Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.06.2010, Az. IV ZR 226/07

4. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5841

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Gegenstand

Berufsunfähigkeitszusatzversicherung: Wirksamkeit einer AGB-Klausel über die Rechtsfolgen von Rückkauf oder Umwandlung der Hauptversicherung in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Leistung


Leitsatz

Eine Klausel in den Bedingungen einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, nach der von einem Rückkauf oder einer Umwandlung der Hauptversicherung (Lebensversicherung) in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Versicherungsleistung (lediglich) anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung nicht berührt werden, ist unwirksam .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 17. Juli 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger, ein Dachdeckermeister, begehrt Rentenleistungen aus einer bei der Beklagten gehaltenen [X.]. Er war Gesellschafter und Geschäftsführer einer mit Dachdecker- und Klempnerarbeiten befassten Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden: GmbH). In Erfüllung einer dem Kläger am 1. Dezember 1993 erteilten Versorgungszusage schloss die GmbH Anfang 1994 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bei der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung (in Form einer Leibrentenversicherung) mit [X.] ab. Versicherte Person war der Kläger.

2

Die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Bedingungen für die [X.] (im Folgenden: [X.]) lauten auszugsweise:

"§ 1     Was ist versichert?

(1) Wird der Versicherte während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50% berufsunfähig, so erbringen wir folgende Versicherungsleistungen:

a) Volle Befreiung von der [X.] für die Hauptversicherung und die eingeschlossenen Zusatzversicherungen;

b) Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente, wenn diese mitversichert ist. Die Rente zahlen wir vierteljährlich im voraus, erstmals anteilig bis zum Ende des laufenden Versicherungsvierteljahres.

(2) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Wird uns die Berufsunfähigkeit später als drei Monate nach ihrem Eintritt schriftlich mitgeteilt, so entsteht der Anspruch auf die Versicherungsleistung erst mit Beginn des Monats der Mitteilung.

(3) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente erlischt, wenn der Grad der Berufsunfähigkeit unter 50% sinkt, der Versicherte stirbt oder die Zusatzversicherung abläuft.

§ 9     Wie ist das Verhältnis zur Hauptversicherung?

(1) Die Zusatzversicherung bildet mit der Versicherung, zu der sie abgeschlossen worden ist (Hauptversicherung), eine Einheit; sie kann ohne die Hauptversicherung nicht fortgesetzt werden. Wenn der Versicherungsschutz aus der Hauptversicherung endet, so erlischt auch die [X.]

(8) Anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung werden durch Rückkauf oder Umwandlung der Hauptversicherung in eine beitragsfreie Versicherung mit herabgesetzter Versicherungsleistung nicht berührt."

3

Im März und April 1998 verpfändete die GmbH ihre Rechte aus dem Versicherungsvertrag an den Kläger und seine Ehefrau zur Sicherung der beiden Versorgungszusagen. Zum 1. Juni 2000 wurden Haupt- und Zusatzversicherung beitragsfrei gestellt. Ausweislich des Ersatzversicherungsscheins vom 13. Dezember 2000 sollte die monatliche Rente im Falle einer innerhalb der Versicherungsdauer eintretenden Berufsunfähigkeit des [X.] fortan 1.271 DM (650,11 €) betragen. 2001 wurde die GmbH insolvent. Danach focht der Insolvenzverwalter die Verpfändungen an und erwirkte die Verurteilung des [X.] und seiner Ehefrau zum Verzicht auf ihre Rechte aus den [X.]. Mit Schreiben vom 10. Juli 2002 forderte der Insolvenzverwalter die Beklagte auf, den Rückkaufswert des Versicherungsvertrages an ihn auszuzahlen. Dem kam die Beklagte nach.

