Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.03.2018, Az. I B 63/17

1. Senat | REWIS RS 2018, 11914

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Gegenstand

Darlegung eines Unionsrechtsverstoßes - Vorabentscheidungsersuchen an EuGH


Leitsatz

1. NV: Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgrund Verstoßes einer Vorschrift (hier: § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem sog. Auslandstätigkeitserlass des BMF) gegen eine unionsrechtliche Grundfreiheit (hier: Arbeitnehmerfreizügigkeit) geltend, muss er auch erläutern, inwiefern der Anwendungsbereich der betreffenden Grundfreiheit im konkreten Fall eröffnet ist .

2. NV: Die Abweichung des angefochtenen Urteils von einer in einem Vorabentscheidungsersuchen eines anderen nationalen Gerichts an den EuGH vertretenen Rechtsauffassung ermöglicht keine Revisionszulassung wegen Rechtsprechungsdivergenz .

Tenor

Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 13. Juni 2017  12 K 576/15 wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der im Inland wohnende Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist pensionierter Beamter und erhält als solcher Versorgungsbezüge. Im Streitjahr (2011) war der Kläger aufgrund eines befristeten [X.] mit der inländischen I-GmbH im [X.] als Berater in Zusammenhang mit einem von der [X.] ([X.]) geförderten Projekt zum Aufbau einer funktionierenden Verwaltung tätig. Im Streitjahr bezog der Kläger für diese Tätigkeit eine Vergütung von ... €.

2

In seiner Einkommensteuererklärung gab der Kläger die von der I-GmbH bezogene Vergütung als nach § 34c Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) i.V.m. Abschn. I Nr. 4 des sog. [X.]es --ATE-- (Schreiben des [X.] --BMF-- vom 31. Oktober 1983 über die steuerliche Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten, BStBl I 1983, 470) steuerfreien Arbeitslohn an; er berücksichtigte den Betrag aber im Rahmen des [X.] bei der Bestimmung des Steuersatzes. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) war demgegenüber der Auffassung, die Tätigkeit des [X.] sei nicht durch den [X.] begünstigt, weil das Projekt nicht von der [X.] öffentlichen Entwicklungshilfe gefördert worden sei. Das [X.] bezog die Vergütung daher in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein und erließ einen entsprechenden Änderungsbescheid.

3

Der Kläger ist der Auffassung, die Beschränkung des [X.]es auf von der [X.] öffentlichen Entwicklungshilfe geförderte Tätigkeiten verstoße gegen Unionsrecht; auch von der [X.] geförderte Tätigkeiten müssten in die Begünstigung einbezogen werden. Seine Klage blieb jedoch ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Köln hat sie mit Urteil vom 13. Juni 2017  12 K 576/15 als unbegründet abgewiesen, ohne die Revision zuzulassen.

4

Der Kläger beantragt mit seiner Beschwerde, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.

5

Das [X.] beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

6

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) dargelegt.

7

1. Der Kläger beruft sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) und stellt in diesem Zusammenhang die Frage zur Prüfung, ob § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. Abschn. I Nr. 4 [X.] unionsrechtswidrig sei, weil er die Steuerfreistellung auf eine Auslandstätigkeit für einen inländischen Auftragnehmer in Zusammenhang mit der [X.] öffentlichen Entwicklungshilfe beschränke, während der Auftragnehmer eines anderen [X.] oder die öffentliche Entwicklungshilfe eines anderen [X.] oder einer Institution der [X.] diese Begünstigung nicht beanspruchen könne.

8

a) Wird die Unvereinbarkeit einer Rechtsnorm mit dem Unionsrecht geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer u.a. substantiiert darlegen, mit welcher Vorschrift des Unionsrechts die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Norm seiner Ansicht nach unvereinbar ist. Dies erfordert eine Auseinandersetzung mit den Vorgaben des Unionsrechts und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) sowie des [X.] --[X.]-- ([X.] vom 9. November 2007 IV B 169/06, [X.], 390) und ggf. auch eine Befassung mit der dazu vom [X.] im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung.

9

b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Insbesondere fehlt es an einer Subsumtion der Gegebenheiten des Streitfalls unter die Tatbestandsvoraussetzungen der angeblich verletzten unionsrechtlichen Grundfreiheit.

