Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.07.2017, Az. V ZR 290/16

5. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 7972

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Gegenstand

Wohnungseigentum: Entstehung eines neuen Stimmrechts bei Übertragung des Alleineigentums an einer von mehreren Einheiten auf eine von dem Wohnungseigentümer beherrschte juristische Person; Voraussetzung des Stimmrechtsausschlusses wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens


Leitsatz

1. Bei Geltung des Kopfstimmrechts entsteht ein neues Stimmrecht, wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einer von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person überträgt; die juristische Person ist von der Ausübung ihres Stimmrechts nicht allgemein ausgeschlossen.

2. Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht; es reicht nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, oder dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss zu fassen (Präzisierung des Senatsbeschlusses vom 19. September 2002, V ZB 30/02, BGHZ 152, 46, 61ff.).

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 6. Dezember 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die auf [X.] und [X.] bezogene Abweisung der Klage bestätigt worden ist, und das Urteil des [X.] vom 18. April 2016 im Umfang der Aufhebung und im Kostenpunkt geändert.

Die in der Eigentümerversammlung vom 4. November 2015 zu [X.] (Jahresabrechnung) und [X.] (Wiederwahl des Verwalters) gefassten Beschlüsse werden für ungültig erklärt.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Zu der Anlage gehören vier Wohneinheiten. Regelungen zum Stimmrecht enthält die Teilungserklärung nicht. Ursprünglich standen die Wohnungen Nr. 3 und [X.] im Eigentum des [X.], bis er die Wohnung [X.] an die [X.] übertrug; diese ist seither im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Komplementärin der [X.] ist die [X.] (haftungsbeschränkt), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Kläger ist. Ferner ist er Kommanditist und Geschäftsführer der S.     UG & Co. KG.

2

In der Eigentümerversammlung vom 4. November 2015 wurde mit den auf die Wohnungen Nr. 1 und [X.] entfallenden Stimmen ein Beschluss gefasst, wonach die [X.] (im Folgenden: Gesellschaft) vom Stimmrecht ausgeschlossen sei. Sodann wurden gegen die Stimme des [X.] Beschlüsse über die Jahresabrechnung ([X.] 3) und die Verwalterbestellung ([X.] 4) gefasst. Die - soweit von Interesse - gegen die zu [X.] 3 und 4 gefassten Beschlüsse gerichtete [X.] hat das Amtsgericht abgewiesen. Die Berufung des [X.] hat das [X.] zurückgewiesen. Mit der von dem [X.] zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt der Kläger weiterhin das Ziel, die Beschlüsse für ungültig erklären zu lassen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht verneint einen formellen Mangel der Beschlussfassung. Die Stimme der [X.] sei zu Recht unberücksichtigt geblieben. Nach dem gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] maßgeblichen Kopfprinzip habe jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Sinn und Zweck dieses Stimmrechtsprinzips bestehe darin, dem Wohnungseigentümer, der mehrere Einheiten oder besonders hochwertige Einheiten besitze, nicht von vornherein ein Übergewicht zu verschaffen. Veräußere ein Wohnungseigentümer eine von mehreren Einheiten, entstehe grundsätzlich dann ein neues Stimmrecht, wenn Veräußerer und Erwerber nicht personenidentisch seien. Formal betrachtet sei dies hier der Fall, so dass der [X.] als eigenständiger juristischer Person ein viertes Stimmrecht zukäme. Dieses Ergebnis widerspreche aber Sinn und Zweck des Kopfstimmrechts. Die [X.] könne nämlich keinen eigenen Willen bilden. Vielmehr richte sich die Stimmabgabe einheitlich nach dem Willen des [X.], der sowohl als natürliche Person als auch als Geschäftsführer der von ihm beherrschten [X.] auftrete. Infolgedessen seien der Kläger und die [X.] als ein „Kopf“ anzusehen. Anders liege es, wenn ein Wohnungseigentümer das Eigentum an einer von mehreren Einheiten auf nahe Angehörige übertrage. In diesem Fall sei eine unterschiedliche Willensbildung denkbar und die Stimmrechtsvermehrung daher hinzunehmen.

II.

