Bundessozialgericht, Urteil vom 10.08.2016, Az. B 14 AS 51/15 R

14. Senat | REWIS RS 2016, 6880

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung - Vorhandensein einer Kapitallebensversicherung vor der ersten Antragstellung - Vermögen - Überschussbeteiligung - einheitlicher Anspruch - keine Vergleichbarkeit mit Zinsen auf Kapitalvermögen - Verkehrswert


Leitsatz

Die Überschussbeteiligung einer bei der ersten Alg II-Antragstellung vorhandenen Kapitallebensversicherung ist grundsicherungsrechtlich Vermögen, nicht Einkommen, auch wenn sie während des Leistungsbezugs ausgezahlt wird.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 22. Juli 2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des [X.] vom 23. Oktober 2013 wie folgt gefasst wird:

Die Bescheide des Beklagten vom 24. November 2009 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids vom 8. Juni 2010 werden aufgehoben.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit sind die Aufhebung des den Klägern für April und Mai 2008 bewilligten [X.] und [X.] seitens des beklagten [X.] wegen der Berücksichtigung einer kapitalbildenden Lebensversicherung als Einkommen.

2

Die 1958 geborene Klägerin und der 1948 geborene Kläger sind miteinander verheiratet und bezogen ab Oktober 2006 [X.]. Auf ihren Fortzahlungsantrag vom [X.] bewilligte ihnen der Beklagte für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.9.2008 [X.] iHv insgesamt 449,40 [X.] monatlich unter Berücksichtigung von Erwerbseinkommen der Klägerin (Klägerin: 216,65 [X.], Kläger: 232,75 [X.]; Bescheid vom [X.]). Ab Juni 2008 bezog der Kläger eine Altersrente, weshalb der Beklagte die [X.]-Bewilligung gegenüber der Klägerin ab Juni 2008 ganz aufhob (bestandskräftiger Bescheid vom 26.11.2008) und für den Kläger gegenüber dem [X.] einen Erstattungsanspruch geltend machte.

3

Nach einem Datenabgleich reichten die Kläger im Juni 2009 beim Beklagten Unterlagen zu einer Versicherung des [X.] ein. Danach hatte der Kläger über eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme iHv 3267 [X.] bei der [X.] (im Folgenden: [X.]) mit Versicherungsbeginn am 1.4.1991 und Ablauf zum [X.] verfügt, die seit 1.1.1998 beitragsfrei gestellt war. Die Versicherung war zum [X.] ausgezahlt und dem Konto der Kläger am [X.] gutgeschrieben worden. Der Auszahlungsbetrag iHv 4652,80 [X.] hatte sich zusammengesetzt aus der Versicherungssumme (3267 [X.]), einer Überschussbeteiligung (1341 [X.]) und einem Anteil an den Bewertungsreserven (44,80 [X.]). Am 1.10.2006 hatte der Rückkaufswert der Versicherung einschließlich Überschussbeteiligung 4332,30 [X.] betragen: Rückkaufswert Versicherungssumme 3114,40 [X.], Überschussbeteiligung 1217,90 [X.].

4

Der Beklagte hörte die Kläger zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug im April und Mai 2008 wegen der Auszahlung dieser Versicherung an, hob - gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] - gegenüber den Klägern die [X.]-Bewilligung für April und Mai 2008 auf und forderte von der Klägerin die Erstattung von 433,30 [X.] und vom Kläger von 465,50 [X.] (zwei gesonderte Bescheide vom [X.] und Widerspruchsbescheide vom [X.]): Nach Antragstellung sei Einkommen aus der Lebensversicherung einschließlich Überschussbeteiligung und Anteils an den Bewertungsreserven erzielt worden, das zum Wegfall des Anspruchs führe. Das von den Klägern angerufene [X.] verpflichtete den Beklagten, seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide zurückzunehmen (Urteil vom 23.10.2013). Die Berufung des Beklagten wies das L[X.] zurück (Urteil vom 22.7.2015): Die Lebensversicherung einschließlich der Überschussbeteiligung und des Anteils an den Bewertungsreserven sei vor ihrer Auszahlung Vermögen gewesen und werde nicht durch die Auszahlung zu Einkommen. Eine positive Entwicklung der Überschussbeteiligung und des Anteils an den Bewertungsreserven stelle lediglich eine Werterhöhung des bei [X.] bereits vorhandenen Vermögens dar. Das Vermögen der Kläger insgesamt habe unter deren Vermögensfreibetrag gelegen.

