Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2017, Az. V ZR 290/16

V. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7971

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[X.]:[X.]:BGH:2017:140717UVZR290.16.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
V ZR
290/16
Verkündet am:

14. Juli 2017

Weschenfelder

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
[X.] § 25 Abs. 2 Satz 1
Bei Geltung des Kopfstimmrechts entsteht ein neues Stimmrecht, wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einer von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person überträgt; die juristische Person ist von der Ausübung ihres Stimmrechts nicht allgemein ausgeschlossen.
[X.] § 25 Abs. 5; BGB § 242
Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht; es reicht -
2
-
nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Be-schluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, oder dass ein [X.] aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss zu fassen (Präzisierung des Senatsbeschlusses vom 19. September 2002

V
ZB
30/02, [X.], 46, 61
ff.).
BGH, Urteil vom 14. Juli 2017 -
V [X.] -
LG [X.]

[X.]

Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juli 2017
durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, die Richterinnen Prof.
Dr.
Schmidt-Räntsch und Dr.
Brückner, [X.]
Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das Urteil der 6. Zivil-kammer des
[X.]s [X.] vom 6. Dezember 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf [X.] und [X.] bezogene Abweisung der Klage bestätigt worden ist, und das Urteil des [X.] vom 18. April
2016 im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt geändert.
Die in der Eigentümerversammlung vom 4. November 2015 zu [X.] (Jahresabrechnung) und [X.] (Wiederwahl des Verwal-ters) gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
-
3
-
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der [X.] gehören vier Wohneinheiten. Regelungen zum Stimmrecht enthält die [X.] nicht. Ursprünglich standen die Wohnungen Nr. 3 und Nr. 4 im Eigentum des [X.], bis er die
Wohnung Nr. 4 an die S.

UG & [X.]o. KG übertrug; diese ist seither im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Kom-plementärin der S.

UG & [X.]o. KG ist die I.

UG
(haftungsbeschränkt), de-ren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Ferner ist er Kommanditist und Geschäftsführer der S.

UG & [X.]o. KG.

In der Eigentümerversammlung vom 4. November 2015 wurde mit den auf die Wohnungen Nr. 1 und [X.] entfallenden Stimmen ein Beschluss ge-fasst, wonach die S.

UG & [X.]o. KG (im Folgenden: Gesellschaft) vom Stimm-recht ausgeschlossen sei. Sodann wurden gegen die Stimme des [X.] Be-schlüsse über die Jahresabrechnung ([X.]) und die Verwalterbestellung ([X.]) gefasst. Die -
soweit von Interesse -
gegen die zu [X.] und 4 gefass-ten Beschlüsse gerichtete [X.] hat das [X.]. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklag-ten beantragen, verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel, die Beschlüsse für ungül-tig erklären zu lassen.
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Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint einen formellen Mangel der [X.]. Die Stimme der Gesellschaft sei zu Recht unberücksichtigt geblieben. Nach dem gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] maßgeblichen Kopfprinzip habe jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Sinn und Zweck dieses Stimmrechts-prinzips bestehe darin, dem Wohnungseigentümer, der mehrere Einheiten oder besonders hochwertige Einheiten besitze, nicht von vornherein ein Übergewicht zu verschaffen. Veräußere ein Wohnungseigentümer eine von mehreren Ein-heiten, entstehe grundsätzlich dann ein neues Stimmrecht, wenn Veräußerer und Erwerber nicht personenidentisch seien. Formal betrachtet sei dies hier der Fall, so dass der Gesellschaft als eigenständiger juristischer Person ein viertes Stimmrecht zukäme. Dieses Ergebnis widerspreche aber Sinn und Zweck des Kopfstimmrechts. Die Gesellschaft könne nämlich keinen eigenen Willen bilden. Vielmehr richte sich die Stimmabgabe einheitlich nach dem Willen des [X.], der sowohl als natürliche Person als auch als Geschäftsführer der von ihm be-herrschten Gesellschaft auftrete. Infolgedessen seien der Kläger und die [X.] liege es, wenn ein Wohnungseigen-tümer das Eigentum an einer von mehreren Einheiten auf nahe Angehörige übertrage. In diesem Fall sei eine unterschiedliche Willensbildung denkbar und die Stimmrechtsvermehrung daher hinzunehmen.
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II.

