Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2000, Az. 1 StR 589/99

1. Strafsenat | REWIS RS 2000, 3467

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[X.]/99vom18. Januar 2000in der [X.] des [X.] hat am 18. Januar 2000 gemäߧ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 2. Juli 1999 mit den [X.].Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurge-richt zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Totschlags, begangen anseiner Ehefrau, zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Gegen diesesUrteil richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und die Sachbeschwerde ge-stützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrü-ge Erfolg.1. Die Revision beanstandet zu Recht als verfahrensfehlerhaft, das[X.] habe bei seiner Überzeugungsbildung Angaben des [X.] [X.]des Angeklagten zum Ablauf der Tatnacht verwertet.Der auf die Verletzung von § 252 StPO gestützten Verfahrensrüge liegt fol-gendes [X.] 3 -a) Nach den Urteilsfeststellungen kam der Angeklagte in der [X.] 0.45 Uhr bis 1.00 Uhr nach [X.]. Danach drosselte er seine Ehefraumit einem Strangwerkzeug bis zu ihrem Tod. Nachdem gegen den Angeklag-ten Haftbefehl ergangen war, ordnete das Vormundschaftsgericht auf Antragder Staatsanwaltschaft für [X.]die [X.] zur Vertretungbei der Entscheidung über die Ausübung des [X.] an. Das [X.] erteilte sein Einverständnis zurVernehmung des Kindes. Eine [X.] suchte das Kind [X.] das sich mitseinem jüngeren Bruder bei den Großeltern aufhielt und von dem Tod [X.] noch nichts wußte - auf und versuchte, mit ihm zu sprechen und es an-zuhören. Das Ergebnis der Anhörung legte die [X.] in einem Ver-merk nieder. Darin wird [X.]damit wiedergegeben, es sei vorgekommen,daß sein kleiner Bruder nach dem Essen nicht in sein Bett, sondern zu ihmwolle. Dann lege [X.] manchmal [X.] zusammen mit dem [X.]zuihm [X.] S. - ins Bett und dann gibt der [X.]Ruhefl.In der Hauptverhandlung hat die [X.] die [X.] überden Inhalt des Vermerks vernommen. Die Zeugin berichtete über ihren [X.], durch ein möglichst informelles und kindgerechtes Gespräch vor [X.]herauszufinden, ob und gegebenenfalls was die Kinder in der [X.] mitbekommen hätten. Im Hinblick auf die Aussage der [X.]sah die [X.] davon ab, die Kinder selbst zu vernehmen, da [X.] Angaben nicht zu erwarten seien.b) Die [X.] hat die Aussage der [X.] dahin [X.], es habe sich [X.] die Einvernahme der Kinder durch die [X.] be-- 4 -stätigt, der Angeklagte habe nachts öfters den jüngeren [X.] versorgt. Davon,daß sein Vater auch bei ihm geschlafen habe, habe [X.]allerdings nichtsgesagt. [X.] der Angeklagte nun gerade in der Nacht, in der seine Frau ge-tötet wurde, von den Kindern so in Beschlag genommen wurde, wie er angab,erscheint eher zufällig und kaum nachvollziehbarfl.2. Mit dieser Würdigung hat die [X.] Bekundungen des Kindes[X.]als ergänzendes Indiz für die Täterschaft des Angeklagten gewertet.Dies verstößt gegen § 252 StPO.a) Der Angeklagte hat zwar in der Hauptverhandlung nur erklärt, er habedie Tat nicht begangen. Das Urteil teilt auszugsweise aber auch mit, er habebei den polizeilichen Beschuldigtenvernehmungen und gegenüber dem Sach-verständigen eine Darstellung der Tatnacht gegeben. Er sei gegen 0.45 [X.] 1.00 Uhr nach [X.] gekommen, habe gehört, daß der [X.] [X.]inseinem Zimmer unruhig war. Er sei mit [X.]ins Wohnzimmer gegangenund habe