5

Mit der vom L[X.] zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, dass es sich bei während des Leistungsbezugs zugeflossenen Überschussanteilen und Bewertungsreserven um Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II, nicht um Vermögen iS des § 12 Abs 1 [X.]B II handele. Zwar stellten die eingezahlten Beiträge zu einer Kapitallebensversicherung Vermögen dar, entgegen der Auffassung des L[X.] handele es sich bei Erträgen hieraus in Form von Überschussanteilen und Bewertungsreserven aber - ebenso wie bei Zinsen auf Kapitalvermögen - um erzielte Einnahmen und deshalb um Einkommen.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 22. Juli 2015 und des [X.] vom 23. Oktober 2013 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen rechtswidrig sind. Die Lebensversicherung des [X.] war auch nicht nur teilweise als Einkommen zu berücksichtigen; vielmehr handelte es sich bei ihr insgesamt um Vermögen, das die [X.] unterschritt. Der Tenor des Urteils des [X.], durch den der Beklagte "verpflichtet" worden ist, "seine beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 24. November 2009 in Gestalt der beiden Widerspruchsbescheide vom 8. Juni 2010 zurückzunehmen", ist durch den Senat zur Klarstellung neu gefasst worden.

9

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das die Berufung des Beklagten zurückweisende Urteil des [X.] und das Urteil des [X.], durch das der Beklagte verpflichtet worden ist, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.] zurückzunehmen, und damit letztlich das Begehren des Beklagten, die Klagen gegen diese Bescheide abzuweisen.

2. Die Revision ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Berufung unzulässig war. Zwar überstiegen die gesonderten Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen gegenüber den Klägern nicht jeweils den Wert von 750 Euro nach § 144 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.]G. Doch hat der Beklagte Berufung gegen das Urteil des [X.] eingelegt, das den im Wege subjektiver Klagehäufung erhobenen Klagen stattgegeben hatte; insgesamt betrugen die [X.] gegenüber den Klägern 898,80 Euro.

3. Statthafte Klageart ist vorliegend die von beiden Klägern gegen den sie betreffenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids jeweils erhobene reine Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 [X.]G).

4. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufhebungen misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 und 2 [X.] [X.]B II (idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) iVm - anders, als vom Beklagten zugrunde gelegt - § 45 [X.]B X und § 330 Abs 2 [X.]B III. Diese Rechtsgrundlage ist einschlägig unabhängig von der Einordnung der am [X.] ausgezahlten Lebensversicherung als Einkommen oder Vermögen. Soweit es sich bei dieser um zu berücksichtigendes Einkommen handelt, war dieses vor Erlass des [X.] am [X.] zugeflossen und die Bewilligung insoweit von Anfang an rechtswidrig. Soweit es sich um zu berücksichtigendes Vermögen handelt, war dieses vor Erlass des [X.] vorhanden, weshalb die Bewilligung insoweit von Anfang an rechtswidrig war. Anderes folgt bei einer Einordnung als Einkommen auch nicht daraus, dass der Auszahlungsbetrag dem Konto am [X.] und damit zwischen Antragstellung am [X.] und Erlass des [X.] am [X.] gutgeschrieben wurde. Denn § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]B X ist nur auf nach Erlass des aufzuhebenden Bescheids erzieltes Einkommen anwendbar; ist es dagegen nach Antragstellung, aber vor Erlass des aufzuhebenden Bescheids zugeflossen, richtet sich die Aufhebung nach § 45 [X.]B X (vgl B[X.] Urteil vom 24.2.2011 - [X.] [X.]/09 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]5; B[X.] Urteil vom 29.11.2012 - [X.] [X.]/12 R - B[X.]E 112, 221 = [X.] 4-1300 § 45 [X.]2, Rd[X.]7; Schütze in von [X.]/Schütze, [X.]B X, 8. Aufl 2014, § 48 RdNr 24). Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen [X.] misst sich an § 40 Abs 1 Satz 1 [X.]B II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 [X.]B X.