4

Seit Juni 2001 war der Kläger wegen Bluthochdrucks und Herzbeschwerden krankgeschrieben. Er unterhielt zu dieser Zeit eine Krankentagegeldversicherung bei einem Versicherer, der zur selben Versicherungsgruppe gehört wie die Beklagte. Am 1. August 2002 gelangte ein auf Betreiben des [X.] erstelltes medizinisches Gutachten zu dem Ergebnis, der Kläger sei berufsunfähig. Der [X.] war deshalb der Auffassung, der Kläger erfülle nicht mehr die Voraussetzungen für die Gewährung von Krankentagegeld, und teilte dies dem Kläger in einem Schreiben vom 16. September 2002 mit. In einem bei der Beklagten am 23. September 2002 eingegangenen Schreiben beantragte der Kläger daraufhin Rentenleistungen aus der [X.]. Nach seiner Behauptung liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit seit dem 1. Juni 2001 vor.

5

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil der Insolvenzverwalter den Lebensversicherungsvertrag im Juli 2002 wirksam gekündigt habe, dadurch zugleich die [X.] beendet und ein Anspruch des [X.] auf Leistungen aus der [X.] weder festgestellt noch anerkannt worden sei.

6

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein [X.] weiter.

Entscheidungsgründe

7

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dem Kläger stünden keine Leistungen aus der [X.] zu, weil im [X.]punkt ihrer erstmaligen Geltendmachung der Hauptvertrag (die Lebensversicherung) durch den Insolvenzverwalter wirksam beendet gewesen sei, was nach § 9 (1) [X.] zugleich auch eine Beendigung der [X.] zur Folge gehabt habe.

9

Der Insolvenzverwalter sei zur Kündigung und Einziehung des [X.]wertes berechtigt gewesen. Die vorangegangenen Verpfändungen der Rechte aus dem Versicherungsvertrag habe er wirksam nach § 133 Abs. 1 [X.] angefochten, wie sich aus den rechtskräftigen Verurteilungen des [X.] und seiner Ehefrau ergebe. Dass dem Kläger von der GmbH ein - wie das Berufungsgericht meint - seiner [X.], unwiderrufliches Bezugsrecht an der Versicherungsleistung eingeräumt worden sei, lasse sich weder anhand der Vertragsunterlagen noch aufgrund der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme feststellen.

Bei Eingang des Antrags auf Versicherungsleistungen am 23. September 2002 seien Hauptvertrag und Zusatzversicherung bereits beendet gewesen. Zwar treffe den Kläger an der Versäumung der Frist des § 1 (2) Satz 2 [X.] kein Verschulden, weil er vor Erhalt des Schreibens der Schwestergesellschaft der Beklagten vom 16. September 2002 keine Kenntnis von einer bei ihm vorliegenden Berufsunfähigkeit gehabt habe. Auch entfalle die Leistungspflicht aus der [X.] grundsätzlich erst zum Ende des gedehnten Versicherungsfalles und nicht schon bei Vertragsbeendigung, wenn die Berufsunfähigkeit vor Wirksamwerden einer Vertragskündigung eingetreten sei, doch schränke § 9 (8) [X.] diese Rechtslage dahingehend ein, dass lediglich anerkannte oder festgestellte Ansprüche von der Beendigung des Hauptvertrages unberührt blieben. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Beklagte berufe sich auch nicht treuwidrig darauf, weil die Beendigung des Versicherungsvertrages nicht auf ihrer Entscheidung, sondern einem Verhalten des Insolvenzverwalters beruhe.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht zwar im Ergebnis zutreffend davon aus, dass der Insolvenzverwalter die Lebensversicherung mit Schreiben vom 10. Juli 2002 wirksam gekündigt hat. [X.] hing die Frage, ob dem Insolvenzverwalter das Recht zur Kündigung zustand, nicht davon ab, ob die Versicherungsnehmerin zugunsten des [X.] ein unwiderrufliches Bezugsrecht hinsichtlich der Versicherungsleistungen bestimmt hatte. Denn auch in einem solchen Falle verbleibt dem Versicherungsnehmer das Recht, das Versicherungsverhältnis jederzeit zu kündigen (vgl. nur [X.], 162, 167; [X.] in [X.]/Langheid, [X.]. § 165 [X.]. 5, 10; [X.] in [X.]/Matusche-[X.], [X.] 2. Aufl. § 42 [X.]. 147), das hier vom Insolvenzverwalter mit Geltendmachung des [X.]wertes konkludent ausgeübt worden ist. Auf die weitere Frage, ob der Insolvenzverwalter berechtigt war, den [X.]wert zur Masse zu ziehen, kommt es hier nicht an.

