Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2018, Az. 1 StR 606/17

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 14421

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[X.]:[X.]:[X.]:2018:060218B1STR606.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 [X.]/17

vom
6. Februar 2018
in der Strafsache
gegen

wegen
Vergewaltigung u.a.

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Der 1. Strafsenat des [X.] hat
auf Antrag des [X.] und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 6. Februar 2018
ge-mäß §
349 Abs.
2 [X.] beschlossen:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2017 wird als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im
Revisionsverfahren entstandenen notwen-digen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen zweier Fälle der Ver-gewaltigung, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des §
349 Abs. 2 [X.].

Auch die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg. Ergänzend bemerkt der Senat:

1. [X.] eines Verstoßes gegen § 257c [X.] und §
243 Abs. 4 Satz
2 [X.] dringt nicht durch.

a) Die Revision macht geltend, der Vorsitzende der [X.] habe bei Gesprächen mit der Verteidigung über eine Verständigung zuge-1
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sichert, die vorgeschlagene Vorgehensweise auch mit der St[X.]tsanwalt-schaft zu erörtern. Im Laufe der Hauptverhandlung habe sich dann [X.], dass das [X.] die der Verteidigung angebotene Lösung nicht mit der St[X.]tsanwaltschaft erörtert habe; zudem habe eine [X.] der Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung nicht stattgefun-den. Nur weil es die [X.] unterlassen habe, der Verteidigerin mit-zuteilen, dass die weiteren Verfahrensbeteiligten nicht in die geplante Ver-ständigung einbezogen worden seien, habe der Angeklagte in dem Glau-ben, auch diese seien über die seitens der [X.] angeregte und geplante [X.] unterrichtet und mit der Vorgehensweise einverstanden, seine Zustimmung zur Verständigung angekündigt. Von die-ser Ankündigung dnicht mehr lösen können und sei deshalb von einem geständigen bzw.

b) Zum [X.] trägt die Revision im Wesentlichen Folgendes vor:

Bei Beginn der Hauptverhandlung habe der Angeklagte die Tatvor-würfe im Rahmen einer Verteidigererklärung bestritten. Bereits zu diesem das Ablegen eines Geständnisses ohne weitere strafzumessungsrelevante Faktoren eine Reduktion der Strafe von 14 bis 26 Monaten angeboten [X.] sei. Im weiteren Verlauf habe dann der Vorsitzende die Verteidigerin des Angeklagten in der [X.] angesprochen und für den Fall eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren mit Strafausset-e-t-5
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zenden nochmals in dessen Büro aufgesucht und nachgefragt, ob dieses
h-tung der St[X.]tsanwaltschaft und der Nebenklage gebeten, bevor dieses Angebot mit dem Angeklagten im Rahmen eines Haftbesuches erörtert werde. Der Vorsitzende habe ihr mitgeteilt, er werde ihr rechtzeitig Be-scheid geben, falls diese Verständigung nicht zustande komme. Selbst als die Verteidigerin telefonisch mitgeteilt habe, der Angeklagte könne sich ei-ne solche Verfahrenslösung vorstellen, sei keine Klarstellung durch den Vorsitzenden erfolgt, dass eine Erörterung mit den weiteren Verfahrensbe-teiligten nicht stattgefunden habe. [X.] über die Einzelgespräche seien nicht gefertigt worden. Es sei lediglich später eine in der [X.] erfolgte Mitteilung des Vorsitzenden über den Inhalt eines zuvor in einer Sitzungspause stattgefundenen [X.]s protokolliert [X.], in welchem der Vorsitzende über die vorangegangenen, jeweils ein-zeln mit Verfahrensbeteiligten geführten, Gespräche berichtet habe.

c) Ein den Angeklagten beschwerender Verstoß gegen die Mittei-lungspflicht aus §
243 Abs. 4 Satz 2 [X.] liegt nicht vor.

[X.]) Der Vorsitzende unterrichtete die Verfahrensbeteiligten in dem in einer Sitzungspause geführten [X.] über die vorangegangenen im Hinblick auf eine mögliche Verständigung geführten Einzelgespräche und teilte den Inhalt dieses [X.]s in der Hauptverhandlung mit, was in der Sitzungsniederschrift protokolliert wurde. Sowohl die [X.] als auch die Öffentlichkeit erlangten hierdurch Kenntnis vom wesentlichen Inhalt der Erörterungen, deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne des §
257c [X.] gewesen ist (§
243 Abs. 4 [X.]).
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Angesichts dieser Mitteilung der [X.] in öffent-licher Hauptverhandlung bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass von der [X.] eine unzulässige informelle Verständigung beabsich-tigt gewesen sein könnte.

bb) Sofern mit der Verfahrensrüge auch beanstandet werden sollte, die Mitteilung gemäß §
243 Abs.
4 Satz
2
[X.] sei nicht rechtzeitig erfolgt, ist sie bereits nicht zulässig erhoben. Zwar ist eine solche Mitteilung ge-genüber dem Angeklagten in der Regel unverzüglich zu machen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10.
Dezember 2015

3 StR
163/15, Rn. 26 und vom 27.
Januar
2015

1 StR 393/14, [X.], 353). Der Beschwerdeführer teilt jedoch nicht mit

was aber erforderlich wäre (vgl. §
344 Abs.
2 Satz
2 [X.])

wann die Kontaktaufnahme des Vorsitzenden und die Einzelge-spräche mit den einzelnen Verfahrensbeteiligten stattgefunden haben.

