Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2011, Az. 5 AZR 143/10

5. Senat | REWIS RS 2011, 9172

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Gegenstand

Auszahlung der "weiteren Strukturkomponente" bei verspäteter ERA-Einführung - Tarifauslegung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 16. Dezember 2009 - 9 Sa 1109/09 - aufgehoben.

2. Die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. August 2009 - 12 Ca 3638/09 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die [X.] für das Jahr 2008.

2

Die Beklagte ist ein bundesweit tätiges Unternehmen und kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie gebunden. Der Kläger, Mitglied der [X.], ist seit Jahren bei der Beklagten beschäftigt.

3

In einem zwischen den Landesverbänden der Metall- und Elektroindustrie und den [X.] für alle Standorte der Beklagten abgeschlossenen [X.] vom 11. Juni 2003 wurde [X.]. geregelt:

        

„Die Erhöhung der tariflichen Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen zum 1. Juni 2003 findet nicht statt. Auch die für September 2003 vorgesehene Auszahlung der Strukturkomponente entfällt.“

4

Dieselben Tarifvertragsparteien vereinbarten am 30. September 2003 in einem zweiten [X.] (im Folgenden: [X.]) [X.].:

        

„§ 2   

        

Geltung der [X.] Tarifverträge

        

Ab 1. Jan[X.]r 2004 gelten für alle Standorte der Firma Cegelec Anlagen- und Automatisierungstechnik GmbH & Co. KG innerhalb der [X.] die Tarifverträge der Metall und Elektroindustrie für das [X.]. …

        

§ 3     

        

(1)     

Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen

                 

Bis zum 31. Dezember 2003 gelten die jeweiligen regionalen [X.] mit Stand vom 1. Juni 2002.

                 

Ab 1. Jan[X.]r 2004 gilt der Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des [X.] in der gem. Abs. 1 geltenden Fassung mit den Tabellensätzen vom 1. Juni 2002.

        

(2)     

Zu erwartende Tariferhöhungen

                 

Eine nach Auslaufen des derzeit gültigen Tarifvertrages über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des [X.] zu erwartende Tariferhöhung wird erst zum 1. Juli 2004 umgesetzt.

                 

Alle weiteren bis 31. Dezember 2006 zu erwartenden Tariferhöhungen werden jeweils sechs Monate später umgesetzt.

                 

Die [X.] sowie alle zukünftigen als Strukturkomponenten (im Volumen von 1,39%) auszuzahlenden Einmalbeträge entfallen in vollem Umfang.“

5

Im Flächentarifvertrag [X.] vom 22. Dezember 2003/17. Febr[X.]r 2004/20. Juli 2005 (im Folgenden: [X.]) für das [X.] heißt es [X.].:

        

„§ 4   

        

[X.] und [X.]

        

Die in § 5 der o. g. Tarifverträge vereinbarten [X.]n werden wie folgt ermittelt und verwendet:

        

a)    

Erstmalige Auszahlung von [X.]n

                 

In der [X.], in der sie erstmals entstehen, werden die jeweiligen [X.]n individuell nach den Grundsätzen der Tarifverträge vom 28. Mai 2002 bzw. 17. Febr[X.]r 2004 als Teil der Vergütung ermittelt und zu den dort genannten Stichtagen zur Auszahlung an die Beschäftigten fällig.

        

b)    

In den jeweils folgenden [X.]n nach ihrer erstmaligen Begründung/Entstehung werden die jeweiligen [X.]n aus den vorhergehenden [X.]n zwar ebenfalls als Teil der Vergütung ermittelt, aber nicht ausgezahlt, sondern zunächst einbehalten und für die Monate bis einschließlich Febr[X.]r 2006 dem [X.] zugeführt. Die bei der betrieblichen [X.]-Einführung in dem [X.] befindlichen Beträge müssen entweder zur Deckung betrieblicher Mehrkosten aus der [X.]-Einführung oder zur Auszahlung an die Beschäftigten verwendet werden.

                 

…       

        

c)    

Wird das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb nach Ablauf der [X.], in der die letzte [X.] wirksam wurde (zur Auszahlung kam), noch nicht eingeführt, wird in den folgenden [X.]n eine Einmalzahlung von 2,79 % bis zur betrieblichen Einführung des Entgeltrahmenabkommens ausgezahlt. Die Berechnung erfolgt entsprechend der Methode für die Auszahlung der [X.] aus dem Tarifvertrag vom 17. Febr[X.]r 2004.

