Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 6 AZR 377/20

6. Senat | REWIS RS 2021, 233

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Gegenstand

Eingruppierung BAT-KF - Leitung einer Werkstatt für behinderte Menschen


Tenor

1. Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 28. Mai 2020 - 18 [X.]/20 - wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Vergütung des [X.] nach [X.] SD 16 Stufe 4 BAT-KF für die [X.] vom 1. April 2016 bis zum 31. Dezember 2018 richtet. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätigen Klägers und sich daraus ergebender Vergütungsdifferenzen.

2

Der beklagte Verein ist Mitglied des [X.]. Er betreibt die sog. H-Werkstätten, die an fünf Standorten behinderte Menschen beschäftigen. Jeder Standort trägt eine Namensbezeichnung (zB M- oder N-Werkstatt) und verfügt über eine Betriebsleitung. Ausweislich des Organigramms „Technik H-Werkstätten“ ist den Betriebsleitungen die „Leitung Technik H-Werkstätten“ übergeordnet. Der Entwurf einer Stellenbeschreibung „Betriebsleitung [X.] H-Werkstätten“ sieht die „Leitung Technik H-Werkstätten“ als „vorgesetzte Stelle“ vor und lautet im Übrigen auszugsweise wie folgt:

        

„2.     

Aufgaben

        

Die Betriebsleitung ist maßgeblich für die Sicherstellung des Auftrags der Einrichtung verantwortlich.

        

…       

        
        

2.1.   

Leitungs- und Führungsaufgaben

        

Die Betriebsleitung führt die Einrichtung in fachlicher, dienstlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.

        

…       

        

Sie unterstützt die Leitung Technik bei der Erstellung der Wirtschafts- und Investitionsplanung und bei der laufenden unterjährigen Wirtschaftsplanung.

        

Das jeweils gültige Organigramm wird von der Betriebsleitung umgesetzt.

        

…       

        

2.2.   

Fachaufgaben

        

Die Betriebsleitung ist in Abstimmung mit der Leitung Technik zuständig für:

                 

●       

die [X.] und die Kommunikation zu den [X.],

                 

●       

die Unterstützung bei der Kalkulation/Nachkalkulation von Aufträgen,

                 

●       

für die Auftragsplatzierung in der Einrichtung und für die ordnungsgemäße und termintreue Abwicklung der Aufträge,

                 

●       

Mitarbeit zur Pflege und Organisation des vorhandenen QMS

        

…       

                 
        

Sie organisiert die Arbeitsprozesse in ihrem Zuständigkeitsbereich, hält sich an die ergonomisch erforderliche Einrichtung der Arbeitsplätze für Beschäftigte und Mitarbeitende der Einrichtung und organisiert den Vorrichtungsbau in Abstimmung mit der Leitung Technik.

        

Sie organisiert die technischen Arbeitsprozesse …

        

Sie ist verantwortlich für den Erhalt und die Entwicklung des Fahrzeug-, Maschinen-, Geräte- und Gebäudebestandes des jeweiligen Verantwortungsbereiches. ... “

3

Der Kläger ist bei den H-Werkstätten seit dem 1. März 2016 als Betriebsleiter der [X.], die eine Durchschnittsbelegung von mindestens 240, aber weniger als 360 Plätzen aufweist, beschäftigt. Er hat eine sonderpädagogische Zusatzqualifikation erworben. Aufgrund vertraglicher Vereinbarung bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag in kirchlicher Fassung (BAT-KF). Die Mitarbeitenden erhalten abhängig von ihrer nach § 10 BAT-KF in Verbindung mit dem einschlägigen [X.]nplan zu bestimmenden Eingruppierung ein Tabellenentgelt und gegebenenfalls eine Jahressonderzahlung.

4

Der [X.]nplan zum BAT-KF für Mitarbeiterinnen im [X.] ([X.] - Anlage 9 zum BAT-KF) vom 16. Dezember 2015 differenziert nach Berufsgruppen und lautete in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung auszugsweise wie folgt:

        

„6. Mitarbeiterinnen in Werkstätten für behinderte Menschen

        

Fallgruppe

Tätigkeitsmerkmal

[X.]

        

…       

                 
        

8.    

