Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2012, Az. VIII ZR 205/11

8. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8924

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Gegenstand

Wohnraummiete: Wirksamkeit einer Farbwahlklausel


Leitsatz

Auch wenn der Mieter die Wohnung bei Mietbeginn mit einem neuen weißen Anstrich übernommen hat, benachteiligt ihn eine Farbwahlklausel nur dann nicht unangemessen, wenn sie ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht und dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt (Bestätigung der Senatsurteile vom 18. Juni 2008, VIII ZR 224/07, NZM 2008, 605 Rn. 18; vom 22. Oktober 2008, VIII ZR 283/07, NJW 2009, 62 Rn. 17 f.).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] - 7. Zivilkammer - vom 26. Mai 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin war vom 1. Juli 2005 bis zum 30. September 2008 Mieterin einer Wohnung des Beklagten in [X.]       . Im Mietvertrag sind die Schönheitsreparaturen formularmäßig auf die Klägerin abgewälzt; außerdem ist eine [X.] vereinbart. Zur Ausführung der Schönheitsreparaturen heißt es in § 13 Ziffer 3 des Mietvertrags:

"Die Arbeiten müssen in fachmännischer Qualitätsarbeit - handwerksgerecht - ausgeführt werden. Der Mieter darf ohne Zustimmung des Vermieters bei der Ausführung der Schönheitsreparaturen bei Vertragsende nicht von der ursprünglichen Ausführungsart abweichen. Das Holzwerk darf nur weiß gestrichen werden, Naturholz nur transparent oder lasiert. Heizkörper und Heizrohre sind weiß zu streichen. Der Anstrich an Decken und Wänden hat in weiß, waschfest nach [X.], zu erfolgen. Die Verwendung anderer Farben bedarf der Genehmigung des Vermieters, ebenso die Anbringung besonderer Wanddekorationen und schwerer Tapeten."

2

Die Klägerin führte am Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen an den Decken und Wänden der Wohnräume durch. Im Hinblick auf die vereinbarte [X.] behielt der Beklagte für anteilige Kosten der Schönheitsreparaturen hinsichtlich der Heizkörper, Innentüren, [X.] sowie des [X.] aus der Kaution einen Betrag in Höhe von 650 € ein. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Schönheitsreparaturklauseln wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam seien und ihr die Kaution deshalb ungekürzt auszuzahlen sei; für die von ihr durchgeführten Schönheitsreparaturen schulde der Beklagte Wertersatz in Höhe von 1.036,95 €.

3

Die Klägerin hat Zahlung von 1.686,95 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Anwaltskosten begehrt. Das Amtsgericht hat der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von 163,29 € nebst Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] das Urteil des Amtsgerichts unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung dahin abgeändert, dass der Beklagte zur Zahlung von insgesamt 261,24 € nebst Zinsen verurteilt ist. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

6

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Wertersatz der von ihr durchgeführten Schönheitsreparaturen nicht zu, weil die in § 13 des Mietvertrags vorgesehene Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf die Mieterin wirksam sei und die Klägerin diese Leistungen deshalb mit Rechtsgrund erbracht habe. Die formularmäßige Vorgabe, dass die Wohnung bei Rückgabe weiß gestrichen sein müsse, benachteilige die Klägerin nicht unangemessen, weil sie die Wohnung in diesem Zustand übernommen habe. Entscheidend sei, dass der [X.] der Klägerin die Wohnung bei Beginn des Mietverhältnisses mit einem weißen Neuanstrich übergeben und damit zu erkennen gegeben habe, welchen Wohnungszustand er bei der Neuvermietung für angemessen halte und welchen Zustand er bei der Rückgabe vorzufinden wünsche. Das Interesse des Mieters an einer dezent farblichen Gestaltung sei dadurch ausreichend gewahrt, dass er sie verwirklichen könne, wenn der Vermieter zustimme.

7

Der Klägerin stehe aber ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 261,24 € aus der Kaution zu, weil der [X.] die Kaution in dieser Höhe zu Unrecht einbehalten habe. Für die Abnutzung der Dekoration an Türen, Türzargen, Heizkörpern und Kellerraum könne der [X.] aufgrund der [X.] nur einen Betrag von 388,69 € verlangen. Denn das Renovierungsintervall, das der Berechnung des [X.] zu Grunde zu legen sei, betrage wegen der geringen Abnutzung während der Mietzeit der Klägerin 14 Jahre.

II.

8

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die Schönheitsreparaturen sind im Hinblick auf die vom [X.]n verwendete (unzulässige) [X.] nicht wirksam auf die Klägerin übertragen, so dass dem [X.]n anteilige Schönheitsreparaturkosten nicht zustehen und ein Anspruch der Klägerin auf Wertersatz für die am Vertragsende teilweise ausgeführten Schönheitsreparaturen nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden kann.

