahme seines Rechtsmittels gegenüber dem [X.] zu 2 - auf deliktsrechtlicher Grundlage die Verurteilung der [X.] zu 4 und 5. In Bezug auf die Beklagte zu 1 ist das Revisionsverfahren nach § 240 Satz 2 ZPO unterbrochen, nachdem durch Beschlüsse des Insolvenzgerichts vom 30. Juli 2010 und 5. August 2010 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und der [X.] zu 1 ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt worden ist.

II.

4

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision des [X.] liegen im Streitfall nicht mehr vor. Denn der [X.] hat in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 ([X.], [X.], 1537 Rn. 35 ff) im Einzelnen dazu Stellung genommen, welche Anforderungen an den Vorsatz für die Annahme eines [X.] nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 264a StGB und für eine sittenwidrige Schädigung nach § 826 BGB zu stellen sind. Die von der Revision gewünschte Überprüfung führt zu keinem anderen Ergebnis.

5

2. Das Berufungsgericht hat richtig entschieden.

6

a) Das Berufungsgericht verneint eine Haftung der [X.] zu 4 und 5, weil es an hinreichendem Vortrag und Beweis für den erforderlichen Vorsatz fehle. Der Einwand der [X.], sie seien davon ausgegangen, dass der Gesamtbetrag der im Investitionsplan ausgewiesenen [X.] nicht überschritten werde und dass lediglich im Prospekt vorgesehene und auch erbrachte Leistungen vergütet würden, sei nicht widerlegt. Da es eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Verpflichtung, über die Abweichung einzelner Budgetposten vom Investitionsplan aufzuklären, zur [X.] [X.] im Juni 2000 noch nicht gegeben habe, die [X.] außerdem fachkundigen Rechtsrat eingeholt hätten und bis zur Entscheidung des [X.] vom 29. Mai 2008 ([X.], NJW-RR 2008, 1129) in einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen die in Rede stehende Aufklärungspflicht verneint worden sei, fehle es jedenfalls an der subjektiven Tatseite eines Anlagebetrugs beziehungsweise einer vorsätzlichen Beihilfe dazu und einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung.

7

b) Diese Beurteilung wird von der Revision nur insoweit angegriffen, als es um die unterlassene Aufklärung über die personelle und kapitalmäßige Verflechtung der [X.] mit der Komplementärin in der Person des [X.] zu 5 geht. Die Revision beanstandet insoweit die Zugrundelegung eines unrichtigen Verschuldensmaßstabs. Da es um die Verletzung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes gehe, sei die sogenannte Schuldtheorie anzuwenden, nach der nur ein unvermeidbarer Verbotsirrtum den Täter entlaste. In dieser Beziehung habe das Berufungsgericht jedoch keine Feststellungen getroffen. Da der [X.] in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 befunden habe, ein [X.] habe nicht ohne Fahrlässigkeit davon ausgehen dürfen, dass die der [X.] gewährten [X.] für die Anleger ohne Interesse seien ([X.], aaO Rn. 41), könne ein Irrtum der [X.] zu 4 und 5 nicht unvermeidbar sein. Dass sie insoweit unter Offenlegung der Fakten Rechtsrat eingeholt hätten, sei von ihnen nicht einmal behauptet worden.

8

Diese Überlegungen stellen die angefochtene Entscheidung nicht in Frage.

9

aa) Im Ausgangspunkt zutreffend bezieht sich die Revision auf die Rechtsprechung des [X.], wonach im Zivilrecht zum Vorsatz das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit gehört, so dass bei einem Verbotsirrtum die Haftung entfällt, während bei Anwendung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes ein Verbotsirrtum nur dann entlastet, wenn er unvermeidbar ist (§ 17 StGB; vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1984 - [X.], NJW 1985, 134, 135 m.w.N.).

bb) Im vorliegenden Fall ging es um die bis zum [X.]surteil vom 29. Mai 2008 ([X.] aaO) noch nicht behandelte und vom Kläger auch erst danach aufgeworfene Frage, ob die mit der Komplementärin bestehende Verflechtung der [X.] und die mit ihr verknüpften [X.] auch dann prospektpflichtig sind, wenn der Prospekt über die der Komplementärin gewährten [X.] hinreichend und zutreffend aufklärt (vgl. hierzu [X.]surteil vom 15. Juli 2010 - [X.], [X.], 1641 Rn. 11-14) und die der [X.] gewährten [X.] betragsmäßig in diesen enthalten sind. Der [X.] hat diese von ihm bejahte Frage in seinen Urteilen vom 29. Mai 2008 (aaO Rn. 25) und 12. Februar 2009 ([X.]/08, NJW-RR 2009, 613 Rn. 25) zunächst nur knapp behandelt und gegen erhobene Einwände in seinem Urteil vom 15. Juli 2010 ([X.], aaO Rn. 23-25) eingehend hierzu Stellung genommen.

Der [X.] hat offen gelassen, ob insoweit das Verschweigen einer nachteiligen Tatsache im Sinne des § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorliegt und der objektive Tatbestand dieser Norm erfüllt ist (Urteil vom 15. Juli 2010 - [X.], aaO Rn. 36). Er hat sich auch nicht näher dazu geäußert, ob dem dortigen [X.], der die Angabe für nicht prospektpflichtig gehalten hatte, ein Tatbestandsirrtum oder ein Verbotsirrtum unterlaufen ist. Auch wenn man - was nicht zweifelsfrei ist - von einem Verbotsirrtum ausgeht, hält der [X.] einen entsprechenden Irrtum der [X.] für unvermeidbar. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die [X.] fachkundigen Rechtsrat eingeholt. Auch wenn sich die dieser Feststellung zugrunde liegende Behauptung der [X.] weitgehend darauf bezog, dass der Prospekt mit Beratung von renommierten fachkundigen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern herausgegeben worden sei, und die Beratung nicht gezielt die hier in Rede stehende Frage zum Gegenstand hatte, entschuldigt dies die [X.] hinreichend. Zwar hatten sie - der Beklagte zu 4 als Geschäftsführer der Prospektherausgeberin und der Beklagte zu 5 nach dem Vorbringen des [X.] als möglicher Hintermann - eine Verantwortung für die Erstellung eines ordnungsgemäßen Prospekts. Als juristische Laien hatten sie aber vor dem Hintergrund der Einschaltung von Beratern und des seinerzeitigen Stands der Rechtsprechung keinen hinreichenden Anlass anzunehmen, sie müssten, um sich nicht strafbar zu machen, über [X.] der [X.] informieren, die vollständig in den prospektierten [X.]n der Komplementärin enthalten waren und daher - bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise - von den Anlegern zur Kenntnis genommen werden konnten. Dass sie eine darüber hinausgehende Kenntnis gehabt hätten, zeigt die Revision nicht auf.

[X.]

                  Seiters                         [X.]

Meta

III ZR 260/09

24.11.2010

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 11. September 2009, Az: 20 U 1566/09, Teilurteil

§ 823 Abs 2 BGB, § 17 StGB, § 264a StGB, § 286 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.11.2010, Az. III ZR 260/09 (REWIS RS 2010, 1102)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1102

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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