Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2021, Az. B 1 KR 36/20 R

1. Senat | REWIS RS 2021, 1220

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - Abrechnungsprüfung - Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit im Jahr 2016 - Geltung der PrüfvVbg 2014 - Erkenntnisse aus abstrakten Strukturprüfungen des MDK - Verwertung auch bei Abrechnungsprüfungen nach der PrüfvVbg 2014


Leitsatz

1. Die zwischen der Deutschen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen 2014 geschlossene Prüfverfahrensvereinbarung (juris: PrüfvVbg) gilt im Jahr 2016 auch für Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung.

2. Erkenntnisse aus Strukturprüfungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, an denen das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt hat, können in Abrechnungsprüfungen nach der Prüfverfahrensvereinbarung 2014 verwertet werden.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. September 2020 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahrens wird auf 28 617,86 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

2

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Versicherte der beklagten Krankenkasse ([X.]) vom 22.1. bis 23.5.2016 stationär und rechnete hierfür 120 564,87 [X.] nach Fallpauschale ([X.]) [X.] ab (Rechnung vom 16.6.2016). Die [X.] zahlte diesen Betrag zunächst, leitete anschließend jedoch eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung ([X.]) im Hinblick auf Behandlungsdauer, Kodierung von Hauptdiagnose sowie der abgerechneten Prozeduren ein; die [X.] stellte ua die Frage: "Wurde die erbrachte Leistung mit der kodierten Prozedur 8-98f.20 korrekt abgebildet?" (Schreiben vom 5.7.2016). Der [X.] kam zu dem Ergebnis, dass hier ua eine andere Hauptdiagnose zu kodieren und Änderungen bei einigen [X.] vorzunehmen seien und daher die geringer bewertete [X.] A36B abzurechnen sei. Das Gutachten enthielt den Passus: "Aussagen in Gutachten zu [X.] beziehen sich nicht auf [X.] einer OPS-Komplexbehandlung" ([X.]-Gutachten vom 4.11.2016). Auf dieser Grundlage übersandte das Krankenhaus eine korrigierte Rechnung über 106 287,15 [X.] (7.7.2017). Nach Rückbuchung des ursprünglichen Zahlbetrags zahlte die [X.] den neuen Rechnungsbetrag (11.7.2017).

3

Am [X.] verrechnete die [X.] (nach "erneuter Kontaktaufnahme im April 2018") einen Betrag von 28 617,86 [X.] mit unstreitigen anderweitigen Forderungen des Krankenhauses: Das Krankenhaus erfülle nicht die Voraussetzungen der Prozedur 8-98f.20, sodass der [X.] nicht zu kodieren und der sich daraus resultierende Differenzbetrag zu verrechnen sei. Zwei am [X.] und am 2.9.2016 durchgeführte [X.] hätten ergeben, dass das Krankenhaus nicht die Strukturvoraussetzungen der [X.] nach [X.] (Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung) erfülle.

4

Das SG hat die [X.] zur Zahlung des strittigen Betrags von 28 617,86 [X.] verurteilt (Urteil vom 3.3.2020). Das [X.] hat die Berufung der [X.] - unter teilweiser Bezugnahme auf das [X.] - zurückgewiesen: Es könne offenbleiben, ob der verrechnete Erstattungsanspruch in der Sache bestehe. Jedenfalls sei die [X.] durch das [X.] nach § 11 Abs 5 des zwischen der [X.] und den Krankenkassenverbänden in [X.] abgeschlossenen [X.]s "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" nach § 112 Abs 1 und 2 Satz 1 [X.] (im Folgenden: [X.] - [X.]) an der Aufrechnung gehindert. Das [X.] sei von der Ermächtigungsgrundlage ("Abrechnung der Entgelte") gedeckt. Der Anwendungsbereich der auf Grundlage des § 17c Abs 2 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ([X.]) geschlossenen Prüfverfahrensvereinbarung ([X.]) sei nicht eröffnet, da hier keine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1c [X.] erfolgt sei, sondern sich die Erstattungsforderung auf eine abstrakt durchgeführte Strukturanalyse bezüglich der Abrechenbarkeit des streitigen [X.].20 berufe. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Wortlaut des § 275 Abs 1 [X.] ("der Erkrankung" und "dem Krankheitsverlauf"), auf den sich § 17c Abs 2 Satz 1 [X.] iVm § 275 Abs 1c [X.] zur Regelung des Anwendungsbereichs der [X.] beziehe. Auch griffen Ausnahmeregelungen des [X.] vom grundsätzlich geltenden [X.] nicht ein. Die Zahlung der [X.] beruhe insbesondere nicht auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben iS des § 6 Abs 5 Buchst a des [X.]. Dies folge bereits daraus, dass der [X.] das Ergebnis der durchgeführten [X.] bekannt gewesen sei. Auch habe der [X.] hier nicht "im Rahmen seiner Begutachtung die Voraussetzungen für eine Rückforderung der Krankenkasse festgestellt" (§ 11 Abs 5 Satz 2 [X.]). Denn hiervon seien abstrakte [X.] des [X.] nicht erfasst (Urteil vom 24.9.2020).

