Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2010, Az. IV ZR 226/07

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5824

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am:

16. Juni 2010

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: ja [X.]R: ja BGB § 307 Abs. 1 Satz 1 Bk, [X.]; [X.] (hier § 9 (8) [X.]) Eine Klausel in den Bedingungen einer [X.], nach der von einem Rückkauf oder einer Umwandlung der Hauptversicherung (Lebens-versicherung) in eine beitragsfreie Versicherung mit [X.] (lediglich) anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversiche-rung nicht berührt werden, ist unwirksam. [X.], Urteil vom 16. Juni 2010 - [X.]/07 - [X.] LG Hamburg - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2010 für Recht erkannt: Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juli 2007 aufgehoben. [X.] wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger, ein Dachdeckermeister, begehrt Rentenleistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen [X.]. Er war Gesellschafter und Geschäftsführer einer mit Dachdecker- und Klempnerarbeiten befassten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: GmbH). In Erfüllung einer dem Kläger am 1. Dezember 1993 erteilten Versorgungszusage schloss die GmbH Anfang 1994 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten eine [X.] Lebensversicherung (in Form einer Leibrentenversicherung) mit [X.] ab. Versicherte Person war der Kläger. 1 - 3 -

2 Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen für die [X.] (im Folgenden: [X.]) lauten auszugsweise: "§ 1 Was ist versichert? (1) Wird der Versicherte während der Dauer dieser Zusatz-versicherung zu mindestens 50% berufsunfähig, so erbrin-gen wir folgende Versicherungsleistungen: a) Volle Befreiung von der [X.] für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversi-cherungen; b) Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente, wenn diese mit-versichert ist. Die Rente zahlen wir vierteljährlich im [X.], erstmals anteilig bis zum Ende des laufenden Versi-cherungsvierteljahres. – (2) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit einge-treten ist. Wird uns die Berufsunfähigkeit später als drei Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung erst mit Beginn des Monats der Mitteilung. (3) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente erlischt, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50% sinkt, der Versicherte stirbt oder die Zusatzversicherung abläuft. – § 9 Wie ist das Verhältnis zur Hauptversicherung? (1) Die Zusatzversicherung bildet mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen worden ist (Hauptversicherung), ei-ne Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht fort-gesetzt werden. Wenn der Versicherungsschutz aus der - 4 -

Hauptversicherung endet, so erlischt auch die Zusatzversi-cherung. – (8) Anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zu-satzversicherung werden durch Rückkauf oder [X.] der Hauptversicherung in eine beitragsfreie Versiche-rung mit herabgesetzter Versicherungsleistung nicht be-rührt." Im März und April 1998 verpfändete die GmbH ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger und seine Ehefrau zur Siche-rung der beiden Versorgungszusagen. Zum 1. Juni 2000 wurden Haupt- und Zusatzversicherung beitragsfrei gestellt. Ausweislich des [X.] vom 13. Dezember 2000 sollte die monatliche Rente im Falle einer innerhalb der Versicherungsdauer eintretenden [X.] des [X.] fortan 1.271 DM (650,11 •) betragen. 2001 wurde die GmbH insolvent. Danach focht der Insolvenzverwalter die Verpfän-dungen an und erwirkte die Verurteilung des [X.] und seiner Ehefrau zum Verzicht auf ihre Rechte aus den [X.]. Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 forderte der Insolvenzverwalter die Beklagte auf, den [X.]wert des Versicherungsvertrages an ihn auszuzahlen. Dem kam die Beklagte nach. 3 Seit Juni 2001 war der Kläger wegen Bluthochdrucks und Herzbe-schwerden krankgeschrieben. Er unterhielt zu dieser [X.] eine Kranken-tagegeldversicherung bei einem Versicherer, der zur selben [X.] gehört wie die Beklagte. Am 1. August 2002 gelangte ein auf Betreiben des [X.] erstelltes medizinisches Gutachten zu dem Ergebnis, der Kläger sei berufsunfähig. Der Kranken-tagegeldversicherer war deshalb der Auffassung, der Kläger erfülle nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankentagegeld, und 4 - 5 -