5. In formeller Hinsicht sind die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht zu beanstanden. Insbesondere sind die Kläger jeweils vor Erlass des sie betreffenden Bescheids vom [X.] angehört worden (§ 24 Abs 1 [X.]B X). Auch sind diese Bescheide in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheids vom [X.] inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 [X.]B X): Soweit nach dem Verfügungssatz der [X.] das [X.] für April und Mai 2008 jeweils "teilweise" aufgehoben wurde, ergibt sich aus der jeweils anschließenden Berechnung der Erstattungsforderung, dass die bewilligten Leistungen vollständig aufgehoben wurden. Diese Differenz stellen die Widerspruchsbescheide jeweils dahin klar, dass die Erzielung von Einkommen aus der Lebensversicherung zum "Wegfall des Anspruchs" führe.

6. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide sind jedoch materiell rechtswidrig. Die [X.]-Bewilligung durch Bescheid vom [X.] begünstigte die Kläger im Aufhebungszeitraum nicht rechtswidrig und war deshalb nicht nach § 45 [X.]B X zurückzunehmen, weshalb die bereits erbrachten Leistungen nicht nach § 50 [X.]B X zu erstatten sind. Bei der am [X.] ausgezahlten Lebensversicherung des [X.] handelt es sich insgesamt um Vermögen, nicht um Einkommen.

a) Einkommen iS des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.]B II (idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) ist nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des B[X.] grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen iS des § 12 Abs 1 [X.]B II (idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) das, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte, wobei auszugehen ist vom [X.]punkt des tatsächlichen Zuflusses, es sei denn, rechtlich wird ein anderer [X.]punkt als maßgeblich bestimmt (modifizierte Zuflusstheorie; vgl letztens etwa B[X.] Urteil vom 19.8.2015 - [X.] [X.]/14 R - vorgesehen für [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]3 mwN), und abzustellen ist auf die erste Antragstellung des laufenden Leistungsfalls (vgl B[X.] Urteil vom 28.10.2009 - [X.] [X.]2/08 R - juris RdNr 22; B[X.] Urteil vom 29.4.2015 - [X.] [X.]/14 R - vorgesehen für [X.] 4-4200 § 11 [X.] RdNr 29; B[X.] Urteil vom 19.8.2015 - [X.] [X.]/14 R - vorgesehen für [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4; zum Leistungsfall als ununterbrochene Dauer eines Leistungsbezugs ab einer Leistungsbewilligung vgl B[X.] Urteil vom 9.4.2014 - [X.] [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]8 ff).

Ausgehend hiervon handelt es sich bei der kapitalbildenden Lebensversicherung des [X.] insgesamt im Aufhebungszeitraum um Vermögen. Denn bereits vor der ersten Antragstellung für den Leistungsfall ab Oktober 2006 verfügte der Kläger über die am 1.4.1991 begonnene, seit 1.1.1998 beitragsfreie und zum [X.] ablaufende Lebensversicherung bei der Volksfürsorge mit einer Versicherungssumme von 3267 Euro im [X.]. Nichts anderes gilt für die Überschussbeteiligung und den Anteil an den Bewertungsreserven (im Folgenden: Überschussbeteiligung; § 153 Abs 1 [X.] <[X.]> legaldefiniert "Beteiligung an dem Überschuss und an den Bewertungsreserven" als "Überschussbeteiligung"). Denn die Überschussbeteiligung ist Bestandteil des einheitlichen Kapitallebensversicherungsvertrags (zur gesetzlichen Konzeption des einheitlichen Lebensversicherungsvertrags vgl [X.] Urteil vom 12.10.2005 - [X.]/03 - [X.]Z 164, 297 RdNr 22). Sie floss dem Kläger nicht gesondert als Einkommen zu, sondern stand ihm als Versicherungsnehmer vor der ersten [X.]-Antragstellung aufgrund seines Versicherungsverhältnisses mit der Volksfürsorge im Rahmen eines einheitlichen Anspruchs und nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben in § 153 [X.] bereits dem Grunde nach zu, ohne ihrer Höhe nach für den [X.] der Lebensversicherung garantiert zu sein.

