Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2008, Az. IX ZR 160/07

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2861

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/07 Verkündet am: 10. Juli 2008 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 690 Abs. 1 Nr. 3; BGB § 427 a) Nimmt der Gläubiger in einem [X.] auf Rechnungen Bezug, die dem [X.] weder zugegangen noch dem Mahnbescheid als Anlage beigefügt sind, so sind die angemahnten Ansprüche nicht hinreichend bezeichnet, soweit sich ihre Individualisierung nicht aus anderen Umständen ergibt. b) Wird jemand durch Mahnbescheid auf Vergütung von Leistungen in Anspruch ge-nommen, die nicht allein ihm gegenüber erbracht worden sind, so ist der [X.] unzureichend bezeichnet, wenn nur die Leistung an den Schuldner ge-nannt ist und eine Mithaftung für die Schuld Dritter nicht behauptet wird. [X.], Urteil vom 10. Juli 2008 - [X.]/07 - [X.]AG [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2008 durch [X.] Ganter und [X.], Prof. Dr. [X.], Prof. Dr. Gehrlein und [X.] für Recht erkannt: Auf die Rechtsmittel des [X.]n werden die Urteile der 20. Zivilkammer des [X.] vom 15. August 2007 und der [X.] des Amtsgerichts [X.] vom 1. Dezember 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen Tatbestand: Der für den [X.]n und seine Unternehmen längere [X.] tätig gewesene Kläger machte gegen diesen mit später berichtigtem [X.] vom 21. Dezember 2005 Vergütung aus einem "Dienstleistungs-vertrag" unter Bezugnahme auf die Rechnungen 327/02 vom 28. Mai 2002 über 1.331,10 • und 362/02 vom 27. Juni 2002 über 56 • geltend. Der [X.] wurde dem [X.]n am 1. Februar 2006 zugestellt. 1 - 3 - Der [X.] hat bestritten, den [X.] von 1.387,10 • zu schulden, und die Einrede der Verjährung erhoben. Die im Mahnbescheid bezeichneten Rechnungen will er nicht erhalten haben. 2 Die Klage führte in erster Instanz zur Verurteilung. Die Berufung des [X.] blieb mit Ausnahme eines späteren Zinsbeginns erfolglos. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision erstrebt der [X.] weiterhin die vollum-fängliche Abweisung der Klage. 3 Entscheidungsgründe: Die Rechtsmittel des [X.]n sind begründet. Die erhobenen [X.] sind verjährt. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat die Annahme des Amtsgerichts gebilligt, dass die Verjährung mit Einreichung des [X.] am 21. Dezember 2005 rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO gehemmt worden sei. Der zugestellte Mahnbescheid enthalte eine ausreichende Bezeichnung der angemahnten Ansprüche. Zwar habe der Kläger seine streitige Behauptung nicht bewiesen, dass dem [X.]n die im Mahnbescheid genannten [X.] zugegangen seien. Darauf komme es jedoch nicht an. Das Mahnver-fahren werde als Instrument der Verjährungshemmung entwertet, wenn der Schuldner im Rechtsstreit den Zugang der Rechnungen bestreiten und, sofern ihm dies nicht widerlegt werde, damit die Hemmungswirkung des zugestellten 5 - 4 - Mahnbescheides, der sich hierauf beziehe, vereiteln könne. Werde wegen un-genügender Bezeichnung des Anspruchs der [X.] abgelehnt, könne der Gläubiger rechtzeitig nach § 691 Abs. 2 ZPO Klage erheben und sich vor der Verjährung schützen. Da das Mahngericht den fehlenden [X.] nicht zu erkennen vermöge, den Mahnbescheid also erlasse, dürfe der Mangel nicht zu Lasten des Gläubigers gehen. Dem Schuldner sei deshalb in solchen Fällen zuzumuten, sich beim Gläubiger nach den Rechnungen zu erkundigen und vorsorglich Widerspruch einzulegen. Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. I[X.] Die dreijährige Verjährungsfrist für die im Jahre 2002 entstandenen [X.] des Klägers auf Vergütung und Auslagenerstattung endete nach den §§ 195, 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB am Schluss des Jahres 2005. Diese Frist ist durch den am 21. Dezember 2005 beantragten und nach mehrfacher Antrags-berichtigung am 1. Februar 2006 zugestellten Mahnbescheid nicht rechtzeitig gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt worden. 