6

In einem dritten [X.] vom 30. September 2004 wurde [X.]. vereinbart:

        

„§ 4   

        

Beschäftigungssicherung und Anpassungsmaßnahmen

        

…       

        

(2)     

Das Unternehmen ist bestrebt, die sich aus § 3 Ziff. (1) und (2) ergebenden jeweiligen Cegelec-Tabellen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen schrittweise wieder an die jeweils gültigen Tabellen über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für das [X.] heranzuführen. Dazu wird folgende Vereinbarung getroffen.

                 

-       

Ab 1. Jan[X.]r 2007 erhalten die Mitarbeiter eine Erhöhung ihres tariflichen [X.] um ein Drittel der Differenz, die sich aus den dann für das [X.] geltenden Lohn-, Gehalts- und Ausbildungsvergütungen und den dann für das Unternehmen geltenden Tabellen ergibt.

                 

-       

Im 3. Q[X.]rtal 2007 werden die Tarifvertragsparteien zusammen mit den Betriebsparteien darüber beraten, ob und in welcher Weise eine weitere Heranführung an die für das [X.] geltenden Tabellen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmen und der zukünftigen [X.]-Einführung erfolgen kann.

        

…“    

7

Die Beklagte führte das Entgeltrahmenabkommen (im Folgenden: [X.]) mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien zum 1. April 2009 ein.

8

Der Kläger begehrt für 2008 die Zahlung der weiteren [X.] nach § 4c TV [X.]-APF.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.022,25 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der [X.] seit dem 1. Dezember 2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.] ist begründet. Das [X.] hat zu Unrecht die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts abgeändert. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der weiteren [X.] für 2008.

I. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden [X.] die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für das [X.] und damit auch der [X.], soweit sich aus den drei [X.]n als unternehmensbezogenen Verbandstarifverträgen nichts anderes ergibt.

II. Die Voraussetzungen des § 4c [X.] sind nicht erfüllt.

1. Ein auf diese Tarifnorm gestützter Zahlungsanspruch setzt voraus, dass das Entgeltrahmenabkommen im Betrieb nach Ablauf der Tarifperiode, in der die letzte [X.] wirksam wurde (zur Auszahlung kam), noch nicht eingeführt ist. § 4c [X.] knüpft an den Ablauf der Tarifperiode an, in der die letzte [X.] wirksam wurde (zur Auszahlung kam). Damit wird Bezug genommen auf die in den Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und 17. Februar 2004 vereinbarten [X.]n, wie sich aus dem jeweiligen Eingangssatz der §§ 3 und 4 [X.] ergibt. § 4c [X.] setzt voraus, dass die letzte dieser [X.]n wirksam wurde. Durch den Klammerzusatz wird deutlich, dass unter Wirksamwerden der letzten [X.] die Auszahlung der letzten [X.] zu verstehen ist. Damit knüpft die Tarifbestimmung nicht an einen bestimmten Auszahlungszeitpunkt, sondern an den Ablauf einer Tarifperiode an, in der die letzte [X.] wirksam wurde (zur Auszahlung kam).

2. Im [X.] werden als [X.]n sowohl die Beträge des restlichen Erhöhungsvolumens bezeichnet, die in der ersten Tarifperiode zu bestimmten Stichtagen als Einmalzahlung an die Arbeitnehmer ausgezahlt wurden, als auch die Beträge, die in den folgenden Tarifperioden noch nicht fällig, aber rechnerisch ermittelt, nicht ausgezahlt, zunächst einbehalten und bis Februar 2006 dem [X.] zugeführt wurden. Durch den Klammerzusatz in § 4c [X.] wird verdeutlicht, dass auf die letzte auszuzahlende und nicht die letzte dem [X.] zuzuführende [X.] abzustellen ist.

3. Die letzte der in den Tarifverträgen vom 28. Mai 2002 und 17. Februar 2004 vereinbarten [X.] war an die Arbeitnehmer der [X.] nicht auszuzahlen. Dies folgt aus § 3 Abs. 2 Unterabs. 3 des [X.] vom 30. September 2003. Denn nach dieser Bestimmung entfielen die [X.] 2003 sowie alle zukünftigen als [X.] (im Volumen von 1,39%) auszuzahlenden [X.] in vollem Umfang. Folglich konnten im Betrieb der [X.] die Voraussetzungen des § 4c [X.] nicht erfüllt werden. Die letzte [X.] wurde bei der [X.] kraft der Regelung im zweiten [X.] nicht „wirksam“.

