Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. XII ZB 599/10

12. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8476

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Gegenstand

Versorgungsausgleichsverfahren: Beschwerdebefugnis eines berufsständischen Versorgungsträgers; Kürzung des Versorgungsanrechts wegen der vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersruhegeld nach Ehezeitende


Leitsatz

1. Für die Beschwerdebefugnis eines berufsständischen Versorgungsträgers ist sein rechtliches Interesse an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs maßgeblich; nicht entscheidend ist, ob die im Streit stehende Anwartschaft vom Gericht zu hoch oder zu gering bemessen worden ist (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 12. November 1980, IVb ZB 712/80, FamRZ 1981, 132).

2. Bei der Kürzung des Versorgungsanrechts des Ausgleichspflichtigen wegen eines von ihm nach Ende der Ehezeit in Anspruch genommenen, vorzeitigen Altersruhegeldes handelt es sich nicht um eine auf die Ehezeit zurückwirkende und damit zu berücksichtigende Veränderung im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten wird der Beschluss des 17. Familiensenats des [X.] vom 21. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 1.410 €

Gründe

I.

1

Die im Juni 1991 geschlossene Ehe der Parteien wurde aufgrund des im September 2009 zugestellten Scheidungsantrags am 11. Februar 2010 geschieden. Der Antragsteller bezieht seit 1. Januar 2010 bei der weiteren Beteiligten, der [X.], Zahnärzte und Tierärzte (im Folgenden: Beteiligte) ein vorgezogenes [X.]. Unter Berücksichtigung des für die Inanspruchnahme des vorgezogenen [X.] anfallenden Abschlags beläuft sich der für die Ehezeit maßgebliche Ausgleichswert nach den Auskünften der Beteiligten auf 492,80 €. Ohne diesen Abschlag beträgt der zugunsten der Antragsgegnerin zu übertragende Wert 536,23 €.

2

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich bezogen auf die Altersversorgung des Antragstellers bei der Beteiligten auf der Grundlage der den Abschlag für das vorgezogene [X.] berücksichtigenden Auskunft durchgeführt und somit der Antragsgegnerin im Wege der internen Teilung ein Anrecht in Höhe von 492,80 € monatlich, bezogen auf den 31. August 2009, übertragen. Die von der Beteiligten eingelegte Beschwerde hat das [X.] zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

4

Gemäß § 48 Abs. 2 Nr. 2 [X.] ist das ab 1. September 2009 geltende materielle Recht und Verfahrensrecht, also das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 ([X.]) sowie das Gesetz über den Versorgungsausgleich vom 3. April 2009 ([X.] I S. 700 - Versorgungsausgleichsgesetz - [X.]), anwendbar, weil das [X.] nach dem 1. September 2009 abgetrennt worden ist.

5

1. Die bezogen auf das bei der Beteiligten bestehende Versorgungsanrecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist statthaft; die Beteiligte ist zudem beschwerdebefugt.

6

a) Die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 70 Abs. 1 FamFG; das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Auch wenn dies im Tenor nicht deutlich wird, hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde allerdings nur hinsichtlich der Bewertung des bei der Beteiligten bestehenden Anrechtes zugelassen. Das folgt aus der Begründung der Entscheidung, wonach das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde lediglich insoweit zugelassen hat, als es aufgrund der Neuregelung des § 5 Abs. 2 [X.] abweichend von der zur alten Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des [X.]s entschieden hat. Damit ist allein die Frage angesprochen, ob der Umstand, dass der Antragsteller ein vorgezogenes [X.] bezieht und deshalb einen Abschlag auf sein Anrecht hinzunehmen hat, bei der Bewertung seines [X.] zu Lasten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen ist. Die Zulassung beschränkt sich somit auf die bei der Beteiligten bestehende Versorgung. Eine solche Beschränkung der Zulassung ist zulässig, weil mit der Neuregelung des Versorgungsausgleichs zum 1. September 2009 die früher notwendige Verrechnung verschiedener Versorgungsanrechte aufgehoben wurde und einzelne Versorgungsanrechte nunmehr isoliert ausgeglichen werden ([X.]sbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - [X.] 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 8 und vom 7. September 2011 - [X.] 546/10 - FamRZ 2011, 1785 Rn. 6).

