Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. VIII ZR 323/11

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4823

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VIII ZR 323/11
Verkündet am:

11. Juli 2012

Ermel

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 14 Abs. 1; [X.] Nr. 2300
Eine Erhöhung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr von 1,3 hinaus kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit des Rechtsanwalts umfangreich oder schwierig war, und ist deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der [X.] bis zu einer Überschreitung von 20
% der gerichtlichen Überprüfung entzogen (Fortfüh-rung von [X.], Urteile vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, NJW 2011, 1603; vom 8.
Mai 2012 -
VI
ZR 273/11, juris).
[X.], Urteil vom 11. Juli 2012 -
VIII ZR 323/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der VIII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2012
durch den Vorsitzenden [X.], [X.]
Frellesen, die Richterin Dr.
Hessel sowie [X.]
Achilles und Dr.
Schneider
für Recht erkannt:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 1.
Zivilkammer des [X.] vom 7.
Oktober 2011 wird [X.].
Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Das Amtsgericht hat die Beklagten
im schriftlichen Vorverfahren mit Teil-Versäumnisurteil und Endurteil aufgrund einer Kündigung wegen [X.] zur Räumung und Herausgabe der gemieteten Wohnung sowie zur [X.] von 2.660

808,25

hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass von den Klägern entge-gen VV-[X.] Nr.
2300 eine Begründung für einen 1,3 überschreitenden Satz 1
-
3
-
der Geschäftsgebühr nicht gegeben worden sei, weshalb die verlangte 1,5-fache [X.] nicht zugesprochen werden könne.
Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Kläger hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung weiterer 98,05

e-richtlicher Anwaltskosten weiter.

Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im [X.] ausgeführt:
VV-[X.] Nr. 2300 sehe vor, dass eine [X.] von mehr als 1,3 nur [X.] werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Dementsprechend sei bei der vom Gericht anzustellenden Schlüssigkeits-prüfung vor Erlass eines Versäumnisurteils nicht nur zu prüfen, ob die verlangte [X.] unbillig im Sinne des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] sei, sondern auch, ob eine Überschreitung der Kappungsgrenze von 1,3 gerechtfertigt sei. [X.], der die Überschreitung dieser Kappungsgrenze rechtfertige, sei vorliegend nicht erfolgt. Dementsprechend habe das Amtsgericht im [X.] Urteil mangels schlüssigen Vortrags zu Recht keine 1,5-fache [X.], sondern nur eine 1,3-fache [X.] angesetzt.
Zwar stehe dem Rechtsanwalt nach der sogenannten [X.] bei der Festlegung der konkreten [X.] ein Spielraum von 20
% 2
3
4
5
6
-
4
-
zu, so dass eine sich innerhalb dieser Grenze bewegende [X.] nicht unbillig im Sinne des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.]
und deshalb grundsätzlich hinzunehmen sei. Die Kammer teile aber die Ansicht des Amtsgerichts und anderer Amtsge-richte, dass
die sogenannte [X.] erst dann zum Zuge kommen könne, wenn die Kappungsgrenze nach VV-[X.] Nr.
2300 zu Recht überschritten sei, weil es sich um eine umfangreiche oder schwierige Sache handele oder aber sich die [X.]en unterhalb
dieser Grenze bewegten, so dass die Kappungsgrenze nicht tangiert sei. Ob eine Tätigkeit umfangreich oder schwierig im Sinne der VV-[X.] Nr.
2300 sei, sei vom Gericht genauso zu überprüfen,
wie es auch sonst zu überprüfen habe, ob gesetzliche Tatbe-standsmerkmale vorlägen. Andernfalls könnte ein Rechtsanwalt den Regelfall stets mit der 1,5-fachen [X.] abrechnen, ohne darlegen zu müssen, weshalb im konkreten Fall eine höhere [X.] als 1,3 angemessen sei. Dies könne an-gesichts des eindeutigen Wortlauts in VV-[X.] Nr.
2300 nicht richtig sein. Der eindeutige Gesetzeswortlaut sei insoweit bindend und könne auch nicht mit der [X.] umgangen werden.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Gemäß § 2 Abs. 2 [X.] in Verbindung mit Nr. 2300 des [X.] in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 [X.] kann eine Geschäftsgebühr von mehr als 1,3 nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig, mithin "überdurchschnittlich"
war
([X.], Urteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420 Rn.
6 mwN zu der wortgleichen Vorgänger-bestimmung in [X.]). Dementsprechend ist, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, bei der vom Gericht anzustellenden Schlüssigkeitsprü-fung vor Erlass eines Versäumnisurteils zu prüfen, ob eine Überschreitung der 7
8
-
5
-
"Kappungsgrenze"
von
1,3
wegen überdurchschnittlichen Umfangs oder über-durchschnittlicher Schwierigkeit gerechtfertigt ist. Die Kläger haben dazu nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nichts vorgetragen. Übergangenen Sachvortrag zeigt die Revision nicht auf. Daher haben die Vorinstanzen zu Recht keine 1,5-fache [X.], sondern nur eine 1,3-fache [X.] für gerecht-fertigt gehalten.
Denn die Schwellengebühr von 1,3 ist die Regelgebühr für durchschnittliche Fälle ([X.], Urteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05, aaO Rn. 8; Urteil vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, NJW 2011, 1603 Rn.
16; BT-Drucks. 15/1971, S. 207).
2. Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus der sogenann-ten [X.] nichts anderes.
Zwar steht dem Rechtsanwalt, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, gemäß § 14 Abs. 1 [X.] bei Rahmengebühren wie
der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 ein Ermessensspielraum
zu. Solange sich die vom Rechtsanwalt im Einzelfall bestimmte
[X.] innerhalb einer Toleranzgrenze von 20 % [X.], ist die [X.] nicht unbillig im Sinne des §
14 Abs.
1 Satz
4 [X.] und daher von einem ersatzpflichtigen Dritten hinzunehmen ([X.], Urteil vom 13.
Januar 2011 -
IX
ZR 110/10, aaO
Rn.
18;
Urteil vom 31.
Oktober 2006 -
VI
ZR 261/05, aaO Rn.
5).
Das Berufungsgericht hat aber mit Recht angenommen, dass diese Tole-ranzrechtsprechung zu Gunsten des Rechtsanwalts, der eine [X.] von mehr als 1,3 beansprucht, nur dann
eingreift, wenn die gesetzlichen Voraussetzun-gen der Nr. 2300 für eine Überschreitung der Regelgebühr
von 1,3 vorliegen (ebenso [X.], [X.] 2012, 20; [X.], Beschluss vom 20.
Juli 2011 -
93
C 57/10, juris; [X.], Urteil vom 9.
September 2011 -
4
C 59/11, juris; vgl. auch [X.], Beschluss vom 12.
Juli 2011 -
2
KO 225/11,
9
10
11
-
6
-
juris). Das ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, nach der eine Aus-nutzung des [X.]enrahmens unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 [X.] bis zum 2,5-fachen der [X.] nur bei schwierigen oder umfangreichen Sachen im billigen Ermessen des Anwalts steht, während es bei der [X.] verbleibt, wenn Umfang und Schwierigkeit der Sache nur von durchschnittlicher Natur sind (BT-Drucks. 15/1971, aaO).
Daher ist eine Erhöhung der Regelgebühr von 1,3 auf eine 1,5-fache [X.] hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Überschreitung der Regelgebühr von 1,3 entgegen der Auffassung der Revision nicht der gerichtlichen Überprüfung entzogen
(ebenso [X.], aaO mwN).
Andernfalls könnte der Rechtsanwalt für durchschnittliche Sachen, die nur die Regelgebühr von 1,3 rechtfertigen, ohne Weiteres eine 1,5-fache Ge-bühr verlangen. Das verstieße gegen den Wortlaut und auch gegen den Sinn und Zweck des gesetzlichen [X.]entatbestandes in
Nr. 2300, der eine Erhö-hung der Geschäftsgebühr über die Regelgebühr hinaus nicht in das Ermessen des Rechtsanwalts stellt,
sondern bestimmt, dass eine [X.] von mehr als 1,3
nur gefordert werden kann, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig und damit überdurchschnittlich war. Der [X.] Zivilsenat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er ebenfalls dieser Auffassung sei und sich aus seinem Urteil vom 13.
Januar 2011 (IX
ZR 110/10, aaO Rn.
18) nichts anderes ergebe.
Der VI.
Zivilsenat hat mitgeteilt, dass er im Hinblick auf die Äußerung des
12
-
7
-
[X.]
Zivilsenats, dessen Entscheidung er sich angeschlossen hatte (Urteil
vom 8.
Mai 2012 -
VI
ZR 273/11, juris), keine Bedenken gegen die in Aussicht ge-nommene Entscheidung des VIII.
Zivilsenats hat.

Ball

Dr. Frellesen

Dr. Hessel

Dr. Achilles

Dr. Schneider

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 06.07.2011 -
12 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 07.10.2011 -
12 S 1187/11 -

Meta

VIII ZR 323/11

11.07.2012

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.07.2012, Az. VIII ZR 323/11 (REWIS RS 2012, 4823)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4823

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wird zitiert von

150 C 232/22

Zitiert

VIII ZR 323/11

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