Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2016, Az. IV ZR 527/15

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 783

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:141216U[X.]527.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHO[X.]

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IV ZR 527/15
Verkündet am:

14. Dezember 2016

Heinekamp

Amtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: nein

[X.]R:

ja

Besondere Bedingungen für die [X.]
([X.]) § 2 Abs. 1

1.
[X.]ür die Beurteilung der Berufsunfähigkeit bleibt auch dann die zuletzt in gesunden Tagen ausgeübte Tätigkeit maßgebend, wenn der Versicherte nach dem erstmali-gen Eintritt des Versicherungsfalles zunächst einer leidensbedingt eingeschränk-ten Tätigkeit nachging.

2.
Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglichkeit begründet die [X.] erneut eine Leistungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen unverändert außerstande ist, der in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

[X.], Urteil vom 14. Dezember 2016 -
IV ZR 527/15 -
OLG Schleswig

[X.]

-
2
-

Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.], den Richter [X.] und die Richterin Dr.
Bußmann auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2016

für Recht erkannt:

Die Revision der [X.] gegen das Urteil des 16.
Zi-vilsenats des [X.] vom 5.
November 2015 wird auf ihre Kosten zu-rückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterhält bei der [X.] eine Rentenversicherung mit eingeschlossener [X.]. Die [X.] streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger weiterhin die mit der Zusatzversicherung versprochenen Leistungen zu erbringen.

Dem Versicherungsvertrag liegen Besondere Bedingungen für die [X.] (im [X.]olgenden: [X.]) [X.], die auszugsweise wie folgt lauten:

1
2
-
3
-


2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedin-gungen?

[X.] Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder [X.], die ärztlich nachzuweisen sind, voraus-sichtlich mindestens drei Jahre außerstande sein wird, seinen Beruf auszuüben und er auch keine andere Tä-tigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

§
6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

[X.] Nach Anerkennung oder [X.]eststellung unserer Leis-tungspflicht sind wir berechtigt, das [X.]ortbestehen der [X.] können wir erneut prüfen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne von §
2 ausübt, wobei auch Tätigkeiten zu berücksichtigen sind, die der Versicherte aufgrund neu erworbener Kenntnisse und [X.]ähigkeiten ausübt.

(4) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. ..."

Der Kläger ist [X.] und war seit Januar
2000, zunächst in [X.] Gemeinschaftspraxis und ab Dezember
2002 in einer Einzelpraxis, selbständig tätig. Ab
dem Jahr 2000 kam es bei ihm zu einer kompletten Arthrose des rechten Schultergelenks und dadurch bedingt zu [X.] seiner beruflichen Tätigkeit. Seit
2005 führte der Kläger bei seinen Patienten keine ambulanten chirurgischen Eingriffe in seiner Praxis und Operationen in einem Belegkrankenhaus mehr durch. Er stell-te im [X.]ebruar
2006 eine Assistenzärztin ein, die kleinere ambulante [X.] vornahm und weitere ärztliche Tätigkeiten ausübte, zu denen er selbst aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr 3
-
4
-

in der Lage war. Nachdem der Kläger im Jahre
2006 Leistungen aus der [X.] beantragt hatte, erkannte die [X.] ihre Leistungspflicht ab April 2006 an und erbrachte ab Mai 2006 die vertraglich vereinbarten Leistungen.

Mit Schreiben vom 15.
August 2010 teilte der Kläger der [X.] mit, dass seine Praxis in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) übergegangen und er seitdem bei dessen Trägerunternehmen angestellt
sei.
Außerdem war er zum ärztlichen Leiter des MVZ bestellt worden. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 15.
April 2011 an, ihre Leistungen im Nachprüfungsverfahren zum 31.
Mai 2011 einzustellen; [X.] liege nicht mehr vor, weil die vom Kläger seit August
2010 ausgeübte Tätigkeit seine bisherige Lebensstellung wahre.