Abteilungsleiterin oder Bereichsleiterin mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation, denen mindestens drei Mitarbeiterinnen mit dieser Zusatzqualifikation durch ausdrückliche Anordnung ständig unterstellt sind

SD 10 

        

…       

                 
        

13.     

Leiterinnen von Fachabteilungen oder Zweigwerkstätten in Werkstätten für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation

SD 13 

        

…       

                 
        

15.     

Leiterinnen von Werkstätten für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation bei einer Durchschnittsbelegung von mindestens 120 Plätzen

SD 15 

        

…       

                 
        

17.     

Leiterinnen von Werkstätten für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation bei einer Durchschnittsbelegung von mindestens 240 Plätzen

SD 16 

        

…       

                 
        

19.     

Leiterinnen von Werkstätten für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation bei einer Durchschnittsbelegung von mindestens 360 Plätzen

SD 17 

        

…       

                 
        

21.     

Leiterinnen von Werkstätten für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation bei einer Durchschnittsbelegung von mindestens 480 Plätzen

SD 18 

                                   
        

Anmerkungen:

        

…       

        
        

5       

Zweigwerkstätten oder Fachabteilungen in der Werkstatt für behinderte Menschen sind z.B. gekennzeichnet durch organisatorische Eigenständigkeit, räumlich getrennte Lage einer dezentral organisierten Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder durch fachlich gebotene eigene Struktur.“

5

Am 23. Juni 2021 wurde mit Wirkung zum 1. Juli 2021 die Einführung einer neuen Fallgruppe 8 und die entsprechenden redaktionellen Anpassungen beschlossen. Die bisherigen Fallgruppen 8 bis 21 wurden zu Fallgruppen 9 bis 22.

6

Der Beklagte vergütet den Kläger seit dem 1. März 2016 entsprechend der ursprünglichen Fallgruppe 13 des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum BAT-KF nach [X.] SD 13 BAT-KF.

7

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat der Kläger mit seiner Klage die Feststellung begehrt, dass er von dem Beklagten seit dem 1. März 2016 nach [X.] 4 BAT-KF zu vergüten sei. Für die Monate April 2016 bis einschließlich Dezember 2018 hat er bezogen auf Tabellenentgelt und Jahressonderzahlung die Zahlung der entsprechenden Vergütungsdifferenzen verlangt.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit sei entsprechend der ursprünglichen Fallgruppe 17 des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum BAT-KF nach [X.] zu vergüten. Er leite „in fachlicher, dienstlicher und wirtschaftlicher Hinsicht“ eigenverantwortlich eine Werkstatt für behinderte Menschen, nämlich die [X.]. Bei dieser handle es sich nicht nur um einen Betriebsteil im Sinn einer Zweigwerkstatt der H-Werkstätten, sondern um deren Hauptwerkstatt. Sie weise eine Durchschnittsbelegung von mindestens 240 Plätzen auf. Eine übergeordnete Werkstattleitung bestehe nicht. Der „Leitung Technik“ komme nur eine kaufmännische Funktion zu.

9

Der Kläger hat beantragt

        

1.    

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihn ab dem 1. März 2016 nach der [X.] SD 16, Stufe 4 der Anlage 4e zum [X.] kirchlicher Fassung (BAT-KF) zu vergüten,

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, an ihn restliche Vergütung für die [X.] vom 1. April 2016 bis 31. Dezember 2018 in Höhe von insgesamt 11.370,73 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juni 2019 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger leite nur eine Zweigwerkstatt und sei der „Leitung Technik“ unterstellt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

A. Die Revision ist mangels Begründung unzulässig, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrags auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zur Vergütung des [X.] nach [X.] [X.] 16 Stufe 4 [X.] für die [X.] vom 1. April 2016 bis zum 31. Dezember 2018 richtet.

I. Zur ordnungsgemäßen Begründung der Revision müssen nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO die Revisionsgründe angegeben werden. Die Revisionsbegründung muss die Rechtsfehler des [X.]s so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Daher muss die Revisionsbegründung eine Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils enthalten ([X.] 16. Mai 2019 - 6 [X.] - Rn. 14, [X.]E 166, 363).

