Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. 1 StR 532/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 15750

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:110118B1STR532.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 532/17

vom
11. Januar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen
unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer

Menge u.a.

-
2
-
Der 1. Strafsenat des [X.] hat
nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers
am 11. Januar 2018
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 4. Juli 2017

soweit es den Angeklag-ten [X.]

betrifft

mit den Feststellungen
aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Han-deltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer [X.] von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg (§ 349 Abs.
4 StPO).
1. [X.] macht zu Recht einen Verfahrensfehler beim Zustan-dekommen der Verständigung durch Verletzung der Mitteilungspflicht nach §
243 Abs.
4 Satz
2 StPO geltend. Dies führt

soweit es ihn betrifft

zur [X.] des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen.
a) Die Revision rügt die Verletzung der Mitteilungs-
und Dokumentati-onspflicht gemäß §
243 Abs.
4 Satz
2 StPO i.V.m. §
273 Abs.
1a Satz
2 StP[X.] Der Vorsitzende der [X.] habe über den Inhalt des am ersten [X.] geführten [X.]s nur unvollständig berich-1
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-
tet und die Mitteilung über dieses Gespräch entsprechend unvollständig in das Protokoll aufgenommen.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Die Verteidigung des Angeklagten [X.]

regte nach Verlesung des An-
klagesatzes nach der Feststellung der [X.], dass es keine Verständi-gungsgespräche gegeben habe, und nach Belehrung aller Angeklagten ein [X.] an. Die Sitzung wurde unterbrochen. Im Beratungszimmer der [X.] fand ein [X.] bezüglich des Angeklagten [X.]

mit
dem Gegenstand einer möglichen Verständigung statt. Die Verteidigung des Angeklagten [X.]

regte für den Fall eines vollen Geständnisses des Ange-
klagten eine Strafe zwischen zwei Jahren und sechs Monaten und drei Jahren und sechs Monaten an. Die Staatsanwaltschaft begehrte eine Freiheitsstrafe von über vier Jahren. Die Verteidigung entgegnete, eine Verständigung sei bei Zusicherung einer Strafobergrenze von vier Jahren noch vorstellbar. Das [X.] endete infolge der unterschiedlichen Vorstellungen von Staatsanwalt-schaft und Verteidigung über das Strafmaß ohne Ergebnis. Der Vorsitzende billigte der Verteidigung zu, den Angeklagten [X.]

vor Fortsetzung der Haupt-
verhandlung über Inhalt und Verlauf des Gesprächs zu unterrichten.
Nach Fortsetzung der Hauptverhandlung berichtete der Vorsitzende in öffentlicher Hauptverhandlung über den Inhalt des [X.]s und nahm folgende Mitteilung in das Protokoll auf:

[X.] bezüglich des Angeklagten stattfand. Eine Verständigung konnte infolge unterschiedlicher Ahndungsvorstellungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung nicht erzielt werden. Das [X.] betraf nur 4
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-
4
-
den Angeklagten [X.]

, teilgenommen haben sämtliche Verfahrensbe-

Die protokollierte Mitteilung gab die mündlichen Ausführungen des [X.] zutreffend wieder.
[X.] [X.]

räumte sodann über eine Erklärung seines Ver-
teidigers die Tat in objektiver und subjektiver Hinsicht ein und bestätigte [X.] die Erklärung seines Verteidigers.
b) Die Rüge einer Verletzung von §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO ist entgegen der Auffassung des [X.] zulässig erhoben. Der Generalbun-desanwalt meint, die Rüge sei deshalb unzulässig, weil nach dem Revisions-
eiligt gewesen seien. Aus dem Vorbringen der Revision ergibt sich jedoch [X.] deutlich, dass das [X.] im Beratungszimmer in Abwesenheit des Revisionsführers (und auch der anderen Angeklagten) geführt worden sind.
c) Die Verfahrensrüge ist begründet. Das [X.] hat seine Informa-tionspflicht aus §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO verletzt.
aa) Allerdings liegt, soweit die Revision auch eine Verletzung der Proto-kollierungspflicht aus §
273 Abs.
1a Satz
2 StPO i.V.m. §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO rügt, kein Rechtsfehler vor. Nach §
273 Abs.
1a Satz
2 StPO muss das Protokoll u.a. die Beachtung der in §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO vorgeschriebenen Mitteilungen wiedergeben. Wird entgegen §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO eine Erör-terung nicht vollständig bekannt gemacht und damit die Informationspflicht nicht beachtet, ergibt sich aus der Wiedergabe der unvollständigen Mitteilung im [X.] kein zusätzlicher Rechtsfehler; vielmehr gibt dieses den Gang der Haupt-7
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-
5
-
verhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. [X.], Beschlüsse vom 18. Juli 2016