4. Abzustellen ist nicht auf den tatsächlichen Zufluss der letzten auszuzahlenden [X.], sondern entsprechend dem Sprachgebrauch des [X.] auf die tariflich vorgegebenen Zahlungspflichten des Arbeitgebers.

5. Für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist es ohne Bedeutung, ob die Beklagte verpflichtet war, Teile des restlichen Erhöhungsvolumens dem [X.] als [X.]n zuzuführen. Der Kläger begehrt nicht Auszahlung eines [X.] aus dem [X.] nach § 4e [X.], sondern Zahlung eines Einmalbetrags nach § 4c [X.].

6. Der systematische Zusammenhang zwischen dem [X.] und dem [X.] spricht ebenfalls dafür, dass die sog. Wartezahlung nach § 4c [X.] nur von den Unternehmen zu erbringen ist, die auch tarifvertraglich verpflichtet sind, die letzte [X.] als Einmalzahlung auszuzahlen.

7. Sinn und Zweck der tarifvertraglichen Regelungen entsprechen der sich aus dem Wortlaut ergebenden Auslegung. Die [X.] bezweckten nicht nur eine zeitliche Verzögerung der tabellenwirksamen linearen Tariferhöhungen, sondern zielten auf eine Personalkostenentlastung gegenüber dem Niveau des Tarifgebiets [X.]. Denn die zum 1. Juni 2003 vereinbarte Tariferhöhung wurde nicht nur zeitlich verzögert, sondern überhaupt nicht weitergegeben. Damit galten bei der [X.] ab dem 1. Juni 2003 niedrigere Tabellenwerte als im Verbandsgebiet. Diese niedrigeren Tabellenwerte wurden anlässlich der - zeitlich verzögert - weitergegebenen Tariferhöhungen in 2004 und 2005 fortgeschrieben, so dass unterschiedliche Entgeltlinien begründet wurden. Dies wurde von den Tarifvertragsparteien berücksichtigt, wie die Protokollnotiz Nr. 1 zum [X.] belegt. Danach gingen die Tarifvertragsparteien davon aus, zurzeit der Einführung des [X.] würden bei der [X.] noch eigene Tabellen gelten. [X.] kommt der dritte [X.] hinzu, der zum 1. Januar 2007 eine Erhöhung des tariflichen [X.] um ein Drittel der Differenz zwischen der Tabelle des [X.] und der für die Beklagte geltenden Tabelle vorsah. Also waren auch für die [X.] nach 2006 unterschiedliche Tabellenwerte vorgesehen. Darüber hinaus enthielt der [X.] weitere der wirtschaftlichen Entlastung der [X.] dienende Regelungen. Dieses Regelungsziel der Kostenentlastung wäre beeinträchtigt worden, hätte § 4c [X.] die Beklagte zur Leistung der sog. Wartezahlung verpflichtet.

Zudem macht es Sinn, auch ab März 2006 bis zur [X.]-Einführung den als [X.] vereinbarten Tariferhöhungsanteil („restliches Erhöhungsvolumen“) nicht zur Auszahlung zu bringen. § 4c [X.] diente nicht nur dem Druck, das [X.] einzuführen, sondern auch dem Zweck, die tatsächliche Auszahlung des erhöhten, aber wegen der angestrebten Kostenneutralität nicht tabellenwirksam gewordenen Tarifvolumens an die Arbeitnehmer sicherzustellen. Das tatsächliche Tarifvolumen für den Bereich der [X.] wurde aber nicht in dem Umfang erhöht wie allgemein im [X.]. Im Übrigen sind die Tarifvertragsparteien noch für 2008 von keiner nachhaltigen Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der [X.] ausgegangen und haben keine vollständige Angleichung der für die Beklagte geltenden Entgeltlinien an die des [X.] herbeigeführt.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Kessel    

        

    Zoller    

                 

Meta

5 AZR 143/10

23.02.2011

Bundesarbeitsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Köln, 6. August 2009, Az: 12 Ca 3638/09, Urteil

§ 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2011, Az. 5 AZR 143/10 (REWIS RS 2011, 9172)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9172


Verfahrensgang

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Az. 5 AZR 143/10

Bundesarbeitsgericht, 5 AZR 143/10, 23.02.2011.


Az. 12 Ca 3638/09

Arbeitsgericht Köln, 12 Ca 3638/09, 06.08.2009.


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