Die Revision hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] stehe kein Stimmrecht zu, so dass die unterbliebene Wertung ihrer Stimme keinen formellen Mangel der angefochtenen Beschlüsse begründe, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies kann der Kläger geltend machen, ob-wohl nicht ihm, sondern der [X.] aberkannt worden ist. Denn jeder Wohnungseigentümer kann eine ordnungsmäßige Verwaltung ver-langen und gerichtlich durchsetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003

V
ZB 11/03, BGHZ
156,
19 ff.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., §
46 Rn. 32).

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Gesell-schaft ein Stimmrecht zu.

a) Im Ausgangspunkt gilt in Ermangelung einer besonderen Regelung in der [X.]sordnung das gesetzlich vorgesehene Kopfstimmrecht. [X.] §
25 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Wohnungseigentümer und damit Träger des Stimmrechts ist nach allgemeinem Verständnis derjenige, der im Einklang mit der materiellen Rechtslage im [X.] als Eigentümer eingetragen ist ([X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., § 25 Rn. 4; [X.], [X.], 137, 140 jeweils mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 20. Juli 2012 -
V [X.], [X.], 3232 Rn. 8 zu § 46 Abs.
1 [X.]). Infolgedessen kann unter der Geltung des Kopfstimmrechts eine nachträgliche Vermehrung von Stimmrechten eintreten, wenn ein Eigentümer

wie hier -
mehrere Einheiten hält und diese sukzessive veräußert (vgl. Senat, Urteil vom 27. April 2012 -
V [X.], [X.], 2434 Rn. 10 mwN). Auch dann, wenn eine von mehreren Einheiten im Hinblick auf das zusätzliche Stimmrecht an einen nahen Angehörigen veräußert wird, hat der neue Eigen-4
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tümer nach allgemeiner Ansicht eine (neu hinzugekommene) Stimme (vgl. nur BayObLG, [X.] 2002, 296, 298; [X.],
NJW-RR 2007, 302, 303; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., §
25 Rn.
7a).

b) Daran gemessen entsteht bei Geltung des Kopfstimmrechts gemäß §
25 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch dann ein neues Stimmrecht, wenn ein Woh-nungseigentümer das Alleineigentum an einer von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person überträgt. Infolgedessen ist hier durch die im Grundbuch vollzogene Eigentumsübertragung ein viertes Stimmrecht entstanden. Umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist zwar, ob ein neues Stimmrecht auch dann entsteht, wenn der Verkäufer anteilig Eigentümer der veräußerten Einheit bleibt, weil er nur einen Bruchteil des Eigentums an einer von mehreren Einheiten an einen Dritten veräußert (vgl. dazu im [X.] [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 69; [X.], [X.], 137, 140, jeweils mwN). Diese Frage stellt sich hier aber nicht. Da die Gesellschaft als juristische Person durch die im Grundbuch vollzogene Eigentumsübertra-gung Alleineigentum an der Wohnung Nr.
4 erworben hat, besteht kein Zweifel daran, dass sie Wohnungseigentümerin im Sinne von §
25 Abs. 2 Satz
1 [X.] geworden ist (vgl. [X.], [X.], 137, 139 mwN). Insbesondere ist die Veräußerung wirksam. Selbst wenn der Kläger sie vorgenommen haben sollte, um über die Gesellschaft ein zusätzliches Stimmrecht ausüben zu können, läge kein Scheingeschäft im Sinne von §
117 Abs.
1 BGB vor. Die Entstehung des Stimmrechts setzt eine wirksame Veräußerung voraus, so dass eine solche im Zweifel gewollt ist
(vgl. BayObLG, [X.] 2002, 296, 298; [X.], NJW-RR 2007, 302, 303 jeweils mwN). Dass es infolgedessen zu einer Vermehrung der Stimmrechte kommen kann, ist in dem Kopfstimmrecht angelegt und hinzu-nehmen, selbst wenn der veräußernde Wohnungseigentümer beherrschenden Einfluss auf den Erwerber ausübt.
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7
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2. Von der Ausübung des entstandenen Stimmrechts ist die Gesellschaft auch nicht allgemein (also unabhängig von dem jeweiligen Beschlussgegen-stand) ausgeschlossen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des
Senats gehört das Stimmrecht der Wohnungseigentümer zu dem Kernbereich elementarer Mitgliedschafts-rechte. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der [X.] bildet, darf es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenz-ten
Voraussetzungen eingeschränkt werden. § 25 Abs. 5 [X.] sieht als [X.] zu § 181 BGB gerade keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss im Fall von Interessenkonflikten vor, sondern beschränkt den Ausschluss des Stimmrechts auf bestimmte Fälle schwerwiegender Interessenkollisionen, in denen die -
sonst legitime -
Verfolgung privater Sonderinteressen bei der [X.] der Wohnungseigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 -
V [X.], [X.], 46, 57 f.; Urteil vom 10. Dezember 2010 -
V [X.], NJW 2011, 679 Rn. 8; Urteil vom 6. Dezember 2013 -
V [X.], [X.] 2014, 332 Rn. 10; Urteil vom 13.
Januar
2017 -
V [X.], [X.] 2017, 397 Rn. 17). Wie sich im Umkehr-schluss aus § 25 Abs. 5 Alt. 3 [X.] ergibt, lassen auch erhebliche Beitrags-rückstände das Stimmrecht nicht entfallen, solange der Wohnungseigentümer nicht gemäß § 18 [X.] rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigen-tums verurteilt ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 -
V [X.], NJW 2011, 679 Rn.
9). Selbst ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann allenfalls dazu führen, dass die Stimmabgabe bezogen auf die jeweilige Beschlussfas-sung unbeachtlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002