§ 153 [X.] iVm dem Lebensversicherungsvertrag und dessen Bedingungen beinhaltet weder einen individuellen und gesonderten Zahlungsanspruch auf einen Überschuss noch einen Anspruch auf eine individuell bestimmte Überschussbeteiligung, sondern grundsätzlich nur einen gesetzlichen Anspruch auf eine Überschussbeteiligung dem Grunde nach. Durch diese sollen die Versicherungsnehmer an den durch ihre Prämienzahlungen mit geschaffenen Vermögenswerten angemessen beteiligt werden. Grundlage für die Beteiligung ist der Überschuss, der sich aus der handelsrechtlichen Bilanzierung durch den Versicherer unter Beachtung der erforderlichen Eigenkapitalausstattung ergibt. Nur soweit auf dieser, einer aufsichtsrechtlichen Prüfung unterliegenden Grundlage verteilungsfähige Beträge verfügbar sind, findet eine Überschussbeteiligung der Versicherungsnehmer statt. Sie ist bezogen auf den Erfolg des Versicherers und damit variabel. Die Versicherungsnehmer werden durch die Überschussbeteiligung über die gesamte Vertragslaufzeit hinweg an einem unternehmerischen Erfolg des Versicherers insbesondere bei der Kapitalanlage in gesellschaftsähnlicher Weise beteiligt (zum Anspruch des Versicherungsnehmers einer Lebensversicherung auf Überschussbeteiligung im Rahmen eines partiarischen Rechtsverhältnisses vgl näher [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2015, § 153 RdNr 5, 18, 44; [X.] in MüKo-[X.], 2011, § 153 Rd[X.], 16 ff; Winter in [X.], [X.], 9. Aufl 2013, § 153 RdNr 5 ff, 131 ff, 152 ff).

Diese gesetzliche Konzeption der Überschussbeteiligung als Bestandteil des einheitlichen Lebensversicherungsvertrags fand ihre Ausprägung zuletzt durch die Reform des Versicherungsvertragsrechts (Gesetz zur Reform des Versicherungsvertragsrechts vom 23.11.2007, [X.] 2631). Mit dieser hat sich der Gesetzgeber erneut gegen eine Trennung von Versicherungsschutz und Sparvorgang bei der kapitalbildenden Lebensversicherung entschieden (BT-Drucks 17/3945, [X.]). Zudem hat er die Überschussbeteiligung eingehender geregelt. Danach gründet diese auf der Vorgabe des [X.], dass der Versicherer bei Lebensversicherungen wegen ihrer langen Vertragsdauer die versprochene Versicherungssumme und die vereinbarte Prämie vorsichtig zu kalkulieren hat; er verlangt eine deutlich höhere Prämie, als er bei einer Nachkalkulation am Ende der Vertragslaufzeit verlangen würde. Um verfassungsrechtlich unakzeptable Nachteile der Versicherungsnehmer hieraus zu vermeiden (zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Gesetzgeber vgl [X.] Urteil vom 26.7.2005 - 1 BvR 80/95 - [X.]E 114, 73; [X.] Beschluss vom 15.2.2006 - 1 BvR 1317/96 - [X.]K 7, 283), sind sie an den durch die vorsichtige Prämienkalkulation mit geschaffenen Vermögenswerten der Versicherer angemessen zu beteiligen. Dies erfolgt nicht individuell, sondern für die Gesamtheit der Versicherten unter Beachtung des für das Versicherungsrecht typischen Grundgedankens der [X.]. Der Gesamtbetrag der Überschussbeteiligung soll auf die einzelnen Versicherungsnehmer nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik in einem verursachungsorientierten Verfahren verteilt werden (BT-Drucks 16/3945, [X.] ff, 95 ff). Die Überschussbeteiligung wird nicht jährlich während der Vertragslaufzeit gesondert ausgezahlt. Sie wird während dieser [X.] den Versicherungsnehmern wiederkehrend zugeteilt, angesammelt und zusammen mit der Versicherungssumme ausgezahlt, entweder bei Vertragsablauf oder zusammen mit dem Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung der Versicherung (BT-Drucks 16/3945, [X.] f).

