Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.05.2012, Az. 29 W (pat) 525/12

29. Senat | REWIS RS 2012, 6818

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "edition Goldfisch" – kein Freihaltungsbedürfnis – Unterscheidungskraft – Kostenentscheidung: keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2011 062 563.8

hat der 29. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 2. Mai 2012 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.] und die Richterin am Landgericht Uhlmann

beschlossen:

1. [X.] vom 21. Februar 2012 wird aufgehoben.

2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Das Wortzeichen

2

edition goldfisch

3

ist am 16. November 2011 zur Eintragung als Marke in das beim [X.] ([X.]) geführte Register für nachfolgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden:

4

Klasse 16: [X.]; Fotografien;

5

Klasse 28:  Spiele, Spielzeug, insbesondere Stofftiere;

6

Klasse 42:  Dienstleistungen eines [X.].

7

Mit Beschluss vom 21. Februar 2012 hat die Markenstelle für Klasse 16 die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen.

8

Mit "Edition" werde nicht nur die Herausgabe von Büchern, sondern auch die Herausgabe anderer Güter einer speziellen Produktserie bezeichnet, wobei es sich bei den so bezeichneten Waren um eine Produktserie handele, die entweder mengenmäßig oder zeitlich begrenzt sei oder sich ausschließlich auf einen bestimmten Anlass beziehe.

9

In Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen kennzeichne die Wortfolge "edition goldfisch" eine zusammengehörige Ausgabe. [X.] und Fotografien könnten sich thematisch mit Goldfischen befassen, ebenso könne die Wortfolge das zeitlich oder stückzahlmäßig eingegrenzte Werk eines [X.] bezeichnen, das sich mit dem Thema "Goldfisch" befasse. Auch Spielwaren könnten die Farbe oder Form eines Goldfisches, Spiele Goldfische zum Gegenstand haben. Der Umstand, dass eine gleichlautende Marke der Anmelderin 1999 eingetragen worden sei, könne das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nicht beseitigen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie beantragt,

den Beschluss der Markenstelle 16 des [X.]es vom 21. Februar 2012 aufzuheben und die [X.] wegen grob unrichtiger Sachbehandlung zurückzuerstatten.

Die angegriffene Entscheidung verkenne, dass der Wortfolge "edition goldfisch" als Gesamtbegriff Unterscheidungskraft zukomme. Es sei nicht üblich, den Begriff "Edition" mit einer Sachangabe zu verbinden. Daher verstehe der angesprochene Verbraucher das angemeldete Zeichen auch nicht als Inhalts- oder Themenangabe der beanspruchten Waren. Selbst wenn ein Stofftier die Form eines Goldfisches habe oder ein Kinderbuch das Thema "Goldfisch" behandle, sei das Zeichen nicht glatt beschreibend, da die Bezeichnung "edition goldfisch" insoweit nicht üblich sei. Der Antrag auf Rückzahlung der [X.] sei gerechtfertigt, da das Verfahren vor dem Patentamt unter einem schwerwiegenden Mangel leide. Die angegriffene Entscheidung beruhe auf Willkür und Nichtbeachtung anerkannter Beurteilungsgrundsätze.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Anmelderin hat gemäß §§ 41, 37 Abs. 1, 33 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 8 [X.] einen Anspruch auf Eintragung des angemeldeten [X.]. Der Eintragung steht kein absolutes Eintragungshindernis gemäß § 8 Abs. 2 [X.] in Bezug auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen entgegen.

a) Unterscheidungskraft in diesem Sinn ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren und Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet ([X.] GRUR 2008, 608, 611 Rn. 66 – [X.]; [X.], 825, 826 Rn. 133 – [X.]; 935 Rn. 8 – [X.]; [X.], 850, 854 Rn. 18 – [X.]). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten ([X.] [X.], 233, 235 Rn. 45 – Standbeutel; 229, 230 Rn. 27 – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden ([X.] a. a. O. [X.]). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist ([X.] [X.], 411, 412 Rn. 24 Matratzen [X.]/[X.]). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen ([X.], 428, 431 Rn. 53 – [X.]). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn die maßgeblichen Verkehrskreise ihnen lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der [X.] oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die – etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien – stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden ([X.] a. a. O. – [X.]). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen ([X.], 1101, 1102 Rn. 23 – TOOOR!).

