Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 13.07.2021, Az. I R 20/18

1. Senat | REWIS RS 2021, 4137

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Gegenstand

(Vereinbarkeit der Verwaltungspraxis nach Abschn. I Nr. 4 ATE i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG mit dem Unionsrecht)


Leitsatz

Es wird nach Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu folgender Frage eingeholt:

Sind Art. 4 Abs. 3 EUV und Art. 208 i.V.m. Art. 210 AEUV dahingehend auszulegen, dass sie einer einzelstaatlichen Verwaltungspraxis entgegenstehen, nach der ein Steuerverzicht nicht in Fällen ausgesprochen wird, in denen ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit durch den Europäischen Entwicklungsfonds finanziert wird, während unter bestimmten Voraussetzungen auf die Besteuerung des Arbeitslohns verzichtet wird, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit erzielt, die zu mindestens 75 % durch ein für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges Bundesministerium oder aber durch eine staatseigene private Entwicklungshilfegesellschaft finanziert wird?

Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Es wird nach Art. 267 des [X.] Arbeitsweise der [X.] eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu folgender Frage eingeholt:

Sind Art. 4 Abs. 3 des [X.] [X.] und Art. 208 in Verbindung mit Art. 210 des [X.] Arbeitsweise der [X.] dahingehend auszulegen, dass sie einer einzelstaatlichen Verwaltungspraxis entgegenstehen, nach der ein Steuerverzicht nicht in Fällen ausgesprochen wird, in denen ein Projekt der Entwicklungszusammenarbeit durch den [X.] finanziert wird, während unter bestimmten Voraussetzungen auf die Besteuerung des Arbeitslohns verzichtet wird, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der [X.] öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit erzielt, die zu mindestens 75 % durch ein für die Entwicklungszusammenarbeit zuständiges Bundesministerium oder aber durch eine staatseigene private Entwicklungshilfegesellschaft finanziert wird?

Tatbestand

1

A. Sach- und Streitstand

2

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war vom 12.04.2009 bis zum 31.10.2012 bei der [[X.].] (GmbH) mit Sitz in [[X.].] ([[X.].] --[[X.].]--) [[X.].] als Projektleiterin beschäftigt. Sie arbeitete aufgrund eines projektbefristeten Anstellungsvertrags im Rahmen der Micro Projects Programme in [[X.].]. Dabei handelte es sich um ein --ganz oder [[X.].] mit Mitteln der [[X.].] --EU-- ([[X.].]/125800/D/SER/[[X.].]; 7. und 9. European Development Fund), jedenfalls nicht durch [[X.].] finanziertes Projekt. Wohnort und Lebensmittelpunkt der Klägerin waren in dieser [[X.].]eit Y ([[X.].]), Beschäftigungsort war [X.] ([[X.].]).

3

Einem Antrag des Arbeitgebers auf Freistellung des Arbeitslohns nach dem sog. Auslandstätigkeitserlass --[X.]-- (Schreiben des [X.] --BMF-- vom 31.10.1983, [X.], 470) für die [[X.].]eit vom 12.04.2009 bis 11.04.2011 war durch das Finanzamt [[X.].] stattgegeben worden. Der Arbeitgeber hatte für die [X.] und 2012 (Streitjahre) keine Lohnsteuer von dem Arbeitslohn der Klägerin einbehalten und abgeführt. In [[X.].] war ebenfalls keine Versteuerung des Arbeitslohns der Klägerin erfolgt.

4

Auf den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen der Klägerin sind steuerfreier Arbeitslohn nach [X.] für 2011 in Höhe von ... € und für 2012 in Höhe von ... € sowie steuerfreie Arbeitgeberleistungen bei doppelter Haushaltsführung für 2011 in Höhe von ... € und für 2012 in Höhe von ... € ausgewiesen.

5

Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH stellte das zuständige Finanzamt fest, dass das Projekt nicht durch den [X.] oder die Gesellschaft für internationale [[X.].]usammenarbeit, sondern durch den [X.] finanziert worden ist, und bat den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) darum, den Arbeitslohn der Klägerin im Rahmen von Einkommensteuerveranlagungen der Besteuerung zu unterwerfen. Mit Bescheiden vom 13.02.2014 setzte das [X.] die Einkommensteuer 2011 auf ... € und die Einkommensteuer 2012 auf ... € fest. Dabei berücksichtigte es die Bruttoarbeitslöhne der Klägerin --vermindert um die dazu erklärten Werbungskosten in Höhe von ... € für 2011 und in Höhe von ... € für 2012-- als steuerpflichtige Einkünfte aus [[X.].]er Arbeit.

