Bundessozialgericht, Urteil vom 17.06.2010, Az. B 14 AS 46/09 R

14. Senat | REWIS RS 2010, 5780

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Darlehen von Verwandten - Rückzahlungsverpflichtung - Anforderungen an den Nachweis - Abgrenzung zur Schenkung oder Unterhaltsleistung


Leitsatz

1. Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die als Darlehen mit einer zivilrechtlich wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung belastet sind, sind bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht als Einkommen zu berücksichtigen.

2. An den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrags unter Verwandten sind strenge Anforderungen zu stellen, um eine Darlehensgewährung eindeutig von einer Schenkung oder einer Unterhaltsleistung abgrenzen zu können.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis zum [X.] teilweise aufgehoben und von ihr die Erstattung überzahlter Leistungen in Höhe von 1410 Euro gefordert hat.

2

Die 1983 geborene, alleinstehende Klägerin erhielt nach vorangehendem Bezug von Arbeitslosengeld [X.]) nach dem [X.] ([X.]I) seit März 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von der Beklagten. Zuletzt bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 10.8.2006 für den Zeitraum vom [X.] bis zum [X.] Alg II in Höhe von monatlich 588 Euro (345 Euro Regelleistung, 240 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung und 3 Euro befristeter Zuschlag nach § 24 [X.]). Seit dem [X.] war sie als Erzieherin beschäftigt und damit nicht mehr hilfebedürftig nach dem [X.].

3

Im Februar 2007 reichte die Klägerin bei der Beklagten Kontoauszüge ein, aus denen ein Zahlungseingang am 19.12.2006 von ihrem Onkel in Höhe von 1500 Euro hervorging. Auf Rückfrage legte sie dazu ein an sie gerichtetes, undatiertes Schreiben mit folgendem Inhalt vor: "[X.], am [X.] habe ich Dir Euro 1500 als Darlehen auf Dein Konto überwiesen. Wir haben vereinbart, dass Du [X.] den Betrag am 01.07.2007 zurückzahlst. [X.]. Dein Onkel J".

4

Nach Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 5.3.2007 hob die Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 10.8.2006 für den Zeitraum vom 1.12.2006 bis [X.] teilweise in Höhe von 1410 Euro nach § 48 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch ([X.]) auf. Die Klägerin habe nach Erlass des Bescheides Einkommen erzielt, das zur Minderung des Anspruchs geführt habe (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 [X.]). Mit dem Zufluss der Darlehenssumme im Dezember 2006 habe sich eine Änderung der Verhältnisse ergeben (§ 48 Abs 1 Satz 3 [X.]). Der auf dem Girokonto eingegangene Betrag von 1500 Euro sei ab dem [X.] als sonstiges Einkommen nach § 11 [X.] zu berücksichtigen und anteilig in Höhe von monatlich 470 Euro (500 Euro abzüglich des [X.] in Höhe von 30 Euro) auf den restlichen [X.] zu verteilen. Die Aufhebungsentscheidung sei nach § 40 Abs 1 Nr 1 [X.] iVm § 330 [X.]I als gebundene Entscheidung zu erlassen. Die erbrachten Leistungen seien nach § 40 Abs 2 [X.] in Verbindung mit § 50 [X.] zu erstatten, wobei der Klägerin unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Möglichkeit einer Ratenzahlung eingeräumt werde (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 21.6.2007).

5

Die hiergegen gerichtete Klage zum Sozialgericht ([X.]) [X.] begründete die Klägerin wie bereits den Widerspruch damit, es sei ihr von ihrem Onkel ein Darlehen gewährt worden, um (von ihr im Einzelnen belegte) Ausgaben zu tätigen, die sie nicht aus dem Regelsatz habe bestreiten können. Ihrer Verpflichtung zur Rückzahlung der Darlehenssumme sei sie am 17.7.2007 durch Überweisung des Betrages in voller Höhe nachgekommen. Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 26.5.2008).