teilte dies dem Kläger in einem Schreiben vom 16. September 2002 mit. In einem bei der Beklagten am 23. September 2002 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger daraufhin Rentenleistungen aus der Be-rufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Nach seiner Behauptung liegt eine [X.] seit dem 1. Juni 2001 vor.
Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil der Insolvenzverwalter den Lebensversicherungsvertrag im Juli 2002 wirksam gekündigt habe, dadurch zugleich die [X.] beendet und ein Anspruch des [X.] auf Leistungen aus der [X.] weder festgestellt noch anerkannt worden sei. 5 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein [X.] weiter. 6 Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und [X.] an das Berufungsgericht. 7 [X.] Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden keine Leistungen aus der [X.] zu, weil im [X.]punkt ihrer erstmaligen Geltendmachung der Hauptvertrag (die Lebensversicherung) durch den Insolvenzverwalter wirksam beendet [X.] sei, was nach § 9 (1) [X.] zugleich auch eine Beendigung der [X.] zur Folge gehabt habe. 8 - 6 -

9 Der Insolvenzverwalter sei zur Kündigung und Einziehung des [X.]wertes berechtigt gewesen. Die vorangegangenen Verpfän-dungen der Rechte aus dem Versicherungsvertrag habe er wirksam nach § 133 Abs. 1 [X.] angefochten, wie sich aus den rechtskräftigen Verur-teilungen des [X.] und seiner Ehefrau ergebe. Dass dem Kläger von der GmbH ein - wie das Berufungsgericht meint - seiner [X.], unwiderrufliches Bezugsrecht an der Versi-cherungsleistung eingeräumt worden sei, lasse sich weder anhand der Vertragsunterlagen noch aufgrund der ergänzend durchgeführten Be-weisaufnahme feststellen.
Bei Eingang des Antrags auf Versicherungsleistungen am 23. Sep-tember 2002 seien Hauptvertrag und Zusatzversicherung bereits beendet gewesen. Zwar treffe den Kläger an der Versäumung der Frist des § 1 (2) Satz 2 [X.] kein Verschulden, weil er vor Erhalt des Schreibens der Schwestergesellschaft der Beklagten vom 16. September 2002 keine Kenntnis von einer bei ihm vorliegenden Berufsunfähigkeit gehabt habe. Auch entfalle die Leistungspflicht aus der [X.] grundsätzlich erst zum Ende des gedehnten [X.] und nicht schon bei Vertragsbeendigung, wenn die Berufsunfähigkeit vor Wirksamwerden einer Vertragskündigung eingetreten sei, doch schränke § 9 (8) [X.] diese Rechtslage dahingehend ein, dass ledig-lich anerkannte oder festgestellte Ansprüche von der Beendigung des Hauptvertrages unberührt blieben. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Beklagte berufe sich auch nicht treuwidrig darauf, weil die Beendigung des Versicherungsvertrages nicht auf ihrer Entscheidung, sondern einem Verhalten des Insolvenzverwalters beruhe. 10 - 7 -

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. 11 12 1. Das Berufungsgericht geht zwar im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Insolvenzverwalter die Lebensversicherung mit Schreiben vom 10. Juli 2002 wirksam gekündigt hat. [X.] hing die Frage, ob dem Insolvenzverwalter das Recht zur Kündigung zustand, nicht davon ab, ob die Versicherungsnehmerin zugunsten des [X.] ein unwider-rufliches Bezugsrecht hinsichtlich der Versicherungsleistungen bestimmt hatte. Denn auch in einem solchen Falle verbleibt dem Versicherungs-nehmer das Recht, das Versicherungsverhältnis jederzeit zu kündigen (vgl. nur [X.]Z 45, 162, 167; [X.] in [X.]/Langheid, [X.]. § 165 [X.]. 5, 10; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 2. Aufl. § 42 [X.]. 147), das hier vom In-solvenzverwalter mit Geltendmachung des [X.]wertes konkludent ausgeübt worden ist. Auf die weitere Frage, ob der Insolvenzverwalter berechtigt war, den [X.]wert zur Masse zu ziehen, kommt es hier nicht an. 2. Der Anspruch des [X.] auf Versicherungsleistungen aus der [X.] scheitert auch nicht daran, dass mit der Kündigung der Hauptversicherung und dem Ende des mit dieser gewährten Versicherungsschutzes auch die Berufsunfähigkeits-Zusatz-versicherung erlosch und der Anspruch des [X.] wegen der nach [X.] Behauptung am 1. Juni 2001 eingetretenen Berufsunfähigkeit erst am 23. September 2002, also nach Rückkauf der Hauptversicherung gel-tend gemacht worden ist. 13 a) Das gilt zunächst mit Rücksicht auf den Umstand, dass Haupt- und Zusatzversicherung hier bereits vor Eintritt des behaupteten [X.] - 8 -