5

Die [X.] rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 112 Abs 1 und 2 Satz 1 [X.], § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 6 [X.] und § 9 [X.] 2014 sowie § 11 Abs 5 Satz 1 iVm § 6 Abs 5 und § 11 Abs 5 Satz 2 [X.]. Das vom [X.] aus dem [X.] abgeleitete [X.] sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage in § 112 Abs 1 und 2 [X.] gedeckt und verstoße gegen die vorrangige Regelung in § 9 [X.] 2014. Außerdem verstoße es gegen § 301 Abs 1 Satz 1 Nr 6 [X.], wenn das [X.] § 6 Abs 5 Satz 1 Buchst a [X.] dahingehend auslege, dass eine "Zahlung auf vom Krankenhaus zu vertretenden unzutreffenden Angaben" dann nicht beruhe, wenn [X.] angegeben würden, deren Voraussetzungen das Krankenhaus nach einer Strukturanalyse des [X.] nicht erfülle. Schließlich beziehe sich § 11 Abs 5 Satz 2 [X.] entgegen der Ansicht des [X.] auch auf - unabhängig vom Einzelfall erstellte - Strukturgutachten des [X.].

6

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts [X.] vom 24. September 2020 und des Sozialgerichts [X.] vom 3. März 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der [X.] kann auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden, ob dem Krankenhaus der geltend gemachte Vergütungsanspruch weiter zusteht oder ob die [X.] mit einem aus der Behandlung der Versicherten resultierenden Erstattungsanspruch wirksam aufgerechnet hat.

Das [X.] hat entschieden, dass der geltend gemachte (zwischen den Beteiligten für sich genommen unstreitige) Vergütungsanspruch des Krankenhauses bereits deswegen nicht durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch aus dem strittigen Behandlungsfall der Versicherten vom 22.1. bis 23.5.2016 erloschen ist, weil die [X.] an der Aufrechnung durch das [X.] nach § 11 Abs 5 des [X.] gehindert gewesen sei. Dieses [X.] kollidiere bereits deswegen nicht mit § 9 [X.], weil die [X.] auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei. Denn die strittige Erstattungsforderung berufe sich nicht auf eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs 1c [X.], sondern eine alle [X.] Krankenhäuser betreffende, abstrakt durchgeführte Strukturanalyse des [X.] bezüglich der Abrechenbarkeit des [X.]-98f.20.

Dies hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Es kann hierbei offenbleiben, ob die landesvertragliche Vereinbarung eines [X.]s von der Ermächtigungsgrundlage in § 112 Abs 1 und Abs 2 [X.] [X.] gedeckt ist. Denn das in § 11 Abs 5 des [X.] geregelte [X.] ist jedenfalls mit § 9 [X.] unvereinbar und daher nichtig (dazu 3.). Die [X.] ist auf den Behandlungsfall im [X.] zeitlich und sachlich anwendbar. Sie galt im [X.] auch für sachlich-rechnerische Prüfungen (dazu 1.). Bei der Prüfung durfte die [X.] auch Erkenntnisse aus einer abstrakten Strukturprüfung verwerten, an der das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt hatte (dazu 2.). Die [X.] hat im vorliegenden Fall (nur) eine Prüfung nach § 275 Abs 1c [X.] iV mit der [X.] durchgeführt (dazu 4.). Ob die [X.] nach den Vorgaben der [X.] hier zur Aufrechnung berechtigt war und insbesondere die dort geregelten Fristen eingehalten hat, kann der [X.] auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden (dazu 5.).