6

Auf die Berufung der Klägerin hin hat das [X.] ([X.]) [X.] das Urteil des [X.] und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die Klägerin sei im Zeitraum von Dezember 2006 bis Februar 2007 weiterhin in dem zuvor bestehenden Umfang hilfebedürftig gewesen. Ihrem Bedarf von monatlich 588 Euro habe kein zu berücksichtigendes Einkommen gegenübergestanden. Durch die Gutschrift auf dem Girokonto am 19.12.2006 sei eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 10.8.2006 vorgelegen hätten, nicht eingetreten. Die von ihrem Onkel überwiesene Summe sei nicht als einmalige Einnahme bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen, da es sich zur Überzeugung des Senats nicht um eine Schenkung, sondern ein Darlehen gehandelt habe. Bei Mitteln aus einem Darlehen handele es sich nicht um Einkommen iS des § 11 [X.], da sie mit Rücksicht auf die Rückzahlungsverpflichtung die Vermögenssituation des Hilfebedürftigen nicht veränderten, es sei denn, die Verpflichtung zur Rückzahlung entfalle (Hinweis auf B[X.]E 58, 160 ff = [X.] 4100 § 138 [X.]; B[X.] [X.] 4100 § 138 [X.] zur Arbeitslosenhilfe; BVerwGE 54, 358, 361 ff; 69, 247 ff; 69, 252 ff für das Wohngeldrecht). Für den Senat sei nach Anhörung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und auf Grundlage der Angaben des Onkels, der Rechtsanwalt sei, nachgewiesen, dass von vornherein die Rückzahlung des Betrages von 1500 Euro vereinbart worden sei. [X.] für diese Annahme sei, dass bei Vereinbarung der darlehensweisen Überlassung der Zeitpunkt für die Rückzahlung (noch) offen gelassen worden sei.

7

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 11 [X.]. Zwar spreche einiges für die vom [X.] vertretene Auffassung, dass Darlehen, die mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet seien, nicht als Einkommen angesehen werden könnten. Dies könne jedoch nur für solche Darlehenssummen gelten, die noch im laufenden [X.] zurückzuzahlen seien (Hinweis auf [X.] Reutlingen Urteil vom [X.] - [X.] AS 4151/06, info also 2007, 227 = [X.]/[X.]B 2007, 672). Dies berücksichtige die unmittelbare wirtschaftliche Situation des Hilfebedürftigen angemessen. Zugleich könne so ein Maßstab zur Bewertung von Fällen wie dem [X.] gefunden werden, der den Anforderungen einer Massenverwaltung gerecht werde. [X.] müssten schließlich in allen wesentlichen Punkten dem entsprechen, was auch zwischen Dritten vereinbart werde und damit dem sog Fremdvergleich standhalten.

8

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des [X.]s [X.] vom 11. Dezember 2008 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 26. Mai 2008 zurückzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz ). Die Voraussetzungen für eine (teilweise) Aufhebung der ursprünglichen Bewilligung liegen nicht vor. Bei der nach Antragstellung im [X.] zugeflossenen Darlehenssumme handelt es sich nicht um berücksichtigungsfähiges Einkommen, wie das [X.] zutreffend entschieden hat.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom [X.], den die Klägerin mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) angegriffen hat.

2. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung kommt nur § 40 Abs 1 [X.] iVm § 48 Abs 1 Satz 2 [X.] in Betracht. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 [X.] iVm § 330 Abs 3 [X.]I ist dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Veränderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs 1 Satz 2 [X.]). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes (§ 48 Abs 1 Satz 3 SGB X); dies ist im [X.] nach § 13 [X.] iVm § 2 Abs 3 Satz 1 Arbeitslosengeld II/[X.] ([X.]) idF vom 20.10.2004 ([X.]) iVm § 6 [X.] idF vom [X.] ([X.] 2499) der Beginn des Monats, in dem das Einkommen zufließt.

3. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne ist entgegen der Auffassung der [X.]n durch den Zufluss der Darlehenssumme nicht eingetreten. Die erwerbsfähige Klägerin war während des gesamten Bewilligungsabschnitts vom 1.9.2006 bis zum [X.], in den auch der streitige Zeitraum fällt, hilfebedürftig iS der §§ 7, 9 [X.]. Sie erfüllte nach den bindenden Feststellungen des [X.] durchgehend die Voraussetzungen für den Bezug von [X.] Dabei war zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 10.8.2006 von einem monatlichen Bedarf in Höhe von jeweils 588 Euro auszugehen. Auf diesen monatlichen Bedarf war auch in den Monaten Dezember 2006 sowie Januar und Februar 2007 kein Einkommen bedarfsmindernd anzurechnen.