7

b) Die Beteiligte ist auch beschwerdebefugt. Der Beschwerdebefugnis steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin (erst) bei [X.] Entscheidung ihren Angaben zufolge "versicherungsmathematisch belastet wird".

8

Der [X.] hat bereits entschieden, dass es für die Beschwer eines Sozialversicherungsträgers nicht entscheidend ist, ob die übertragenen oder zu begründenden Anwartschaften vom Gericht zu hoch oder zu gering bemessen worden sind. Die gegenteilige Auffassung stelle allein auf die finanziellen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs ab und lasse das rechtliche Interesse der zu beteiligenden Sozialversicherungsträger an einer dem Gesetz entsprechenden Regelung des Versorgungsausgleichs außer Betracht ([X.]sbeschluss vom 12. November 1980 - [X.] 712/80 - FamRZ 1981, 132, 133; s. auch [X.]sbeschlüsse vom 11. April 1984 - [X.] 87/83 - FamRZ 1984, 671 und vom 18. Februar 2009 - [X.] 221/06 - [X.], 853 Rn. 12; [X.] FamRZ 1989, 984, 985).

9

Zwar handelt es sich bei der Rechtsbeschwerdeführerin nicht um einen Sozialversicherungsträger und auch nicht um den Träger einer beamtenrechtlichen Versorgung (s. dazu [X.]sbeschluss vom 18. Februar 2009 - [X.] 221/06 - [X.], 853), sondern um eine berufsständische Versorgungsanstalt des öffentlichen Rechts. Diese nimmt für die Altersversorgung der bei ihr Versicherten jedoch eine vergleichbare Stellung wie die vorgenannten Versorgungsträger ein. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 [X.] sind die Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung grundsätzlich von der Rentenversicherungspflicht befreit. Ferner zählt der Gesetzgeber sie zu den Regelsicherungssystemen im Sinne des § 32 [X.], auf die er die Anpassungen nach Rechtskraft (§ 32 ff. [X.], bislang §§ 4 bis 10 [X.]) und Abänderungen des [X.] bei der Scheidung (§§ 225, 226 FamFG; bislang § 10 a [X.]) beschränkt hat (BT-Drucks. 16/10144 S. 42 und 72).

Im Übrigen lässt sich wegen der Ungewissheit des zukünftigen "Versicherungsverlaufs" regelmäßig nicht feststellen, wie sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall tatsächlich für den Versorgungsträgers auswirken wird (vgl. [X.]sbeschluss vom 18. Februar 2009 - [X.] 221/06 - [X.], 853 Rn. 12).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Hinsichtlich der bis zum 31. August 2009 geltenden Rechtslage sei im Fall vorzeitigen Rentenbeginns § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB so auszulegen, dass die Veränderung des Zugangsfaktors bei der Berechnung des Ehezeitanteils außer Betracht bleibe, wenn die [X.] vorzeitigen Rentenbezugs so wie hier außerhalb der Ehezeit liege. Dieser differenzierten Betrachtungsweise zum alten Recht stehe nun der Wortlaut des § 5 Abs. 2 [X.] entgegen. Danach seien rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil [X.], zu berücksichtigen. Bei dem Absenken der Versorgung durch vorgezogenen [X.]bezug handele es sich um eine tatsächliche Veränderung, die die [X.] auch im Falle einer intakten und fortgeführten Ehe bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand mitzutragen hätte. Sie müsse daher auch bei Durchführung des Versorgungsausgleichs mitgetragen werden, da andernfalls der Grundsatz der Halbteilung verletzt würde. Dies könnte lediglich in Extremfällen mit Schädigungsabsicht anders zu beurteilen sein, wofür hier keinerlei Anhaltspunkte vorlägen.