2. Der Anspruch des [X.] auf Versicherungsleistungen aus der [X.] scheitert auch nicht daran, dass mit der Kündigung der Hauptversicherung und dem Ende des mit dieser gewährten Versicherungsschutzes auch die [X.] erlosch und der Anspruch des [X.] wegen der nach seiner Behauptung am 1. Juni 2001 eingetretenen Berufsunfähigkeit erst am 23. September 2002, also nach Rückkauf der Hauptversicherung geltend gemacht worden ist.

a) Das gilt zunächst mit Rücksicht auf den Umstand, dass Haupt- und Zusatzversicherung hier bereits vor Eintritt des behaupteten Versicherungsfalles, nämlich mit Wirkung ab dem 1. Juni 2000 beitragsfrei gestellt worden sind. Denn ausweislich des Ersatzversicherungsscheins vom 13. Dezember 2000 sollte weiterhin im Falle einer innerhalb der Versicherungsdauer (bis zum 1. Dezember 2012) eintretenden [X.] Berufsunfähigkeit des [X.] eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 1.271 DM (650,11 €) gezahlt werden.

b) Zutreffend geht das Berufungsgericht auch noch davon aus, dass § 1 (2) [X.] dem Anspruch auf Leistungen aus der [X.] nicht entgegensteht. Die Klausel bestimmt lediglich eine Ausschlussfrist (dazu im einzelnen Senatsurteil vom 2. November 1994 - [X.] - [X.], 82). Nach § 1 (2) [X.] entsteht der Anspruch auf Versicherungsleistungen mit dem Ablauf des Monats, in dem [X.] eingetreten ist. Ein Leistungsbeginn ab diesem [X.]punkt verlangt aber eine Mitteilung, die nicht später als drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erfolgt. Nur in diesem Rahmen verspricht der Versicherer Leistungen auch für einen [X.]raum, der der Mitteilung vorausgeht. Eine Versäumung der Mitteilungsfrist hat demgemäß nicht den vollständigen Anspruchsverlust zur Folge, jedoch "entstehen" Ansprüche auf Versicherungsleistungen erst mit dem Beginn des Monats der Mitteilung. Mit der Fristversäumung verliert der Versicherungsnehmer mithin Ansprüche, die in der [X.] zwischen dem Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist, und dem Beginn des Mitteilungsmonats entstanden sind, während Ansprüche für die Zukunft unberührt bleiben. Die Fristversäumung bewirkt demnach einen teilweisen Leistungsausschluss, der sich auf die [X.] vor Beginn des Mitteilungsmonats beschränkt. Bestimmt § 1 (2) [X.] eine Ausschlussfrist, so bedeutet das noch nicht - wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat - dass gegen die Versäumung der Frist zur Mitteilung auch ein Entschuldigungsbeweis nicht möglich wäre. Zwar sehen die Bedingungen einen solchen nicht ausdrücklich vor, die Klausel des § 1 (2) [X.] ist aber auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks so auszulegen, dass der Versicherer sich auf die Versäumung der Frist zur Anzeige nach Treu und Glauben nicht berufen kann, wenn den Versicherungsnehmer, was dieser zu beweisen hat, daran kein Verschulden trifft. Vom fehlenden Verschulden des Versicherungsnehmers ist das Berufungsgericht bislang in tatrichterlicher Würdigung ausgegangen.

c) Im Ansatz richtig legt das Berufungsgericht auch zugrunde, dass, tritt Berufsunfähigkeit - mithin der Versicherungsfall - während des Laufes der Versicherung und vor ihrer Beendigung durch Kündigung der Hauptversicherung ein, die Leistungspflicht des Versicherers nicht mit dem Erlöschen der Zusatzversicherung endet. Nicht zu folgen ist ihm jedoch, soweit es in Anwendung von § 9 (8) [X.] zu dem Ergebnis gelangt, dass lediglich anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung vom Rückkauf der Lebensversicherung unberührt bleiben. Die Regelung in § 9 (8) [X.] erweist sich insoweit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB als unwirksam.

aa) Zutreffend ist allerdings die Klauselauslegung des Berufungsgerichts, wonach mit § 9 (8) [X.] das Leistungsversprechen des Versicherers dahingehend eingeschränkt wird, dass nach Beendigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der [X.] nur noch dann erbracht werden, wenn der Anspruch aus der Zusatzversicherung bereits festgestellt oder anerkannt worden ist.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung ihres erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen kann (vgl. [X.], 83, 85).