Nach § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem [X.], der Grundrente nach dem [X.] ([X.]) und den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des [X.] vorsehen und Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden. Dabei ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte (vgl nur BSG [X.] 4-4200 § 11 [X.] RdNr 23; [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] RdNr 18). Vorliegend kommt damit - wovon auch die Beteiligten und die Vorinstanzen ausgehen - nur die Berücksichtigung der Zahlung als Einkommen im [X.], nicht dagegen als Vermögen in Betracht.

a) Aus dem Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 1 [X.] folgt keine weitergehende Definition dessen, was Einkommen ist. Lediglich die im zweiten Satzteil genannten Leistungen sind von vornherein von der Berücksichtigung ausgenommen. Mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Arbeitslosenhilfe ([X.], 160 = [X.] 4100 § 138 [X.]; [X.] 4100 § 138 [X.]) und des [X.] ([X.]) zum Einkommensbegriff im Wohngeldrecht (stRspr seit [X.]E 54, 358, juris RdNr 21; [X.]E 69, 247, juris Rd[X.]) kann auch im Anwendungsbereich des § 11 Abs 1 [X.] nach Sinn und Zweck der Norm eine von einem [X.] lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung nicht als Einkommen qualifiziert werden. Nur der "wertmäßige Zuwachs" stellt Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] dar; als Einkommen sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des [X.] dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Dieser Zuwachs muss dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lässt er seine Hilfebedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen ist, stellt damit als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als "bereites Mittel" zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könnte (ebenso [X.] in [X.], [X.], 2. Aufl 2008, § 11 RdNr 29; Söhngen in: jurisPK-[X.], 2. Aufl 2007, § 11 Rd[X.]2; [X.], info also 2007, 227; [X.], [X.] 2009, 537, 542; [X.] in [X.]/[X.], [X.], Stand Mai 2010, § 11 Rd[X.]2d und 206; anders [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] und [X.], Stand Februar 2010, § 11 [X.] RdNr 8; [X.] Niedersachsen-Bremen Beschluss vom [X.] AS 97/08 ER, [X.], 87; 10.12.2009 - L 13 AS 366/09 B ER, juris RdNr 22). Ob für die darlehensweise Gewährung staatlicher Leistungen zur Existenzsicherung (zB - sog [X.] nach dem [X.]) anderes gilt, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.

b) Soweit das [X.] hinsichtlich der Anrechenbarkeit von [X.] im Anwendungsbereich des Bundessozialhilfegesetzes danach differenziert hat, ob der Dritte vorläufig - anstelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens - nur deshalb einspringt, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (vgl [X.]E 26, 217, 219; 90, 154, 156; 94, 127, 135; 96, 152; in diesem Sinne für das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch <[X.]> Grube in Grube/[X.], [X.], 2. Aufl 2008, § 82 RdNr 27), ist die Grundlage dieser Rechtsprechung entfallen. Die zugrunde liegende Annahme, ein Anspruch auf Sozialhilfe komme nur bei tatsächlich (fort-)bestehendem Bedarf nach Antragstellung in Betracht, lässt sich auf das [X.] nicht übertragen. Ein solches normatives Strukturprinzip ("keine Leistungen für die Vergangenheit"; [X.]) kennt das [X.] - wie das [X.] - nicht (vgl für das [X.] BSG [X.] 4-1300 § 44 [X.] RdNr 19). Auf eine "faktische" Bedarfsdeckung, die Hilfebedürftigkeit entfallen lässt, kommt es nicht an; entscheidend ist allein, ob im [X.] Einkommen in bedarfsdeckender Höhe tatsächlich und zur endgültigen Verwendung zur Verfügung steht (so bereits Urteil des Senats vom [X.] - [X.] AS 32/08 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, juris RdNr 19). Aus diesem Grund ist bei der Qualifizierung einer Darlehenszahlung als Einkommen nicht danach zu unterscheiden, ob es sich um eine "Nothilfeleistung" des [X.] handelt.

c) Eine Differenzierung danach, ob die durch den Darlehensvertrag vereinbarte Verpflichtung zur vollständigen Rückerstattung in denjenigen Bewilligungsabschnitt fällt, in dem die Darlehenssumme dem Hilfebedürftigen zugeflossen ist (so [X.] Urteil vom [X.], info also 2007, 227 = [X.]/SGB 2007, 672; [X.]/[X.] in GK-[X.], Stand Oktober 2008, § 11 [X.] RdNr 89 ff), scheidet entgegen der Auffassung der [X.]n ebenfalls aus. Weil Hilfebedürftigkeit als [X.] über den Bewilligungszeitraum hinaus und unabhängig von einer (erneuten) Antragstellung vorliegen kann, ist der Bewilligungsabschnitt als solcher weder geeigneter "Verteilzeitraum" für einmalige Einnahmen (dazu [X.], 291 = [X.] 4-4200 § 11 [X.], jeweils RdNr 30), noch kommt es für die Prüfung von Hilfebedürftigkeit darauf an, ob diese bis zum Ende des bei Antragstellung in Blick genommenen Bewilligungsabschnitts oder darüber hinaus fortbesteht. Die von der [X.]n angestrebte Differenzierung mag aus Sicht des Trägers der Grundsicherung die Prüfung einer ernstlichen Rückzahlungsvereinbarung als Voraussetzung für die Qualifizierung eines Zuflusses als Darlehen vereinfachen, lässt sich aus der Systematik des [X.] heraus aber nicht begründen.