Seine Klage auf Versicherungsleistungen hat der Kläger für den Zeitraum ab April
2013 zusätzlich
darauf gestützt, dass seine Tätigkeit im MVZ unstreitig aufgrund einer Aufhebungsvereinbarung zum 31.
März 2013 geendet hat. Seit Mai
2013 ist der Kläger gegen ein monatliches Honorar als Praxisvertreter in einer Gemeinschaftspraxis in H.

tä-tig.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] ihm

unter Zurückweisung des wei-tergehenden Rechtsmittels

Rentenleistungen ab April
2013 bis [X.] 30.
November 2020 zuerkannt, die Beklagte zur Erstattung im Zeit-raum von April
2013 bis November
2015 gezahlter Beiträge verurteilt und zudem festgestellt, dass der Kläger berufsunfähig im Sinne des [X.] sei und ab Dezember
2015 keine Beiträge zu zahlen 4
5
6
-
5
-

habe. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht hat

soweit für das Revisionsverfahren von Belang

angenommen, die konkrete Verweisungsmöglichkeit der [X.] sei durch die Beendigung der Tätigkeit des [X.] im MVZ entfallen und es sei nunmehr nicht erneut Voraussetzung für einen [X.] des [X.], dass neue gesundheitliche Beeinträchtigungen ein-getreten seien, die eine Berufsunfähigkeit nach §
2 Abs.
1 [X.] be-gründeten. Denn aufgrund der Verweisung werde diese Tätigkeit nicht zu derjenigen
in gesunden Tagen. Es sei vielmehr immer noch auf die Tä-tigkeit vor Eintreten der Beschränkungen abzustellen, die zum Aner-kenntnis der [X.] geführt hätten; an dieses Anerkenntnis sei die Beklagte weiterhin gebunden, weil das Ergebnis des Nachprüfungsver-fahrens gerade keine gesundheitliche Veränderung zum Besseren gewe-sen sei. Allein entscheidend für die [X.]rage der Leistungspflicht der [X.]n sei damit, ob der Kläger immer noch eine Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Das sei für seine Tätigkeit als Praxisvertreter zu verneinen.

Die Tatsache, dass die Beklagte nach §
6 Abs.
1 [X.] berech-tigt sei, die Anspruchsvoraussetzungen jederzeit zu Lasten des Versi-cherten zu überprüfen, führe dazu, dass nach [X.] und Glauben auch 7
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6
-

der Versicherte Nachprüfung verlangen könne, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübe, die seiner bisherigen Lebensstellung entspre-che. Ansonsten ginge das Risiko späterer nachteiliger Arbeitsplatzverän-derungen ausschließlich zu Lasten des Versicherten. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit beim MVZ aufgrund eines persönlichen Zerwürf-nisses beendet habe, handele es sich dabei um ein übliches Arbeits-platzrisiko, das
sich bei Tätigkeiten im Angestelltenverhältnis jederzeit verwirklichen könne.

I[X.] Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß §
543 Abs.
1 Nr.
1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht auch in-soweit statthaft, als sich die Beklagte mit ihr gegen die getroffene [X.]est-stellung der Berufsunfähigkeit des [X.] wendet. Entgegen der [X.] ist diese [X.]eststellung nicht von der [X.] ausgenommen.

Ausweislich des [X.] hat das Berufungsgericht die [X.] für den Zeitraum ab April
2013 zugelassen und damit die Zulassung des Rechtsmittels auf den Gegenstand der Verurteilung der [X.] beschränken wollen. Eine darüber hinausgehende Beschränkung der [X.] lässt sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen. Das Berufungsgericht hat die [X.]rage für grundsätzlich klä-rungsbedürftig gehalten, ob bei einer konkreten Verweisungsmöglichkeit die Vergleichstätigkeit oder aber der
"in gesunden Tagen" ausgeübte Be-ruf Anknüpfungspunkt für die Berufsunfähigkeit sei, wenn die Vergleichs-tätigkeit wieder beendet werde.
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-
7
-

Mit ihrer
Annahme, die zur Begründung der Zulassungsentschei-dung aufgeworfene [X.]rage lasse sich in tatsächlicher und rechtlicher Hin-sicht unabhängig von der [X.]rage der Berufsunfähigkeit des [X.] be-antworten, berücksichtigt die Revisionserwiderung die Voraussetzungen
des Begriffs [X.]r Berufsunfähigkeit
nicht ausreichend. Kann der Versicherte seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, steht [X.] Berufsunfähig-keit im Sinne von §
2 Abs.
1 [X.] und damit der Eintritt des Versiche-rungsfalles noch nicht fest; es muss vielmehr hinzukommen, dass der Versicherte auch keine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. "Berufsunfähigkeit" in der von der [X.] ihren Bedingungen zugrunde gelegten Definition ist demgemäß ein ei-genständiger juristischer Begriff, der eine Kombination aus rechtlichen und medizinischen Aspekten enthält (vgl. Senatsurteile vom 27.
Septem-ber 1995 -
IV
ZR
319/94, [X.], 1431 unter
2
a [juris Rn.
13]; vom 30.
September 1992

IV
ZR
227/91, [X.]Z 119, 263 unter II
1, 2 [juris Rn.
11
f.]; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3.
Aufl. A Rn.
76, 79) und die [X.]rage der Verweisbarkeit des Versicherten auf eine [X.] einschließt.