b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

aa) Gemäß § 1 Abs. 1 [X.] sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Dabei überträgt das Familiengericht grundsätzlich nach § 10 Abs. 1 [X.] für die ausgleichsberechtigte Person zulasten des Anrechts der ausgleichspflichtigen Person ein Anrecht in Höhe des [X.] bei dem Versorgungsträger, bei dem das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person besteht (interne Teilung). Befindet sich ein Anrecht in der [X.] und richtet sich sein Wert nach einer Bezugsgröße, die unmittelbar bestimmten [X.]abschnitten zugeordnet werden kann, so entspricht der Wert des Ehezeitanteils gemäß § 39 Abs. 1 [X.] dem Umfang der auf die Ehezeit entfallenden Bezugsgröße. Diese unmittelbare Bewertung ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 [X.] insbesondere bei Anrechten anzuwenden, bei denen für die Höhe der laufenden Versorgung die Summe der Entgeltpunkte oder vergleichbarer Rechengrößen wie Versorgungspunkte oder Leistungszahlen bestimmend ist.

Schließlich ist maßgeblicher [X.]punkt für die Bewertung das Ende der Ehezeit, § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.]. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen.

bb) Danach kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Maßgeblich für den Versorgungsausgleich ist das in der Ehezeit tatsächlich erworbene Anrecht des Antragstellers. Der Abschlag, der dadurch entstanden ist, dass der Antragsteller nach Ende der Ehezeit vorzeitig [X.] in Anspruch genommen hat, bleibt dagegen unberücksichtigt.

(1) Die Ermittlung der im Streit stehenden, berufsständischen Anwartschaft des Antragstellers unterliegt - wie die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 43 Abs. 1 [X.] - der unmittelbaren Bewertung nach § 39 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 [X.].

Während sich die Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach persönlichen Entgeltpunkten und aktuellem Rentenwert richten (§§ 63, 66, 68 [X.]), bemessen sich die bei der Beteiligten bestehenden Anrechte nach Leistungszahlen und Punktewerten (§ 28 der Satzung der Beteiligten). Der [X.] hat bereits im Jahr 2005 (also noch zum alten Recht) entschieden, dass wegen dieser strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen den jeweiligen Systemen die bei der Beteiligten erworbenen Versorgungsanrechte nach den Grundsätzen der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen sind ([X.]sbeschluss vom 22. Juni 2005 - [X.] 117/03 - FamRZ 2005, 1455).

Danach ist im vorliegenden Fall für die Bewertung der Anwartschaft die in der Ehezeit vom Versorgungsausgleichsverpflichteten erworbene Summe der [X.] von 1.334,58 % maßgeblich, was ausweislich der Versorgungsauskunft der Beteiligten vom 8. April 2010 unter Berücksichtigung des zum Ehezeitende geltenden "Punktwertes" von 80,36 € einer Anwartschaft während der Ehezeit von 1.072,47 €, und damit einem Ausgleichswert von 536,23 € entspricht.

(2) Die Berücksichtigung eines Abschlags für das nach der Ehezeit in Anspruch genommene vorzeitige [X.] kommt nicht in Betracht.

(a) Unter Berücksichtigung dieses Abschlags beliefe sich der für die Ehezeit maßgebliche Ausgleichswert nach der Versorgungsauskunft der Beteiligten auf den - von den Instanzgerichten ihrer Entscheidung zugrunde gelegten - Betrag von 492,80 €. Die Höhe des Abschlags beruht darauf, dass der Antragsteller 27 Monate vor der regulären Altersgrenze in Ruhestand gegangen ist, weshalb für jeden dieser Monate gemäß § 29 Abs. 5 der Satzung ein Abschlag von 0,3 %, insgesamt also 8,10 % vorzunehmen war.