1 [X.], [X.], 470;
vom 29.
April 2015

1
StR
235/14, [X.], 278 Rn.
20; vom 15.
Januar 2015

1
StR
315/14, [X.], 223 mwN Rn.
12, insoweit in [X.]St 60, 150 nicht abgedruckt und vom 15.
April 2014

3
StR
89/14, [X.], 418).
bb)
Verletzt ist aber §
243 Abs.
4
Satz
2 StP[X.]
Nach §
243 Abs.
4
Satz
1 StPO teilt der Vorsitzende des Gerichts mit, ob Erörterungen nach den §§
202a, 212 StPO stattgefunden haben, wenn deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung (§
257c StPO) gewesen ist und wenn ja, deren wesentlichen Inhalt. Diese Pflicht gilt nach §
243 Abs.
4
Satz
2 StPO auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, soweit sich [X.] gegenüber der Mitteilung zu Beginn der Hauptverhandlung
ergeben haben. Die Pflicht zur Mitteilung der mit dem Ziel einer Verständigung über den Verfahrensausgang geführten Gespräche erstreckt sich deshalb auch auf die Darlegung, von welcher Seite die Frage einer Verständigung aufgeworfen [X.], welche Standpunkte gegebenenfalls vertreten wurden und auf welche Re-sonanz dies bei den anderen am Gespräch Beteiligten jeweils gestoßen ist (vgl. [X.], Urteil vom 19.
März 2013

2
BvR
2628/10, [X.]E 133, 168, 215
f.; [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2015

1
StR
315/14, [X.]St 60, 150, 152; Urteil vom 5.
Juni 2014

2
StR 381/13, [X.], 601, 602; Beschlüsse vom 5.
Oktober 2010

3
StR 287/10, [X.], 72, 73; vom 3.
Dezember 2013

2
StR 410/13, [X.], 219 und vom 9.
April 2014

1
StR
612/13, [X.], 416, 417). Dementsprechend hat der Vorsitzende Verlauf und Inhalt der Gespräche in das Protokoll der Hauptverhandlung aufzunehmen.
Diesen Anforderungen genügt die im vorliegenden Fall erfolgte Mitteilung über das während einer Unterbrechung der Hauptverhandlung mit dem Ziel 12
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6
-
einer Verständigung geführte Gespräch nicht, weil der Vorsitzende lediglich dessen Ergebnis mitgeteilt hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Januar 2016

1 [X.] und
vom 25. Februar 2015

4 [X.], [X.], 353, 354). Es blieb offen, welche Standpunkte von den Teilnehmern des Gesprächs, insbesondere von der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft, vertreten [X.]n, und ob sich die [X.] hierzu geäußert hat.
cc)
Anders als der [X.] kann der [X.] unter den ge-gebenen Umständen nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechts-verstoß beruht.
Bei Verstößen gegen die Mitteilungspflichten aus §
243 Abs.
4 StPO ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Urteil darauf beruht (vgl. [X.],
[X.] vom 15. Januar 2015

2 BvR 878/14, [X.], 170, 172 mwN). Das Urteil beruht auf der Verletzung der Mitteilungspflicht aus §
243 Abs.
4 StPO, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht bei gesetzmäßigem [X.] infolge eines anderen Prozessverlaufs zu einem anderen Ergebnis ge-langt wäre.
Zwar war der Angeklagte bereits im Ermittlungsverfahren geständig, weil er nach seiner vorläufigen Festnahme in [X.] am Festnahmeort nach Be-lehrung angegeben hatte, die 40 kg Marihuana mit dem Lkw
in [X.] über-nommen und nach [X.] eingeführt zu haben. Sodann hat er den [X.] auch ohne die Absicherung durch eine Verständigung in der [X.] gestanden. Allerdings waren ihm aufgrund der unvollständigen Mittei-lung des Vorsitzenden über das [X.] die unterschiedlichen Strafmaßvorstellungen von Staatsanwaltschaft und Verteidigung und ggf. der Standpunkt der [X.] hierzu nicht bekannt. Der [X.] kann nicht aus-schließen, dass sich der Angeklagte bei einer ordnungsgemäßen Information 15
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zu einem anderen Verteidigungsverhalten entschlossen hätte und deshalb an-dere, für ihn günstigere Feststellungen, hätten getroffen werden können.
Raum Jäger Fischer

Bär Hohoff

Meta

1 StR 532/17

11.01.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.01.2018, Az. 1 StR 532/17 (REWIS RS 2018, 15750)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 15750

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1 StR 532/17

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4 StR 470/14

2 BvR 878/14

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