6 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] unter-bricht (hemmt) ein Mahnbescheid die Verjährung nur dann, wenn der geltend gemachte Anspruch nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend bezeichnet [X.] ist. Er muss durch seine Kennzeichnung von anderen Ansprüchen so un-terschieden und abgegrenzt werden, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels sein und der Schuldner beurteilen kann, ob und in welchem Umfang er sich zur Wehr setzen will. Bei der Geltendma-chung einer Mehrzahl von Einzelforderungen muss deren Bezeichnung im 7 - 5 - Mahnbescheid dem [X.]n ermöglichen, die Zusammensetzung des ver-langten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen ([X.], Urt. v. 30. November 1999 - [X.], [X.], 1420; v. 17. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 305, 306 m.w.N.). Zur [X.] des geltend gemachten Anspruchs kann auch auf Rechnungen oder an-dere Schriftstücke Bezug genommen werden. Stammen solche Schriftstücke, wie [X.], vom Gläubiger, so müssen sie dem Schuldner zugegangen sein ([X.], Urt. v. 30. November 1999, aaO S. 1420 f; v. 6. Dezember 2001 - [X.]/00, NJW 2002, 520, 521). Nur dann, wenn ein solches Schriftstück dem Schuldner bereits bekannt ist, braucht es dem [X.] nicht in Abschrift beigefügt zu werden (vgl. [X.], Urt. v. 8. Mai 1996 - [X.], NJW 1996, 2152 f; v. 23. Januar 2008 - [X.], [X.], 1220, 1221 Rn. 18). 2. Mit der abweichenden Ansicht eines Teils des Schrifttums (vgl. [X.], FS für [X.], 1997, S. 864 f; [X.], Die Verjährungsunterbrechung durch Zustellung eines Mahnbescheides im Mahnverfahren, 2000, [X.]; [X.] [X.] 2001, 1054, 1056), welcher das Berufungsgericht gefolgt ist, hat sich der [X.] in seinem Urteil vom 17. Oktober 2000 (aaO [X.]) bereits auseinandergesetzt. Die dort vertretene Auffassung macht sich der erkennende Senat für den Streitfall zu eigen. 8 3. Der Mahnbescheid, den der Kläger erwirkt hat, zeigt Mängel der An-spruchsbezeichnung, die einer verjährungshemmenden Wirkung seiner Zustel-lung entgegenstehen. 9 a) Zu Unrecht glaubt das Berufungsgericht, auf den Zugang der [X.] verzichten zu können, die der Kläger zur Bezeichnung seiner Ansprü-10 - 6 [X.] herangezogen hat. Kennt der Schuldner die Rechnungen nicht und stand er mit dem Gläubiger - wie hier - aufgrund seines Dauermandates zur [X.] in mehrfachem Leistungsaustausch, so lässt sich dem Mahnbescheid oh-ne die Rechnungen in der Regel nicht entnehmen, für welche Leistungen Ver-gütung und Auslagenerstattung beansprucht werden. Der Schuldner kann somit nicht überprüfen, ob die berechneten Leistungen an ihn erbracht worden sind. Er kann auch nicht ausschließen, dass infolge von [X.] und bereits entgoltene Leistungen nochmals bezahlt verlangt werden. In den Tatsacheninstanzen sind hier keine Umstände festgestellt worden, aus denen der [X.] auch ohne Kenntnis der Rechnungen hätte ersehen können, [X.] Forderungen der Kläger in seinem [X.] verfolgte. Eine Nachfrageobliegenheit des Schuldners, wie sie das Berufungsge-richt vertritt, scheidet für die Abgeltung von [X.] schon nach § 9 Abs. 1 [X.] aus. Nach dieser Vorschrift kann der Steuerberater die Vergütung nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Es könnte einiges dafür sprechen, dass der Steuerberater deshalb in seinem [X.] sogar die Mitteilung der [X.] an den Schuldner behaupten muss (vgl. [X.]/[X.]/[X.], RVG 9. Aufl. § 10 Rn. 3; [X.]/[X.], RVG 18. Aufl. § 10 Rn. 12). Das bedarf hier keiner Entscheidung. [X.] kann der Schuldner, der die Vergü-tung eines Rechtsanwaltes oder Steuerberaters nur aufgrund einer mitgeteilten Berechnung zu zahlen hat, bei Zustellung eines Mahnbescheids gehalten sein, sich nach Grund und Höhe der angemahnten Vergütung zu erkundigen. 