(b) Schon nach altem Recht schloss § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB für die gesetzliche Rentenversicherung eine Berücksichtigung des Abschlags aus. Danach war bei Renten oder [X.]en aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Betrag zugrunde zu legen, der sich am Ende der Ehezeit aus den auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkten ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors als Vollrente wegen Alters ergäbe. Der Zugangsfaktor sah gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a [X.] bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung für jeden Kalendermonat einen Abschlag von "0,003 niedriger als 1,0" vor. Die Regelung des § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, die nunmehr von § 109 Abs. 6 [X.] fortgeschrieben wird, hat der [X.] im Wesentlichen bestätigt ([X.]sbeschluss vom 22. Juni 2005 - [X.] 117/03 - FamRZ 2005, 1455, 1457). Nur für die Fälle, in denen der [X.] bereits während der Ehezeit vorzeitiges [X.] bezogen hat, hat der [X.] hiervon Ausnahmen zugelassen ([X.]sbeschluss vom 22. Juni 2005 - [X.] 117/03 - FamRZ 2005, 1455, 1457).

Ferner hat der [X.] entschieden, dass § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB, wonach das gesetzliche Rentenanrecht aus der ungekürzten Altersrente zu bewerten sei, Ausdruck eines allgemeinen Bewertungsprinzips sei, das ebenso für die Bewertung anderer Versorgungsanrechte gelte ([X.]sbeschlüsse vom 14. Dezember 2011 - [X.] 23/08 - zur [X.] bestimmt und vom 18. Mai 2011 - [X.] 127/08 - FamRZ 2011, 1214 Rn. 14; s. auch [X.]sbeschluss vom 22. Juni 2005 - [X.] 117/03 - FamRZ 2005, 1455, 1458). Die erst nach dem Ehezeitende getroffene Entscheidung des [X.]n, die vorgezogene Altersrente unter Inkaufnahme eines Versorgungsabschlags in Anspruch zu nehmen, habe zur Ehezeit keinen unmittelbaren Bezug mehr und müsse daher bei der Bewertung des Rentenanrechts außer Betracht bleiben ([X.]sbeschlüsse vom 14. Dezember 2011 - [X.] 23/08 - zur [X.] bestimmt und vom 18. Mai 2011 - [X.] 127/08 - FamRZ 2011, 1214 Rn. 15).

(c) Diese Maßstäbe gelten entgegen der Auffassung des [X.] auch für das neue Recht.

(aa) Dies ergibt sich bereits aus § 109 Abs. 3 [X.], der nach dem oben Gesagten auf die von der Beteiligten gewährten Versorgungsanrechte entsprechend anzuwenden ist. Danach errechnen sich die gemäß § 39 [X.] zu ermittelnden Entgeltpunkte aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (s. auch [X.]/[X.] 5. Aufl. § 43 [X.] Rn. 23 f.; Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis Rn. 484 und [X.] in [X.]. § 5 [X.] Rn. 10).

(bb) Dem steht § 5 Abs. 2 [X.] nicht entgegen. Dessen Satz 1 besagt, maßgeblicher [X.]punkt für die Bewertung ist das Ende der Ehezeit. Nach Satz 2 sind rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurückwirken, zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung des [X.] handelt es sich bei dem nach Ende der Ehezeit aufgenommenen Bezug eines vorzeitigen [X.] und der damit einhergehenden Reduzierung der ursprünglichen [X.] weder um eine rechtliche noch um eine tatsächliche Veränderung im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 [X.].

