Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2023, Az. AK 83/23

3. Strafsenat | REWIS RS 2023, 8531

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Tenor

Die Untersuchungshaft hat [X.].

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem [X.] übertragen.

Gründe

I.

1

Der Angeschuldigte befindet sich seit dem 22. Dezember 2022 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 7. Dezember 2022 ([X.]) ununterbrochen in Untersuchungshaft.

2

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich als Mitglied an der [X.] „Arbeiterpartei [X.]“ („[X.] Karkêren [X.]“, [X.]) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet gewesen seien, Mord, Totschlag, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder [X.]raftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 239a oder § 239b [X.]GB zu begehen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]GB. Der Angeschuldigte soll von Juli 2021 bis zu seiner Festnahme als Vollkader der Organisation die [X.]-Region B.    und das [X.]-Gebiet N.     geleitet haben.

3

Der Senat hat mit Beschluss vom 8. August 2023 ([X.]) die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus angeordnet. Rechtlich hat er das dem Angeschuldigten im Sinne eines dringenden Tatverdachts vorgeworfene Verhalten wie im Haftbefehl gewertet, allerdings dahinstehen lassen, ob die darin getroffene Würdigung zutrifft, dass neben den tatbestandlichen Voraussetzungen von § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]GB auch diejenigen von § 129a Abs. 1 Nr. 2, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 [X.]GB vorliegen.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 27. September 2023 wegen des [X.], der dem Haftbefehl zugrunde liegt, Anklage zum [X.] (6 [X.] 5/23) erhoben. Von den dem Angeschuldigten im Haftbefehl angelasteten 29 Beteiligungshandlungen sind allerdings im [X.] lediglich neun beschrieben, nämlich die Mitwirkung an der Spendenkampagne 2021/2022 (Haftbefehl Nr. 3), die öffentlichkeitswirksame Unterstützung von inhaftierten [X.]-Kadern an vier Tagen (Haftbefehl Nr. 4, 8, 21 und 28) und die Organisation von verschiedenen Parteiveranstaltungen, bei denen der Angeschuldigte zu drei Gelegenheiten als Redner auftrat (Haftbefehl Nr. 5, 18, 23 und 25). Daneben führt der [X.] zwei [X.] an, die im Haftbefehl nicht geschildert sind.

5

Die übrigen 20 im Haftbefehl genannten Beteiligungshandlungen des Angeschuldigten (Nr. 1, 2, 6, 7, 9 bis 17, 19, 20, 22, 24, 26, 27 und 29 des Haftbefehls) hat die Generalstaatsanwaltschaft nach § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]PO von der Verfolgung ausgenommen, wobei die Abschlussverfügung, mit der sie die Verfolgungsbeschränkung angeordnet hat, und, dies wiedergebend, das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen - offenbar versehentlich - insoweit auch die [X.] unter Nr. 21 und 28 des Haftbefehls benennen.

II.

6

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus liegen vor.

7

1. Gegenstand der Haftprüfung ist der nach § 122 Abs. 1 [X.]PO vorgelegte vollzogene Haftbefehl (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. Juli 2016 - AK 41/16, juris Rn. 8; vom 6. Dezember 2017 - [X.], N[X.]Z-RR 2018, 53, 54; vom 3. März 2021 - AK 13/21, juris Rn. 4) mit der Maßgabe, dass jedenfalls die 20 nicht in der Anklageschrift beschriebenen Beteiligungshandlungen aufgrund der Verfolgungsbeschränkung nicht mehr dem Verfolgungswillen der Generalstaatsanwaltschaft unterliegen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2019 - AK 28/19, juris Rn. 7; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, juris Rn. 6). Ohne dass es für die Haftfrage darauf ankommt, umfasst die haftbefehlsgegenständliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne demgegenüber die beiden weiteren - allein - im [X.] geschilderten [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 11. Juli 2023 - AK 23/23, juris Rn. 16).

8

Ebenso wenig ist für die Haftfrage von maßgebender Bedeutung, ob sich die Verfolgungsbeschränkung auf die [X.] unter Nr. 21 und 28 des Haftbefehls erstreckt.