Nach diesen Vorgaben des Versicherungsvertragsrechts ist die Überschussbeteiligung zwar auch ein Ertragsprodukt, sie ist indes so ausgestaltet, dass sie weder individuell noch zeitabschnittweise dem Versicherungsnehmer zu leisten ist, sondern auf die Gesamtheit der Versicherungsnehmer und die Laufzeit der Versicherung bezogen ist. Diese Vorgaben schließen es aus, die Bestandteile des einheitlichen Lebensversicherungsvertrags voneinander zu lösen und einer gesonderten grundsicherungsrechtlichen Einordnung als Einkommen oder Vermögen zu unterziehen (ebenso - ausgezahlte Überschussbeteiligung einer vor Antragstellung vorhandenen Kapitallebensversicherung ist Vermögen, nicht Einkommen - neben dem angefochtenen Urteil auch: Thüringer [X.] Urteil vom 13.11.2014 - L 9 [X.]78/12 - juris; Sächsisches [X.] Urteil vom 18.2.2015 - L 8 AS 1229/12 - juris).

b) Die qualitative Einordnung der im maßgeblichen [X.]punkt vor seiner ersten Antragstellung vom Kläger bereits erworbenen Lebensversicherung insgesamt als Vermögen ist zu unterscheiden von der quantitativen Bewertung der Höhe dieses Vermögens. Nach § 12 Abs 4 [X.]B II (idF des [X.] am Arbeitsmarkt vom [X.], [X.]) ist das Vermögen mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen (Satz 1); für die Bewertung ist der [X.]punkt maßgebend, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung von [X.]B II-Leistungen gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen der [X.]punkt des Erwerbs (Satz 2); wesentliche Änderungen des Verkehrswertes sind zu berücksichtigen (Satz 3). Diese Bestimmung des Verkehrswertes von zu berücksichtigendem Vermögen schließt an die zuvor getroffene Abgrenzung von Einkommen und Vermögen an, ohne diese zu ändern oder zu ersetzen.

Bei Lebensversicherungen ist ihr jeweils gegenwärtiger Verkehrswert im Verlauf der [X.] nach der Antragstellung der jeweilige Rückkaufswert der Versicherung zuzüglich der Überschussbeteiligung und ggf abzüglich von Verwertungskosten (vgl B[X.] Urteil vom [X.] - [X.] [X.]/13 R - B[X.]E 115, 148 = [X.] 4-4200 § 12 [X.], Rd[X.] ff, 49 mwN). Insoweit kann der Verkehrswert von Lebensversicherungen Veränderungen unterliegen und es unterlag auch der Verkehrswert der streitigen Lebensversicherung des [X.] Veränderungen. Dieser hing sowohl hinsichtlich der Versicherungssumme als auch der Überschussbeteiligung davon ab, ob und ggf wann die Versicherung bereits vor ihrem [X.] aufgrund einer möglichen vorzeitigen Kündigung nur mit ihrem aktuellen Rückkaufswert (§ 169 [X.]) zuzüglich Überschussbeteiligung (§ 153 [X.]) berücksichtigt wird oder ob es zur Auszahlung der Versicherung erst mit ihrem Ablauf kommt und der Auszahlungsbetrag den Verkehrswert bestimmt. In diesem grundsicherungsrechtlichen Zusammenhang fließt die Überschussbeteiligung in die Bestimmung ein, in welcher Höhe eine vor der [X.]-Antragstellung erworbene Lebensversicherung mit ihrem Verkehrswert als Vermögen zu berücksichtigen ist.