Der Kläger bezieht sich in erster Linie auf das [X.]-Urteil [X.] vom 28. Februar 2013 [X.]/11 ([X.]:C:2013:124, [X.], 847), dem zufolge § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. Abschn. I Nr. 4 [X.] gegen die Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] --A[X.]V--, Amtsblatt der [X.] 2008, Nr. [X.], 47) verstößt, soweit danach Einkünfte einer im Inland wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz im Inland hat, aber nicht, wenn er seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der [X.] hat. Hieraus leitet der Kläger ab, dass auch die im Streitfall in Rede stehende weitere Voraussetzung des Abschn. I Nr. 4 [X.], wonach die Steuerbefreiung auf von der [X.] öffentlichen Entwicklungshilfe geförderte Tätigkeiten beschränkt und daher nicht auf von Institutionen der [X.] geförderte Tätigkeiten anwendbar sei, nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei.

Jedoch geht der Kläger in der [X.] nicht auf die Frage ein, inwiefern nach den konkreten Gegebenheiten des Streitfalls überhaupt der Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 A[X.]V (oder einer anderen Grundfreiheit) eröffnet ist. Ausführungen hierzu sind aber insbesondere deshalb geboten, weil der Ausgangssachverhalt des Streitfalls sich von dem Sachverhalt unterscheidet, über den der [X.] in dem Urteil [X.] ([X.]:C:2013:124, [X.], 847) entschieden hat. Im Fall des [X.]-Urteils war ein in der [X.] unbeschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer von seinem in einem anderen [X.]-Mitgliedstaat ([X.]) ansässigen Arbeitgeber in einen [X.] ([X.]) entsandt worden. Der [X.] hat den für den Anwendungsbereich des Art. 45 A[X.]V erforderlichen Bezug zum Unionsrecht in jenem Fall darin gesehen, dass der dortige Kläger, der in einem Mitgliedstaat gewohnt habe, von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat angestellt worden sei, für das er seine Tätigkeiten ausgeübt habe; zudem sei der dortige Arbeitsvertrag mit einem Unternehmen mit Sitz in [X.] nach [X.] Recht geschlossen worden ([X.]-Urteil [X.], [X.]:C:2013:124, [X.], 847, Rz 42). Demgegenüber ist im Streitfall ein vergleichbarer Bezug zu einem anderen [X.]-Mitgliedstaat nicht erkennbar. Denn das Arbeitsverhältnis des im Inland wohnenden Klägers bestand mit einem ebenfalls im Inland ansässigen Arbeitgeber und der Kläger war ausschließlich in einem [X.] tätig. Eine Befassung mit dieser Thematik in der Beschwerdebegründung war zudem deshalb veranlasst, weil das [X.] die Anwendbarkeit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten gerade wegen des im Streitfall fehlenden [X.]-Auslandsbezugs angelehnt hat.

2. Als weiteren Zulassungsgrund macht der Kläger geltend, das [X.]-Urteil weiche von dem dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:C:2013:124, [X.], 847) zugrunde liegenden Vorabentscheidungsersuchen des [X.] Rheinland-Pfalz vom 18. März 2011  4 K 2249/08 (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2012, 131) ab. Er trägt dazu vor, aus jenem Vorabentscheidungsersuchen ergebe sich mittelbar, dass aus Sicht des [X.] Rheinland-Pfalz das Erfordernis der Förderung durch die [X.] öffentliche Entwicklungshilfe unionsrechtskonform dahin ausgelegt werden müsse, dass es nicht auf die [X.] öffentliche Entwicklungshilfe beschränkt sei.

Die Abweichung des [X.]-Urteils von der in einem Vorabentscheidungsersuchen eines anderen nationalen Gerichts an den [X.] gemäß Art. 267 A[X.]V vertretenen Rechtsauffassung kann indessen schon grundsätzlich die Zulassung der Revision nicht tragen (vgl. auch [X.] vom 23. April 2009 X B 229/08, juris, zu einem Vorlagebeschluss an den [X.] des [X.] nach § 11 [X.]O). Der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 2 [X.]O setzt in der Fallgruppe der [X.] die Abweichung des angefochtenen Urteils von einer anderen gerichtlichen Entscheidung über die nämliche Rechtsfrage voraus. Mit einem Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 A[X.]V "entscheidet" das vorlegende Gericht jedoch nicht über Rechtsfragen, was schon daraus zu ersehen ist, dass das Gericht in seinem späteren Urteil in dieser Sache nicht an die von ihm in dem Vorabentscheidungsersuchen vertretenen [X.] gebunden ist.

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I B 63/17

21.03.2018

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend FG Köln, 13. Juni 2017, Az: 12 K 576/15, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 34c Abs 5 EStG 2009, Art 45 AEUV, Art 267 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.03.2018, Az. I B 63/17 (REWIS RS 2018, 11914)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 11914

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