Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2011, Az. 10 AZR 454/10

10. Senat | REWIS RS 2011, 4350

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Gegenstand

Zulässigkeit der Berufung


Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. Mai 2010 - 16 [X.]/10 - aufgehoben, soweit es das Urteil des [X.] vom 18. November 2009 - 8 [X.] 5878/09 - abgeändert, die Beklagte zur Zahlung von 666,67 Euro brutto nebst Zinsen verurteilt und über die Kosten entschieden hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. November 2009 - 8 [X.] 5878/09 - als unzulässig verworfen.

3. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Anspruch auf eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2009.

2

Die Klägerin war seit dem 15. März 2005 als Mitarbeiterin für Wohnungsverwaltungen und Rechnungswesen in Teilzeit (20 Wochenstunden) bei der [X.], die drei Mitarbeiter beschäftigte, tätig. Grundlage war der von der [X.] vorformulierte Arbeitsvertrag vom 7./10. März 2005. In diesem heißt es ua.:

        

2. Vergütung

        

Für ihre Tätigkeit erhält [X.] eine Vergütung von zunächst [X.] 900,00 brutto während der 6-mo-natigen Probezeit und im [X.] hieran eine monatliche Vergütung von [X.] 1.000,00 brutto.

        

Darüber hinaus zahlt die Firma G GmbH

        

a.)     

mit dem Novembergehalt eines jeden Jahres eine Sonderzahlung (Anwesenheitsprämie) in Höhe eines weiteren Monatsgehalts bei Bestehen eines zu diesem Zeitpunkt ungekündigten Arbeitsvertrags, bei [X.] jedoch nur zeitanteilig.

                 

Die Sonderzahlung reduziert sich, wenn die krankheitsbedingten Fehlzeiten 1 Woche (5 Arbeitstage) im Kalenderjahr überschreiten, um jeweils 1/52 pro angefangener Woche der Fehlzeit. Die Sonderzahlung ist zurückzugewähren, wenn die Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06. des darauf folgenden Kalenderjahres kündigt.“

3

Mit Schreiben vom 27. Juli 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. August 2009.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe jedenfalls eine anteilige Sonderzahlung nach Ziff. 2 Buchst. a des Arbeitsvertrags zu. Die Regelung sei widersprüchlich und intransparent, sodass der Vorbehalt des Bestehens eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am 30. November eines Kalenderjahres nicht wirksam sei. Sie habe im Hinblick auf die Anwesenheitsprämie vorgeleistet.

5

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 666,67 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2009 zu zahlen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Gewährung einer zeitanteiligen Anwesenheitsprämie komme aufgrund der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] hat ihr stattgegeben. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet, da bereits die Berufung der Klägerin unzulässig war.

9

I. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung ([X.] 27. Juli 2010 - 1 [X.] - Rn. 17, [X.] 2010, 1446). Sie ist deshalb vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ([X.] 17. Januar 2007 - 7 [X.] - Rn. 10, [X.]E 121, 18). Erfüllen die Berufung oder ihre Begründung nicht die gesetzlichen Voraussetzungen und ist die Berufung deshalb entgegen der Annahme des Berufungsgerichts unzulässig, hat das Revisionsgericht die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Berufung verworfen wird ([X.] 15. März 2011 - 9 [X.] 813/09 - Rn. 9, [X.] 2011, 767 [für den Fall nicht hinreichender Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen]), oder das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung zu verwerfen. Dass das Berufungsgericht das Rechtsmittel für zulässig gehalten hat, ist ohne Bedeutung (vgl. [X.] 9. Juli 2003 -  10 [X.] 615/02  - zu 1 der Gründe, [X.] ArbGG 1979 § 64 Nr. 33 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 37).