Zu der Frage, inwieweit der Versicherungsnehmer auch nach Beendigung des Hauptvertrages Versicherungsleistungen aus der Zusatzversicherung beanspruchen kann, wird er zunächst das Leistungsversprechen des Versicherers in den Blick nehmen. Dessen wesentlichen Inhalt entnimmt er § 1 (1) der Bedingungen ("Was ist versichert?"). Danach ist der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherte "während der Dauer dieser Zusatzversicherung zu mindestens 50% berufsunfähig" wird. Es genügt mithin für die Begründung dieser Leistungspflicht, dass die Berufsunfähigkeit in versicherter [X.] eingetreten ist. § 1 (3) der Bedingungen entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer weiter, dass die Leistungspflicht des Versicherers nur bei einem Wegfall bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit, bei Tod des Versicherten oder bei Ablauf des Versicherungsvertrages, also bei Erreichen des im Versicherungsschein aufgeführten [X.], erlischt. Daraus ergibt sich zunächst, dass die Beendigung des Versicherungsvertrages die Leistungspflicht des Versicherers für bereits in versicherter [X.] eingetretene Berufsunfähigkeit nach dem in § 1 [X.] gegebenen Leistungsversprechen unangetastet lässt. Vor diesem Hintergrund wird der Versicherungsnehmer die Regelung in § 9 (8) [X.] als Einschränkung des [X.] verstehen. Denn wenn dort davon die Rede ist, dass im Falle des [X.] der Hauptversicherung "anerkannte oder festgestellte Ansprüche aus der Zusatzversicherung" nicht berührt werden, drängt sich im Umkehrschluss auf, dass sonstige, also infolge des [X.] eigentlich begründete, jedoch vor Vertragsbeendigung noch nicht vom Versicherer (hier nach § 5 [X.]) anerkannte oder gerichtlich oder durch Vergleich festgestellte Ansprüche (vgl. dazu [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.]. [X.] § 9 [X.]. 10; [X.]/[X.], Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung, [X.] § 9 [X.]. 11) "berührt" werden, mithin nicht mehr fortbestehen sollen.

bb) Soweit teilweise bereits bezweifelt wird, dass diese in § 9 (8) [X.] oder wortgleichen Klauseln enthaltene Leistungsbeschränkung hinreichend transparent ist (vgl. dazu [X.], 1348 f.; r+s 2007, 255), kann dies dahinstehen; denn jedenfalls benachteiligt sie den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. dazu [X.], r+s 2008, 361, 367).

cc) Beim Versicherungsfall in der [X.] handelt es sich um einen so genannten gedehnten Versicherungsfall, der durch die Fortdauer des mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes bestimmt wird (Senatsurteil vom 12. April 1989 - [X.] - [X.], 588 unter II 1 a). Der Versicherer verpflichtet sich im Leistungsversprechen (hier in § 1 (1) [X.]) dazu, nicht lediglich eine einmalige Versicherungsleistung zu erbringen, sondern längstens bis zum Ablauf der vertraglich bestimmten Leistungszeit so lange fortlaufend zu leisten, wie der den Versicherungsfall auslösende Zustand andauert. Grundsätzlich gilt, dass die Beendigung des Versicherungsverhältnisses, auch wenn sie infolge einer Kündigung der Hauptversicherung (hier der Lebensversicherung in Form einer Leibrentenversicherung) eintritt, die Leistungspflicht aus einem schon zuvor in der Zusatzversicherung eingetretenen Versicherungsfall nicht beendet ([X.], 780, 782; [X.] [X.], 1341; Rixecker in [X.]/Matusche-[X.] aaO § 46 [X.]. 90; Bruck/[X.], [X.]. VI Anm. [X.]; [X.] in [X.]/[X.] aaO [X.]. 33; [X.] aaO; [X.]/[X.], [X.] 2005 § 8 [X.]. 137 f.). Lediglich für Versicherungsfälle, die erst nach der Beendigung des Hauptvertrages und der Zusatzversicherung eintreten, besteht kein Versicherungsschutz mehr.

