Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.09.2011, Az. VIII R 29/09

8. Senat | REWIS RS 2011, 3500

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Gegenstand

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Prozessbevollmächtigter - Verschulden - Zurechenbarkeit


Tatbestand

1

I. Gegen das gegen die Kläger und Revisionskläger (Kläger) ergangene und am 7. Mai 2009 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 30. April 2009  13 K 4608/08 haben deren Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 Revision eingelegt.

2

Die Revision war adressiert an "[X.] Postfach 86 02 40  70013 [X.]" und wurde am Freitag, den 4. Juni 2009 zur Post gegeben. Die Revision ging nach Ermittlung der zutreffenden Anschrift des [X.]s ([X.]) durch die zuständige [X.] erst am 15. Juni 2009 und damit nach Ablauf der [X.] am Montag, den 8. Juni 2009 bei dem [X.] ein.

3

Nach Hinweis des Gerichts auf die eingetretene Fristversäumnis haben die Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] mit der Begründung beantragt, der [X.] habe die Fehladressierung bei Absendung nicht bemerkt. Sie hätte auch bei angemessener Zeitspanne für die [X.] zur Ermittlung der richtigen Adresse zu einer rechtzeitigen Weiterleitung an den [X.] führen müssen. Abgesehen davon hätte die [X.] sie informieren müssen, um ihnen Gelegenheit zur rechtzeitigen erneuten Übersendung eines Revisionsschreibens zu geben.

4

Sie beantragen Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] sowie in der Sache den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 21. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils in der Weise zu ändern, dass die Einkünfte des [X.] aus der streitigen Lebensversicherung nur in Höhe von … € der Besteuerung unterworfen werden.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Revisionsfrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Urteils eingelegt wurde (§ 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) und die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 [X.]O nicht vorliegen.

7

Nach dieser Vorschrift ist Wiedereinsetzung nur zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist --wie hier die Frist zur Einlegung der Revision (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]O)-- einzuhalten.

8

a) Im Streitfall war die Revision vom [X.] zugelassen worden. Die Revisionsfrist lief mithin am Montag, den 8. Juni 2009, ab (§ 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- und § 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Mit Ablauf dieses Tages war die Revisionsschrift nicht --wie es nach § 120 Abs. 1 [X.]O erforderlich gewesen [X.] beim [X.] eingegangen.

9

b) Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 [X.]O) sind nicht gegeben, weil das Fristversäumnis nach eigenem Vorbringen auf einem schuldhaften Versäumnis des Prozessbevollmächtigten der Kläger beruht, das diesen nach § 155 [X.]O i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.

aa) Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des [X.] darf ein Prozessbevollmächtigter die Anfertigung einer Rechtsmittelschrift auch geschultem Büropersonal nicht eigenverantwortlich überlassen. Er hat vielmehr das Arbeitsergebnis jeweils sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist (vgl. z.B. [X.]-Beschluss vom 27. März 1968 [X.]-22/67, [X.]E 92, 307, [X.] 1968, 535; Beschluss des [X.]gerichtshofs vom 2. Mai 1990 [X.] 17/90, [X.] 1991, 307).

bb) Auf dieser Grundlage ist der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die fehlerhafte Adressierung bei Unterzeichnung der Revisionsschrift nicht bemerkt hat, als ihm allein (und nicht seiner Bürokraft) zuzurechnendes Verschulden anzusehen, das eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 [X.]O ausschließt (vgl. [X.]-Beschlüsse vom 7. Juni 1991 [X.], [X.]/NV 1991, 761; vom 9. Januar 1992 [X.], [X.]/NV 1993, 366).

Der Einwand der Kläger, die [X.] habe in vorwerfbarer Weise mehr als neun Tage für die Weiterleitung der fehladressierten Revisionsschrift benötigt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Zeitspanne zwischen Absendung am Freitag, den 4. Juni 2009 und Ablauf der Revisionsfrist am Montag, den 8. Juni 2009 ist derart eng, dass nicht mehr mit einer rechtzeitigen Zustellung der fehlerhaft adressierten Revisionsschrift zu rechnen war. Entscheidend ist daher die Ursächlichkeit des Fehlers der Bevollmächtigten für die Nichteinhaltung der Frist bis zum 8. Juni 2009 (vgl. dazu [X.]-Beschlüsse vom 28. Januar 1992 [X.]/91, juris; vom 28. November 1996 [X.], [X.]/NV 1997, 497: Keine Wiedereinsetzung, wenn "nicht auszuschließen ist, dass der verspätete Zugang ... auf fehlerhafte Adressierung und daher auf ein Verschulden des Revisionsklägers zurückzuführen ist").

Meta

VIII R 29/09

08.09.2011

Bundesfinanzhof 8. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 30. April 2009, Az: 13 K 4608/08, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.09.2011, Az. VIII R 29/09 (REWIS RS 2011, 3500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3500

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