2. Die Revision ist indessen unbegründet.

a) Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht die [X.]eststellungsklage zutreffend auch insoweit als zulässig behandelt, als der Kläger mit ihr seine Berufsunfähigkeit festgestellt wissen möchte.

Zwar ist es richtig, dass es sich bei der [X.]rage [X.]r Berufsunfähigkeit für sich genommen um kein feststellungsfähiges 13
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16
-
8
-

Rechtsverhältnis im Sinne von §
256 Abs.
1 ZPO (vgl. dazu Senatsurteil vom 5.
März 2014 -
IV
ZR
102/13, juris Rn.
15 m.w.N.) handelt. Klagean-träge sind jedoch als Prozesserklärungen auszulegen. [X.]ür diese Ausle-gung, die der erkennende Senat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann, ist

ebenso wie bei materiell-rechtlichen Willenserklärungen

nicht allein der Wortlaut der Erklärung maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. nur [X.], Beschluss vom 12.
April 2016

VI
ZB
63/14, NJW-RR 2016, 759 Rn.
11; Urteile
vom 7.
April 2016

IX
ZR
216/14, [X.], 982 Rn.
11; vom 16.
September 2008

VI
ZR
244/07, [X.], 121 Rn.
11 m.w.N.; st. Rspr.).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs entsprach es dem Inte-resse des [X.], die [X.]eststellung seiner Befreiung von der Beitrags-pflicht für Haupt-
und Zusatzversicherung zu erreichen. Hierbei ging er davon aus, dass das Vorliegen [X.]r Berufsunfähigkeit

was zutrifft

eine notwendige rechtliche Vorfrage für diesen Anspruch ist. Auch sein Wille war erkennbar lediglich auf [X.]eststellung der [X.] gerichtet. Dass er die Berufsunfähigkeit nur als Begrün-dungselement des Anspruchs auf Beitragsbefreiung ansieht, macht be-reits die Zusammenfassung beider [X.]ragen in einem einheitlichen Klage-antrag deutlich.

b) Zu Recht rügt die Revision hingegen
die Annahme des [X.] als unzutreffend, die Beklagte sei ungeachtet ihrer im Nachprüfungsverfahren erfolgten Änderungsmitteilung wieder an das im Rahmen der Erstfeststellung der Berufsunfähigkeit des [X.] erfolgte 17
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-
9
-

Anerkenntnis gebunden, weil die Leistungseinstellung nicht wegen einer Verbesserung des Gesundheitszustands des [X.] erfolgt sei.

[X.]) Durch die wirksame Änderungsmitteilung der [X.] ende-ten vielmehr ihre Leistungspflicht im konkreten
Versicherungsfall und die Bindung an ihr abgegebenes Anerkenntnis.

Der Versicherer kann im Wege des Nachprüfungsverfahrens ge-mäß § 6 [X.] von der durch sein Anerkenntnis geschaffenen Selbst-bindung abrücken (vgl. Senatsurteil vom 30. März 2011

IV
ZR 269/08, NJW
2011, 1736 Rn. 13) und seine bereits anerkannte Leistungspflicht wieder beseitigen (Senatsurteile vom 28. April 1999 -
IV ZR 123/98, [X.], 958 unter II 1 a [juris Rn. 9]; vom 17. [X.]ebruar 1993 -
IV ZR 206/91, [X.]Z
121, 284 unter III [juris Rn. 39]). Damit ist der gedehnte Versicherungsfall (vgl. dazu Senatsurteil vom 16.
Juni 2010

IV
ZR 226/07, [X.]Z 186, 171 Rn.
21) beendet (so auch [X.]/[X.], 3.
Aufl. §
6 [X.] Rn.
5).