Dass der Verkehrswert der seit 1.1.1998 beitragsfreien Lebensversicherung des [X.] insgesamt nach der hier maßgeblichen [X.]-Antragstellung Veränderungen im Verlauf der [X.] unterlag und im Auszahlungszeitpunkt am [X.] mangels vorzeitiger Kündigung sowohl hinsichtlich der Versicherungssumme als auch der Überschussbeteiligung höher war, als wenn bei Antragstellung oder zu einem anderen [X.]punkt vor Vertragsablauf die Lebensversicherung gekündigt und ausgezahlt worden wäre, begründet indes kein wertmäßiges Dazuerhalten nach Antragstellung iS der obigen Definition der modifizierten Zuflusstheorie, sondern kennzeichnet die versicherungskalkulatorischen [X.] aller Bestandteile der einheitlichen Lebensversicherung im Verlauf der [X.] (zu den Grundlagen der Ermittlung des Rückkaufswertes vgl Winter in [X.], [X.], 9. Aufl 2013, § 169 RdNr 5, 68 ff; zu den Grundlagen der Ermittlung der Überschussbeteiligung vgl Winter aaO, § 153 RdNr 8 f, 59 ff). Diese [X.] ändern nichts daran, dass bei der grundsicherungsrechtlichen Abgrenzung von Einkommen und Vermögen eine vor der Antragstellung bereits vorhandene Lebensversicherung mit ihrem jeweiligen Verkehrswert Vermögen ist.

c) Dem steht die Rechtsprechung des B[X.] zur Berücksichtigung von Zinsen auf Kapitalvermögen nach Antragstellung als wertmäßigen Zuwachs des Kapitals und deshalb als Einkommen nicht entgegen (grundlegend B[X.] Urteil vom 30.9.2008 - B 4 [X.]/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]6 Rd[X.]7 ff; vgl auch B[X.] Urteil vom 22.8.2012 - [X.] [X.]3/11 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]9 ff - Zinseinkünfte aus Schmerzensgeld; B[X.] Urteil vom 19.8.2015 - [X.] [X.]/14 R - vorgesehen für [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 - Zinsgutschrift auf [X.]). Denn die Kapitalverzinsung ist grundsicherungsrechtlich von der Überschussbeteiligung einer Kapitallebensversicherung zu unterscheiden. Während das Kapitalvermögen nur in seiner betragsmäßigen Höhe im [X.]punkt der Antragstellung Vermögen ist und spätere Zinsen auf das Vermögen einen realen wertmäßigen Zuwachs in Geld nach Antragstellung bewirken, sind Kapitallebensversicherungen in Höhe ihres versicherungskalkulatorischen [X.] (§ 169 [X.]) zuzüglich Überschussbeteiligung (§ 153 [X.]) im [X.] Vermögen und bewirken Steigerungen dieser Werte aufgrund versicherungs- und handelsrechtlicher Vorgaben keinen realen wertmäßigen Zuwachs in Geld nach Antragstellung, sondern drücken den variablen Wert der gesamten einheitlichen Lebensversicherung im Verlauf der [X.] aus.