1. Die aufgrund § 17c Abs 2 [X.]G (idF des [X.] bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom [X.], [X.]) erlassene und am [X.] in [X.] getretene [X.] ist zeitlich auf die im [X.] durchgeführte Krankenhausbehandlung der Versicherten anwendbar (§ 12 Abs 1 [X.]; zu der ab dem 1.1.2017 geltenden [X.] vom 3.2.2016 vgl BSG vom 18.5.2021 - [X.] KR 37/20 R - juris Rd[X.]4 mwN).

Die [X.] ist auch sachlich anwendbar. Die [X.] führte eine [X.] in Bezug auf einen konkreten Behandlungsfall durch und beauftragte den [X.] mit einer gutachtlichen Stellungnahme nach § 275 Abs 1c [X.] (§ 2 Abs 1 [X.]). Dass der Prüfauftrag auch die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung umfasste, steht der Anwendbarkeit der [X.] auf die gesamte Prüfung nicht entgegen. Die [X.] galt im [X.] auch für sachlich-rechnerische Prüfungen (vgl demgegenüber für 2015 BSG vom 10.11.2021 - [X.] KR 43/20 R - Rd[X.]4 f).

a) Nach der Rspr des [X.]s galt § 275 Abs 1c [X.] in der bis zum 31.12.2015 geltenden Fassung (aF) - und damit auch die [X.] - nur für Auffälligkeitsprüfungen betreffend die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung, nicht dagegen für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung (vgl [X.] vom 23.5.2017 - [X.] KR 24/16 R - [X.] 4-2500 § 301 [X.] RdNr 30 ff mwN; BSG vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - [X.] 4-2500 § 275 [X.] Rd[X.]2; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Differenzierung vgl [X.] vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17 - NJW 2019, 351; zur Abgrenzung der beiden Prüfverfahren vgl BSG vom 23.5.2017, aaO, RdNr 39). In Reaktion auf diese Rspr hat der Gesetzgeber dem § 275 Abs 1c [X.] mit Wirkung zum 1.1.2016 den Satz 4 angefügt. Danach ist als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die [X.] den [X.] beauftragt und die eine Datenerhebung durch den [X.] beim Krankenhaus erfordert. Dies umfasst auch Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausabrechnung. Die Anfügung des § 275 Abs 1c Satz 4 [X.] zum 1.1.2016 hatte zur Folge, dass sich der Anwendungsbereich der [X.] ab diesem Zeitpunkt auf sachlich-rechnerische Prüfungen erweitert hat.

b) Nach § 2 Abs 1 [X.] folgt der Geltungsbereich der [X.] dem des § 275 Abs 1c [X.]. Dabei hatten die Vertragsparteien von Anfang an neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen auch die Prüfung der "Korrektheit deren Abrechnung" im Blick und sind - anders als die nachfolgende Rspr des [X.]s - davon ausgegangen, dass auch diese § 275c Abs 1 [X.] unterfällt (vgl § 3 Satz 1, § 4 Satz 1, § 7 Abs 2 Satz 2, § 8 Satz 1 und 2 [X.]). Soweit der Anwendungsbereich der [X.] danach zunächst über die den Vertragsparteien durch § 17c Abs 2 [X.]G iVm § 275 Abs 1c [X.] eingeräumte Ermächtigung hinausging, wurde dies durch die Anfügung des § 275 Abs 1c Satz 4 [X.] durch Art 6 [X.]1a des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz - [X.]SG vom 10.12.2015, [X.] 2229) zum 1.1.2016 mit Wirkung ab diesem Tag legitimiert. Einer ausdrücklichen Bestätigung durch die Vertragsparteien bedurfte es insofern nicht.