[X.]) Aus der Beseitigung der Selbstbindung des Versicherers im Wege des Nachprüfungsverfahrens folgt, dass die frühere [X.] mit der Beendigung der Vergleichstätigkeit nicht wieder auflebt, der Versicherte vielmehr

will er wiederum Leistungen erhalten

einen neuen Leistungsantrag stellen muss (so auch [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3.
Aufl. H Rn.
169). Entgegen der Auf-fassung des Berufungsgerichts ergibt sich nicht aus dem Grundsatz von [X.] und Glauben, dass der Versicherte angesichts
des jederzeitigen [X.]n Nachprüfungsrechts des Versicherers im [X.]alle [X.] konkreten Verweisung seinerseits Nachprüfung verlangen kann, ob er immer noch eine andere Tätigkeit ausübt, die seiner bisherigen Le-19
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bensstellung entspricht. Ein derartiges eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten findet im Wortlaut der Bedingungen keine Stütze; es ist auch unter Symmetriegesichtspunkten weder mit Blick auf das bei [X.] abgegebene Leistungsversprechen des Versicherers noch den Zweck der Berufsunfähigkeitsversicherung geboten. Ein eigenes Nachprüfungsrecht des Versicherten ist zudem auch nicht erforderlich. Ihm ist es unbenommen, jederzeit erneut Leistungen zu beantragen, während sich der Versicherer von seinem Leistungsanerkenntnis nur un-ter den erschwerten Voraussetzungen des Nachprüfungsverfahrens lö-sen kann.

c)
Gleichwohl bleibt die Revision ohne Erfolg.
Aus den [X.]eststellun-gen des Berufungsgerichts ergibt sich nämlich, dass beim Kläger ab April 2013 die Voraussetzungen [X.]r Berufsunfähigkeit im Sinne von § 2
Abs. 1 [X.] erneut vorliegen. Der versicherte Beruf des [X.] war auch zum Zeitpunkt dieses neuen Versicherungsfalles die Tätigkeit eines selbständigen [X.]es, wie er ihn ausübte, bevor er aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks seine ärztliche Tä-tigkeit einschränken musste und insbesondere keine Operationen mehr durchführte. Dass der Kläger diese Tätigkeit auch ab April 2013 [X.] weiterhin nicht ausüben kann, hat die Beklagte nicht bestritten.

[X.]) Anders als die Revision meint, beruht die angefochtene Ent-scheidung nicht auf einem unzutreffenden Verständnis des in der Be-rufsunfähigkeits-Zusatzversicherung versicherten Berufs. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Prüfung, ob [X.] Berufsunfähigkeit eingetreten ist, grundsätzlich die letzte konkrete Be-rufsausübung maßgebend, so wie sie "in gesunden Tagen" ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht ein-22
23
-
11
-

geschränkt war (Senatsurteile vom 24.
[X.]ebruar 2010 -
IV
ZR
119/09, [X.], 619 Rn.
11; vom 26.
[X.]ebruar 2003
IV
ZR
238/01, [X.], 631 unter
II
1 [juris Rn.
9]; vom 12.
Januar 2000 -
IV
ZR
85/99, [X.], 349 unter
2
a [juris Rn.
10]; vom 22.
September 1993

IV
ZR
203/92, [X.], 1470 unter
3 [juris Rn.
21]; vgl. nunmehr auch §
172 Abs.
2 [X.], der die frühere Rspr. umgesetzt hat, so Terno, [X.], 361; [X.] in Looschelders/Pohlmann, [X.] 2. Aufl. § 172 Rn.
8). Dies gilt für Versicherungsbedingungen wie den vorliegenden § 2 Abs. 1 [X.], nach denen der Versicherte außerstande sein muss, "seinen Beruf" auszuüben. Entgegen der Auffassung der Revision bedarf es keiner Vereinbarung einer sogenannten [X.], um den versicherten Beruf in dieser Weise zu bestimmen. Eine solche hätte vielmehr die [X.]unktion, ein im Versicherungsschein genanntes allgemei-nes Berufsbild anstelle der konkreten, in gesunden Tagen zuletzt ausge-übten Tätigkeit zum versicherten Beruf zu machen, so dass Berufsunfä-higkeit erst dann einträte, wenn dem Versicherten das gesamte allge-meine Berufsbild verschlossen wäre (vgl. [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 9 Rn. 49; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 46 Rn. 59; [X.], [X.], 436, 437).

