Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2012, Az. VI ZR 273/11

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6696

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

8. Mai 2012

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 14 Abs. 1 Satz 1, [X.] VV Nr. 2300
Bei Rahmengebühren im Sinne des §
14 Abs.
1 Satz
1 [X.], zu denen die Ge-schäftsgebühr im Sinne der Nr.
2300 VV [X.] zählt, steht dem Rechtsanwalt ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20
% zu (im [X.] an [X.], Urteil vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, NJW 2011, 1603).
[X.], Urteil vom 8. Mai 2012 -
VI [X.] -
O[X.]

LG [X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 30. April 2012
durch den Vorsitzenden [X.],
die [X.] Zoll und [X.], die [X.]in [X.] und den [X.] Stöhr
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]
wird das Urteil des 12.
Zivilsenats des [X.] vom 5. September 2011
im [X.] und insoweit aufgehoben, als
zum Nachteil des [X.] entschieden worden ist.
Auf die Berufung des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 14. Mai 2010 dahingehend abgeändert, dass die Be-klagten
verurteilt
werden, an den Kläger weitere 212,52

Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem 30. Mai 2008 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Er hat mit seiner Klage
ursprünglich
einen Unfallschaden in Höhe von 7.141,60

o-wie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 759,22

1
-

3

-

wobei er bei den Anwaltskosten eine 1,5-Gebühr nach Nr. 2300 VV [X.] be-rechnet
hat. Das [X.] hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.330,54

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.
März 2008 zu zahlen. Die weitergehende, ins-besondere auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten gerichtete [X.] hat es
abgewiesen. Auf die Berufung des [X.], mit der er sich aus-schließlich gegen die Abweisung seiner Klage auf Erstattung der außergerichtli-chen Anwaltskosten gewandt hat, hat das [X.] das erstinstanzli-che Urteil teilweise abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verur-teilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 546,68

Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.
Mai 2008 zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es [X.]. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge aus der Berufungsinstanz weiter, soweit das Berufungs-gericht zu seinem Nachteil erkannt hat.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Kläger könne für die [X.] seiner Prozessbevollmächtigten lediglich eine 1,3-Gebühr gemäß Nr.
2300 VV [X.] in Ansatz bringen, die aus einem Gegenstandswert von 5.330,54

dem vom [X.] zuerkannten Betrag, zu berechnen sei. Die 1,3-Gebühr könne der Rechtsanwalt bei durchschnittlichen Verkehrsunfallsachen regelmä-ßig ohne nähere Darlegungen verlangen. Anhaltspunkte dafür, dass es sich im vorliegenden Fall um eine unterdurchschnittlich schwierige Angelegenheit han-dele, lägen nicht vor. Eine höhere Gebühr als 1,3 könne der Kläger jedoch nicht 2
-

4

-

erstattet verlangen. Bei der Geschäftsgebühr gemäß Nr.
2300 VV [X.] handele es sich um eine Rahmengebühr im Sinne des §
14 Abs.
1
Satz
1 [X.]. Sei die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, sei die von dem Rechtsanwalt getroffe-ne Bestimmung nach §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] nicht verbindlich, wenn sie unbil-lig sei. Die von dem
Prozessbevollmächtigten des
[X.] berechnete Gebühr von 1,5 sei
unbillig. Nach §
14 Abs.
1 Satz
1 [X.] bestimme der Rechtsanwalt die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Es sei dabei allerdings anerkannt, dass dem Rechtsanwalt bei dieser [X.] ein Toleranzspielraum von jedenfalls 20
% einzuräumen sei. Der [X.] habe in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass im [X.] auf den genannten Toleranzspielraum eine Erhöhung bei durchschnittli-chen Rechtssachen auf eine
1,5 Gebühr einer gerichtlichen Nachprüfung ent-zogen sei. Dieser Auffassung sei jedoch nicht zu folgen. Vielmehr lasse die Anmerkung
Nr.
2300 VV [X.] bei durchschnittlichen Sachen eine höhere Ge-bühr als 1,3 nicht zu. Nach dieser Anmerkung könne eine Gebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig sei. Diese Regelung begrenze deshalb den in §
14 Abs.
1 Satz
1 und Satz
4 [X.] dem Rechtsanwalt eingeräumten Ermessensspielraum dahingehend, dass die 1,3-Gebühr nicht überschritten werden dürfe, wenn die Tätigkeit nicht umfang-reich oder schwierig sei.