II. Die Berufungsschrift genügt nicht den Anforderungen des § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

1. Danach muss die Berufungsschrift die Bezeichnung des Urteils enthalten, gegen das die Berufung gerichtet wird. Sinn dieser Vorschrift ist, dem Gericht und dem [X.] Gewissheit zu verschaffen, welches Urteil angefochten werden soll. Notwendig ist demnach, dass aufgrund der Angaben in der Rechtsmittelschrift oder sonstiger Angaben innerhalb der Berufungsfrist die Identität des angefochtenen Urteils unzweifelhaft feststeht ([X.] 27. August 1996 - 8 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.] 1997, 456; 13. Oktober 1982 - 5 [X.] - zu II 1 der Gründe; 12. März 1982 - 7 [X.] - zu II 1 der Gründe; 24. April 1980 - 2 [X.] 844/79 - zu II der Gründe; [X.] 11. Januar 2006 - XII ZB 27/04 - Rn. 6 ff., [X.]Z 165, 371; 24. April 2003 - III [X.] - zu II 2 a der Gründe, NJW 2003, 1950; GMP/Germelmann ArbGG 7. Aufl. § 64 Rn. 69; [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 519 Rn. 30).

2. Die erstinstanzliche Entscheidung ist der Klägerin am 4. Januar 2010 zugestellt worden. Die Berufungsfrist lief damit am 4. Februar 2010 ab. Der [X.] ist an diesem Tag um 17:38 Uhr vorab per Telefax ohne Anlagen bei der gemeinsamen Postannahmestelle des Gerichtsgebäudes in der [X.] 21 eingegangen. Adressiert war er zutreffend an das dort ansässige [X.]. In diesem Schriftsatz sind zwar die Parteien und deren Bevollmächtigte richtig bezeichnet und das [X.] der erstinstanzlichen Entscheidung angegeben. Die Berufungsschrift enthält aber weder das Aktenzeichen der angegriffenen Entscheidung noch die Angabe, welches erstinstanzliche Gericht diese erlassen hat. Auch war die erstinstanzliche Entscheidung nicht entsprechend § 519 Abs. 3 ZPO beigefügt.

Der [X.] vom 4. Februar 2010 erfüllt damit entgegen der Annahme des [X.] die gesetzlichen Anforderungen nicht. Zwar können etwaige Zweifel des Prozessgegners an der Identität der angegriffenen Entscheidung auch noch nach Ablauf der Berufungsfrist behoben werden, wenn dadurch seine Rechtsverteidigung nicht eingeschränkt wird ([X.] 11. Januar 2006 - XII ZB 27/04 - Rn. 10, [X.]Z 165, 371). Für das Rechtsmittelgericht muss die Identität der angegriffenen Entscheidung aber bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig feststehen ([X.] 12. März 1982 - 7 [X.] - zu II 1 der Gründe; vgl. [X.] 11. Januar 2006 - XII ZB 27/04 - Rn. 12, aaO). Hieran fehlte es mangels Angabe des erstinstanzlichen Gerichts und des Aktenzeichens. Die Identität der angegriffenen Entscheidung ließ sich auch nicht aus den sonstigen Angaben in der Berufungsschrift zweifelsfrei feststellen. Zwar ist im [X.] für die Beklagte eine [X.] Adresse angegeben und für die Klägerin eine Adresse in [X.], das zum Zuständigkeitsbereich des [X.] gehört. Dies genügt jedoch schon im Hinblick auf § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht, um hinreichend rechtssicher darauf schließen zu können, dass ein Urteil des [X.] angegriffen werden soll. Ebenso wenig ist die Identität der angegriffenen Entscheidung auf andere Weise bis zum Ablauf der Berufungsfrist geklärt worden (vgl. dazu [X.] 27. August 1996 - 8 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.] 1997, 456). Nach den Feststellungen des [X.] war erst dem nach Fristablauf am 5. Februar 2010 eingegangenen Original der Berufung das angefochtene Urteil als Anlage beigefügt.

III. Die Klägerin hat als unterliegende Partei die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§ 91 ZPO).

        

    Mikosch    

        

    Eylert    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Schürmann    

        

    Zielke    

                 

Meta

10 AZR 454/10

27.07.2011

Bundesarbeitsgericht 10. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 18. November 2009, Az: 8 Ca 5878/09, Urteil

§ 64 Abs 6 ArbGG, § 519 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 519 Abs 3 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.07.2011, Az. 10 AZR 454/10 (REWIS RS 2011, 4350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4350

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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12 Sa 73/22

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