Soweit die Regelung in § 9 (8) [X.] demgegenüber eine Einschränkung des [X.] herbeiführt und die Leistungspflicht des Versicherers auch dann, wenn der Versicherungsfall schon vor Beendigung der Zusatzversicherung eingetreten ist, auf festgestellte oder anerkannte Ansprüche aus der Zusatzversicherung beschränkt, benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen.

Das gilt schon mit Blick auf die Reichweite der Beschränkung. Sie greift ohne Ausnahme ein, gleichviel ob der Versicherungsfall schon lange oder unmittelbar vor der Beendigung der Zusatzversicherung eingetreten ist, sie greift selbst dann ein, wenn der Versicherungsfall schon vor der Beendigung angezeigt worden ist, und auch dann, wenn sich die Vertragsparteien bereits um den Eintritt des Versicherungsfalles streiten und die Beendigung der Zusatzversicherung zu dieser [X.] etwa durch die Kündigung der Hauptversicherung durch einen [X.] (Zessionar) herbeigeführt worden ist. Das widerspricht evident dem Interesse des Versicherungsnehmers, für die in versicherter [X.] geleisteten Prämien bei Eintritt des Versicherungsfalles die versprochenen Versicherungsleistungen zu erhalten, insbesondere wenn selbst der eingeschränkte Fortbestand von Ansprüchen noch von Umständen abhängt, die er allein nicht beeinflussen kann. Sich anderweitige Deckung für den ausgeschlossenen Anspruch zu verschaffen, ist dem Versicherungsnehmer überdies nicht möglich, weil er bei Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages die bereits eingetretene Berufsunfähigkeit offen legen und sich diese zudem in einem solchen Vertrag als vorvertraglich darstellen müsste.

Dem stehen keine Interessen des Versicherers gegenüber, die eine solche Einschränkung des [X.] rechtfertigen könnten. Die in § 9 (8) [X.] getroffene Regelung entlastet den Versicherer zwar davon, sich nach Beendigung der Zusatzversicherung noch mit der Prüfung zurückliegender, un- oder nicht abschließend geklärter Versicherungsfälle zu befassen. Es sollen erkennbar eine zeitverzögerte Prüfung und die damit verbundenen Schwierigkeiten für eine zuverlässige Feststellung des angezeigten Versicherungsfalles vermieden werden. Allerdings hat sich der Versicherer bereits mit der Regelung in § 1 (2) [X.] ein Instrument verschafft, das den Versicherungsnehmer zur zeitgerechten Anzeige des Versicherungsfalles anhält und auch Ansprüche vor der Anzeige - so sie denn schuldhaft nicht erfolgt - ausschließt. Dass dem Interesse an zeitgerechter Prüfung und Entscheidung darüber hinaus noch mit dem Wegfall nicht festgestellter oder nicht anerkannter Ansprüche bei Vertragsbeendigung Rechnung getragen werden muss, ist nicht zu erkennen. Die Klausel schafft in der dargestellten Reichweite einen für den Versicherungsnehmer nicht mehr zumutbaren, unangemessenen Eingriff in den ihm versprochenen Versicherungsschutz für in versicherter [X.] eingetretene Versicherungsfälle.

III. Da das Berufungsgericht - nach seiner Rechtsauffassung folgerichtig - bisher nicht geklärt hat, ob die vom Kläger behauptete Berufsunfähigkeit vorliegt, bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.

[X.]                                             Wendt                                             Felsch

                 [X.]                                [X.]

Meta

IV ZR 226/07

16.06.2010

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 17. Juli 2007, Az: 9 U 160/05, Urteil

§ 307 Abs 1 S 1 BGB, § 9 Abs 8 BUZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.06.2010, Az. IV ZR 226/07 (REWIS RS 2010, 5841)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5841

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

IV ZR 527/15

IV ZR 90/18

IV ZR 356/15

IV ZR 356/15

IV ZR 224/10

IV ZR 226/07

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