9

2. Der Tatvorwurf rechtfertigt für sich genommen selbst dann die [X.], wenn der Haftprüfung lediglich die sieben Beteiligungshandlungen unter Nr. 3 bis 5, 8, 18, 23 und 25 des Haftbefehls zugrunde gelegt werden.

a) Der dringende Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland als solcher ist von der genauen Anzahl dieser für die [X.] ausgeübten Betätigungen unabhängig. Was ihn im Allgemeinen, die im Haftbefehl geschilderten Beteiligungshandlungen im Besonderen und die rechtliche Bewertung angeht, wird auf die fortgeltenden Ausführungen im Beschluss des Senats vom 8. August 2023 ([X.], juris Rn. 4 ff.) verwiesen. Im Übrigen wird auf das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen Bezug genommen, soweit es die [X.], die ideologische Prägung des Angeschuldigten, seine [X.]ellung in der Organisation und seine Tätigkeit für diese zum Gegenstand hat.

b) Die Haftgründe der Fluchtgefahr und der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 [X.]PO) bestehen fort.

Auch wenn der Haftprüfung lediglich die Beteiligungshandlungen unter Nr. 3 bis 5, 8, 18, 23 und 25 des Haftbefehls zugrunde gelegt werden, hat der Angeschuldigte im Fall seiner Verurteilung weiterhin mit einer erheblichen noch zu verbüßenden Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz begründet. Denn zum einen bleibt Prüfungsgegenstand jedenfalls die Zugehörigkeit des Angeschuldigten zur [X.] in der herausgehobenen Funktion eines hauptamtlichen Kaders über etwa eineinhalb Jahre hinweg mit einer Vielzahl gewichtiger Beteiligungshandlungen. Zum anderen können die ausgeschiedenen Teile der Tat weiterhin bedeutsam für die [X.]rafzumessung und damit die (Netto-)[X.]raferwartung des Angeschuldigten sein. Der gemäß § 112 Abs. 1 Satz 1 [X.]PO erforderliche Verdachtsgrad liegt auch für die nicht mehr verfolgten [X.] vor. Das ergibt sich unter anderem aus dem Vermerk des [X.] vom 16. August 2023 und der Abschlussverfügung der Generalstaatsanwaltschaft. Damit können die nach § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.]PO von der Verfolgung ausgenommenen Tatteile grundsätzlich strafschärfende Berücksichtigung finden (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschlüsse vom 5. Juli 1990 - 1 [X.]R 329/90, juris; vom 29. Juni 2010 - 1 [X.]R 157/10, [X.]R [X.]PO § 154 Abs. 2 Hinweis 1; Urteil vom 24. März 2022 - 3 [X.]R 375/20, juris Rn. 73 f.).

Diesem hohen Fluchtanreiz stehen keine hinreichen fluchthemmenden Umstände entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den ersten [X.]beschluss des Senats verwiesen ([X.], juris Rn. 17 ff.).

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über neun Monate hinaus (§ 121 Abs. 1, § 122 Abs. 4 Satz 2 [X.]PO) liegen vor. Die Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil noch immer nicht zugelassen. Wie bereits in der ersten Haftprüfungsentscheidung des Senats ausgeführt, ist besonders die Auswertung zahlreicher elektronischer Speichermedien zeitaufwendig gewesen, deren Inhalt zu großen Teilen eine Übersetzung erfordert hat.

Das Verfahren ist seither weiterhin mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden. Das ergibt sich im Einzelnen aus der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 27. Oktober 2023 und den Vermerken des Vorsitzenden [X.] am [X.] vom 16. und 17. Oktober 2023. Aus diesen geht hervor, dass die Hauptverhandlung für den Fall der Eröffnung am 11. Januar 2024 beginnen soll und der Verteidiger des Angeschuldigten zu einem früheren Termin zeitlich nicht verfügbar ist.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach wie vor nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall einer Verurteilung zu erwartenden [X.]rafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]PO).

Schäfer                  Berg                  [X.]

Meta

AK 83/23

29.11.2023

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG München, 7. Dezember 2022, Az: OGs 242/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.11.2023, Az. AK 83/23 (REWIS RS 2023, 8531)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8531

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3 StR 375/20

1 StR 157/10

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