4

Die Revision hat Erfolg. Die Annahme des Berufungsgerichts, der [X.] stehe kein Stimmrecht zu, so dass die unterbliebene Wertung ihrer Stimme keinen formellen Mangel der angefochtenen Beschlüsse begründe, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Dies kann der Kläger geltend machen, obwohl nicht ihm, sondern der [X.] das Stimmrecht aberkannt worden ist. Denn jeder Wohnungseigentümer kann eine ordnungsmäßige Verwaltung verlangen und gerichtlich durchsetzen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juli 2003 - [X.], [X.], 19 ff.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 46 Rn. 32).

5

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der [X.] ein Stimmrecht zu.

6

a) Im Ausgangspunkt gilt in Ermangelung einer besonderen Regelung in der [X.]sordnung das gesetzlich vorgesehene Kopfstimmrecht. Gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Wohnungseigentümer und damit Träger des Stimmrechts ist nach allgemeinem Verständnis derjenige, der im Einklang mit der materiellen Rechtslage im [X.] als Eigentümer eingetragen ist ([X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 4; [X.], [X.], 137, 140 jeweils mwN; vgl. auch Senat, Urteil vom 20. Juli 2012 - [X.], [X.], 3232 Rn. 8 zu § 46 Abs. 1 [X.]). Infolgedessen kann unter der Geltung des Kopfstimmrechts eine nachträgliche Vermehrung von Stimmrechten eintreten, wenn ein Eigentümer - wie hier - mehrere Einheiten hält und diese sukzessive veräußert (vgl. Senat, Urteil vom 27. April 2012 - [X.], [X.], 2434 Rn. 10 mwN). Auch dann, wenn eine von mehreren Einheiten im Hinblick auf das zusätzliche Stimmrecht an einen nahen Angehörigen veräußert wird, hat der neue Eigentümer nach allgemeiner Ansicht eine (neu hinzugekommene) Stimme (vgl. nur BayObLG, [X.] 2002, 296, 298; [X.], NJW-RR 2007, 302, 303; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 25 Rn. 7a).

7

b) Daran gemessen entsteht bei Geltung des Kopfstimmrechts gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch dann ein neues Stimmrecht, wenn ein Wohnungseigentümer das Alleineigentum an einer von mehreren Einheiten auf eine von ihm beherrschte juristische Person überträgt. Infolgedessen ist hier durch die im Grundbuch vollzogene Eigentumsübertragung ein viertes Stimmrecht entstanden. Umstritten und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist zwar, ob ein neues Stimmrecht auch dann entsteht, wenn der Verkäufer anteilig Eigentümer der veräußerten Einheit bleibt, weil er nur einen Bruchteil des Eigentums an einer von mehreren Einheiten an einen Dritten veräußert (vgl. dazu im Einzelnen [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 69; [X.], [X.], 137, 140, jeweils mwN). Diese Frage stellt sich hier aber nicht. Da die [X.] als juristische Person durch die im Grundbuch vollzogene Eigentumsübertragung Alleineigentum an der Wohnung [X.] erworben hat, besteht kein Zweifel daran, dass sie Wohnungseigentümerin im Sinne von § 25 Abs. 2 Satz 1 [X.] geworden ist (vgl. [X.], [X.], 137, 139 mwN). Insbesondere ist die Veräußerung wirksam. Selbst wenn der Kläger sie vorgenommen haben sollte, um über die [X.] ein zusätzliches Stimmrecht ausüben zu können, läge kein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Abs. 1 BGB vor. Die Entstehung des Stimmrechts setzt eine wirksame Veräußerung voraus, so dass eine solche im Zweifel gewollt ist (vgl. BayObLG, [X.] 2002, 296, 298; [X.], NJW-RR 2007, 302, 303 jeweils mwN). Dass es infolgedessen zu einer Vermehrung der Stimmrechte kommen kann, ist in dem Kopfstimmrecht angelegt und hinzunehmen, selbst wenn der veräußernde Wohnungseigentümer beherrschenden Einfluss auf den Erwerber ausübt.

8

2. Von der Ausübung des entstandenen Stimmrechts ist die [X.] auch nicht allgemein (also unabhängig von dem jeweiligen Beschlussgegenstand) ausgeschlossen.