V
ZB
30/02, [X.], 46, 61
ff.).

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-

b) Daran gemessen kommt ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss auch dann nicht in Betracht, wenn die konkrete Gefahr der Majorisierung durch [X.] Eigentümer besteht. Insoweit machen die Beklagten mit der Revisionser-widerung geltend, der Kläger erlange durch das zusätzliche Stimmrecht der Gesellschaft nunmehr eine Blockadeposition, obwohl er seit Jahren freiwillig
keine Hausgeldzahlungen leiste und auch die Gesellschaft seit der [X.] ihre Beitragspflichten nicht erfülle. Ein solcher Konflikt muss, so-weit er nicht in § 25 Abs. 5 [X.] geregelt ist, grundsätzlich gelöst werden, in-dem die übrigen Wohnungseigentümer die ihnen eingeräumten Rechtsschutz-möglichkeiten ergreifen.

aa) Vernachlässigt ein Wohnungseigentümer seine Zahlungspflichten, kann er Beschlussfassungen, die auf die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft abzielen, nicht blockieren. Inso-weit ist er nämlich gemäß § 25 Abs. 5 Alt. 2 [X.] von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen (vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 2013

V
ZR
85/13, [X.]
2014, 332
Rn. 9 ff.). Nach dieser Bestimmung ist er auch dann nicht stimmberechtigt, wenn die übrigen Wohnungseigentümer Zahlungs-rückstände zum Anlass nehmen, gemäß §
18 [X.] die Entziehung des [X.] in die Wege zu leiten (vgl. [X.]/Suilmann, [X.], 13. Aufl., § 18 Rn.
45; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., § 25 Rn. 148; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 18 Rn. 34 mwN).

bb) Den darüber hinaus bei der Majorisierung durch einen [X.] erforderlichen Minderheitenschutz gewährleistet in erster Linie das Prinzip ordnungsmäßiger, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigen-tümer entsprechender Verwaltung (§ 21 Abs. 5 [X.]). Dessen gerichtliche [X.] erfolgt insbesondere im Wege
der [X.]. Daraufhin sind 10
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9
-
Beschlüsse sorgfältig zu überprüfen
(vgl. Senat, Beschluss vom 19.
September
2002 -
V [X.], [X.], 46, 53 f.; Urteil vom 28.
Oktober
2011
[X.], [X.], 245 Rn. 12; Urteil vom 10.
Juli
2015 -
V
[X.], [X.], 785 Rn. 13). [X.] Beschlüs-se können insbesondere unter dem Blickwinkel der Willkür, des Rechtsmiss-brauchs oder einer unbilligen Benachteiligung Einzelner ordnungsmäßiger Ver-waltung widersprechen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 -
V [X.], [X.], 785 Rn. 13 aE).