ferngesehen. [X.]habe dann auch noch seine Mutter sehenwollen. Beide hätten von der Tür aus ins Schlafzimmer geschaut, ohne Lichtzu machen, und sie hätten die Mutter zugedeckt im Bett liegen sehen. [X.] auch [X.] aufgewacht sei, habe er sich gegen 2.00 Uhr bis 2.15 Uhrzusammen mit [X.] in das Bett von [X.]gelegt und sei dort mit denKindern eingeschlafen. Mit dieser Einlassung setzt sich die [X.] nichtweiter auseinander. Sie sieht die Darstellung aufgrund der Aussage der Krimi-nalbeamtin über die Bekundungen des Kindes S. als widerlegt an, dernicht gesagt habe, daß der Angeklagte auch in der Tatnacht bei ihm im [X.] [X.] -b) Diese Verwertung der Aussage des Kindes verstößt gegen § 252StPO. Die [X.] hätte zu den Bekundungen des Kindes S. nichtvernommen werden dürfen. § 252 StPO regelt das Verbot der Protokollverle-sung nach Zeugnisverweigerung. In ständiger Rechtsprechung ist das Verbotüber den Wortlaut der Vorschrift hinaus dahin ausgedehnt worden, daß esdem Gericht auch verwehrt ist, die früheren Aussagen eines Zeugnisverweige-rungsberechtigten durch Anhörung nichtrichterlicher [X.] Hauptverhandlung einzuführen und dann zu verwerten (BGHSt 21, 218; 2,99, 104 [X.] besteht das aus dem Sinn des § 252 StPO abzuleitende Verwer-tungsverbot nach dem Wortlaut dieser Regelung nur unter der Voraussetzung,daß der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Recht zur Aussagever-weigerung Gebrauch macht. Dies ist hier formal nicht geschehen, denn die[X.] hat nach Vernehmung der [X.] von einer Verneh-mung des Kindes abgesehen. Gleichwohl ist eine zum [X.] gegeben. Nach der Rechtsprechung des [X.]dürfen nichtrichterliche [X.] in der [X.] so lange nicht über den Inhalt früherer Angaben eines [X.] berechtigten Zeugen gehört werden, wie [X.] besteht, ob der Zeuge von seinem Weigerungsrecht Gebrauch machtoder darauf verzichtet (BGHSt 25, 176, 177; 7, 194, 196; 2, 110, 111). [X.] Ungewißheit bestand auch im Zeitpunkt der Anhörung und Verneh-mung der [X.]. Da es bei dem Recht, die Aussage zu verweigern,um eine höchstpersönliche Befugnis geht, kann es nicht allein auf eine zu-stimmende Erklärung des gesetzlichen Vertreters, sondern zusätzlich auch auf- 6 -die nach richterlicher Belehrung festzustellende Bereitschaft des Kindes an-kommen.Die vom [X.] als Ausnahme zugelassene Verwertung [X.] der [X.], daß der weigerungsberechtigteZeuge im Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht erreichbar ist, weil sein Auf-enthalt nicht ermittelt werden konnte (BGHSt 25, 176; vgl. auch BGHSt 27,139), liegt hier nicht vor.c) Auf diesem Verfahrensfehler beruht das Urteil. Der [X.] kann wegender besonderen Schwierigkeiten der Beweiswürdigung und angesichts [X.] des Angeklagten, er habe gegen 2.00 Uhr mit seinen Kinderndie Ehefrau von der Schlafzimmertür aus zugedeckt im Bett liegen sehen unddanach im Bett von [X.] geschlafen, nicht ausschließen, daß die [X.] durch den Verfahrensfehler beeinflußt [X.] -3. Auf die Sachrüge, die zu keinem weitergehenden Erfolg führen kann,kommt es nach alledem nicht an.[X.] Boetticher Herr RiBGH Schomburg ist wegen Krankheit an der Unterschrift verhindert. [X.] von [X.]

Meta

1 StR 589/99

18.01.2000

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.01.2000, Az. 1 StR 589/99 (REWIS RS 2000, 3467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 3467

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