Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2024, Az. VII ZB 54/21

7. Zivilsenat | REWIS RS 2024, 1045

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Gegenstand

Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen nach Abtretung und Rückabtretung der zu vollstreckenden Forderung


Leitsatz

Die Feststellung der Identität zwischen dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger und dem im Vollstreckungsbescheid genannten Titelgläubiger hat nach dem Grundsatz des formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens aufgrund eines formalen Vergleichs zu erfolgen. Die Abtretung des titulierten Anspruchs ändert diese vollstreckungsrechtliche Lage nicht.

Der im Titel genannte Gläubiger behält das Recht zur Zwangsvollstreckung, bis es aufgrund einer Klauselerteilung an den neuen Gläubiger auf diesen übergegangen oder die Zwangsvollstreckung des ursprünglichen Gläubigers nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt worden ist (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 2. Februar 2017 - I ZR 146/16, MDR 2017, 542).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 10. August 2021 - 7 T 298/21- aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

1

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts C.   vom 17. Januar 2005 über eine Teilhauptforderung in Höhe von 525 €. Der Vollstreckungsbescheid weist als Anspruchsinhaberin die "Q.   AG" aus. Ausweislich eines Handelsregisterauszugs des Amtsgerichts F.  entstand die Gläubigerin durch formwechselnde Umwandlung der "Q.   AG" in die "Q.   GmbH" gemäß Umwandlungsbeschluss vom 13. Dezember 2005.

2

Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich angeblicher Forderungen des Schuldners gegen eine Bank. Zu diesem Antrag trägt die Gläubigerin vor:

3

Die in dem Vollstreckungsbescheid titulierte Forderung gegen den Schuldner habe sie an die G.  F.        AG in E.  abgetreten. Diese habe die Forderung an die C.   E.   Limited in I.   abgetreten, die wiederum die Forderung an sie zurückabgetreten habe. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - E.  vom 1. September 2009 habe der Insolvenzverwalter bestätigt, dass sich die Forderung gegen den Schuldner in ihrem freien Vermögen befinde. Eine Titelumschreibung auf einen neuen Gläubiger sei nicht erfolgt.

4

Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat den Antrag der Gläubigerin auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, aufgrund der von der Gläubigerin dargelegten Ringabtretung bestünden Zweifel an der Parteiidentität. Zudem sei aus den vorgelegten Unterlagen nicht zweifelsfrei zu erkennen, ob die titulierte Forderung von der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters umfasst sei. Die dagegen von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.

II.

5

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Gläubigerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.

6

1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin sei zulässig, aber unbegründet. Die als allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung erforderliche Gläubigeridentität (§ 750 Abs. 1 ZPO) sei nicht gewahrt. Zwar sei davon auszugehen, dass die formwechselnde Umwandlung der Q.   AG in die Q.   GmbH die Identität der Gläubigerin unberührt gelassen habe und eine Rechtsnachfolgeklausel aufgrund dieser Umwandlung nicht erforderlich gewesen sei.

8

Allerdings ergebe sich die Notwendigkeit einer Rechtsnachfolgeklausel aus den von der Gläubigerin selbst vorgetragenen Abtretungen ihrer Forderung und der letztendlich erfolgten Rückübertragung an sie. Damit stimme sie zwar streng formal nach wie vor mit der im Vollstreckungstitel ausgewiesenen Gläubigerin überein. Dieser Betrachtung stehe aber entgegen, dass sie selbst vortrage, ihre Forderung zwischenzeitlich verloren zu haben. Sie mache die Forderung deshalb nicht als Inhaberin des Titels, sondern als Rechtsnachfolgerin nach den zwischenzeitlichen Forderungsinhaberinnen geltend. Rechtsnachfolgerin sei nämlich auch die ursprüngliche, im Titel genannte Gläubigerin, die die Forderung abgetreten, aber durch Rückabtretung wiedererlangt habe. Dies gelte unabhängig davon, ob zwischenzeitlich für eine andere Person eine Rechtsnachfolgeklausel erteilt worden sei oder nicht. Auch ohne eine den zwischenzeitlichen Rechtsverlust deutlich machende Rechtsnachfolgeklausel bleibe es dabei, dass die im Titel genannte Gläubigerin nach einer Abtretung und Rückabtretung die Forderung nicht mehr als Titelinhaberin, sondern als Rechtsnachfolgerin geltend mache.