9

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehört das Stimmrecht der Wohnungseigentümer zu dem Kernbereich elementarer Mitgliedschaftsrechte. Da es ein wesentliches Mittel zur Mitgestaltung der [X.]sangelegenheiten bildet, darf es nur ausnahmsweise und lediglich unter eng begrenzten Voraussetzungen eingeschränkt werden. § 25 Abs. 5 [X.] sieht als Sondervorschrift zu § 181 BGB gerade keinen allgemeinen Stimmrechtsausschluss im Fall von Interessenkonflikten vor, sondern beschränkt den Ausschluss des Stimmrechts auf bestimmte Fälle schwerwiegender Interessenkollisionen, in denen die - sonst legitime - Verfolgung privater Sonderinteressen bei der Willensbildung der Wohnungseigentümer nicht mehr hinnehmbar erscheint (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 57 f.; Urteil vom 10. Dezember 2010 - [X.], NJW 2011, 679 Rn. 8; Urteil vom 6. Dezember 2013 - [X.], [X.] 2014, 332 Rn. 10; Urteil vom 13. Januar 2017 - [X.]/16, [X.] 2017, 397 Rn. 17). Wie sich im Umkehrschluss aus § 25 Abs. 5 Alt. 3 [X.] ergibt, lassen auch erhebliche Beitragsrückstände das Stimmrecht nicht entfallen, solange der Wohnungseigentümer nicht gemäß § 18 [X.] rechtskräftig zur Veräußerung seines Wohnungseigentums verurteilt ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 - [X.], NJW 2011, 679 Rn. 9). Selbst ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann allenfalls dazu führen, dass die Stimmabgabe bezogen auf die jeweilige Beschlussfassung unbeachtlich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 61 ff.).

b) Daran gemessen kommt ein allgemeiner Stimmrechtsausschluss auch dann nicht in Betracht, wenn die konkrete Gefahr der [X.] durch einzelne Eigentümer besteht. Insoweit machen die Beklagten mit der Revisionserwiderung geltend, der Kläger erlange durch das zusätzliche Stimmrecht der [X.] nunmehr eine Blockadeposition, obwohl er seit Jahren freiwillig keine Hausgeldzahlungen leiste und auch die [X.] seit der Eigentumsübertragung ihre Beitragspflichten nicht erfülle. Ein solcher Konflikt muss, soweit er nicht in § 25 Abs. 5 [X.] geregelt ist, grundsätzlich gelöst werden, indem die übrigen Wohnungseigentümer die ihnen eingeräumten Rechtsschutzmöglichkeiten ergreifen.

aa) Vernachlässigt ein Wohnungseigentümer seine Zahlungspflichten, kann er Beschlussfassungen, die auf die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen durch die Wohnungseigentümergemeinschaft abzielen, nicht blockieren. Insoweit ist er nämlich gemäß § 25 Abs. 5 Alt. 2 [X.] von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen (vgl. Senat, Urteil vom 6. Dezember 2013 - [X.], [X.] 2014, 332 Rn. 9 ff.). Nach dieser Bestimmung ist er auch dann nicht stimmberechtigt, wenn die übrigen Wohnungseigentümer Zahlungsrückstände zum Anlass nehmen, gemäß § 18 [X.] die Entziehung des Eigentums in die Wege zu leiten (vgl. [X.]/Suilmann, [X.], 13. Aufl., § 18 Rn. 45; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 148; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 18 Rn. 34 mwN).

bb) Den darüber hinaus bei der [X.] durch einen Wohnungseigentümer erforderlichen Minderheitenschutz gewährleistet in erster Linie das Prinzip ordnungsmäßiger, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entsprechender Verwaltung (§ 21 Abs. 5 [X.]). Dessen gerichtliche Kontrolle erfolgt insbesondere im Wege der [X.]. Daraufhin sind Beschlüsse sorgfältig zu überprüfen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 53 f.; Urteil vom 28. Oktober 2011 - [X.], [X.], 245 Rn. 12; Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 785 Rn. 13). [X.] Beschlüsse können insbesondere unter dem Blickwinkel der Willkür, des Rechtsmissbrauchs oder einer unbilligen Benachteiligung Einzelner ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 785 Rn. 13 aE).

