Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2017, Az. I ZB 23/17

1. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 2607

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Gegenstand

Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft: Anfrage an den Gerichtsvollzieher über eine Abgabe der Vermögensauskunft innerhalb der Sperrfrist


Leitsatz

Der Gerichtsvollzieher hat eine von einem Gläubiger vor dem 26. November 2016 gestellte Anfrage, ob ein Schuldner innerhalb der Frist des § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO die Vermögensauskunft abgegeben hat, zu beantworten (Ergänzung zu BGH, Beschluss vom 27. Oktober 2016, I ZB 21/16, NJW 2017, 571 = DGVZ 2017, 15).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des [X.] - 16. Zivilkammer - vom 10. Februar 2017 aufgehoben.

Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin wird der Beschluss des [X.] vom 21. November 2016 abgeändert.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, den Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 7. Juni 2016 auszuführen.

Der Schuldner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1

I. Die Gläubigerin beantragte mit Schreiben vom 7. Juni 2016, dem Schuldner gemäß §§ 802c, 802f ZPO die Vermögensauskunft abzunehmen. Sie stellte den Auftrag dabei unter die Bedingung, dass der Schuldner in den letzten beiden Jahren keine Vermögensauskunft abgegeben hat. Für den Fall, dass der Schuldner eine entsprechende Vermögensauskunft abgegeben habe oder [X.] oder Sozialhilfe beziehe, werde der Antrag schon jetzt zurückgenommen.

2

Der Gerichtsvollzieher hat die Durchführung des Auftrags mit der Begründung abgelehnt, der Antrag sei in Verbindung mit der Bedingung unzulässig, da eine Prüfung, ob eine Vermögensauskunft abgegeben worden sei, nur durch Einsichtnahme in das [X.] möglich und eine solche Einsichtnahme ohne Auftrag rechtswidrig sei. Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Die dagegen von der Gläubigerin eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihr Begehren weiter.

3

II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Gerichtsvollzieher habe die Ausführung des [X.]s zu Recht abgelehnt, weil er nicht ohne weiteres in der Lage gewesen sei zu prüfen, ob die Bedingung zutreffe, unter der der Auftrag erteilt worden sei. In der vom Senat mit Beschluss vom 27. Oktober 2016 - [X.] entschiedenen Sache habe die Antragsrücknahme unter einer Bedingung gestanden. In dieser Konstellation sei es konsequent, dass im Rahmen der Dispositionsmaxime ein [X.] für einen Fall zurückgenommen werden könne, dessen Vorliegen vom Gerichtsvollzieher ohne weiteres überprüft werden könne. Demgegenüber habe die Gläubigerin in der vorliegenden Sache den Antrag selbst bereits von einer Bedingung abhängig gemacht. Bei einem solchen Antrag müsse der Gerichtsvollzieher erst Einsicht in das Vermögensverzeichnis nehmen, um zu prüfen, ob er überhaupt einen Auftrag erhalten habe. Die Einsicht in das Vermögensverzeichnis sei dem Gerichtsvollzieher aber nur bei einem entsprechenden Auftrag gestattet. Eine außerhalb des [X.] gerichtete Anfrage, ob eine bestimmte Person im Verzeichnis eingetragen sei, dürfe er nicht beantworten.

4

III. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, der [X.] der Gläubigerin stehe unter einer unzulässigen Bedingung, wenn sie eine Abschrift des [X.] nur für den Fall beantrage, dass der Schuldner in den letzten beiden Jahren keine Vermögensauskunft abgegeben habe.

5

1. Nach § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Schuldner, der die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO innerhalb der letzten zwei Jahre abgegeben hat, zur erneuten Abgabe nur verpflichtet, wenn ein Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Ist dies nicht der Fall, bestimmt § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO, dass der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen [X.] zuleitet. Nach § 802d Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ZPO, der gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung ([X.]) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21. November 2016 ([X.] I, [X.] - EuKoPfVODG) nachträglich in das Gesetz eingefügt worden ist, ist ein Verzicht auf die Zuleitung dabei unbeachtlich. Diese Gesetzesänderung ist gemäß Art. 21 Abs. 3 EuKoPfVODG am Tage nach der Verkündung dieses Gesetzes und damit am 26. November 2016 in [X.] getreten.

6

2. Der Senat hat die in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Frage, ob der Gläubiger auf die Übersendung des früheren [X.] gemäß § 802d ZPO verzichten oder den [X.] in der Weise beschränken kann, dass der Gerichtsvollzieher von der Übersendung eines älteren, beispielsweise mehr als sechs oder zwölf Monate alten [X.] absehen muss, auf der Grundlage des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO aF dahingehend beantwortet, dass der Gläubiger den [X.] aufgrund der das Zwangsvollstreckungsrecht beherrschenden Dispositionsmaxime für den Fall einschränken oder zurücknehmen kann, dass der Schuldner innerhalb der Sperrfrist bereits die Vermögensauskunft abgegeben hat ([X.], Beschluss vom 27. Oktober 2016 - [X.], [X.], 571 Rn. 10 bis 23).