Das partielle Fehlen einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf [X.] schloss die spätere Wirksamkeit des intendierten [X.] in Gänze ab 2016 ohne erneuten, bestätigenden Vertragsschluss nicht aus. Dies gilt hier jedenfalls aufgrund der besonderen Umstände. Die Vertragsparteien auf Bundesebene durften im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund der bisherigen, auch durch das BSG gebilligten Rechtspraxis in gutem Glauben davon ausgehen, dass § 17c Abs 2 [X.]G auch zu Regelungen über die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ermächtigte (vgl dazu BSG vom 16.7.2020 - [X.] KR 15/19 R - [X.], 299 = [X.] 4-2500 § 275 [X.], Rd[X.]9 ff). Auch erweiterte der Gesetzgeber alsbald die Ermächtigungsgrundlage im Sinne dieser bereits tatsächlich vereinbarten Regelungen. Er erstreckte mit der Anfügung des Satzes 4 den Geltungsbereich des § 275 Abs 1c [X.] auf die sachlich-rechnerische Prüfung. Zugleich erweiterte er damit die Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs 2 [X.]G, der dynamisch auf § 275 Abs 1c [X.] verwies, sodass der von den Vertragsparteien 2014 tatsächlich geregelte Bereich mit Wirkung vom 1.1.2016 von der Ermächtigungsgrundlage in Gänze gedeckt war, ohne dass es insoweit einer textlichen Änderung des § 17c Abs 2 [X.]G bedurfte. Von den Vertragsparteien danach nochmals eine förmliche Bestätigung ihres übereinstimmenden Willens zu verlangen, auch unter Geltung der ergänzten und die Vereinbarung nunmehr in vollem Umfang legitimierenden Ermächtigungsgrundlage an der Vereinbarung festhalten zu wollen, wäre letztlich eine bloße Förmelei.

2. Die [X.] durfte bei der Prüfung auch Erkenntnisse aus einer vom [X.] abstrakt durchgeführten Strukturanalyse verwerten, an der das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt hat. Dass es hierfür im [X.] an einer rechtlichen Grundlage fehlte, ist unerheblich.

Die [X.] ist auf alle nach § 275 Abs 1 [X.] iVm § 275 Abs 1c [X.] durchgeführten Prüfungen von stationären Krankenhausbehandlungen unabhängig davon anzuwenden, ob und ggf welche Erkenntnisse aus [X.]-Begutachtungen die [X.] bei der Prüfung letztendlich verwertet. Dies folgt aus Wortlaut (dazu a), Entstehungsgeschichte (dazu b) sowie Sinn und Zweck der Vereinbarung (dazu c).

a) Nach § 1 Satz 1 [X.] soll "diese Vereinbarung (…) ein effizientes, konsensorientiertes Verfahren der Prüfungen nach § 275 Abs 1c [X.] näher regeln". Sie bezieht sich damit umfassend auf alle [X.] nach § 275 Abs 1c [X.] in Bezug auf konkrete [X.]. Das sind Prüfungen nach § 275 Abs 1 [X.] [X.], dh Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten, mit denen die [X.] den [X.] beauftragt. Die [X.] enthält keine Regelung dahingehend, dass die [X.] der Auffassung des [X.] folgen muss oder ausschließlich Erkenntnisse aus dessen gutachtlicher Stellungnahme verwerten darf. Aus anderen Quellen stammende Erkenntnisse - etwa aus Strukturprüfungen des [X.], an denen das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt hat - sind daher in [X.] nach der [X.] verwertbar. Auch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs 2 [X.]G enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Nach § 17c Abs 2 Satz 1 [X.]G regeln die dort genannten Vertragspartner "das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c [X.]". § 275 Abs 1c [X.] differenziert nicht zwischen unterschiedlichen Prüfverfahren, sondern verpflichtet die [X.], "bei Krankenhausbehandlung nach § 39 [X.] (…) eine Prüfung nach Absatz 1 Nr. 1 [X.] zeitnah durchzuführen" (§ 275 Abs 1c Satz 1 [X.]), dh Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten (§ 275 Abs 1 [X.] [X.]). Entgegen der Ansicht des [X.] handelte es sich daher bei abstrakten [X.] im [X.] nicht um eigenständige Prüfverfahren, die - bezogen auf einen konkret geprüften Behandlungsfall - einem eigenständigen Prüfregime unterliegen würden. Hierfür fehlte es seinerzeit bereits an einer gesetzlichen Grundlage. § 17c Abs 2 [X.]G und § 275 [X.] (idF des [X.]SG) enthalten - anders als jetzt § 275d [X.] (idF des [X.] <[X.]-Reformgesetz>, [X.] 2789) - keine solche Regelungen (vgl BSG vom 18.7.2013 - B 3 KR 25/12 R - [X.] 4-5562 § 7 [X.] Rd[X.]1; [X.], NZS 2019, 724, 728; Penner, [X.] 2016, 121; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl 2020, § 275d Rd[X.]; Wahl in jurisPK-[X.], 4. Aufl 2020, § 112 RdNr 75 (Stand 20.7.2021); vgl auch BT-Drucks 19/13397 [X.], 67).