II. Diesen Anforderungen wird die Begründung der Revision teilweise nicht gerecht. Das [X.] hat den Feststellungsantrag mangels des nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen, soweit er sich bezüglich des [X.]raums vom 1. April 2016 bis zum 31. Dezember 2018 mit der Leistungsklage überschneidet. Hiermit setzt sich die Revision nicht auseinander.

B. Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Das [X.] hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

I. Der Feststellungsantrag ist zulässig, soweit er sich auf den Monat März 2016 und die [X.] ab dem 1. Januar 2019 bezieht.

1. Er ist dahingehend zu verstehen, dass der Kläger eine Pflicht des Beklagten zur Vergütung nach [X.] [X.] 16 Stufe 4 [X.] festgestellt wissen will (zur Auslegung prozessualer Willenserklärungen vgl. [X.] 25. Februar 2021 - 8 [X.] - Rn. 38 mwN; 10. September 2020 - 6 [X.] - Rn. 12). Die im Antrag genannte Anlage 4e zum [X.] weist nur die Höhe des jeweiligen Tabellenentgelts aus.

2. Mit diesem Inhalt ist der Feststellungsantrag zulässig. Das besondere Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist gegeben.

a) Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die Vergütung in den verschiedenen [X.]abschnitten beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl. [X.] 21. Dezember 2017 - 6 [X.] - Rn. 24 mwN). Der Kläger ist nicht - auch nicht für in der Vergangenheit liegende Streitzeiträume - verpflichtet, eine Leistungsklage zu erheben. Für eine Feststellungsklage besteht trotz der Möglichkeit einer Leistungsklage ein Feststellungsinteresse, wenn durch sie der Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann ([X.] 18. Februar 2021 - 6 [X.] - Rn. 15 mwN). Dies ist hier hinsichtlich der streitigen Differenzvergütung der Fall.

b) Der nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Gegenwartsbezug ist auch für die in der Vergangenheit liegenden [X.]räume gegeben. Der Kläger erstrebt gegenwärtige rechtliche Vorteile in Form eines höheren Entgelts ([X.] 15. Juli 2021 - 6 [X.] - Rn. 15).

II. Der Feststellungsantrag ist aber ebenso wie der Leistungsantrag unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach [X.] [X.] 16 [X.]. Die Voraussetzungen der streitbefangenen Fallgruppe 17 (seit 1. Juli 2021: Fallgruppe 18) des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum [X.] sind nicht erfüllt, da der Kläger nach den Feststellungen des [X.]s nicht als umfassend verantwortlicher Leiter einer Werkstatt für behinderte Menschen fungiert.

1. Der [X.] ist kein Tarifvertrag im Sinn des Tarifvertragsgesetzes, sondern eine auf dem sog. [X.] zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelung ([X.] 24. Juni 2014 - 1 [X.] 1044/12 - Rn. 12; 27. Februar 2014 - 6 [X.] 988/11 - Rn. 21). Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, welchen mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nur über [X.] in Arbeitsverträgen Wirkung verschafft werden kann. Sie unterliegen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB([X.] 22. Juli 2010 - 6 [X.] 847/07 - Rn. 24 , [X.]E 135, 163 ). Bei dieser Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) jedoch angemessen zu berücksichtigen, dass das Verfahren des [X.]s mit paritätischer Besetzung der [X.] ihrer Mitglieder gewährleistet, dass die Arbeitgeberseite nicht einseitig ihre Interessen durchsetzen kann. Die Berücksichtigung dieser Besonderheit bewirkt, dass so zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen grundsätzlich nur daraufhin zu überprüfen sind, ob sie gegen die Verfassung, gegen anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen ([X.] 8. September 2021 - 10 [X.] 322/19 - Rn. 34, 68; 30. Oktober 2019 - 6 [X.] 465/18 - Rn. 22, 33, [X.]E 168, 254). Auch die Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen erfolgt wegen dieser Besonderheit nicht nach einem abstrakt-generellen Maßstab wie bei [X.], sondern nach den gleichen Grundsätzen, wie sie für die Gesetzesauslegung maßgeblich sind. Danach ist vom Wortlaut der Regelung auszugehen und dabei deren maßgeblicher Sinn zu erforschen, ohne am Wortlaut zu haften. Der wirkliche Wille der Richtliniengeber und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Bestimmungen ist mit zu berücksichtigen, soweit sie in den Richtlinien ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den systematischen Zusammenhang der Regelungen ist abzustellen ([X.] 4. August 2016 - 6 [X.] 129/15 - Rn. 27; vgl. auch [X.] 14. März 2019 - 6 [X.] 90/18 - Rn. 21 ff.).