[X.]) Die aufgrund der Arthrose des rechten Schultergelenks einge-schränkte ärztliche Tätigkeit, die der Kläger zunächst in seiner HNO-Pra-xis und anschließend als Angestellter im MVZ ausübte, wurde nicht zum versicherten Beruf des [X.] im Sinne von §
2 Abs. 1 [X.]. War ein Berufswechsel vor Eintritt des Versicherungsfalles ausschließlich lei-densbedingt, bleibt Ausgangspunkt für die Beurteilung der Berufsunfä-higkeit der vor diesem Wechsel ausgeübte Beruf (vgl. Senatsurteil vom 30. November 1994

[X.], [X.], 159 unter 3 b [juris 24
-
12
-

Rn.
20]; Lücke in [X.]/[X.], [X.] 29. Aufl. § 172 Rn. 53; [X.] in [X.]/[X.], [X.] [X.] Versicherungsrecht 3. Aufl. § 26 Rn. 36; im Grundsatz ebenso, aber mit

insbesondere zeitlichen

Gren-zen: [X.] in Looschelders/Pohlmann, [X.] 2. Aufl. § 172 Rn. 8; [X.], Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. [X.] Rn. 79; vgl. auch [X.]/[X.], Lebens-
und Berufsunfähigkeitsversicherung 2.
Aufl. § 2 [X.] 2008 Rn.
49; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl. § 172 Rn. 68
f.; [X.]/[X.], 3.
Aufl. § 172 Rn. 22; [X.] in [X.]/Matu-sche-[X.], [X.] 3. Aufl. § 46
Rn.
16 ff.; OLG S[X.]rbrücken VersR 2014, 1114). Dies gilt auch dann, wenn der Versicherte nach dem erstmaligen
Eintritt des Versicherungsfalles [X.] weiterhin eine leidensbedingt eingeschränkte Tätigkeit ausgeübt hat und nach Beendigung dieser Tätigkeit erneut Versicherungsansprü-che geltend macht. Dies ergibt die Auslegung von § 2 Abs. 1 [X.].

[X.] Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Be-rücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht (Senats-urteil vom 23. Juni 1993
[X.], [X.]Z 123, 83, 85; st. Rspr.).

(2) Dabei wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer dem Wortlaut der Klausel entnehmen, dass [X.] Berufsunfä-higkeit eintritt, wenn er "infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfte-verfalls" zur Ausübung seines Berufs außerstande ist. Die leidensbeding-te Einschränkung seiner beruflichen [X.]ähigkeiten begründet danach [X.] den Versicherungsfall, gegen den er sich mit der Berufsunfähig-keitsversicherung nach deren erkennbarem Zweck absichern will. Die [X.]eststellung einer solchen Einschränkung bedarf jedoch eines Ver-25
26
-
13
-

gleichsmaßstabs, unter dem der Versicherungsnehmer nur seine berufli-che Leistungsfähigkeit in gesunden Tagen verstehen kann. Der [X.] festgelegte Grad von Berufsunfähigkeit, der erst einen [X.] auf die zugesagten Leistungen gibt, orientiert sich nicht an einem fortlaufend absinkenden Leistungsniveau des Versicherten als Ver-gleichsmaßstab (vgl. Senatsurteil vom 22. September 1993

[X.], [X.], 1470 unter 3 [juris Rn. 20]). Dies muss daher auch die Definition seines versicherten Berufes bestimmen. Andernfalls setz-ten zukünftige Versicherungsansprüche eine immer weiter [X.] Verschlechterung seines Gesundheitszustands voraus. Der [X.] kann aber § 2 Abs. 1 [X.] nicht entnehmen, dass ein während der Versicherungsdauer [X.] gesundheitlicher Zu-stand dann, wenn er bereits einmal den Versicherungsfall ausgelöst hat, für die restliche Laufzeit der Versicherung zum neuen Normalzustand werden soll, an dem künftig der Eintritt [X.]r Berufsunfä-higkeit zu messen wäre. Bei einem anderen Klauselverständnis würde der versprochene und durch unverminderte Beiträge erworbene Versi-cherungsschutz während der Versicherungsdauer zunehmend entwertet (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 46 Rn. 17; [X.] in [X.]/[X.], [X.] An-waltshandbuch Versicherungsrecht 3. Aufl. § 26 Rn. 36).

(3) [X.]ür den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist weder aus § 2 Abs. 1 [X.] noch aus den Versicherungsbedingungen im Übrigen erkennbar, dass dieser Versicherungsschutz für seinen Beruf aus ge-sunden Tagen einer zeitlichen Grenze unterliegen könnte. Eine solche einschränkende Regelung fehlt in den Klauseln. Der [X.] kann daher bei verständiger Würdigung den [X.] nicht entnehmen,
ab wann eine gesundheitlich verminderte Leis-27
-
14
-

tungsfähigkeit und eine daran angepasste Berufstätigkeit im Weiteren zum versicherten Normalzustand werden könnte, weshalb zeitliche Grenzen nicht konstruiert werden können (entgegen [X.], [X.]. [X.] Rn.
79 (drei Jahre); [X.]/[X.], Lebens-
und Berufsunfähigkeitsversicherung 2.
Aufl. §
2 [X.] 2008 Rn.
49 (fünf Jahre)).