II.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher [X.] nicht stand.
1. Nach §
14 Abs.
1 Satz
1 [X.] bestimmt bei Rahmengebühren,
zu de-nen die
Geschäftsgebühr im Sinne der Nr.
2300 VV [X.]
zählt,
der Rechtsan-3
4
-

5

-

walt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens-
und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, "nach billigem Ermessen". Ist die Gebühr -
wie hier
-
von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dabei
steht
dem Rechtsanwalt
nach überwiegender
Meinung auch im [X.] ein Spielraum (sogenannte
Tole-ranzgrenze) von 20
%
zu (vgl. Senatsurteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05, [X.], 265 Rn.
5; [X.], Urteil vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, NJW 2011, 1603 Rn.
18; [X.] in [X.], [X.], 19.
Aufl., § 14 Rn. 12; AnwK-[X.]/Onderka, 5.
Aufl., §
14 Rn.
80
ff. mwN;
Winkler in
Ma-yer/[X.], [X.], 5.
Aufl., §
14 Rn.
54 mwN; [X.] in [X.]/[X.]/Schons, [X.],
2. Aufl.,
§
14 Rn.
89
f.). [X.] sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze und ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit unterdurchschnittlich war, ist die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] unbillig und daher von dem ersatz-pflichtigen
Dritten hinzunehmen ([X.], Urteil vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, aaO Rn.
16, 18; Senatsurteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05, aaO
Rn.
9). Da nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Anhaltspunkte dafür, dass es sich vorliegend um eine unterdurchschnittlich schwierige [X.] handelt, nicht vorliegen, hält sich die Erhöhung der Regelgebühr um 0,2 innerhalb der Toleranzgrenze und ist deshalb
rechtlich nicht zu beanstan-den.
2. Die vom Berufungsgericht und anderen [X.]en (vgl. [X.], [X.], 81, 82
und [X.], [X.], 105, 106) hiergegen geäußerten Bedenken geben zu einer abweichenden Beurteilung keinen [X.]. Nach der
gesetzlichen
Regelung des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] steht dem 5
-

6

-

Rechtsanwalt
bei der Bestimmung der Gebühr ein Ermessensspielraum zu.
Dieser wird nicht -
wie das Berufungsgericht meint
-
dadurch nach oben [X.], dass die Anmerkung
zu
Nr. 2300 VV [X.] bei nicht umfangreichen oder schwierigen Sachen eine Regelgebühr von 1,3 vorsieht. Der Ermessensspiel-raum
betrifft nämlich auch die
unter Umständen schwierige
Beurteilung der Frage, was im Einzelfall "durchschnittlich"
ist.
Sind Anhaltspunkte für einen [X.] nicht gegeben, ist die Bestimmung hinzunehmen.
Müsste der Rechtsanwalt
nach der Auffassung des Berufungsgerichts stets bei jeder geringfügigen Überschreitung der Regelgebühr
Umstände darlegen, welche zwingend die Annahme einer überdurchschnittlichen Tätigkeit rechtfertigen,
käme ein Ermessensspielraum nach oben bei durchschnittlichen Tätigkeiten von vornherein nicht in Betracht.
3. Zudem macht die Revision mit Recht geltend, dass der Kläger im Be-rufungsverfahren vorgetragen
hat, warum sein Rechtsanwalt im vorliegenden Fall seinen Ermessensspielraum bei der Bestimmung einer Gebühr von 1,5
ausgenutzt hat. Er hat den Ansatz der 1,5-Gebühr damit begründet,
die Scha-denshöhe habe
mit 7.000

-
und Rechtslage sei schwierig gewesen, der Ablauf des Unfalls habe erst nach [X.] erörtert wer-den
können, die Verursachungsbeiträge der Beteiligten einschließlich der Be-rücksichtigung der Betriebsgefahr hätten gegeneinander abgewogen werden müssen. Auch wenn diese Umstände -
wie das Berufungsgericht angenommen hat
-
nicht ausreichen sollten, um eine überdurchschnittliche Tätigkeit anzu-nehmen, ist es
deshalb noch
nicht gerechtfertigt, die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] als unbillig und damit für die Beklagten
als unverbindlich zu qualifizieren. Der einem Rechtsanwalt im Rahmen der Rahmengebühr zugebilligte Ermessensspielraum soll gerade ver-hindern, dass die Gerichte im Einzelfall bei relativ geringfügigen [X.]
-

7

-

gen der Regelgebühr
ihr Ermessen an die Stelle des
Ermessens des
Rechts-anwalts setzen
und
dabei
-
oftmals aufwändige
-
Überprüfungen vornehmen, ob
die Tätigkeit
vielleicht doch leicht
überdurchschnittlich
war.
4. Nach alledem war der Klage hinsichtlich der außergerichtlichen [X.] in vollem Umfang stattzugeben.
Da keine weiteren Feststellungen mehr erforderlich sind, kann
der erkennende Senat selbst entscheiden.
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
Stöhr

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.05.2010 -
5 O 153/08 -

O[X.], Entscheidung vom 05.09.2011 -
12 U 713/10 -

7

Meta

VI ZR 273/11

08.05.2012

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.05.2012, Az. VI ZR 273/11 (REWIS RS 2012, 6696)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6696

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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