[X.], nämlich mit Wirkung ab dem 1. Juni 2000 beitragsfrei gestellt worden sind. Denn ausweislich des Ersatzversicherungsscheins vom 13. Dezember 2000 sollte weiterhin im Falle einer innerhalb der Versicherungsdauer (bis zum 1. Dezember 2012) eintretenden bedin-gungsgemäßen Berufsunfähigkeit des [X.] eine monatliche [X.]srente von 1.271 DM (650,11 •) gezahlt werden.
b) Zutreffend geht das Berufungsgericht auch noch davon aus, dass § 1 (2) [X.] dem Anspruch auf Leistungen aus der [X.] nicht entgegensteht. Die Klausel bestimmt lediglich eine Ausschlussfrist (dazu im einzelnen Senatsurteil vom 2. November 1994 - [X.] - [X.], 82). Nach § 1 (2) [X.] entsteht der Anspruch auf Versicherungsleistungen mit dem Ablauf des Monats, in dem [X.] eingetreten ist. Ein Leistungsbeginn ab diesem [X.]punkt verlangt aber eine Mitteilung, die nicht später als drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit er-folgt. Nur in diesem Rahmen verspricht der Versicherer Leistungen auch für einen [X.]raum, der der Mitteilung vorausgeht. Eine Versäumung der Mitteilungsfrist hat demgemäß nicht den vollständigen Anspruchsverlust zur Folge, jedoch "entstehen" Ansprüche auf Versicherungsleistungen erst mit dem Beginn des Monats der Mitteilung. Mit der Fristversäumung verliert der Versicherungsnehmer mithin Ansprüche, die in der [X.] dem Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist, und dem Beginn des Mitteilungsmonats entstanden sind, während [X.] für die Zukunft unberührt bleiben. Die Fristversäumung bewirkt demnach einen teilweisen Leistungsausschluss, der sich auf die [X.] vor Beginn des Mitteilungsmonats beschränkt. Bestimmt § 1 (2) [X.] eine Ausschlussfrist, so bedeutet das noch nicht - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - dass gegen die Versäumung der Frist zur Mitteilung 15 - 9 -

auch ein Entschuldigungsbeweis nicht möglich wäre. Zwar sehen die Be-dingungen einen solchen nicht ausdrücklich vor, die Klausel des § 1 (2) [X.] ist aber auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks so auszule-gen, dass der Versicherer sich auf die Versäumung der Frist zur Anzeige nach Treu und Glauben nicht berufen kann, wenn den Versicherungs-nehmer, was dieser zu beweisen hat, daran kein Verschulden trifft. Vom fehlenden Verschulden des Versicherungsnehmers ist das Berufungsge-richt bislang in tatrichterlicher Würdigung ausgegangen.
c) Im Ansatz richtig legt das Berufungsgericht auch zugrunde, dass, tritt Berufsunfähigkeit - mithin der Versicherungsfall - während des Laufes der Versicherung und vor ihrer Beendigung durch Kündigung der Hauptversicherung ein, die Leistungspflicht des Versicherers nicht mit dem Erlöschen der Zusatzversicherung endet. Nicht zu folgen ist ihm [X.], soweit es in Anwendung von § 9 (8) [X.] zu dem Ergebnis ge-langt, dass lediglich anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung vom Rückkauf der Lebensversicherung unberührt bleiben. Die Regelung in § 9 (8) [X.] erweist sich insoweit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam. 16 [X.]) Zutreffend ist allerdings die Klauselauslegung des Berufungs-gerichts, wonach mit § 9 (8) [X.] das Leistungsversprechen des [X.] dahingehend eingeschränkt wird, dass nach Beendigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der [X.] nur noch dann erbracht werden, wenn der Anspruch aus der Zusatzversicherung bereits festgestellt oder anerkannt worden ist. 17 - 10 -