6

Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage vor dem [X.] (FG) Köln, das diese mit Urteil vom 22.03.2018 - 7 K 585/15 (Entscheidungen der [X.]e --EFG-- 2018, 1748) als unbegründet abwies.

7

Dagegen wehrt sich die Klägerin mit ihrer Revision, die sie auf die Verletzung von [X.]esrecht stützt.

8

Sie beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 10.02.2015 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 vom 13.02.2014 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Steuer auf Null herabgesetzt wird.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

B. Entscheidungsgründe

Der [X.] legt dem [X.] ([X.]) die in der Entscheidungsformel bezeichnete Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des [X.] aus.

I. Beurteilung nach nationalem Recht

Auf der Grundlage des nationalen Rechts ist die Revision unbegründet und die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch nach § 34c Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Verbindung mit (i.V.m.) dem [X.] gegenüber dem [X.] darauf hat, die für die Streitjahre festgesetzte Einkommensteuer auf Null herabzusetzen. Der [X.] geht insoweit davon aus, dass das [X.] seine Sachentscheidung zu § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem [X.] konkludent mit der Einkommensteuerfestsetzung verbunden hat, da es die Bruttoarbeitslöhne der Klägerin vermindert um die dazu erklärten Werbungskosten als steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit behandelt hat.

1. Nach § 34c Abs. 5 EStG können die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden mit Zustimmung des [X.] die auf ausländische Einkünfte entfallende [X.] Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder die Anwendung des Abs. 1 der Vorschrift besonders schwierig ist. Die Norm räumt insoweit den Finanzbehörden in verfassungskonformer Weise einen Ermessensspielraum ein und stellt einen Auffangtatbestand für diejenigen Fälle dar, in denen die Regelungen in den vorhergehenden [X.] im konkreten Einzelfall nicht zu sachgerechten, außenwirtschaftlich erwünschten Ergebnissen führen (vergleiche --vgl.-- Beschluss des [X.] vom 19.04.1978 - 2 BvL 2/75, [X.] 48, 210, [X.] 1978, 548; Urteile des [X.] --BFH-- vom 18.08.1987 - VIII R 297/82, [X.], 25, [X.] 1988, 139; vom 14.06.1991 - VI R 185/87, [X.], 208, [X.] 1991, 926). Die nach § 34c Abs. 5 EStG erforderliche "volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit" liegt danach nur dann vor, wenn die Steuerbegünstigung der [X.]n Außenwirtschaft dient. Vor diesem Hintergrund bezweckt der [X.], soweit er gestützt auf § 34c Abs. 5 EStG die Möglichkeit eines Erlasses von Einkommensteuer durch die Finanzverwaltung schafft, in erster Linie die Förderung der [X.]n Exportwirtschaft ([X.]surteil vom 17.06.2020 - I R 7/18, [X.], 301, [X.] 2021, 211; [X.]sbeschluss vom 08.12.2010 - I B 98/10, [X.], 596).

2. Allgemeine Verwaltungsanweisungen --wie im Streitfall der [X.]-- sind indessen nicht wie Gesetze auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 08.12.1993 - XI R 69/92, [X.] 1994, 500). Maßgebend ist nicht, wie das Gericht eine solche Anweisung verstünde, wenn sie ein Gesetz wäre, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte und wie sie dementsprechend verfahren ist ([X.]surteil vom [X.], [X.] 2000, 891). Ist objektiv zweifelhaft, ob ein bestimmter Fall unter die Verwaltungsanweisung fällt, ist es Sache der Verwaltungsbehörden, zu entscheiden, ob die Regelung anzuwenden ist oder nicht. Die Gerichte dürfen deshalb Verwaltungsanweisungen --wie im Streitfall den [X.]-- nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (vgl. BFH-Urteile vom 13.01.2011 - V R 43/09, [X.], 58, [X.] 2011, 610; vom 21.07.2016 - X R 11/14, [X.], 497, [X.] 2017, 22; [X.]surteil in [X.], 301, [X.] 2021, 211). Somit können die Finanzgerichte die Verwaltungsbehörden nicht --auch nicht unter Rückgriff auf § 34c Abs. 5 EStG-- zwingen, eine Verwaltungsanweisung auch auf einen Fall anzuwenden, bei dem objektive Zweifel an seiner "Tatbestandsmäßigkeit" bestehen und bei dem die Behörde ohne Willkür von der Anwendung der Anweisung Abstand genommen hat ([X.]surteil vom 05.10.1977 - I R 250/75, [X.], 341, [X.] 1978, 50).