b) Die Wortfolge "edition goldfisch" besteht aus den [X.] Substantiven "Edition" und "Goldfisch".

aa) "Goldfisch" ist ein ursprünglich aus [X.] stammender Fisch mit rotgolden bis golden glänzendem gedrungenem Körper ([X.], [X.] [X.] in 10 Bänden).

bb) Edition bedeutet "Herausgabe", "Ausgabe" oder seltener "Verlag" ([X.], [X.] [X.] in 10 Bänden), wobei der Begriff dann häufig als Namensbestandteil von Buch- und Kunstverlagen dient [X.]", "[X.]", "Verlag ars edition" etc).

In der Vergangenheit wurde das Wort für die Herausgabe von schriftlichen Texten, Bildern und Musiknoten und als Namensbestandteil von Verlagen verwendet ([X.] [X.], 21. Aufl.). Das Wort wird meistens durch Attribute ergänzt, die die Art der Ausgabe näher kennzeichnen. Das können Zahlen wie 1., 2., 3. sein oder Angaben zu der Art der Ausgabe, etwa überarbeitete, gekürzte, erweiterte, limitierte, wissenschaftliche Edition, Edition für die Jugend. Auch Jahreszahlen können als nähere Beschreibung der Ausgabe dienen. Häufig wird auch der Anlass der Herausgabe benannt (Jubiläumsedition, Weihnachtsedition):

[X.] [X.]: Dekoideen;

[X.]: [X.] Paradies, [X.]: von Dieben und Schmugglern;

[X.]: Vom Rollstuhl zum Gehstock, erweiterte Edition;

Universität Basel, [X.] Seminar: Wissenschaftliche Edition des Briefwechsels zwischen [X.] und [X.] (1891-1927);

Friedrich Ebert Stiftung: Handbuch der Menschenrechte Edition 2010/2011;

[X.]: [X.] Jubiläumsedition.

Gelegentlich wird eine Edition durch Angaben mit Bezug auf den Inhalt ergänzt, um dann eine größere Reihe von Druckwerken zu bezeichnen, die durch Gemeinsamkeiten innerlich verbunden sind:

www.verlag-petra-hennig.de/:"Edition junge Autoren".

Inzwischen werden auch andere Medien und sonstige Gegenstände als Editionen bezeichnet. Auch hier wird der Begriff "Edition" regelmäßig ergänzt, um zum Ausdruck zu bringen, dass es sich um eine Ausgabe aus besonderem Anlass, mit besonderen Qualitäten oder in begrenzter Stückzahl handelt (gold-edition, [X.], [X.], [X.], [X.]). Bei Fahrzeugen finden sich auch ergänzende Angaben, die die Motorisierung oder Ausstattung des Fahrzeuges kennzeichnen ([X.]; Verso Edition 1,6 Kompakt-Van). Bei Spielen wird der Begriff "Edition" gelegentlich durch Angaben ergänzt, die die Spielversion kennzeichnen (Junior Edition, [X.]), wobei hier häufig Abwandlungen bezeichnet werden, die sich an berühmte Filmserien anlehnen:

http://emea.microsoftstore.com/DE/de-DE/Microsoft: Flight-Simulator-X-Gold-Edition;

[X.]: [X.] – Deluxe Edition;

http://[X.]/Nintendo-1833740T2: Pokemon-Platin-Edition.