cc) Soweit einem Wohnungseigentümer (bzw. einer festgefügten Gruppe von Wohnungseigentümern) - wie es die Beklagten hier befürchten - eine Blockadeposition zusteht, mit der er Beschlussfassungen verhindern kann, wird der Minderheitenschutz in erster Linie durch die Beschlussersetzungsklage gewährleistet (§ 21 Abs. 4, § 21 Abs. 8 [X.]). Grundsätzlich dürfen Maßnahmen zwar nur insoweit gerichtlich angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist, da die Beschlussersetzung gemäß § 21 Abs. 8 [X.] in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer eingreift (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013 - [X.], [X.], 219 Rn. 31). Wird aber eine Beschlussfassung verhindert, die ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, kann eine umfassende Beschlussersetzung durch das Gericht angezeigt sein; eine „Blockadehaltung“ einzelner Wohnungseigentümer hat das Gericht insbesondere im Hinblick auf die Regelungsdichte der zu ersetzenden Beschlüsse in seine Entscheidungsfindung einzubeziehen.

3. Schließlich durfte die [X.] ihr Stimmrecht auch bezogen auf die konkret gefassten Beschlüsse ausüben. Die Voraussetzungen für einen Stimmrechtsausschluss gemäß § 25 Abs. 5 [X.] liegen offensichtlich nicht vor. Die Stimmabgabe der [X.] zu [X.] und 4 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Blockade rechtsmissbräuchlich.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats können abgegebene Stimmen wegen einer missbräuchlichen Ausübung des Stimmrechts unwirksam und deshalb bei der Feststellung des [X.] nicht zu berücksichtigen sein; allein die Ausnutzung des Stimmenübergewichts eines Mehrheitseigentümers reicht hierfür nicht aus. Eine [X.] soll vielmehr erst dann rechtsmissbräuchlich sein, wenn weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der [X.] und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 - [X.], [X.], 46, 61 ff.). In Rechtsprechung und Schrifttum ist dies auf Zustimmung gestoßen (vgl. nur [X.], [X.], 311 f.; [X.], [X.], 408 f.; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 25 Rn. 193 ff.; [X.]/Steinmeyer, [X.], 2. Aufl., § 25 Rn. 60 ff.; [X.] in [X.], [X.], 5. Aufl., § 25 Rn. 92 ff.).

b) Die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, bedürfen allerdings einer weiteren Präzisierung.

aa) Ein Stimmrechtsausschluss wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens kommt nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen in Betracht; es reicht nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht oder dass ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ein Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung wäre, einen positiven Beschluss zu fassen. Vielmehr muss die Art und Weise der Stimmrechtsausübung die übrigen Wohnungseigentümer so offenkundig und ohne jeden Zweifel in treuwidriger Weise benachteiligen, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden kann (vgl. Hügel/[X.], [X.], § 25 Rn. 79). Dies wird in aller Regel nur bei positiven Stimmabgaben in Betracht kommen, die dazu führen, dass Beschlüsse zustande kommen, etwa dann, wenn ein Mehrheitseigentümer gegen die Stimmen der übrigen Wohnungseigentümer eine wegen gravierender Vermögensdelikte vorbestrafte Person aufgrund einer persönlichen Nähe zum Verwalter bestellt, oder wenn mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers ein Beschluss gefasst wird, der diesem offensichtlich unangemessene Vorteile verschafft (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2002 ([X.], [X.], 46, 62).

bb) Abgesehen von solchen besonders gelagerten Ausnahmefällen muss, sofern die Voraussetzungen von § 25 Abs. 5 [X.] nicht vorliegen, die Stimme eines Wohnungseigentümers regelmäßig gewertet werden. So ist auch der Beschluss des Senats vom 19. September 2002 ([X.], [X.], 46, 61 ff.) zu verstehen (vgl. bereits Senat, Urteil vom 28. Oktober 2011 - [X.], [X.], 245 Rn. 12; Urteil vom 10. Juli 2015 - [X.], [X.], 785 Rn. 13).