3. Das [X.] hat in Abschn. I Nr. 4 des [X.] geregelt, dass u.a. die Auslandstätigkeit für einen inländischen Auftragnehmer im Zusammenhang mit der [X.]n öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit begünstigt ist. Das [X.] hat den Passus "[X.] öffentliche Entwicklungshilfe" dabei so verstanden, dass nur solche Entwicklungshilfemaßnahmen erfasst werden, die unmittelbar aus [X.]n Haushaltsmitteln finanziert werden. Zwar ist ein Zusammenhang mit der [X.]n öffentlichen Entwicklungshilfe auch vorstellbar, wenn die Finanzierung --wie im Streitfall über den [X.] nur mittelbar über den [X.]n Haushalt abgewickelt wird. Abgesehen davon, dass der [X.] nur zu einem bestimmten Teil aus [X.]n Haushaltsmitteln finanziert wird, ist die vom [X.] gewählte Auslegung aber nicht nur möglich, sondern angesichts des genannten Zwecks des § 34c Abs. 5 EStG naheliegend und keinesfalls willkürlich. Denn die Förderung der [X.]n Exportwirtschaft wird vor allem dann sichergestellt, wenn [X.] Haushaltsmittel auf der Grundlage der Entscheidungen der zuständigen inländischen Entscheidungsgremien unmittelbar Projekten der [X.]n Entwicklungshilfe zugutekommen. Dies ergibt sich schon daraus, dass dann Interessen anderer [X.] keine oder nur eine untergeordnete Berücksichtigung finden müssen. Es ist danach nach nationalem Recht nicht zu beanstanden, wenn nach der Auffassung des [X.] nur die Tätigkeiten eines solchen Arbeitnehmers steuerfrei gestellt werden, der für einen unter der Ägide der [X.]n Entwicklungszusammenarbeit und unmittelbar aus [X.]n öffentlichen Mitteln geförderten Arbeitgeber im Bereich der Entwicklungshilfe tätig wird.

4. Es ist der Klägerin auch nicht darin beizupflichten, die von ihr favorisierte Auslegung, wonach auch solche Entwicklungshilfemaßnahmen erfasst werden müssten, die nur mittelbar aus [X.]n Haushaltsmitteln finanziert werden, ergäbe sich aus verfassungsrechtlichen Gründen. Dass die von der Verwaltung praktizierte Differenzierung nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) verstößt, folgt schon daraus, dass die in § 34c Abs. 5 EStG angelegte und im [X.] umgesetzte steuerliche Bevorzugung bestimmter Auslandstätigkeiten von einem Gesichtspunkt --nämlich der Förderung bestimmter Bereiche der [X.]n Volkswirtschaft-- getragen wird, der auch aus verfassungsrechtlicher Sicht neben die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze tritt und insbesondere gegenüber dem Grundsatz der Gleichbehandlung nicht zurücktreten muss (vgl. [X.]sbeschluss in [X.], 596). Das ist schon deshalb nicht zweifelhaft, weil das [X.] --zu der mit § 34c Abs. 5 EStG inhaltlich übereinstimmenden Vorgängerregelung-- eine Eingrenzung der steuerlichen Begünstigung auf Maßnahmen zur Förderung der Außenwirtschaft im o.g. Sinne nicht beanstandet, sondern eine solche sogar für geboten erachtet hat ([X.]-Beschluss in [X.] 48, 210, [X.] 1978, 548). Soweit dazu die Auffassung vertreten wird, die insbesondere durch das [X.]-Urteil [X.] vom 28.02.2013 - [X.]/11 ([X.]:[X.]:2013:124, [X.] 2013, 847) seither eingetretene unionsrechtliche Entwicklung müsse gegebenenfalls zu einer anderen Einschätzung zur "gleichheitsrechtlichen Unbedenklichkeit" führen (so [X.] in [X.], EStG, 20. Auflage, § 34c Rz 36), beziehen sich diese Bedenken lediglich auf die Beschränkung der Anwendung des [X.] auf inländische Arbeitnehmer beziehungsweise --bzw.-- Lieferanten, Hersteller oder Auftragnehmer, nicht hingegen auf die Frage der Finanzierung entsprechender Fördermaßnahmen.