11 Aber auch in anderen Fällen bezweckt die von § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geforderte Anspruchsbezeichnung gerade, dem Schuldner den Grund seiner behaupteten Leistungspflicht erkennbar zu machen, so dass Nachfragen und 12 - 7 - unnötige Widersprüche vermieden werden. Der Gläubiger, welcher sich die Vor-teile des Mahnverfahrens zunutze machen will, hat selbst dafür zu sorgen, dass den vom Gesetz gestellten Anforderungen genügt wird. Dazu wäre auch der Kläger ohne weiteres imstande gewesen. Der in der mündlichen Verhandlung von der Revisionserwiderung gegen den [X.]n erhobene [X.] geht deshalb fehl. Die Sorge des Berufungsgerichts, andere Kriterien als die Bezugnahme auf Rechnungen seien oftmals nicht geeignet, die Forderungen in einem Mahn-antrag hinreichend konkret zu bezeichnen, ist unbegründet. Stehen Gläubiger und Schuldner in vertraglichen Beziehungen, so ist es vielmehr regelmäßig [X.] Schwierigkeit, die Mahnforderungen durch Angabe der Aufträge oder Bestel-lungen zu bezeichnen, also durch Willenserklärungen, die vom Schuldner her-rühren. Rechnungen und andere einseitig vom Gläubiger erstellte Urkunden sind dagegen zur Bezeichnung von Forderung gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur dann ohne Einschränkung geeignet, wenn ihr Zugang an den Schuldner außer Zweifel steht, so etwa, wenn der Schuldner gerade die Berechtigung der erhaltenen Rechnung bereits schriftlich bestritten hat. 13 b) Der [X.] des Klägers stützte sich, wie erstmals die Revisions-erwiderung zweifelsfrei klargestellt hat, auf eine gesamtschuldnerische Ver-pflichtung des [X.]n gemäß § 427 BGB. Auch das war dem zugestellten Mahnbescheid nicht zu entnehmen. Der [X.] konnte zunächst nicht erken-nen, dass hier auch die Vergütung von Leistungen beansprucht wurde, welche nicht ihn persönlich als Einzelkaufmann betrafen. Sollte der [X.] aber we-gen der Bezahlung von Leistungen gemahnt werden, die der Kläger teilweise an Dritte erbracht hatte, so musste für den [X.]n jedenfalls dieser Umstand ähnlich wie bei der Geltendmachung einer Mehrzahl von [X.] - genüber demselben Schuldner ersichtlich sein. Denn der Schuldner kann sonst nicht prüfen, inwieweit er auch für Leistungen an Dritte zahlungspflichtig ist, weil ihn insoweit eine Mithaft trifft. Auf die weitere Frage, ob die im Verlauf des Rechtsstreits mitgeteilten Berechnungen des Klägers vom 28. Mai 2002 und 27. Juni 2002 unter der Vor-aussetzung, dass sie die steuerliche Beratung der Unternehmensgruppe [X.] der gemeinschaftlichen Betriebsprüfung umfassten, den Anforderungen des § 9 Abs. 2 [X.] entsprachen, braucht an dieser Stelle nicht weiter [X.] zu werden. 15 II[X.] Das Berufungsurteil kann nicht aus anderem Grunde (§ 561 ZPO) [X.] bleiben. Rechtsfehlerhaft erlassene, nicht individualisierte [X.]e hemmen die Verjährung auch dann nicht, wenn die Individualisierung nach Ablauf der Verjährungsfrist im anschließenden Streitverfahren nachgeholt worden ist ([X.], Urt. v. 17. Oktober 2000, aaO [X.]). Soweit dem Urteil des [X.] vom 18. Mai 1995 ([X.], [X.], 1413, 1414 f) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, kommt selbst dies dem Kläger im Er-gebnis nicht zustatten. Die Zustellung der Anspruchsbegründung ist nicht dem-nächst im Sinne des § 167 ZPO bewirkt worden. Denn zwischen dem Ablauf der Verjährung und der Zustellung der Anspruchsbegründung am 5. April 2006 lag ein [X.]raum von über 13 Wochen, von dem jedenfalls die Verzögerung zwi-schen dem 1. und 24. Januar 2006, der zweiten und letzten Berichtigung des [X.], sowie die [X.] zwischen Abgabe der [X.] am 9. Februar 16 - 9 - 2006 bis zum Eingang der Anspruchsbegründung am 21. März 2006 allein vom Kläger zu vertreten sind. [X.] [X.]

Gehrlein Pape Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 01.12.2006 - 716 C 86/06 - [X.], Entscheidung vom 15.08.2007 - 320 S 2/07 -

Meta

IX ZR 160/07

10.07.2008

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2008, Az. IX ZR 160/07 (REWIS RS 2008, 2861)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2861

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