Auch außerhalb des [X.] weisen die Überschussbeteiligung einer Lebensversicherung und die Zinsen auf Kapitalvermögen Unterschiede auf, an die das [X.]B II anknüpfen kann (zur Unterscheidung von Lebensversicherungsprodukten und Bankprodukten vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2015, § 153 Rd[X.]). Anders als typischerweise Zinsen, die als gewinn- und umsatzunabhängige, laufzeitabhängige Vergütung für die Einräumung der Möglichkeit einer Kapitalnutzung gesondert zu zahlen sind und sich entsprechend vom Kapitalvermögen gesondert auszahlen lassen (vgl § 246, § 367 Abs 1, § 396 Abs 2, § 488 Abs 1 Satz 2 und Abs 2, § 1194 [X.]; zum gesetzlich nicht einheitlich definierten Zinsbegriff vgl [X.] in [X.], 7. Aufl 2016, § 246 RdNr 3 ff; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl 2014, § 246 RdNr 3; [X.] in jurisPK-[X.], 7. Aufl 2014, § 246 Rd[X.]1), lässt sich die erfolgsabhängige Überschussbeteiligung einer rechtlich einheitlichen Kapitallebensversicherung typischerweise nicht gesondert zur Auszahlung bringen. Entsprechend kann der Zinsanspruch typischerweise trotz seiner materiellen Akzessorietät zur Hauptschuld formell selbständig abgetreten, gepfändet oder verpfändet sowie eingeklagt werden ([X.] in BeckOK-[X.], § 246 RdNr 5, Stand 1.5.2016; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl 2014, § 246 RdNr 9; [X.] in jurisPK-[X.], 7. Aufl 2014, § 246 RdNr 26, 28), während eine Aufspaltung des kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrags in mehrere Verträge, etwa einen Lebensversicherungs- und einen Überschussbeteiligungsvertrag, grundsätzlich nicht möglich ist (Winter in [X.], [X.], 9. Aufl 2013, § 153 RdNr 7, 158). Bei einem Darlehen bestehen dagegen zwei verschiedene Hauptpflichten des Darlehensnehmers, nämlich auf Rückzahlung des [X.] und auf Zahlung der geschuldeten Zinsen (§ 488 Abs 1 Satz 2 [X.]), denen auch verschiedene Gläubiger gegenüberstehen können. Einem solchen Regelungsmodell folgt der einheitliche Lebensversicherungsvertrag mit seinem einheitlichen Anspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer nicht.

Eine andere, hier beachtliche Wertung lässt sich nicht dem Einkommensteuerrecht entnehmen. Nach § 20 Abs 1 [X.] EStG unterliegen seit 1.1.2005 aufgrund des [X.] vom 5.7.2004 ([X.] 1427) im Interesse der Steuergerechtigkeit und Vereinfachung grundsätzlich auch Einkünfte aus kapitalbildenden Lebensversicherungen der Steuerpflicht und zwar grundsätzlich mit dem Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Versicherungsbeiträge im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags (vgl näher von [X.] in [X.], EStG, 15. Aufl 2016, § 20 RdNr 98, 100, 102). Dieser eine Vielzahl weiterer Differenzierungen aufweisende steuerliche Zugriff auf Erträge unterscheidet sich nach seiner Zweckrichtung und Ausgestaltung schon im Ansatz von der grundsicherungsrechtlichen Abgrenzung von zur Bedarfsdeckung zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sowie der grundsicherungsrechtlichen Bewertung des Verkehrswertes von Vermögen. Er zeigt aber auch, dass es im Einkommensteuerrecht einer spezifischen und ausdifferenzierten gesetzlichen Regelung zur Bestimmung des Ertrags bedurfte, um Einkünfte aus Kapitallebensversicherungen besteuern zu können; was deren Ertrag ist, liegt bei der einheitlichen Lebensversicherung nicht auf der Hand. Eine vergleichbare Regelung kennt das [X.]B II nicht.

d) Die insgesamt als Vermögen einzuordnende Lebensversicherung ist schließlich auch nicht durch ihre Auszahlung nach Vertragsablauf und Gutschrift auf dem Konto am [X.] zu Einkommen des [X.] geworden. Denn dieser tatsächliche Zufluss brachte mit der einheitlichen Lebensversicherung nur zur Auszahlung, was rechtlich einheitlich zum Vermögen des [X.] bereits vor Antragstellung gehört hatte und als Vermögen mit seinem jeweiligen Verkehrswert nach Antragstellung zu berücksichtigen war (vgl B[X.] Urteil vom 30.9.2008 - B 4 [X.]/07 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]6 Rd[X.]7; B[X.] Urteil vom [X.] AS 22/10 R - juris Rd[X.]; [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 22).