b) Für diese Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte. Anlass zur Schaffung einer [X.] war der Umstand, dass die Vertragsparteien auf Landesebene nicht in allen Bundesländern Verträge insbesondere zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs 1 iVm Abs 2 Satz 1 [X.] [X.] geschlossen haben bzw bestehende [X.] nur sehr allgemein gehalten und oft veraltet waren (vgl BT-Drucks 17/13947 [X.]; BSG vom 23.5.2017 - [X.] KR 24/16 R - [X.] 4-2500 § 301 [X.] RdNr 30). Durch nähere Ausfüllung der Vorgaben des § 17c Abs 2 Satz 1 [X.]G sollten es die Vertragsparteien zudem in der Hand haben, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und [X.]n effektiver und konsensorientierter zu gestalten (vgl BT-Drucks 17/13947 [X.]; [X.] in [X.], 2. Aufl 2018, § 275 [X.] RdNr 6; ähnlich § 1 Satz 1 [X.]). Perspektivisch versprach sich der Gesetzgeber durch die [X.] sowie weitere Maßnahmen, dass der Aufwand für die Durchführung von [X.] vermindert werde (vgl BT-Drucks 17/13947 [X.] f). Die nach § 17c Abs 2 Satz 2 [X.]G zu treffenden Regelungen "über die Prüfungsdauer" sollten eine Beschleunigung des Prüfverfahrens ermöglichen (vgl BT-Drucks 17/13947 [X.]). Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber nicht eine Einzelregelung zu einem Teilbereich der [X.] treffen wollte, sondern die Zusammenarbeit von Krankenhäusern und [X.] bei der Vergütungsabrechnung insgesamt im Blick hatte.

c) Auch Sinn und Zweck der Regelungen der [X.] sprechen für eine umfassende Geltung der [X.] für die [X.]. Sie schaffen einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Anspruch des Krankenhauses auf vollständige Vergütung der erbrachten erforderlichen Krankenhausbehandlungen und einem zügigen Abschluss des Prüfverfahrens und damit der Rechtssicherheit (vgl zum prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot [X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 24/11 R - [X.], 141 = [X.] 4-2500 § 275 [X.], RdNr 30 ff; [X.] in Dettling/[X.], Krankenhausrecht, 2. Aufl 2018, § 39 [X.] RdNr 97; zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots als Prüfzweck vgl [X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 27/11 R - [X.], 156 = [X.] 4-2500 § 114 [X.], RdNr 33 f). Der damit intendierten Beschleunigung und Konzentration des Prüfverfahrens entspricht es etwa, dass es nicht durch wiederholte oder unzeitige Datenänderungen in die Länge gezogen werden soll (vgl § 7 Abs 5 [X.] und hierzu [X.] vom 18.5.2021 - [X.] KR 32/20 R - juris Rd[X.]3 ff). Der gesamte Abrechnungsfall soll zügig seinen Abschluss finden. Der Streitstoff für die Überprüfung der Abrechnung des Behandlungsfalls soll vollständig gebündelt und deren Abschluss insgesamt beschleunigt werden. Hierbei ist es Aufgabe des [X.], die prüfrelevanten Begründungselemente durch die Unterlagenauswahl so einzugrenzen, dass die Anspruchsprüfung konzentriert erfolgen kann, dh dass alle für die Anspruchsprüfung relevanten Gesichtspunkte erfasst werden können (vgl § 7 Abs 2 [X.] und hierzu [X.] vom 18.5.2021 - [X.] KR 32/20 R - juris Rd[X.]4). Dem Zweck der Beschleunigung und Konzentration würde es aber widersprechen, wenn die [X.] nur bei Umsetzung der auf den Einzelfall bezogenen [X.]-Begutachtung an die in der [X.] geregelten Fristen gebunden wäre und etwa bei vom [X.] übersehenen oder ausdrücklich ausgeklammerten Gesichtspunkten - wie hier die Erfüllung von [X.] bestimmter [X.] - (auch zeitlich) unbeschränkt weiter prüfen könnte. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass nicht über die Unterlagenanforderung des [X.] nach der [X.], sondern auf anderem Wege zur Verfügung stehende, rechtmäßig erlangte Erkenntnisse, die unmittelbar prüfungsrelevant sind, grundsätzlich einbezogen werden dürfen, solange das Prüfverfahren einschließlich des sich ggf anschließenden Gerichtsverfahrens nicht abgeschlossen ist.