2. Der [X.] findet hier in seiner jeweils geltenden Fassung aufgrund vertraglicher Vereinbarung unstreitig Anwendung. Der [X.]nplan zum [X.] für Mitarbeiterinnen im [X.] (Anlage 9 zum [X.]) setzt in Abschnitt 6 für die Berufsgruppe der Mitarbeiterinnen in Werkstätten für behinderte Menschen für eine Vergütung nach [X.] [X.] 16 [X.] voraus, dass diese als „Leiterin“ einer Werkstatt für behinderte Menschen mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation bei einer Durchschnittsbelegung von mindestens 240 Plätzen tätig sind. Die Leitungsfunktion muss sich im Sinn einer Gesamtverantwortung auf den gesamten Werkstattbetrieb beziehen. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Eingruppierungsregelungen.

a) Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.] bezieht sich auf Werkstätten für behinderte Menschen iSd. § 219 [X.] (bis 31. Dezember 2017: § 136 [X.]) sowie der Werkstättenverordnung ([X.]). Dies wird neben der verwendeten Begrifflichkeit auch dadurch deutlich, dass die Eingruppierungsregelungen bezogen auf die Leitung von Werkstätten für behinderte Menschen eine Durchschnittsbelegung von mindestens 120 Plätzen voraussetzen. Diese Anforderung korrespondiert mit § 7 Abs. 1 [X.], wonach eine solche Werkstatt in der Regel über mindestens 120 Plätze verfügen soll. Gleiches gilt bezüglich der persönlichen Voraussetzung einer sonderpädagogischen Zusatzqualifikation, denn der Werkstattleiter soll nach § 9 Abs. 2 [X.] über eine solche Zusatzqualifikation verfügen. Dieser Bezug lässt allerdings keinen Rückschluss auf den Inhalt der Tatbestandsvoraussetzung einer Leitung in den vergütungsrechtlichen Regelungen des [X.] zu. Das staatliche Sozialversicherungsrecht befasst sich zwar in § 219 [X.] mit Begriff und Aufgaben der Werkstatt für behinderte Menschen (vgl. [X.] in [X.]/[X.] § 219 Stand März 2018 Rn. 2 ff.; [X.] in LPK-[X.] 5. Aufl. § 219 Rn. 5 ff.) und regelt durch §§ 220 ff. [X.] in Verbindung mit der Werkstättenverordnung auch deren fachliche Anforderungen und Organisation einschließlich der Mitbestimmung und Mitwirkung durch [X.] und Frauenbeauftragte. Diese Vorgaben stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Vergütung der dort beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (zu Rechtsstellung und Arbeitsentgelt behinderter Menschen vgl. § 221 [X.]). Im Anwendungsbereich des [X.] wird diese ausschließlich durch dessen Regelungen bestimmt. Die Eingruppierungsregelungen des [X.] sind daher aus sich selbst heraus auszulegen. Dies gilt auch bezüglich der Anforderungen an die Funktion der Leitung einer Werkstatt für behinderte Menschen.

b) Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch ist Leiter jemand, der etwas leitet bzw. leitend an der Spitze von etwas steht ([X.] 17. November 2021 - 4 [X.] - Rn. 19). Dabei bestimmt auch der Gegenstand der Leitungstätigkeit das Tatbestandsmerkmal des Leiters. Als [X.] ist für den Begriff des Leiters weiter erforderlich, dass dieser für eine Einrichtung, einen Teil derselben oder einen abgrenzbaren Aufgabenbereich die Verantwortung trägt ([X.] 16. Mai 2019 - 6 [X.] 93/18 - Rn. 21). Die hier zu prüfenden Eingruppierungsregelungen des [X.] beziehen sich auf Werkstätten für behinderte Menschen als besondere Einrichtungen der Behindertenhilfe. Sie zielen erkennbar darauf ab, die Eingruppierung aller in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätigen Beschäftigten gesondert und abschließend zu regeln, um den spezifischen Anforderungen einer Tätigkeit in dieser Form der Behindertenhilfe gerecht zu werden (vgl. zu den [X.] [X.] [X.] 18. Oktober 2018 - 6 [X.] 550/17 - Rn. 31).