7

3. Die Bestimmung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO aF, nach der ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung des [X.] mithin beachtlich war, gilt auch noch für den im Streitfall am 7. Juni 2016 gestellten [X.]. Die durch die Neufassung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO bewirkte Indienstnahme des einzelnen Gläubigers für die Gesamtheit der Gläubiger eines bestimmten Schuldners bedurfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, an der es bis zum Inkrafttreten der neuen Regelung am 26. November 2016 und damit zum Zeitpunkt des von der Gläubigerin am 7. Juni 2016 gestellten Antrags gefehlt hat (vgl. [X.], [X.], 571 Rn. 21 ff., 23).

8

4. Die Gläubigerin war entgegen der Ansicht des [X.] nicht gehindert, ihren [X.] wie geschehen zu beschränken. Mangels abweichender Vorschriften konnte der von ihr erteilte [X.] auch an einen schon bestehenden Umstand anknüpfen, von dem sie keine Kenntnis haben konnte, der für den Gerichtsvollzieher aber ohne weiteres erkennbar war ([X.], [X.], 571 Rn. 11). Der Gerichtsvollzieher konnte die von den zentralen [X.] nach § 802k Abs. 1 ZPO verwalteten [X.] gemäß § 802k Abs. 2 Satz 1 ZPO zu Vollstreckungszwecken abrufen. Neben eigenen Informationszwecken im Rahmen durchzuführender Vollstreckungshandlungen betrifft diese Regelung auch den Fall, dass der Gerichtsvollzieher einem Gläubiger, der den Antrag auf Vermögensauskunft innerhalb der Sperrfrist des § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO gestellt hat, gemäß § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO einen Abdruck eines bereits vorliegenden [X.] zuleiten soll (MünchKomm.ZPO/Wagner, 5. Aufl., § 802k Rn. 8; [X.] in [X.]/[X.], ZPO, 38. Aufl., § 802k Rn. 4; [X.], 7. Aufl., § 802k Rn. 5).

9

Ein Vollstreckungszweck lag unter der Geltung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO aF auch vor, wenn der Gläubiger bei oder nach der Erteilung des [X.]s einen - nach dem inzwischen geltenden Recht unbeachtlichen - Verzicht auf die Zuleitung eines bereits abgegebenen [X.] erklärte. Der Gerichtsvollzieher hatte daher die von der Gläubigerin am 7. Juni 2016 - anders als nach dem seit 26. November 2016 geltenden Recht (vgl. dazu Fleck in [X.], [X.] ZPO, 26. Edition, Stand 15. September 2017, § 802k Rn. 8) - noch im Rahmen eines [X.] an ihn gerichtete Anfrage, ob der Schuldner innerhalb der Frist des § 802d Abs. 1 Satz 1 ZPO die Vermögensauskunft abgegeben hat, zu beantworten. Diese Pflicht ist auch nicht mit der am 26. November 2016 in [X.] getretenen Änderung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO erloschen, weil die Indienstnahme des einzelnen Gläubigers für die Gesamtheit der Gläubiger eines bestimmten Schuldners, die mit der Änderung bewirkt worden ist (vgl. oben unter [X.]), nicht rückwirkend angeordnet werden konnte.

Für die Beurteilung des Streitfalls ist es unerheblich, ob der von der Gläubigerin gestellte Antrag - wie die Rechtsbeschwerde geltend macht - bei interessengerechter Auslegung nicht unter einer auflösenden Bedingung stand, sondern lediglich seine Rücknahme unter einer aufschiebenden Bedingung. Auch wenn der Auftrag von einer Bedingung abhängig gemacht war, konnte der Gerichtsvollzieher gemäß § 802k Abs. 2 Satz 1 ZPO die von den zentralen [X.] nach Abs. 1 verwalteten [X.] abrufen.

5. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und die Sache danach zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

IV. [X.] beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Büscher     

      

Schaffert     

      

[X.]

      

Koch     

      

Feddersen     

      

Meta

I ZB 23/17

09.11.2017

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Nürnberg-Fürth, 10. Februar 2017, Az: 16 T 9023/16

§ 802d Abs 1 S 1 ZPO vom 29.07.2009, § 802d Abs 1 S 2 ZPO vom 29.07.2009, § 802k Abs 2 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2017, Az. I ZB 23/17 (REWIS RS 2017, 2607)

Papier­fundstellen: MDR 2018, 362-363 WM2018,236 REWIS RS 2017, 2607

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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