5. Behördliche Ermessensfehler sind insoweit nicht erkennbar. Denn die Voraussetzungen des § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem [X.] lagen nach der vom [X.] vorgenommenen und jedenfalls möglichen Auslegung des Abschn. I Nr. 4 des [X.] nicht vor und die Ermessenserwägungen des [X.], wonach die Inanspruchnahme der Steuerfreistellung das Vorliegen "[X.]r öffentlicher Entwicklungshilfe" voraussetzt, beziehen sich ausweislich der [X.] auch sehr kurz begründeten-- Einspruchsentscheidung nicht nur auf den [X.], sondern umfassend auch auf § 34c Abs. 5 EStG. Die Annahme einer Ermessensunterschreitung ist insoweit ausgeschlossen.

6. Dem steht auch die von dem für die GmbH zuständigen Finanzamt erteilte Freistellungsbescheinigung nicht entgegen, weil diese keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer des Arbeitnehmers entfaltet (vgl. [X.]surteil vom 13.03.1985 - I R 86/80, [X.], 455, [X.] 1985, 500; [X.]sbeschluss vom 08.12.2010 - I B 94/10, [X.], 802). Die der GmbH erteilte Bescheinigung enthält zudem den Hinweis, dass sie widerruflich unter der Bedingung gilt, dass die Voraussetzungen des [X.] erfüllt sind. Vor diesem Hintergrund konnte die Klägerin kein berechtigtes Vertrauen darauf haben, dass es dauerhaft bei der Nichtbesteuerung ihrer [X.] bleiben würde.

II. Vereinbarkeit mit dem [X.]srecht

Fraglich ist jedoch, ob sich eine Verpflichtung, auch solche Entwicklungshilfemaßnahmen unter § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem [X.] zu fassen, die aus dem [X.] und damit nur mittelbar aus [X.]n Finanzmitteln finanziert werden, aus Art. 4 Abs. 3 des [X.] [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] --[X.]V-- ([X.] --ABl[X.]-- 2007, Nr. [X.] 306, 1) und Art. 208 i.V.m. Art. 210 des [X.] Arbeitsweise der [X.] i.d.[X.] zur Änderung des [X.] [X.] und des [X.] [X.] --A[X.]V-- (ABl[X.] 2008, Nr. [X.] 115, 47) ergeben kann. Das erscheint dem [X.] zwar nicht naheliegend, aber doch nicht völlig zweifelsfrei im Sinne der Grundsätze des [X.]-Urteils [X.]ILFIT vom 06.10.1982 - Rs. 283/81 ([X.]:[X.]:1982:335, Slg. 1982, 3415). Es ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlagefrage bereits in Zusammenhang mit dem schon angeführten Vorabentscheidungsverfahren ([X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2013:124, [X.] 2013, 847) im Blickfeld des [X.] gewesen ist. Das [X.] Rheinland-Pfalz als vorlegendes Gericht hatte im Rahmen seines [X.] (vom 18.03.2011 - 4 K 2249/08, E[X.] 2012, 131) diesbezügliche Zweifel an der [X.]srechtmäßigkeit der Beschränkung des [X.] auf die Förderung der [X.]n öffentlichen Entwicklungshilfe geäußert. Der [X.] hatte seinerzeit aber keinen Anlass zur Befassung mit der Frage, weil das [X.] Rheinland-Pfalz sie nicht ausdrücklich zum Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens gemacht hatte (siehe [X.]-Urteil [X.], [X.]:[X.]:2013:124, [X.] 2013, 847, Rz 60; siehe auch [X.], E[X.] 2018, 1751 und generelle unionsrechtliche Bedenken in der Literatur z.B. bei Wagner in [X.]/[X.], § 34c EStG Rz 107, und wohl [X.] in [X.], a.a.[X.], § 34c Rz 36; [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 34c EStG Rz 65).