c) Hiervon ausgehend setzt eine Vergütung nach [X.] 16 [X.] ebenso wie eine solche nach [X.] 15, [X.] 17 oder [X.] 18 [X.] in den Fallgruppen 15, 17, 19 und 21 (seit 1. Juli 2021: Fallgruppen 16, 18, 20 und 22) des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum [X.] voraus, dass die Mitarbeiterin bzw. der Mitarbeiter eine Werkstatt für behinderte Menschen mit vollumfänglicher Verantwortung für die Einrichtung leitet. Besteht eine Unterordnung gegenüber einer Person, welche ebenfalls den Regelungen in Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.] unterfällt, ist keine Leitung im Sinn der einschlägigen Fallgruppen gegeben.

aa) Dies ergibt sich aus der Differenzierung verschiedener Leitungsfunktionen in Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.]. Darin wird auf die Leitung von Abteilungen oder Bereichen, die Leitung von Fachabteilungen oder Zweigwerkstätten sowie die Leitung der gesamten Werkstatt für behinderte Menschen abgestellt. Das Eingruppierungssystem unterscheidet damit zwischen der Verantwortung für einen Teilbereich (Abteilung, Bereich, Fachabteilung oder Zweigwerkstatt) und der - höher zu vergütenden - Verantwortung für die gesamte Einheit. Diese Differenzierung kann zu [X.] zB zwischen Abteilung und Fachabteilung oder zwischen Bereich und Zweigwerkstatt führen. Die Anmerkung Nr. 5 zum Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.] dient mit ihrer beispielhaften Auflistung von [X.] der Behebung dieser [X.]. Für das Tatbestandsmerkmal der Leitung einer Werkstatt für behinderte Menschen ist sie nicht heranzuziehen, denn dieses bezieht sich auf die gesamte Organisation, welche der Werkstatt zuzurechnen ist. Das Eingruppierungssystem kennt keine weitere übergeordnete Einheit, so dass insoweit kein Differenzierungsbedarf besteht.

bb) Dem entspricht, dass die Größe der Werkstatt mit einer Staffelung ab mindestens 120 Plätzen nach dem klaren Wortlaut der Eingruppierungsregelungen nur für die Fallgruppen 15, 17, 19 und 21 (seit 1. Juli 2021: Fallgruppen 16, 18, 20 und 22) Bedeutung hat. Die Regelungen nehmen damit keine - überflüssige - Abgrenzung zur Fachabteilung oder Zweigwerkstatt vor, sondern koppeln die Vergütung der Leitung der Werkstatt an deren Größe. Damit wird der mit zunehmender Belegung steigenden Gesamtverantwortung und Belastung Rechnung getragen.

d) In der Konsequenz hat ein Mitarbeiter, welcher eine Vergütung für die Leitung einer Werkstatt nach Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.] in Anspruch nimmt, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass er die gesamte Werkstatt leitet und dabei keinen Weisungen einer übergeordneten Person, welche ihrerseits von diesen Eingruppierungsregelungen erfasst wird, Folge zu leisten hat. [X.] ist demgegenüber die Unterstellung unter Organe des Trägers der Werkstatt, zB eines eingetragenen Vereins oder einer gemeinnützigen GmbH. Die Vergütung dieses Personenkreises wird nicht durch einen [X.]nplan zum [X.] geregelt. Der in Abschnitt 6 der Anlage 9 zum [X.] zum Ausdruck kommende umfassende Regelungswille bezüglich der Eingruppierung der in einer Werkstatt für behinderte Menschen Beschäftigten kommt insoweit nicht zum Tragen.