9

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats benachteiligt eine [X.] den Mieter (nur) dann nicht unangemessen, wenn sie ausschließlich für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht und dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt (Senatsurteile vom 18. Juni 2008 - [X.], [X.], 605 Rn. 18; vom 22. Oktober 2008 - [X.], [X.], 62 Rn. 17 f.; Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2010 - [X.], [X.], 96 Rn. 1 sowie [X.], [X.], 212 Rn. 1).

2. Die hier vereinbarte [X.] wird diesen Voraussetzungen nicht gerecht. Sie gibt dem Mieter - auch für Schönheitsreparaturen während der Mietzeit - einen weißen Anstrich von Decken und Wänden vor und schränkt die Gestaltungsfreiheit des Mieters dadurch in einer Weise ein, die nicht durch berechtigte Interessen des Vermieters gerechtfertigt ist und den Mieter deshalb unangemessen benachteiligt.

a) Es kann dahinstehen, ob die Regelung in § 13 Ziffer 3 Satz 2, der für die bei Vertragsende auszuführenden Arbeiten die ursprüngliche Ausführungsart vorgibt, so ausgelegt werden kann, dass auch die in § 13 Ziffer 3 Satz 5 des Mietvertrags enthaltene Verpflichtung, den Anstrich von Decken und Wänden weiß auszuführen, nur für bei Vertragsende durchzuführende Dekorationsarbeiten gilt. Denn eine Auslegung der Klausel dahin, dass die Farbvorgabe "weiß" - ebenso wie die in § 13 Ziffer 3 Satz 1 geregelte Vorgabe einer handwerksgerechten Qualität der auszuführenden Arbeit - auch für die während der Mietzeit erforderlichen Schönheitsreparaturen gilt, ist zumindest möglich und deshalb nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB) zugrunde zu legen.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spielt es für die Beurteilung der [X.] keine Rolle, dass die Klägerin die Wohnung zu Beginn des Mietverhältnisses mit einem neuen weißen Anstrich übernommen hatte. Denn der Vermieter hat grundsätzlich kein berechtigtes Interesse daran, dem Mieter während der Mietzeit eine bestimmte Dekorationsweise vorzuschreiben oder den Gestaltungsspielraum des Mieters auch nur einzuengen. Das berechtigte Interesse des Vermieters beschränkt sich vielmehr darauf, die Wohnung am Ende der Mietzeit in einer Dekoration zurückzuerhalten, die von möglichst vielen Interessenten akzeptiert wird und somit einer baldigen Weitervermietung nicht entgegensteht (Senatsbeschlüsse vom 14. Dezember 2010 - [X.], aaO Rn. 3 sowie [X.], aaO Rn. 3). Diesem Interesse kann der Vermieter jedoch - wie ausgeführt - mit einer Klausel Rechnung tragen, die nur für den Zeitpunkt der Rückgabe Geltung beansprucht und dem Mieter noch einen gewissen Spielraum lässt.

Schließlich rechtfertigt auch die in der Klausel vorgesehene Möglichkeit, im Einzelfall die Erlaubnis des Vermieters zu einer Dekoration in abweichender Farbe einzuholen, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine andere Bewertung; mangels eines sachlich gerechtfertigten Interesses des Vermieters, auf die Dekorationsweise während der laufenden Mietzeit Einfluss zu nehmen, braucht sich der Mieter hierauf von vornherein nicht verweisen zu lassen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - [X.], [X.], 1743 Rn. 10).

c) Rechtsfolge der unangemessenen Einengung des Mieters in der Art der Ausführung von Schönheitsreparaturen ist die Unwirksamkeit der Abwälzung der Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen schlechthin (Senatsurteil vom 18. Juni 2008 - [X.], aaO Rn. 20).

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts kann deshalb keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Klägerin entschieden hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht - vor dem Hintergrund der von ihm vertretenen Rechtsauffassung folgerichtig - keine Feststellungen zum Wert der von der Klägerin ohne Rechtsgrund erbrachten Schönheitsreparaturen getroffen hat. Die Sache ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Ball                                                   Dr. Hessel                                              Dr. Achilles

                      Dr. Schneider                                              Dr. Bünger

Meta

VIII ZR 205/11

22.02.2012

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Traunstein, 26. Mai 2011, Az: 7 S 3821/10

§ 307 BGB, § 535 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.02.2012, Az. VIII ZR 205/11 (REWIS RS 2012, 8924)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8924

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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