1. Soweit die Klägerin auf das Prinzip der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 [X.]V und die Verpflichtung der [X.] und der Mitgliedstaaten zur Abstimmung ihrer Entwicklungspolitik (Art. 3 Abs. 5 Satz 2 [X.]V) verweist und ausführt, daraus ergebe sich eine Pflicht zur Einbeziehung von Projekten, die aus [X.]-Mitteln und nur teilweise mittelbar aus [X.]n Mitteln finanziert würden, ist dem aus Sicht des [X.]s Folgendes zu entgegnen:

a) Der in Art. 4 Abs. 3 [X.]V niedergelegte Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gebietet es insoweit zwar, dass sich die [X.] und die Mitgliedstaaten gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen ([X.]-Urteil [X.]/Rat vom 05.12.2017 - [X.]-600/14, [X.]:[X.]:2017:935‚ Rz 105). Art. 4 Abs. 3 A[X.]V stellt aber ausdrücklich klar, dass die [X.] unter anderem eine eigene Zuständigkeit im Bereich der technologischen Entwicklung mit der Befugnis eigener Maßnahmen besitzt, dies die Mitgliedstaaten aber gerade nicht daran hindert, ihre (eigene) Zuständigkeit auf dem genannten Gebiet auszuüben (vgl. [X.] in [X.]alliess/[X.], [X.]V/A[X.]V, 5. Auflage, Art. 4 [X.]V Rz 92). Es ist insoweit naheliegend, dass [X.] eigene Entwicklungshilfemaßnahmen beschließen und dabei bezogen auf die [X.] Außenwirtschaft auf die "volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit" aus [X.]r Sicht abheben darf und sich eine Kollision mit den vorgenannten Vorgaben jedenfalls nicht ergibt, soweit dabei die Ziele der Entwicklungspolitik der [X.] nicht gefährdet oder beeinträchtigt werden.

b) Eine Pflicht zur Einbeziehung europafinanzierter Projekte unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der loyalen Zusammenarbeit dürfte auch nicht aus dem [X.]-Urteil [X.] vom 16.12.2004 - [X.]-293/03 ([X.]:[X.]:2004:821, Slg. 2004, [X.]) folgen.

aa) In dem genannten Urteil hat der [X.] entschieden, dass das in Art. 11 Abs. 2 des Anhangs VIII des Statuts der Beamten der [X.]en (Statut) geregelte System der Übertragung von Rentenansprüchen durch eine Koordinierung der nationalen Versorgungssysteme mit dem gemeinschaftlichen Versorgungssystem bezwecke, das Überwechseln von Tätigkeiten im öffentlichen oder privaten nationalen Bereich zur [X.]sverwaltung zu erleichtern und so den [X.]en möglichst gute Möglichkeiten zu eröffnen, qualifiziertes und bereits ausreichend berufserfahrenes Personal einzustellen. Entsprechend hatte er darauf verwiesen, dass ein Mitgliedstaat durch seine Weigerung, die Maßnahmen zu ergreifen, die zu der in Art. 11 Abs. 2 des Anhangs des Statuts vorgesehenen Übertragung des versicherungsmathematischen [X.] oder des pauschalen [X.] der im nationalen Versorgungssystem erworbenen [X.] auf das gemeinschaftliche Versorgungssystem notwendig sind, auch die Einstellung von nationalen Beamten mit einem gewissen Dienstalter durch die [X.]en erschweren könne, da das Überwechseln vom nationalen Dienst in den [X.]sdienst zu einem Verlust derjenigen Versorgungsansprüche führen würde, die ihnen zustünden, wenn sie nicht in den Dienst der [X.] träten ([X.]-Urteil [X.]/[X.] vom 20.10.1981 - Rs. 137/80, [X.]:[X.]:1981:237, Slg. 1981, 2393). Dies sei auch dann der Fall, wenn ein Mitgliedstaat sich weigere, für die Begründung eines Anspruchs auf eine vorgezogene Altersrente nach seinem System die im [X.]ssystem zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Eine solche nationale Regelung könne nämlich eine Berufstätigkeit bei einem Organ der [X.] behindern und somit davon abschrecken, weil ein Arbeitnehmer, der zuvor einem nationalen Versorgungssystem angehört habe, durch die Annahme einer Stelle bei einem solchen Organ Gefahr laufe, eine Altersleistung nach diesem System nicht mehr in Anspruch nehmen zu können, auf die er Anspruch gehabt hätte, wenn er diese Stelle nicht angenommen hätte.