Die Norm eröffnet die Möglichkeit, nachehezeitliche Veränderungen auch bereits bis zur letzten Tatsachenentscheidung im Erstverfahren zu berücksichtigen ([X.]sbeschluss vom 18. Januar 2012 - [X.] 696/10 - juris Rn. 23). Nicht zu berücksichtigen sind danach jedoch nachehezeitliche Veränderungen, die keinen Bezug zur Ehezeit haben (BT-Drucks. 16/10144 S. 49). Eine Berücksichtigung solcher individueller, nachehelicher Umstände würde nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s, die sich der Gesetzgeber im Rahmen des [X.] ausdrücklich zu Eigen gemacht hat (BT-Drucks. 16/10144 S. 49), gegen das Stichtagsprinzip des § 5 Abs. 2 Satz 1 [X.] verstoßen ([X.]sbeschluss vom 18. Januar 2012 - [X.] 696/10 - juris Rn. 28). Demgemäß ist in der Gesetzesbegründung zum Gesetz über den Versorgungsausgleich ausdrücklich ausgeführt, dass bei einer nach Ehezeit getroffenen Entscheidung für den vorzeitigen Ruhestand die Abschläge schon deshalb außer Betracht bleiben müssten, weil insoweit der Bezug zur Ehezeit fehle (BT-Drucks. 16/10144 S. 80 zu § 41 [X.]).

Soweit das Beschwerdegericht meint, bei dem Abschlag handele es sich um eine tatsächliche Veränderung, die die [X.] auch im Falle einer intakten und fortgeführten Ehe bei einer vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand des Antragstellers mitzutragen gehabt hätte, verkennt es, dass sie in diesem Fall auch an der Rentenzahlung partizipiert hätte (vgl. [X.]sbeschluss vom 18. Mai 2011 - [X.] 127/08 - FamRZ 2011, 1214 Rn. 15).

Entgegen der Auffassung des [X.] erfordert es auch der [X.] nicht, den auf einer individuellen [X.] Entscheidung des Antragstellers beruhenden Versorgungsabschlag zu berücksichtigen (vgl. [X.]sbeschluss vom 14. Dezember 2011 - [X.] 23/08 - zur [X.] bestimmt). Der Umstand, dass dem Antragsteller nach durchgeführtem Versorgungsausgleich bezogen auf den Ehezeitanteil weniger verbleibt als der ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin, beruht auf seinem Entschluss, bereits im Alter von 62 Jahren vorgezogenes [X.] in Anspruch zu nehmen und damit in den Genuss eines verlängerten Rentenbezugs zu kommen.

3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil der [X.] in der Sache nicht selbst abschließend entscheiden kann. Zwar ergibt sich aus der Versorgungsauskunft der Beteiligten vom 8. April 2010, die das Amtsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, neben der von den Instanzgerichten in Bezug genommen Berechnung des ehezeitanteiligen vorgezogenen [X.] nach § 29 Abs. 5 der Satzung auch die Berechnung des Ausgleichswertes aufgrund der ungekürzten Versorgung. Jedoch ist weder festgestellt noch aus der Akte ersichtlich, welche Fassung der Satzung die Instanzgerichte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben. Wie der [X.] nach Erlass der Beschwerdeentscheidung entschieden hat (Beschluss vom 26. Januar 2011 - [X.] 504/10 - FamRZ 2011, 547 Rn. 22 ff.), ist es bei der internen Teilung nach § 10 [X.] jedoch geboten, im Tenor der gerichtlichen Entscheidung die Fassung oder das Datum der Versorgungsregelung zu benennen, die dieser Entscheidung zugrunde liegt.

[X.]                                            [X.]-Monecke                                                  Klinkhammer

                       Schilling                                                      [X.]

Meta

XII ZB 599/10

07.03.2012

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Stuttgart, 21. Oktober 2010, Az: 17 UF 222/10

§ 5 Abs 2 S 2 VersAusglG, § 39 VersAusglG, § 43 VersAusglG, § 48 Abs 2 Nr 2 VersAusglG, § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB vom 02.01.2002, § 109 Abs 6 SGB 6

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.03.2012, Az. XII ZB 599/10 (REWIS RS 2012, 8476)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8476

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