18 Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdi-gung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (vgl. [X.]Z 123, 83, 85).
Zu der Frage, inwieweit der Versicherungsnehmer auch nach Be-endigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der Zusatz-versicherung beanspruchen kann, wird er zunächst das [X.] in den Blick nehmen. Dessen wesentlichen Inhalt entnimmt er § 1 (1) der Bedingungen ("Was ist versichert?"). [X.] ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherte "während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50% be-rufsunfähig" wird. Es genügt mithin für die Begründung dieser Leistungs-pflicht, dass die Berufsunfähigkeit in versicherter [X.] eingetreten ist. § 1 (3) der Bedingungen entnimmt der durchschnittliche Versicherungsneh-mer weiter, dass die Leistungspflicht des Versicherers nur bei einem Wegfall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, bei Tod des Versicherten oder bei Ablauf des Versicherungsvertrages, also bei Erreichen des im Versicherungsschein aufgeführten [X.], erlischt. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Beendigung des Versicherungsvertrages die Leistungspflicht des Versicherers für bereits in versicherter [X.] ein-getretene Berufsunfähigkeit nach dem in § 1 [X.] gegebenen Leis-tungsversprechen unangetastet lässt. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Regelung in § 9 (8) [X.] als Einschränkung des [X.] verstehen. Denn wenn dort davon die Rede ist, dass im Falle des [X.] der Hauptversicherung "anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung" nicht berührt werden, drängt sich im Umkehrschluss auf, dass sonstige, also infolge des [X.] eigentlich begründete, jedoch vor Vertrags-19 - 11 -

beendigung noch nicht vom Versicherer (hier nach § 5 [X.]) [X.] oder gerichtlich oder durch Vergleich festgestellte Ansprüche (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.] § 9 [X.]. 10; [X.]/[X.], Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, [X.] § 9 [X.]. 11) "berührt" werden, mithin nicht mehr fortbestehen sollen.
[X.]) Soweit teilweise bereits bezweifelt wird, dass diese in § 9 (8) [X.] oder wortgleichen Klauseln enthaltene Leistungsbeschränkung hinreichend transparent ist (vgl. dazu [X.], 1348 f.; r+s 2007, 255), kann dies dahinstehen; denn jedenfalls benach-teiligt sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. dazu [X.], r+s 2008, 361, 367). 20 cc) Beim Versicherungsfall in der [X.] handelt es sich um einen so genannten gedehnten Versiche-rungsfall, der durch die Fortdauer des mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes bestimmt wird (Senatsurteil vom 12. April 1989 - [X.] - [X.], 588 unter II 1 a). Der Versicherer verpflichtet sich im Leistungsversprechen (hier in § 1 (1) [X.]) dazu, nicht lediglich ei-ne einmalige Versicherungsleistung zu erbringen, sondern längstens bis zum Ablauf der vertraglich bestimmten Leistungszeit so lange fortlaufend zu leisten, wie der den Versicherungsfall auslösende Zustand andauert. Grundsätzlich gilt, dass die Beendigung des Versicherungsverhältnisses, auch wenn sie infolge einer Kündigung der Hauptversicherung (hier der Lebensversicherung in Form einer Leibrentenversicherung) eintritt, die Leistungspflicht aus einem schon zuvor in der Zusatzversicherung einge-tretenen Versicherungsfall nicht beendet (OLG S[X.]rbrücken VersR 2007, 780, 782; [X.] [X.], 1341; Rixecker in [X.]/[X.] - 12 -