Vor diesem Hintergrund hat der [X.] entschieden, derartige Folgen könnten angesichts der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit und Unterstützung, die den Mitgliedstaaten gegenüber der [X.] obliege und die ihren Ausdruck in der Verpflichtung des Art. 10 des [X.] [X.] finde, ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern, nicht hingenommen werden. Art. 4 Abs. 3 [X.]V bedarf insoweit der Konkretisierung durch sonstige hinreichend präzise und unbedingte Normen des primären bzw. sekundären Europarechts bzw. eines völkerrechtlichen Abkommens, um pflichterzeugend zu sein (vgl. [X.] in [X.]alliess/[X.], a.a.[X.], Art. 4 [X.]V Rz 44 unter Verweis auf die [X.]-Urteile Deutsche Grammophon/[X.] vom 08.06.1971 - Rs. 78/70, [X.]:[X.]:1971:59, Slg. 1971, 487, und Geddo/[X.] vom 12.07.1973 - Rs. 2/73, [X.]:[X.]:1973:89, Slg. 1973, 865).

bb) Von dem dem [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2004:821, Slg. 2004, [X.]) zugrunde liegenden Sachverhalt unterscheidet sich der Streitfall dadurch, dass es keine dem genannten Statut vergleichbare unionsrechtliche Regelung geben dürfte, aufgrund derer [X.] in hinreichend präziser und unbedingter Weise verpflichtet sein könnte, europafinanzierte Projekte in diejenige Förderung aufzunehmen, die ihm durch Art. 4 Abs. 3 A[X.]V in eigener Zuständigkeit im Bereich der technologischen Entwicklung eingeräumt wird. Es dürfte der Klägerin daher kein auf die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit gegründetes subjektives Recht auf Einbeziehung europafinanzierter Projekte in die Vergünstigungen nach § 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem [X.] zustehen.

aaa) Ein solches Recht folgt aus Sicht des [X.]s nicht aus Art. 4 Abs. 4 i.V.m. Art. 208 Abs. 1 Satz 2 bzw. Art. 210 Abs. 1 Satz 1 und 3 A[X.]V. Auch Art. 4 Abs. 4 A[X.]V stellt ausdrücklich klar, dass sich die Zuständigkeit der [X.] im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zwar darauf erstreckt, Maßnahmen zu treffen und eine gemeinsame Politik zu verfolgen, dass die Ausübung dieser Zuständigkeit die Mitgliedstaaten aber gerade nicht hindert, ihre eigene Zuständigkeit in diesem Bereich auszuüben ([X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der [X.], Art. 4 A[X.]V Rz 26; [X.]alliess in [X.]alliess/[X.], a.a.[X.], Art. 4 A[X.]V Rz 22). Insoweit ergänzen und verstärken sich die Politik der [X.] und diejenige der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zwar nach Art. 208 Abs. 1 Satz 2 A[X.]V und es folgt aus Art. 210 Abs. 1 Satz 1 und 3 A[X.]V eine Koordinierungs- und Unterstützungspflicht. Diese dürfte aber nicht dazu führen, dass es [X.] versagt wäre, eigene entwicklungspolitische Maßnahmen bezogen auf die Förderung der [X.]n Außenwirtschaft zu treffen.