(1) Grund hierfür ist, dass die engen Voraussetzungen, unter denen ein Wohnungseigentümer gemäß § 25 Abs. 5 [X.] von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen ist, nicht umgangen werden dürfen. Zudem ist es ein Gebot der Rechtssicherheit, dass in der Eigentümerversammlung ohne weiteres festzustellen ist, ob das Stimmrecht besteht. Dies soll im Regelfall gerade nicht von Wertungen abhängen, die insbesondere in größeren Wohnungseigentümergemeinschaften erhebliche Probleme aufwerfen könnten. Die Minderheit kann durch Anrufung der Gerichte klären lassen, ob die gefassten Beschlüsse - insbesondere unter dem Gesichtspunkt der [X.] - ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen bzw. ob die Voraussetzungen für eine Beschlussersetzung vorliegen.

(2) Bei der Abgabe von Nein-Stimmen, die die Ablehnung eines Beschlussantrags durch so genannten Negativbeschluss (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - [X.], [X.], 88 Rn. 13 mwN) zur Folge haben, führt selbst eine treuwidrige Blockade in der Regel nicht dazu, dass die Stimme des „[X.]“ außer Betracht bleibt. Dies hätte nämlich zur Folge, dass mit den Stimmen einer Minderheit positive Beschlüsse gefasst werden können. Es ist vielmehr Sache der Gerichte, ggf. eine Beschlussersetzung vorzunehmen. Beispielsweise sind negative Stimmabgaben, mit denen die Mehrheit eine dringend gebotene Sanierungsmaßnahme zum Nachteil der Minderheit verzögert, nicht wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam, so dass ein Beschluss über die erforderliche Maßnahme nicht zustande kommt; die treuwidrige negative Stimmabgabe kann aber zu einer gerichtlichen Beschlussersetzung führen und Schadensersatzansprüche gegen einzelne Wohnungseigentümer begründen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014 - [X.], [X.], 375 Rn. 24). Blockiert ein Mehrheitseigentümer die Verwalterbestellung trotz drohender Verwalterlosigkeit, ist seine Stimmabgabe nicht unwirksam mit der Folge, dass der von der Minderheit gewünschte Verwalter bestellt ist (unzutreffend daher [X.], [X.], 394 f.), sondern das Gericht kann auf Antrag durch einstweilige Verfügung einen [X.] bestellen (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - [X.], [X.] 2011, 356, 357), und in der Hauptsache kann die Verwalterbestellung im Wege der Beschlussersetzung herbeigeführt werden.

c) Daran gemessen war die Stimmabgabe der [X.] schon deshalb nicht rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger in seiner Funktion als Geschäftsführer mit Nein gestimmt hat und eine solche negative Stimmabgabe in der Regel - und auch hier - nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme, hat der Kläger auch inhaltliche Einwendungen gegen die Jahresabrechnung und den zu bestellenden Verwalter erhoben.

III.

Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Wegen des formellen Mangels sind die gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären. Davon, dass sich der [X.] auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt hat (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 - [X.], NJW 2011, 679 Rn. 10), ist auszugehen, weil die Beschlüsse gegen die Stimme des [X.] und der [X.] nicht zustande gekommen wären. Den zu [X.] gefassten Beschluss über die Jahresabrechnung hat der Kläger aus formellen Gründen ausdrücklich insgesamt (und nicht nur bezogen auf die Heizkostenabrechnung) angefochten.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Stresemann     

        

Schmidt-Räntsch     

        

     Brückner

        

Göbel     

        

RinBGH Haberkamp
ist infolge Urlaubs an der
Unterschrift gehindert.
[X.], den 31. Juli 2017

        
                          

Die Vorsitzende
Stresemann

        

Meta

V ZR 290/16

14.07.2017

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Braunschweig, 6. Dezember 2016, Az: 6 S 171/16, Urteil

§ 25 Abs 2 S 1 WoEigG, § 25 Abs 5 WoEigG, § 242 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.07.2017, Az. V ZR 290/16 (REWIS RS 2017, 7972)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 7972

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Rechtsmißbrauch, Eigentümerversammlung, Anderer Wohnungseigentümer, Übrige Wohnungseigentümer, Gemeinschaftsordnung, Streitwert, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Treuwidrigkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, …


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