3. Die in § 9 [X.] geregelten Zahlungsmodalitäten schließen ein landesvertraglich geregeltes [X.] aus. Nach § 9 Satz 1 [X.] kann "die Krankenkasse (…) einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen". Diese Regelung geht abweichenden landesvertraglichen Regelungen vor (§ 11 [X.]). [X.] nach § 112 Abs 1 [X.] dürfen die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ausschließlich innerhalb der bundesgesetzlichen Grenzen regeln (vgl § 112 Abs 2 Satz 1 [X.] Buchst a und b [X.] und hierzu BSG vom 30.7.2019 - [X.] KR 31/18 R - [X.], 1 = [X.] 4-7610 § 366 [X.], Rd[X.]6 f mwN; vgl auch [X.] vom 28.3.2017 - [X.] KR 29/16 R - [X.], 15 = [X.] 4-2500 § 109 [X.], Rd[X.]5 zur Fallpauschalvereinbarung; Umsetzungshinweise der [X.] der [X.], [X.] 2014, 938, 954 zu § 9 [X.]). Sie sollen sicherstellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des [X.] entsprechen (§ 112 Abs 1 [X.]; vgl BSG - Großer [X.] - Beschluss vom [X.] - [X.], 111 = [X.] 4-2500 § 39 [X.]0, RdNr 31; [X.] vom 13.11.2012 - [X.] KR 27/11 R - [X.], 156 = [X.] 4-2500 § 114 [X.], Rd[X.]; [X.] vom [X.] - [X.] KR 11/15 R - [X.] 4-2500 § 69 [X.]0 Rd[X.]8). Nur soweit diese Vertragskompetenz reicht, besteht ein Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (vgl zum Ganzen bereits BSG vom 30.7.2019 - [X.] KR 31/18 R - [X.], 1 = [X.] 4-7610 § 366 [X.], Rd[X.]6 f mwN).

4. Nach diesen rechtlichen Vorgaben war die [X.] nicht von vornherein daran gehindert, die Erkenntnisse aus der Strukturprüfung in die Prüfung der Abrechnung des konkreten Behandlungsfalls einzubeziehen und hierauf eine erneute Aufrechnung zu stützen. Denn die [X.] führte nach den den erkennenden [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (vgl § 163 SGG) (nur) ein Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c [X.] iVm der PrüfvV 2014 durch (siehe auch oben 1.):
Sie beauftragte den [X.] mit der Überprüfung des streitigen Behandlungsfalls im Hinblick auf Behandlungsdauer, Kodierung von Hauptdiagnose sowie der abgerechneten Prozeduren. Gegenstand dieser Prüfung war auch der [X.] 8-98f. Die Überprüfung führte zunächst zu einer Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus auf Grundlage des [X.]-Gutachtens vom [X.]. Die neue Rechnung des Krankenhauses (7.7.2017) enthielt ua eine geänderte Hauptdiagnose, Änderungen bei einigen [X.] und auf dieser Grundlage eine andere [X.]. Diese Rechnung beglich die [X.] am 11.7.2017 vollständig. Im April 2018 nahm sie nach den Feststellungen des [X.] erneut Kontakt mit dem Krankenhaus auf und verrechnete in der Folge den strittigen Betrag (28 617,86 Euro) mit der Begründung, der [X.] 8-98f habe bei der Abrechnung nicht berücksichtigt werden dürfen, da das Krankenhaus die dort geregelten [X.] nicht erfülle, wie sich aus zwei im [X.] vom [X.] ua im klägerischen Krankenhaus durchgeführten [X.] ergebe.

Die Einbeziehung von Erkenntnissen aus [X.] des [X.] in Bezug auf bestimmte [X.], an denen das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt hat, in die [X.] unterliegt - wie oben dargestellt - keinem eigenen Prüfregime. Die [X.] hat daher hinsichtlich der Prüfung der Abrechenbarkeit des [X.]-98f durch das Krankenhaus kein neues, eigenständiges Prüfverfahren eingeleitet und durchgeführt, sondern war auch insoweit an die Regelungen der [X.] gebunden, insbesondere die dort geregelten Fristen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der [X.] in seinem Gutachten vom [X.] einen "Strukturvorbehalt" gemacht hat. Denn die [X.] ist weder an das Begutachtungsergebnis des [X.] noch an dessen Prüfungsumfang gebunden. Sie ist vielmehr verpflichtet, die Abrechnung aufgrund der Vorgaben in § 275 Abs 1 [X.] und Abs 1c [X.] und der [X.] 2014 inhaltlich zu prüfen.