bbb) Nichts anderes dürfte aus dem Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der [X.] in [X.], im [X.] und im [X.] einerseits und der [X.] und ihren Mitgliedstaaten andererseits --unterzeichnet in [X.]otonou am 23.06.2000-- ([X.] 2002, 327) folgen. Dieses Abkommen ist ein gemischtes Assoziierungsabkommen der [X.] mit einer Vielzahl [X.], pazifischer und karibischer [X.] und Bestandteil des Netzes der vertraglichen Entwicklungsassoziierungen der [X.] (Art. 217 A[X.]V). Die [X.] ist insoweit in die bestehenden [X.]sabkommen als Rechtsnachfolgerin eingetreten (Art. 1 Abs. 3 Satz 3 [X.]V). Die Mitgliedstaaten und die [X.] teilen sich aber die Zuständigkeiten der Entwicklungszusammenarbeit, ohne dass wiederum Maßnahmen der [X.] in einem bestimmten entwicklungspolitischen Segment das parallele Tätigwerden der Mitgliedstaaten ausschließen (Art. 4 Abs. 4 A[X.]V; vgl. insgesamt [X.] in [X.]alliess/[X.], a.a.[X.], Art. 208 A[X.]V Rz 18 und 21 f.). Es dürfte danach fernliegen, dass der [X.] Gesetzgeber durch das Zustimmungsgesetz zum Abkommen zugleich darüber befunden haben könnte, dass die Entwicklungszusammenarbeit in Gestalt der auf diesem Abkommen beruhenden Mikroprojekte (auch) aus ([X.]n) volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig sei. Dies folgt schon aus der Überlegung, dass es sich bei den auf dem Abkommen beruhenden Maßnahmen gerade nicht um solche der [X.]n Entwicklungspolitik handelt, auch wenn [X.] einen erheblichen Anteil zur Finanzierung des [X.] als unmittelbar von den Mitgliedstaaten konstituiertem Sondervermögen ohne Völkerrechtspersönlichkeit leisten mag, diese Mittel letztlich dem [X.]n Haushalt entstammen und aus ihnen sodann mittelbar die Finanzierung der Maßnahmen nach dem Abkommen bestritten wird (vgl. [X.] in [X.]alliess/[X.], a.a.[X.], Art. 208 A[X.]V Rz 36). Aus den genannten kompetenzrechtlichen Gründen dürfte sich aus dem Abkommen jedenfalls kein subjektiver Anspruch eines in einem vom Abkommen erfassten [X.] Entwicklungshilfeprojekt tätigen, aber in [X.] ansässigen Arbeitnehmers auf einen Steuerverzicht [X.]s betreffend seine [X.] ergeben.

2. Auch aus dem auf Vorlage des [X.] Rheinland-Pfalz in E[X.] 2012, 131 ergangenen [X.]-Urteil [X.] ([X.]:[X.]:2013:124, [X.] 2013, 847) ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der [X.] entschieden, dass Art. 45 A[X.]V (Freizügigkeit der Arbeitnehmer) dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach Einkünfte einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus seiner nichtselbständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, aber nicht, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Daraus folgt aber keine Pflicht [X.]s zur Einbeziehung auch solcher Projekte, die aus [X.]-Mitteln finanziert werden, denn vorliegend wird kein Arbeitnehmer und auch kein Arbeitgeber (zu Letzterem [X.] in [X.], a.a.[X.], § 34c Rz 36) im Hinblick auf die Herkunft aus dem [X.]-Ausland schlechter gestellt. Soweit der [X.] geeignet ist, Arbeitnehmer von der Annahme einer Beschäftigung bei einem Arbeitgeber abzuhalten, der ein Entwicklungshilfeprojekt betreibt, das mit [X.]-Mitteln statt mit nationalen Mitteln gefördert wird, liegt darin jedenfalls keine durch die Grundfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. Dienstleistungsfreiheit verbotene Beschränkung.

3. Die [X.] ist entscheidungserheblich. Wäre sie zu bejahen, wäre die Revision der Klägerin begründet, das [X.]-Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben. Wäre sie zu verneinen, so wäre die Revision als unbegründet abzuweisen.

III. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 [X.]O.

Meta

I R 20/18

13.07.2021

Bundesfinanzhof 1. Senat

EuGH-Vorlage

vorgehend FG Köln, 22. März 2018, Az: 7 K 585/15, Urteil

§ 34c Abs 5 EStG 2009, Art 3 Abs 1 GG, Art 4 Abs 3 EUV, Art 4 Abs 4 AEUV, Art 208 Abs 1 S 2 AEUV, Art 210 Abs 1 S 1 AEUV, Art 210 Abs 1 S 3 AEUV, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2011, EStG VZ 2012, GII020325, EGAbk 1215/2000, Art 45 AEUV, Art 56 AEUV

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, EuGH-Vorlage vom 13.07.2021, Az. I R 20/18 (REWIS RS 2021, 4137)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4137

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Kein Veranlagungswahlrecht für Lohneinkünfte eines beschränkt steuerpflichtigen US-Amerikaners


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