[X.]) Es steht der Annahme [X.]r Berufsunfähigkeit nicht entgegen, dass der Kläger nach Beendigung des ersten Versiche-rungsfalles und vor dem erneuten Leistungsantrag eine inzwischen be-endete Tätigkeit im MVZ ausgeübt hat, auf die ihn die Beklagte wirksam verwiesen hat. Bei Vereinbarung einer konkreten Verweisungsmöglich-keit begründet die Beendigung der Vergleichstätigkeit erneut eine Leis-tungspflicht des Versicherers, wenn der Versicherte aus [X.] Gründen unverändert außerstande ist, der "in gesunden Tagen" ausgeübten Tätigkeit nachzugehen.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnimmt dem Wort-laut des § 2 Abs. 1 [X.], dass [X.] Berufsunfähigkeit eintritt, wenn er zur Ausübung seines Berufs außerstande ist und auch keine andere Tätigkeit "ausübt", die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Damit verdeutlicht ihm der Versicherer, dass eine Verweisung auf Tätigkeiten, die er zwar ausüben könnte, aber nicht ausübt, ausge-schlossen sein soll. Indem nur auf die tatsächliche Ausübung einer ande-ren Tätigkeit abgestellt wird, soll der Versicherungsnehmer zugleich der Beweispflicht dafür enthoben werden, aus gesundheitlichen Gründen keine Vergleichstätigkeit ausüben zu können. Während bei Vereinbarung einer abstrakten Verweisungsmöglichkeit Berufsunfähigkeit nur dann [X.], wenn der Versicherte zur Ausübung eines
Vergleichsberufs aus 28
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-
15
-

ausschließlich gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist (vgl. Senatsurteil vom 7. [X.]ebruar 2007

IV ZR 232/03, [X.], 631 Rn.
12), sind solche erhöhten Voraussetzungen für den Eintritt des [X.] aus dem Wortlaut der vorliegenden Klausel nicht er-sichtlich. [X.]ür den Versicherungsnehmer ist nicht erkennbar, dass

bei unverändertem Gesundheitszustand

die zeitweilige Ausübung einer Vergleichstätigkeit auch über deren Beendigung hinaus für die Zukunft zum Verlust des Versicherungsschutzes in seinem versicherten Beruf führt. Es trifft daher nicht zu, dass sich bei Beendigung einer konkreten Verweisungstätigkeit aus anderen als gesundheitlichen Gründen das versicherte Risiko nicht realisiert habe (entgegen [X.] in [X.]/[X.], [X.] 3. Aufl. § 46 Rn.
142; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl. § 172 Rn. 178). Auf die Gründe des [X.] für die Beendigung seiner zwischenzeitlich ausgeüb-ten Vergleichstätigkeit kommt es somit nicht an.

[X.]) Rechtsfehlerfrei
ist das Berufungsgericht auch davon [X.], dass die Beklagte den Kläger

ausgehend von seinem Aus-gangsberuf

nicht auf seine seit Mai 2013 ausgeübte Tätigkeit als Pra-xisvertreter verweisen kann. Die [X.]estellung des Berufungsgerichts, diese Tätigkeit sei mit seiner Tätigkeit als niedergelassener [X.] hinsicht-lich der bisherigen Lebensstellung nicht vergleichbar, ist revisionsrecht-lich nicht zu beanstanden. Hierbei kommt es

anders als die Revision meint

nicht allein auf einen Einkommensverlust und die [X.] der Arbeitsbedingungen, sondern auch
auf die Wahrung des sozia-len Status des Versicherten an. Insoweit ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden dass das Berufungsgericht davon ausgeht,
einer Tätig-

30
-
16
-

keit als Praxisvertreter komme nicht die gleiche [X.] Wertschätzung wie jener eines niedergelassenen [X.]acharztes mit eigener Praxis zu.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr. Bußmann

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.05.2014 -
17 O 169/13 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 05.11.2015 -
16 U 84/14 -

Meta

IV ZR 527/15

14.12.2016

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.12.2016, Az. IV ZR 527/15 (REWIS RS 2016, 783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 783

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Referenzen
Wird zitiert von

20 U 36/21

Zitiert

IV ZR 527/15

Zitieren mit Quelle:
x

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