Eine Verbindung des Wortes "Edition" mit dem Gegenstand der Ausgabe ohne weiteren Zusatz, der die Art der Edition bezeichnet, ließ sich nach den Recherchen des Senats jedoch nicht nachweisen. Entsprechend finden sich auch im Wortschatzlexikon der [X.] keine Nachweise für entsprechende Kombinationen mit Titeln oder sonstigen inhaltlichen Angaben (http:// wortschatz.uni-leipzig.de/abfrage: Edition).

c) Bei Zeichen, die aus mehreren Wortbestandteilen bestehen, ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

Die Wortfolge "edition goldfisch" hat keine inhaltliche Aussagekraft, da weder das Wort "Edition" geeignet ist, eine nähere inhaltliche Aussage zu einem Goldfisch zu treffen, noch das Wort "Goldfisch" geeignet ist, eine Edition näher zu beschreiben. Eine beschreibende Verwendung dergestalt, dass ein Produkt mit der Bezeichnung "edition goldfisch" eine Ware in Form oder Farbe eines Goldfisches sein könnte oder – bei [X.]n - Goldfische zum Thema haben könnte, ist nicht üblich. Das Wort "Edition" findet auch in Bezug auf lebende Goldfische keine Verwendung, da es für Züchtungen nicht gebräuchlich ist. Deshalb wird das angesprochene Publikum, hier die Allgemeinheit der Verbraucher, die Wortfolge nicht als Hinweis auf die Eigenschaften des beanspruchten Produktes verstehen.

Auch Stofftiere und Puppen, die in limitierten Auflagen produziert werden, werden nicht mit dem Begriff "Edition" ohne einen weiteren Zusatz wie "limitiert" versehen.

www.kaethe-kruse.de: Klassische Sammlerpuppen – limitierte Editionen;

www.steiff.com: [X.]: Limitierungen

Im Bereich der Kunst wird der Begriff "Edition" häufig mit dem Namen eines Künstlers verbunden. Gelegentlich findet sich der Begriff auch in Verbindung mit einer Kunstrichtung. Auch hier ist die Angabe "Edition" aber regelmäßig mit der Stückzahl der edierten Werke verbunden. Dies gilt auch für Fotografien und Grafik-Design:

www.artnet.de/magazine: Erste Grafik-Edition der Städtischen Galerie Dresden;

www.arternety.com: [X.] art edition owl 02 limitierte Edition..100 Stück Grafik-Edition 2012: "Hirtenträume" limited Edition handcholoriert, handsigniert und nummeriert von 1-12;

www.lumas.de Edition von [X.]… executed in 1999, [X.] an edition of one hundred;

www.lumas.de: [X.], [X.], [X.], …limited Edition Auflage 100;

http://www.stefaniebrendle.de: Aus Liebe zum manuellen Gestalten entwickelt [X.] Grafik | Design limitierte Edition von einzigartigen Handsiebdrucken.

Daher enthält das angemeldete Zeichen keinerlei sinnvolle Verbindung zwischen seinen Elementen und ist auch in der Zusammenstellung seiner Elemente ohne Sachbezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

2. Die Erstattung der [X.] war nicht anzuordnen.

Die Voraussetzungen für die Rückzahlung gemäß § 71 Abs. 3 [X.] liegen nicht vor. Sie ist nur dann anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers einerseits und der Staatskasse andererseits unbillig wäre. Der Erfolg der Beschwerde als solcher ist kein Rückzahlungsgrund. Es müssen besondere Umstände hinzu kommen, die dazu führen, dass der Beschwerdeführer durch ein fehlerhaftes und unzweckmäßiges Verhalten des [X.] zu einer Beschwerde veranlasst wurde, die bei sachgerechter Verfahrensweise mit gewisser Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können. Solche Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Verfahrensfehler des [X.] sind nicht erkennbar. Auch hat die angegriffene Entscheidung weder eklatant den Prüfungsumfang verkannt noch ist sie zu einem schlechterdings unvertretbaren Ergebnis gelangt.

Meta

29 W (pat) 525/12

02.05.2012

Bundespatentgericht 29. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 02.05.2012, Az. 29 W (pat) 525/12 (REWIS RS 2012, 6818)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6818

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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29 W (pat) 35/12

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