tusche-[X.] [X.]O § 46 [X.]. 90; Bruck/[X.], [X.]. VI Anm. [X.]; [X.] in [X.]/[X.] [X.]O [X.]. 33; [X.] [X.]O; [X.]/[X.], [X.] 2005 § 8 [X.]. 137 f.). Lediglich für Versiche-rungsfälle, die erst nach der Beendigung des Hauptvertrages und der Zusatzversicherung eintreten, besteht kein Versicherungsschutz mehr.
Soweit die Regelung in § 9 (8) [X.] demgegenüber eine Ein-schränkung des [X.] herbeiführt und die [X.] auch dann, wenn der Versicherungsfall schon vor Beendigung der Zusatzversicherung eingetreten ist, auf festgestellte oder anerkannte Ansprüche aus der Zusatzversicherung beschränkt, be-nachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen. 22 Das gilt schon mit Blick auf die Reichweite der Beschränkung. Sie greift ohne Ausnahme ein, gleichviel ob der Versicherungsfall schon [X.] oder unmittelbar vor der Beendigung der Zusatzversicherung einge-treten ist, sie greift selbst dann ein, wenn der Versicherungsfall schon vor der Beendigung angezeigt worden ist, und auch dann, wenn sich die Vertragsparteien bereits um den Eintritt des Versi[X.] streiten und die Beendigung der Zusatzversicherung zu dieser [X.] etwa durch die Kündigung der Hauptversicherung durch einen [X.] (Zessionar) herbeigeführt worden ist. Das widerspricht evident dem Interesse des Versicherungsnehmers, für die in versicherter [X.] geleisteten Prämien bei Eintritt des Versi[X.] die versprochenen [X.] zu erhalten, insbesondere wenn selbst der eingeschränkte Fort-bestand von Ansprüchen noch von Umständen abhängt, die er allein nicht beeinflussen kann. Sich anderweitige Deckung für den ausge-schlossenen Anspruch zu verschaffen, ist dem Versicherungsnehmer überdies nicht möglich, weil er bei Abschluss eines neuen [X.] - 13 -

rungsvertrages die bereits eingetretene Berufsunfähigkeit offen legen und sich diese zudem in einem solchen Vertrag als vorvertraglich [X.] müsste.
Dem stehen keine Interessen des Versicherers gegenüber, die ei-ne solche Einschränkung des [X.] rechtfertigen könn-ten. Die in § 9 (8) [X.] getroffene Regelung entlastet den Versicherer zwar davon, sich nach Beendigung der Zusatzversicherung noch mit der Prüfung zurückliegender, un- oder nicht abschließend geklärter Versiche-rungsfälle zu befassen. Es sollen erkennbar eine zeitverzögerte Prüfung und die damit verbundenen Schwierigkeiten für eine zuverlässige Fest-stellung des angezeigten Versi[X.] vermieden werden. [X.] hat sich der Versicherer bereits mit der Regelung in § 1 (2) [X.] ein Instrument verschafft, das den Versicherungsnehmer zur zeitgerech-ten Anzeige des Versi[X.] anhält und auch Ansprüche vor der Anzeige - so sie denn schuldhaft nicht erfolgt - ausschließt. Dass dem [X.] an zeitgerechter Prüfung und Entscheidung darüber hinaus noch mit dem Wegfall nicht festgestellter oder nicht anerkannter Ansprüche bei Vertragsbeendigung Rechnung getragen werden muss, ist nicht zu erkennen. Die Klausel schafft in der dargestellten Reichweite einen für den Versicherungsnehmer nicht mehr zumutbaren, unangemessenen Eingriff in den ihm versprochenen Versicherungsschutz für in versicher-ter [X.] eingetretene Versicherungsfälle. 24 - 14 -

25 II[X.] Da das Berufungsgericht - nach seiner Rechtsauffassung folge-richtig - bisher nicht geklärt hat, ob die vom Kläger behauptete [X.] vorliegt, bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entschei-dung. [X.] [X.] [X.] [X.]

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 15.07.2005 - 332 O 493/03 - [X.], Entscheidung vom 17.07.2007 - 9 U 160/05 -

Meta

IV ZR 226/07

16.06.2010

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.06.2010, Az. IV ZR 226/07 (REWIS RS 2010, 5824)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5824

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20 U 106/21

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IV ZR 226/07

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