Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.12.2010, Az. IX ZA 30/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 243

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Gegenstand

Wirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung: Befreiung eines gutgläubigen Drittschuldners von einer Verbindlichkeit durch Zahlung an den Insolvenzverwalter in Unkenntnis einer Freigabeerklärung


Leitsatz

Erbringt der gutgläubige Drittschuldner in Unkenntnis der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters an diesen eine Leistung zur Erfüllung einer gegenüber dem Schuldner bestehenden Verbindlichkeit, so kann in entsprechender Anwendung von § 82 InsO Befreiung eintreten .

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des [X.] vom 11. Mai 2010 wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Über das Vermögen der Klägerin, einer Bauunternehmung, wurde das Insolvenzverfahren eröffnet, was den Beklagten als Schuldner einer [X.] mitgeteilt wurde. Im weiteren Verlauf gab der Insolvenzverwalter, jetzt Streithelfer der Klägerin, die [X.] frei. Die Beklagten entrichteten den [X.] an den Streithelfer. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf nochmalige Zahlung des [X.] in Anspruch. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat der Zahlung an den Insolvenzverwalter Erfüllungswirkung beigemessen, die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen. Gegen dieses Urteil (veröffentlicht in [X.], 821) beabsichtigt der Streithelfer der Klägerin Revision einzulegen und begehrt hierfür Prozesskostenhilfe.

II.

2

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint mutwillig und bietet überdies keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

3

1. Einem Streithelfer kann auf der Grundlage von dessen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe nur dann bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint. Mutwilligkeit liegt vor, wenn der Streithelfer kein eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat, weil dann eine verständige Partei von einer Beteiligung absehen würde (vgl. [X.], [X.]. v. 17. Januar 1966 - [X.], NJW 1966, 597; v. 2. Juni 2010 - [X.], NJW-RR 2010, 1299 Rn. 8).

4

Dies ist hier der Fall. Der Antragsteller ist in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Streithelfer der Klägerin. Mit der von ihm beabsichtigten Revision will er geltend machen, dass die Beklagten durch die Zahlung in die Insolvenzmasse nicht von ihrer Verbindlichkeit gegenüber der Klägerin freigeworden und folglich erneut an die Klägerin zahlen müssen. Sollte der Antragsteller mit dieser von ihm vertretenen Rechtsauffassung durchdringen, so hätte dies zur Folge, dass die Masse durch die Zahlung der Beklagten ungerechtfertigt bereichert wäre und insofern eine Masseverbindlichkeit bestünde (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 [X.]). Für die Insolvenzmasse wäre ein Erfolg des vom Antragsteller vorgesehenen Rechtsmittels daher insofern nachteilig, als dies eine Masseverbindlichkeit nach sich ziehen würde. [X.] das Berufungsurteil dagegen bestehen, so könnte die Masse die Zahlung der Beklagten behalten. Wegen der angezeigten Masseunzulänglichkeit würde ein Bereicherungsanspruch der Beklagten zwar wohl nicht aus der Masse befriedigt werden können, einen Vorteil für die Masse könnte ein erfolgreiches Rechtsmittel gleichwohl nicht bedeuten.

5

2. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] und des [X.] hat ein Rechtsschutzbegehren in aller Regel dann hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Prozesskostenhilfe muss hingegen nicht bewilligt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder durch die in der Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als schwierig "erscheint" (vgl. [X.] NJW 1991, 413, 414; [X.], [X.]. v. 10. Dezember 1997 - [X.], NJW 1998, 1154; v. 11. September 2002 - [X.], NJW-RR 2003, 130).

6

Dieser Ausnahmefall ist vorliegend gegeben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Leistung an den Insolvenzverwalter in Unkenntnis von der kurz zuvor erfolgten Freigabe der Forderung an den Insolvenzschuldner Erfüllungswirkung zukommt. § 82 [X.] sieht eine entsprechende Regelung für den Fall vor, dass der gutgläubige Drittschuldner in Unkenntnis der Verfahrenseröffnung an den nicht mehr empfangsberechtigten Insolvenzschuldner eine Leistung erbringt. Für diese Fallgestaltung ordnet § 82 [X.] ausdrücklich die Befreiungswirkung an. Der [X.] hat bereits entschieden, dass im Falle der Aufhebung des Insolvenzverfahrens der Verkehrsschutz bei Leistungen an den nicht mehr empfangszuständigen Insolvenzverwalter oder Treuhänder durch entsprechende Anwendung des § 82 [X.] sichergestellt werden kann ([X.], [X.]. v. 15. Juli 2010 - [X.] 229/07, [X.], 1610 Rn. 8, zur [X.] bestimmt in [X.]Z). Nichts anderes kann für die hier vorliegende Fallgestaltung einer Freigabe durch den Insolvenzverwalter gelten. Das Berufungsgericht hat mithin die Klage in zutreffender Beurteilung der vorliegenden Rechtsfrage für unbegründet angesehen. Die vom Antragsteller beabsichtigte Revision weist daher keine Erfolgsaussichten auf (§ 114 ZPO).

Kayser                                [X.]

                 Fischer                                [X.]

Meta

IX ZA 30/10

16.12.2010

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZA

vorgehend LG München I, 11. Mai 2010, Az: 11 S 23373/09, Urteil

§ 35 InsO, § 82 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.12.2010, Az. IX ZA 30/10 (REWIS RS 2010, 243)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 243

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