9

Die Frage der Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Geltendmachung der Forderung bedürfe vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung.

2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung kann der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht zurückgewiesen werden.

a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die formwechselnde Umwandlung der Q.   AG in die Q.   GmbH (§ 226, §§ 238 ff. UmwG) die Identität der Gläubigerin unberührt gelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 2004 - IXa ZB 262/03, DGVZ 204, 73, juris Rn. 8; Beschluss vom 14. Januar 2016 - V ZB 148/14 Rn. 11, MDR 2016, 909).

b) Unzutreffend ist dagegen die Auffassung, dass es an der Vollstreckungsvoraussetzung des § 750 Abs. 1 Satz 1 bereits deshalb fehlt, weil die Gläubigerin die zu vollstreckende Forderung abgetreten hatte und aufgrund einer Rückabtretung wieder Inhaberin der Forderung geworden ist.

aa) Nach § 750 Abs. 1 Satz 1 ZPO darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind. Diese Vorschrift findet auf Vollstreckungsbescheide mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass diese einer Vollstreckungsklausel nur bedürfen, wenn für einen anderen als den in dem Bescheid bezeichneten Gläubiger oder gegen einen anderen als den in dem Bescheid bezeichneten Schuldner vollstreckt werden soll (§ 794 Abs. 1 Nr. 4, § 795 Satz 1, § 796 Abs. 1 ZPO).

Die Feststellung der Identität zwischen dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger und dem im Vollstreckungsbescheid genannten Titelgläubiger hat nach dem Grundsatz des formalisierten Zwangsvollstreckungsverfahrens aufgrund eines formalen Vergleichs zu erfolgen. Demgegenüber hat das Vollstreckungsorgan nicht zu prüfen, wer materiell-rechtlich Inhaber des titulierten Anspruches ist. Die Abtretung des titulierten Anspruchs ändert diese vollstreckungsrechtliche Lage nicht. Der im Titel genannte Gläubiger behält das Recht zur Zwangsvollstreckung, bis es aufgrund einer Klauselerteilung an den neuen Gläubiger auf diesen übergegangen oder die Zwangsvollstreckung durch den ursprünglichen Gläubiger nach § 767 ZPO für unzulässig erklärt worden ist (BGH, Beschluss vom 2. Februar 2017 - I ZR 146/16 Rn. 9, MDR 2017, 542).

bb) Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass die den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragende Gläubigerin identisch mit der im Vollstreckungsbescheid ausgewiesenen Titelgläubigerin ist. Einer weiteren Prüfung bedarf es trotz der von der Gläubigerin dargelegten Abtretungen und der Rückabtretung an sie daher nicht. Sollte - entgegen dem Vortrag der Gläubigerin - zugunsten der Abtretungsempfänger eine Vollstreckungsklausel nach § 796 Abs. 1, § 727 ZPO erteilt worden sein, ist der Schuldner vor einer doppelten Zwangsvollstreckung dadurch hinreichend geschützt, dass er die Zwangsvollstreckung des ursprünglichen Gläubigers nach § 794 Abs. 1 Nr. 4, § 795 Satz 1, § 767 Abs. 1 ZPO für unzulässig erklären lassen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Februar 2017 - I ZR 146/16 Rn. 10, MDR 2017, 542; Urteil vom 26. Oktober 1984 - V ZR 218/83, BGHZ 92, 347, juris Rn. 8).

III.

Der angegriffene Beschluss ist deshalb aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Beschwerdegericht offengelassen und keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der begehrten Zwangsvollstreckung die Insolvenzeröffnung entgegensteht.

Pamp     

      

Halfmeier     

      

Jurgeleit

      

Graßnack     

      

Borris     

      

Meta

VII ZB 54/21

17.01.2024

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Lübeck, 10. August 2021, Az: 7 T 298/21

§ 750 Abs 1 S 1 ZPO, § 767 ZPO, § 794 Abs 1 Nr 4 ZPO, § 795 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.01.2024, Az. VII ZB 54/21 (REWIS RS 2024, 1045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 1045

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I ZR 146/16

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