7. Die als verwertbares Vermögen iS des § 12 Abs 1 [X.]B II im Aufhebungszeitraum April und Mai 2008 in Höhe des Auszahlungsbetrags grundsätzlich zu berücksichtigende Lebensversicherung des [X.] ist vorliegend nicht als leistungsschädlich zu berücksichtigen, weil sie die Vermögensfreibetragsgrenze unterschritt.

Nach § 12 Abs 2 [X.]B II (idF des [X.] vom 20.4.2007, [X.] 554) sind vom Vermögen Freibeträge abzusetzen. Der Grundfreibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 [X.], Satz 2 [X.] [X.]B II betrug im April 2008 allein für den Kläger 8850 Euro (59 Jahre x 150 Euro) und zuzüglich seines Freibetrags für notwendige Anschaffungen iHv 750 Euro nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 [X.]B II 9600 Euro und lag damit weit oberhalb der am [X.] iHv 4652,80 Euro ausgezahlten Lebensversicherung, die zu diesem [X.]punkt ihren höchsten Wert hatte. Hinzu kamen, weil bei Partnern in der Bedarfsgemeinschaft diese Freibeträge addiert werden (vgl B[X.] Urteil vom [X.] AS 58/08 R - B[X.]E 103, 153 = [X.] 4-4200 § 12 [X.]3, RdNr 22; [X.] in LPK-[X.]B II, 5. Aufl 2013, § 12 RdNr 20, 35; [X.] in [X.], [X.]B II, 3. Aufl 2013, § 12 RdNr 57, 74), der Grundfreibetrag für die Klägerin nach § 12 Abs 2 Satz 1 [X.], Satz 2 Nr 2 [X.]B II iHv 7500 Euro (50 x 150) und ihr Anschaffungsfreibetrag nach § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 [X.]B II iHv 750 Euro, insgesamt 8250 Euro; zusammen lag die Vermögensfreibetragsgrenze der Kläger im April 2008 bei 17 850 Euro.

Tatsächliche Feststellungen zu anderem zu berücksichtigenden Vermögen der Kläger, das allein oder zusammen mit der streitigen Lebensversicherung die angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen tragen könnte, hat das [X.] nicht getroffen. Im Übrigen ist den Feststellungen des [X.] nicht zu entnehmen, dass die [X.]-Bewilligung durch Bescheid vom [X.] in den Monaten April und Mai 2008 aus anderen Gründen rechtswidrig gewesen sein könnte und deshalb nach § 45 [X.]B X zurückzunehmen war.

[X.] beruht auf § 193 Abs 1 [X.]G.

Meta

B 14 AS 51/15 R

10.08.2016

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Neubrandenburg, 23. Oktober 2013, Az: S 12 AS 1330/10, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 12 Abs 1 SGB 2, § 12 Abs 4 S 1 SGB 2, § 12 Abs 4 S 2 SGB 2, § 12 Abs 4 S 3 SGB 2, § 153 VVG 2008, § 169 VVG 2008

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.08.2016, Az. B 14 AS 51/15 R (REWIS RS 2016, 6880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 6880

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Grundsicherung für Arbeitsuchende - Vermögensberücksichtigung - Lebensversicherung - kein Schonvermögen zur Altersvorsorge - fehlender Verwertungsausschluss …


B 14 AS 52/18 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Rückwirkung des Leistungsantrags auf den Monatsersten - Einkommens- und/oder Vermögensberücksichtigung - …


B 4 AS 19/16 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Vermögensberücksichtigung - Kapitallebensversicherung - besondere Härte - Ansparung aus der Regelleistung


B 14 AS 10/13 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Vermögensberücksichtigung - Lebens- oder Rentenversicherungen - offensichtliche Unwirtschaftlichkeit - Verlustquote - …


B 4 AS 70/09 R (Bundessozialgericht)

(Grundsicherung für Arbeitsuchende - Vermögensberücksichtigung - Verwertbarkeit eines dinglich gesicherten, abgezinsten Forderungsanspruch aus Grundstücksüberlassungsvertrag und …


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1 BvR 80/95

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