5. Ob die [X.] nach den Vorgaben der [X.] hier zur Aufrechnung berechtigt war und insbesondere die dort geregelten Fristen eingehalten hat, kann der [X.] auf Grundlage der Feststellungen des [X.] nicht entscheiden.

Die Berechtigung zur Aufrechnung setzt insbesondere voraus, dass das Prüfverfahren vor April 2018 noch nicht durch Mitteilung einer abschließenden Entscheidung durch die [X.] abgeschlossen war (vgl § 8 [X.]). Aus einer solchen Entscheidung muss klar zum Ausdruck kommen, dass die [X.] die Prüfung als abgeschlossen ansieht und auf den weiteren Lauf der für die abschließende Entscheidung geltenden Neun-Monats-Frist verzichtet. Nicht ausreichend ist hierfür für sich genommen etwa die Übersendung eines im Prüfverfahren nach der [X.] eingeholten [X.]-Gutachtens oder die Zahlung auf eine im Prüfverfahren korrigierte Rechnung des Krankenhauses.

Die Berechtigung zur Aufrechnung setzt ferner voraus, dass zum Zeitpunkt der Mitteilung der abschließenden Entscheidung über die hier streitige Rechnungskürzung durch die [X.] die Neun-Monats-Frist nach § 8 Satz 3 [X.] noch nicht abgelaufen war. Für den Fristbeginn ist die Übermittlung des korrigierten Datensatzes maßgeblich, die hier ausnahmsweise nicht an die Frist nach § 7 Abs 5 [X.] gebunden war, da die Übermittlung der geänderten Daten in Umsetzung des [X.]-Prüfergebnisses erfolgte (vgl hierzu BSG vom 18.5.2021 - [X.] KR 37/20 R - juris RdNr 36 - teleologische Reduktion). Dies hat zur Folge, dass sich die [X.] nach § 8 Satz 3 [X.]"entsprechend" verlängert (vgl § 7 Abs 5 Satz 4 [X.]). Sie lief folglich erst neun Monate nach Übermittlung der korrigierten Daten ab.

Das [X.] muss daher feststellen, wann das Krankenhaus der [X.] die korrigierten Daten übermittelte, ob die [X.] vorfristig dem Krankenhaus eine abschließende Entscheidung nach § 8 [X.] mitteilte und - wenn dies nicht der Fall war - ob die [X.] innerhalb der Frist von neun Monaten nach Übermittlung der korrigierten Daten (§ 7 Abs 5 Satz 4 iVm § 8 Satz 3 [X.]) erfolgte. Sollte dies der Fall sein, muss das [X.] unter Beachtung der Vorgaben der [X.] (vgl etwa zu § 7 Abs 2 [X.] [X.] vom 18.5.2021 - [X.] KR 24/20 R - juris) auch entscheiden, ob der [X.] ein zur Aufrechnung berechtigender Erstattungsanspruch wegen der Behandlung der Versicherten vom 22.1. bis 23.5.2016 zustand.

6. [X.] bleibt dem [X.] vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 36/20 R

10.11.2021

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 3. März 2020, Az: S 6 KR 5611/18, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5, § 112 Abs 1 SGB 5, § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5, § 275 Abs 1 Nr 1 SGB 5 vom 23.04.2002, § 275 Abs 1c S 1 SGB 5 vom 26.03.2007, § 275 Abs 1c S 4 SGB 5 vom 10.12.2015, § 301 Abs 2 S 2 SGB 5, § 17c Abs 2 S 1 KHG vom 15.07.2013, § 17c Abs 2 S 2 KHG vom 15.07.2013, § 387 BGB, §§ 387ff BGB, § 2 Abs 1 PrüfvVbg vom 18.07.2014, § 8 PrüfvVbg vom 18.07.2014, § 9 S 1 PrüfvVbg vom 18.07.2014, § 11 PrüfvVbg vom 18.07.2014, Nr 8-98f OPS 2016

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 10.11.2021, Az. B 1 KR 36/20 R (REWIS RS 2021, 1220)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 1220

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