[X.] wäre auch unbegründet, weil auszuschließen ist, dass der die Tatvorwürfe bestreitende Angeklagte die Mitteilung, mit den anderen Verfahrensbeteiligten seien noch keine [X.] geführt worden, zum Anlass genommen hätte, sich nun geständig einzulassen.

d) Soweit als Fairnessverstoß geltend gemacht wird, die [X.] habe es pflichtwidrig unterlassen, der Verteidigung rechtzeitig mitzutei-len, dass die weiteren Verfahrensbeteiligten nicht in die geplante [X.] einbezogen waren, kann die Verfahrensrüge ebenfalls keinen Erfolg haben. Es bedarf keiner Entscheidung, ob das [X.] hierzu über-haupt verpflichtet war. Jedenfalls ist die hieran anknüpfende Beanstandung der Revision unbegründet, die [X.] habe sich von der im Vertrauen auf das Einverständnis der anderen Verfahrensbeteiligten abgegebenen 9
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Mitteilung des Angeklagten, der Verständigung beizutreten und für diesen e-

nicht mehr lösen können.

Eine Verständigung gemäß §
257c [X.] ist

wie auch die Revision nicht in Abrede stellt

nicht zustande gekommen. Infolgedessen ist das [X.] ausweislich der Urteilsgründe in der Beweiswürdigung auch vom Bestreiten der Tatvorwürfe durch den Angeklagten bzw. dessen Nicht-einlassung ausgegangen (UA S.
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f.). Angesichts dessen ist die Annahme der Revision, die [X.] könne die Erklärung des Angeklagten, der Verständigung beizutreten und für diesen Fall ein Geständnis abzulegen, [X.], nicht nur nicht bewiesen, sondern auch fernliegend.

e) Sollte mit der Verfahrensrüge auch geltend
gemacht werden, das [X.] sei zum Nachteil des Angeklagten von einem zuvor geschaffe-nen Vertrauenstatbestand abgewichen, könnte die Revision mit dieser [X.] ebenfalls nicht durchdringen.

Die Revision macht zwar geltend, der Beitritt des Angeklagten zu dem Verständigungsangebot des Vorsitzenden sei im Vertrauen auf die Zusage der [X.] erfolgt, die weiteren Verfahrensbeteiligten seien unterrichtet und die Verständigung käme zustande (s.
Schriftsatz der [X.] vom 15. Januar 2018). Die Schaffung eines [X.] für den Angeklagten im Sinne einer bindenden Zusicherung des [X.]s an die Einhaltung eines in Aussicht gestellten Strafrahmens 13
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wird hierdurch jedoch weder konkret dargelegt, noch ist eine solche bewie-sen.

Außerhalb einer Verständigung gemäß §
257c [X.] besteht keine Bindung des Tatgerichts an den von ihm für den Fall des Zustandekom-mens einer Absprache in Aussicht gestellten Strafrahmen (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Juli 2017

5 StR
176/17, [X.], 351 [X.]). Der Ange-klagte musste daher, als er mitteilte, dem Verständigungsvorschlag des Vorsitzenden beitreten zu wollen, in Betracht ziehen, dass eine Verständi-gung auf dieser Grundlage nicht zustande kommt. Anhaltspunkte dafür, das [X.] habe die verbindliche Zusage abgegeben, den vom [X.] unterbreiteten Verständigungsvorschlag für sich auch für den Fall als bindend anzusehen, dass die angestrebte Verständigung nicht zustande kommt, bestehen nicht (vgl. zur Bindungswirkung von Zusagen des [X.] auch [X.], Urteil vom 30.
Juni 2011

3 StR 39/11, [X.]R [X.] vor §
1/faires Verfahren Hinweispflicht
7 und [X.]/[X.], KK-[X.], 7.
Aufl., §
257c Rn.
45
ff.). Da der Angeklagte trotz der Äußerungen des Vorsitzenden kein Geständnis abgelegt hat, kann jedenfalls ausgeschlos-sen werden, dass das Urteil auf dem Verstoß gegen eine solche Zusage beruhen könnte.

2.
[X.] eines Verstoßes gegen Art. 6 [X.], §
136a [X.] we-gen Druckausübung mit einer sog. Sanktionsschere ist ebenfalls unbegrün-det.

Soweit die Revision beanstandet, die [X.] habe in geset-zeswidriger Weise Druck auf den Angeklagten ausgeübt, weil die Differenz zwischen der im Falle eines Geständnisses und der nach streitiger Beweis-16
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aufnahme zu erwartenden Strafe unverhältnismäßig groß gewesen sei, kann der Senat jedenfalls ein Beruhen des [X.] des Ange-e-schlüsse vom 14.
August 2007

3 [X.], [X.]R [X.] §
136a Abs.
1 Zwang 8;
vom 12.
Januar 2005

3 [X.], [X.]R [X.] §
136a Abs.
1 Zwang 7 und vom 9.
Juni 2004

5 [X.], [X.], 424) aus-schließen. Trotz des Hinweises des Vorsitzenden auf die jeweiligen Straf-rahmen bei [X.] Einlassung bzw. streitiger Verhandlung blieb der Angeklagte beim Bestreiten der Tatvorwürfe. Er befand sich damit ersicht-lich nicht in einer Drucksituation, die ihn zur Ablegung eines Geständnisses drängte (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Oktober 2008

3 [X.], [X.]R [X.] vor §
1/faires Verfahren Vereinbarung 26 sowie [X.]/
[X.], KK-[X.], 7.
Aufl., §
257c Rn.
75
f. [X.]). Dass das [X.] s-gesuch zu Unrecht zurückgewiesen habe (vgl. dazu [X.] [X.]O, [X.]R [X.]
§
136a
Abs.
1 Zwang 8), macht die Revision nicht geltend.
[X.] Radtke

Fischer Bär

Meta

1 StR 606/17

06.02.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.02.2018, Az. 1 StR 606/17 (REWIS RS 2018, 14421)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14421

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1 StR 606/17

1 StR 393/14

3 StR 39/11

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