d) Stellt eine darlehensweise gewährte Zahlung schon kein Einkommen iS des § 11 Abs 1 [X.] dar, ist schließlich eine zwischen dem Hilfebedürftigen und dem [X.] getroffene Zweckbestimmung (vgl § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a [X.]) unerheblich (in diesem Sinne differenzierend [X.] in LPK-[X.], 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 24 und [X.]; [X.] Berlin-Brandenburg 1.7.2009 - L 32 AS 316/09, juris RdNr 19).

e) Entscheidend für die Abgrenzung ist damit allein, ob ein Darlehensvertrag entsprechend § 488 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zivilrechtlich wirksam abgeschlossen worden ist. Die Aufklärung der Umstände und ihre abschließende Würdigung obliegen dabei dem [X.]. Soweit die [X.] im Revisionsverfahren vorträgt, dass eine wirksam vereinbarte Rückzahlungsverpflichtung zwischen der Klägerin und ihrem Onkel als Hauptpflicht des Darlehensnehmers aus einem Darlehensvertrag nicht nachvollziehbar sei, hat sie die entgegenstehenden Feststellungen des [X.] nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen.

Um der Gefahr eines Missbrauchs von Steuermitteln entgegenzuwirken, ist es allerdings geboten, an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrages unter Verwandten strenge Anforderungen zu stellen. Dies setzt voraus, dass sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Weil und soweit der für den Hilfebedürftigen günstige Umstand, dass ein nachgewiesener Zufluss gleichwohl als Einkommen nicht zu berücksichtigen ist, seine Sphäre betrifft, obliegen ihm bei der Aufklärung der erforderlichen Tatsachen Mitwirkungspflichten; die Nichterweislichkeit der Tatsachen geht zu seinen Lasten.Bei der vorzunehmenden Prüfung, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sog Fremdvergleichs (vgl dazu im Einzelnen nur [X.], 53) herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden (vgl schon [X.], 238 = [X.] 4-4220 § 6 [X.] für eine behauptete Abtretung und BSG Urteil vom 24.5.2006 - B 11a [X.] 49/05 R für eine verdeckte [X.]). Dies scheidet bei der Beurteilung von Hilfebedürftigkeit nach §§ 9, 11 [X.] - anders als bei der Prüfung berücksichtigungsfähiger Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs 1 [X.] aus Mietverhältnissen unter Verwandten (dazu BSG [X.] 4-4200 § 22 [X.] RdNr 27 und Urteil des Senats vom [X.] - [X.] AS 31/07 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, juris RdNr 20) - nicht schon aufgrund struktureller Unterschiede zum Steuerrecht aus, denn auch im Steuerrecht geht es bei der Beurteilung von Darlehensverträgen unter Familienangehörigen im [X.] um die Abgrenzung zu Schenkung bzw verdeckter Unterhaltsgewährung.

Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten (wie der Vereinbarung der in § 488 Abs 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten) kann damit als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede (insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten) und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substanziiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Entgegen der Auffassung der [X.]n ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung (zB Schriftform, Zinsabrede oder Gestellung von Sicherheiten) als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat. Ein solches gesondertes, neben die zivilrechtlichen Anforderungen tretendes Erfordernis (als weitere Tatbestandsvoraussetzung) ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus oder in Verbindung mit allgemeinen Grundsätzen. Vielmehr würden die mit dem strengen Fremdvergleich verbundenen Beschränkungen für die Vertragsgestaltung bei Darlehensgewährung, der im Übrigen auch in der Rechtsprechung des [X.] nur auf bestimmte Fallgruppen angewendet wird, weder den tatsächlichen Verhältnissen noch der grundsätzlich gebotenen Respektierung familiärer Vertrauensbeziehungen gerecht (vgl auch [X.]E 132, 10 RdNr 26 zur Wertbestimmung von Vermögen nach § 28 Abs 1 und 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 14 AS 46/09 R

17.06.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dortmund, 26. Mai 2008, Az: S 10 (27) AS 255/07, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 488 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 17.06.2010, Az. B 14 AS 46/09 R (REWIS RS 2010, 5780)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5780

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