3. Dementsprechend kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, welche Anforderungen an eine Zweigwerkstatt im Sinn des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum [X.] zu stellen sind und ob die Werkstatt M im Verhältnis zu den H-Werkstätten eine solche Zweigwerkstatt darstellt. Die Klage ist schon deshalb unbegründet, weil der Kläger nach den Feststellungen des [X.]s die [X.] nicht im Sinn des Abschnitts 6 der Anlage 9 zum [X.] leitet. Dies hat das [X.] im Ergebnis zutreffend erkannt.

a) Das [X.] hat seiner Entscheidung das vom Kläger vorgelegte Organigramm „Technik H-Werkstätten“ zugrunde gelegt und festgestellt, dass der ebenfalls vom Kläger vorgelegte Entwurf der Stellenbeschreibung für eine Betriebsleitung inhaltlich zutreffend ist. Die Revision hat hiergegen keine [X.] erhoben. Soweit sie gleichsam pauschal eine Verletzung von § 67 Abs. 3 iVm. Abs. 4 ArbGG durch das [X.] rügt, weil dieses im Berufungsverfahren rechtsfehlerhaft neuen Sachvortrag des Beklagten zugelassen habe, ist dies unbeachtlich. Der Senat ist an die Zulassung des Vortrags gebunden. Eine fehlerhafte Berücksichtigung von neuem Tatsachenvortrag, der bei richtigem Vorgehen des Berufungsgerichts als verspätet hätte zurückgewiesen werden müssen, kann mit der Revision nicht geltend gemacht werden. Denn [X.], welche die Präklusionsvorschriften der hier angeführten § 67 Abs. 3 und Abs. 4 ArbGG sichern sollen, können ersichtlich nicht mehr eintreten, nachdem das Berufungsgericht dem Vorbringen nachgegangen ist (vgl. [X.] 18. Juli 2017 - 1 [X.] 546/15 - Rn. 18; [X.]/[X.] § 67 Stand April 2021 Rn. 58; [X.]/[X.]/[X.] ArbGG 5. Aufl. § 67 Rn. 22).

b) Hiervon ausgehend hat das [X.] ohne revisiblen Rechtsfehler darauf abgestellt, dass der Kläger der Leitung Technik der H-Werkstätten unterstellt ist, weil die Leitung Technik jedenfalls in betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten auch für die [X.] die maßgeblichen Entscheidungen trifft. Dies zeigt sich einerseits im Organigramm, welches den hierarchischen Aufbau der H-Werkstätten und damit die Unterordnung des [X.] als Betriebsleiter darstellt, andererseits im Entwurf der für den Kläger zutreffenden Stellenbeschreibung. Demnach unterstützt die Betriebsleitung die Leitung Technik bei der Erstellung der Wirtschafts- und Investitionsplanung und bei der laufenden unterjährigen Wirtschaftsplanung und ist bezüglich der [X.], der Kommunikation mit den [X.] sowie der Kalkulation/Nachkalkulation von Aufträgen und der Auftragsplatzierung in der Einrichtung nur „in Abstimmung mit der Leitung Technik zuständig“. In der Konsequenz trägt die Leitung Technik jedenfalls insoweit die Verantwortung auch für die [X.]. Der Kläger ist dementsprechend nicht umfassend für die Leitung dieser Werkstatt verantwortlich.

c) Damit besteht auch kein Wertungswiderspruch zur Eingruppierung der Leitung Technik. Wäre die Rechtsauffassung des [X.] zutreffend, wären auch die anderen vier Betriebsleiter bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen als Werkstattleiter zu vergüten. Die vorgesetzte Leitung Technik wäre ebenfalls als Leitung einer Werkstatt für behinderte Menschen, nämlich der gesamten H-Werkstätten, anzusehen. Die H-Werkstätten bestehen aber aus den fünf einzelnen Werkstätten. In der Konsequenz bestünden zwei Leitungspositionen bezüglich jeder Werkstatt. Die Leitung Technik wäre wegen der zusammengefassten Anzahl der Plätze lediglich höher eingruppiert. Eine solche Anzahl von [X.] entspricht nicht dem Verständnis der Eingruppierungsregelungen, welche ersichtlich davon ausgehen, dass nur eine oberste Ebene („Leitung“) besteht.

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Spelge    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Kühner    

        

    M. [X.]    

                 

Meta

6 AZR 377/20

16.12.2021

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Dortmund, 11. Dezember 2019, Az: 10 Ca 2110/19, Urteil

Anl 9 Abschn 6 BAT-KF

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2021, Az. 6 AZR 377/20 (REWIS RS 2021, 233)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 233

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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