cc) Soweit einem Wohnungseigentümer (bzw. einer festgefügten Gruppe von Wohnungseigentümern) -
wie es die Beklagten hier befürchten -
eine Blockadeposition
zusteht, mit der er
Beschlussfassungen verhindern
kann,
wird der Minderheitenschutz in erster Linie durch die Beschlussersetzungsklage ge-währleistet (§
21
Abs.
4, §
21
Abs.
8 [X.]). Grundsätzlich dürfen Maßnahmen zwar nur insoweit gerichtlich angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven
Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist, da die [X.] gemäß §
21 Abs. 8 [X.] in die Privatautonomie der Wohnungseigen-tümer eingreift (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013 -
V [X.], ZMR
2014, 219 Rn. 31). Wird aber eine Beschlussfassung verhindert, die ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann eine umfassende Beschlussersetzung durch das hat das Gericht insbesondere im Hinblick auf die Regelungsdichte der zu erset-zenden Beschlüsse in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen.

3. Schließlich durfte die [X.] auch bezogen auf die konkret gefassten Beschlüsse ausüben. Die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsausschluss gemäß §
25 Abs. 5 [X.] liegen offensichtlich nicht vor. 13
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Die Stimmabgabe der Gesellschaft zu [X.] und 4 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Blockade
rechtsmissbräuchlich.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats können abgegebene Stimmen wegen einer missbräuchlichen Ausübung des Stimmrechts unwirksam und [X.] bei der Feststellung des [X.] nicht zu berücksichtigen sein; allein die Ausnutzung des Stimmenübergewichts eines Mehrheitseigentü-mers reicht hierfür nicht aus. Eine Majorisierung soll vielmehr erst dann rechts-missbräuchlich
sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der [X.] und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen
(vgl. [X.], Beschluss vom 19. September 2002
V [X.], [X.], 46, 61
ff.). In
Rechtsprechung und Schrifttum ist dies auf Zustimmung gestoßen (vgl. nur [X.], [X.], 311 f.; [X.], [X.], 408
f.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 193 ff.; [X.]/Steinmeyer, [X.], 2.
Aufl., § 25 Rn. 60 ff.; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 25 Rn. 92 ff.).

b) Die
Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmissbrauch angenom-men werden kann, bedürfen allerdings einer weiteren Präzisierung.

aa) Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen [X.] kommt nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht; es reicht nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers ge-fasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht oder dass
ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positi-ven Beschluss zu fassen. Vielmehr muss die Art und Weise der Stimmrechts-ausübung die übrigen Wohnungseigentümer so offenkundig und ohne jeden 15
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11
-
Zweifel in treuwidriger Weise benachteiligen, dass der Ausgang eines gerichtli-chen Verfahrens nicht abgewartet werden kann (vgl. Hügel/[X.], [X.], §
25 Rn. 79). Dies wird in aller Regel nur bei positiven Stimmabgaben in Betracht kommen, die dazu führen, dass Beschlüsse zustande kommen, etwa dann, wenn ein
Mehrheitseigentümer gegen die Stimmen der übrigen [X.] eine wegen gravierender Vermögensdelikte vorbestrafte Person auf-grund einer persönlichen Nähe zum Verwalter bestellt, oder wenn mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers ein Beschluss gefasst wird, der diesem offensichtlich unangemessene
Vorteile verschafft
(vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 (V [X.], [X.], 46, 62).

bb) Abgesehen von solchen besonders gelagerten Ausnahmefällen muss, sofern die Voraussetzungen von §
25 Abs. 5 [X.] nicht vorliegen, die Stimme eines Wohnungseigentümers regelmäßig gewertet werden. So ist auch
der Beschluss des Senats vom 19. September 2002 (V [X.], [X.], 46, 61
ff.) zu verstehen
(vgl. bereits Senat, Urteil vom 28. Oktober 2011

V
ZR
253/10, [X.], 245 Rn. 12; Urteil vom 10. Juli 2015 -
V [X.], [X.], 785 Rn. 13).

(1) Grund hierfür ist, dass die engen Voraussetzungen, unter denen ein Wohnungseigentümer gemäß § 25 Abs. 5 [X.] von der Ausübung des Stimm-rechts ausgeschlossen ist, nicht umgangen werden dürfen. Zudem ist es ein Gebot der Rechtssicherheit, dass in der Eigentümerversammlung ohne weite-res festzustellen ist, ob das Stimmrecht
besteht. Dies soll im Regelfall gerade nicht von Wertungen abhängen, die insbesondere in größeren [X.] erhebliche Probleme aufwerfen könnten.
Die Minderheit kann durch Anrufung der Gerichte klären lassen, ob die gefassten Beschlüsse

insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Majorisierung -
ordnungsmäßiger 18
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-
12
-
Verwaltung entsprechen bzw. ob die Voraussetzungen für eine Beschlusserset-zung vorliegen.

(2) Bei der Abgabe von Nein-Stimmen, die die
Ablehnung eines Be-schlussantrags durch so genannten Negativbeschluss (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 -
V [X.], [X.], 88 Rn. 13 mwN) zur Folge haben, führt selbst eine treuwidrige Blockade in der Regel
nicht dazu, dass die Stimme des außer Betracht bleibt. Dies
hätte nämlich zur Folge, dass mit den Stimmen einer Minderheit positive Beschlüsse gefasst werden können. Es ist vielmehr Sache der Gerichte, ggf. eine Beschlussersetzung vorzunehmen. Beispielsweise sind negative Stimmabgaben, mit denen die Mehrheit eine drin-gend gebotene Sanierungsmaßnahme zum Nachteil der Minderheit verzögert, nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, so dass ein Beschluss über die erforderliche Maßnahme nicht zustande kommt; die treuwidrige negative Stimmabgabe kann aber zu einer gerichtlichen Beschlussersetzung führen und Schadensersatzansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer begründen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014 -
V [X.], [X.], 375 Rn. 24). Blockiert ein Mehrheitseigentümer die Verwalterbestellung trotz drohender Ver-walterlosigkeit, ist seine Stimmabgabe nicht unwirksam mit der Folge, dass der von der Minderheit gewünschte Verwalter bestellt ist (unzutreffend daher
AG Viersen, [X.], 394
f.), sondern das Gericht kann auf Antrag durch einst-weilige Verfügung einen
Notverwalter bestellen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10.
Juni 2011
[X.], [X.] 2011, 356, 357), und
in der Hauptsache kann die Verwalterbestellung im Wege der Beschlussersetzung herbeigeführt werden.

c) Daran gemessen war die Stimmabgabe der Gesellschaft schon [X.] nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger
in seiner Funktion als Ge-20
21
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13
-
schäftsführer
mit Nein gestimmt hat
und eine solche negative Stimmabgabe in der Regel
-
und auch hier -
nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Ohne dass es
darauf noch entscheidend ankäme, hat der Kläger
auch inhaltliche Einwendungen gegen die Jahresabrechnung und den zu bestellenden Verwal-ter erhoben.

III.

Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wegen des formellen Mangels sind die gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären. [X.], dass sich der [X.] auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 -
V [X.], NJW 2011, 679 Rn. 10), ist auszugehen, weil die Beschlüsse gegen die Stimme des [X.] und der Gesellschaft nicht zustande gekommen wären. Den zu [X.] ge-fassten Beschluss über die Jahresabrechnung hat der Kläger aus formellen Gründen ausdrücklich insgesamt
(und nicht nur bezogen auf die [X.]) angefochten.
22
-
14
-
IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner

Göbel
RinBGH
Haberkamp

ist infolge Urlaubs an der

Unterschrift gehindert.

[X.], den 31. Juli 2017

Die Vorsitzende

Stresemann

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 18.04.2016 -
27 [X.] 36/15 -

LG [X.], Entscheidung vom 06.12.2016 -
6 [X.]/16 -

23

Meta

V ZR 290/16

14.07.2017

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2017, Az. V ZR 290/16 (REWIS RS 2017, 7971)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7971

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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