Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.08.2014, Az. III B 16/14

3. Senat | REWIS RS 2014, 3459

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Gegenstand

Keine Wiedereinsetzung bei falscher Adressierung einer Nichtzulassungsbeschwerde - Prüfungspflichten des Prozessbevollmächtigten


Leitsatz

1. NV: Wiedereinsetzung in die versäumte Frist für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zu gewähren, wenn die Beschwerdeschrift durch ein Büroversehen von Kanzleiangestellten des Prozessbevollmächtigten an das Finanzgericht statt an den Bundesfinanzhof adressiert wird, der Prozessbevollmächtigte es aber versäumt, den von ihm unterschriebenen Originalschriftsatz daraufhin zu überprüfen, ob er an das richtige Gericht adressiert ist .

2. NV: Ein Wiedereinsetzungsgrund ergibt sich nicht daraus, dass das Finanzgericht die an das Finanzgericht adressierte Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist an den Bundesfinanzhof weiterleitet, wenn die Beschwerdeschrift erst am letzten Tag der Frist beim Finanzgericht eingeht und im ordentlichen Geschäftsgang nach Fristablauf an den Bundesfinanzhof weitergeleitet wird .

Tatbestand

1

I. Durch das angefochtene Urteil wies das Finanzgericht ([X.]) die Klage des [X.] und Beschwerdeführers (Kläger) wegen Einkommensteuer und [X.] 2003 bis 2006 ab. Das Urteil wurde den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des [X.] am 27. Dezember 2013 zugestellt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2014 legten die Prozessbevollmächtigten des [X.], eine Rechtsanwaltskanzlei, Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil ein. Das Schreiben war an das [X.] adressiert und von einem der Rechtsanwälte unterschrieben. Es wurde per Telefax übermittelt und ging am 27. Januar 2014 um 15:52 Uhr beim [X.] ein. Am 29. Januar 2014 übermittelte das [X.] die Nichtzulassungsbeschwerde per Telefax an den [X.] ([X.]), nachdem zuvor die Senatsvorsitzende noch mit der Sache befasst war.

2

Mit Schreiben vom 24. Februar 2014, das den Prozessbevollmächtigten am 27. Februar 2014 zugestellt wurde, wies der Vorsitzende des beschließenden Senats auf den nach Aktenlage verspäteten Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde beim [X.] und auf § 56 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) hin.

3

Mit beim [X.] am 13. März 2014 eingegangenem Telefax beantragten die Prozessbevollmächtigten des [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung verwiesen sie im Wesentlichen darauf, dass die Falschadressierung auf einem Büroversehen beruhe. Zwar habe der Entwurf der Nichtzulassungsbeschwerde die zutreffende Adressierung an den [X.] enthalten. Durch eine Verkettung mehrerer Ereignisse habe das unter Mitwirkung einer Rechtsanwaltsfachangestellten und einer Auszubildenden zustande gekommene und versandte Original des Schreibens dann aber die Adressierung an das [X.] erhalten. Dem unterzeichnenden Rechtsanwalt sei der Schriftsatz zur Unterschrift vorgelegt worden, indem die zweite Seite zur Unterschrift aufgeklappt gewesen sei. Er habe die Rechtsanwaltsfachangestellte bei der Unterzeichnung noch gefragt, ob alle Angaben kontrolliert seien und sie angewiesen, vorsorglich noch einmal alle Angaben zu überprüfen. Diese habe dann aber die weitere Abwicklung des Versands auf die Auszubildende übertragen.

Entscheidungsgründe

4

II. [X.] ist unzulässig, da sie verspätet beim [X.] eingegangen ist.

5

1. Nach § 116 Abs. 1 [X.]O kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden. [X.] ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim [X.] einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 [X.]O).

6

Im Streitfall wurde das Urteil den Prozessbevollmächtigten am 27. Dezember 2013 zugestellt. Die einmonatige Beschwerdefrist endete daher gemäß § 54 [X.]O i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des 27. Januar 2014 (Montag). [X.] wurde indessen --entgegen der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des [X.] nicht an den [X.], sondern an das [X.] adressiert. Es ist diesem per Telefax am 27. Januar 2014 zugegangen und erst am 29. Januar 2014 per Telefax an den [X.] weitergeleitet worden.

7

2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 [X.]O) ist nicht zu gewähren, da der Prozessbevollmächtigte, dessen Verhalten sich der Kläger zurechnen lassen muss (§ 155 [X.]O i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO), nicht ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten.

8

a) Letzteres ergibt sich daraus, dass der Bevollmächtigte es versäumt hat, die von ihm unterzeichnete Beschwerdeschrift zu überprüfen ([X.]-Beschluss vom 11. August 2005 VIII B 291/04, [X.]/NV 2006, 80). Der Prozessbevollmächtigte hat auch dann, wenn er bei der Anfertigung einer Rechtsmittelschrift geschultes Büropersonal einsetzt, das Arbeitsergebnis jeweils sorgfältig zu überprüfen. Insbesondere muss er prüfen, ob die Rechtsmittelschrift vollständig ist, alle notwendigen Angaben richtig enthält und an das richtige Gericht adressiert ist ([X.]-Beschlüsse vom 8. September 2011 VIII R 29/09, juris; vom 7. Juni 1991 IV R 32/91, [X.]/NV 1991, 761, m.w.N.).

9

Ein Prozessbevollmächtigter darf sich bei der Unterzeichnung des Originals des Schriftsatzes nicht darauf verlassen, dass ein von ihm freigegebener Entwurf des Schriftsatzes keine Fehler enthielt. Denn wie sich bereits aus dem eigenen Vortrag des Prozessbevollmächtigten ergibt, ist insbesondere aufgrund möglicher Fehler bei der Speicherung des Entwurfs und bei der Durchführung weiterer Arbeitsschritte (z.B. Einfügung des Entwurfstextes in den [X.]) nicht sichergestellt, dass das [X.] dem [X.] entspricht. Daher muss der Prozessbevollmächtigte auch prüfen, ob das von ihm unterzeichnete [X.] an das richtige Gericht adressiert ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Fehler --wie im [X.] ohne weiteres erkennbar ist, weil sich der Inhalt des Schreibens im Wesentlichen auf die Angabe des Adressaten, des angefochtenen Urteils und des Antrags beschränkt. Auch darf sich der Prozessbevollmächtigte seiner Pflicht zur abschließenden Kontrolle des [X.] nicht dadurch entziehen, dass er auch diese Aufgabe auf seine Büroangestellten delegiert.

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass das [X.] die Beschwerdeschrift nicht noch innerhalb der Beschwerdefrist an den [X.] weitergeleitet hat.

Zwar kommt eine Wiedereinsetzung in Betracht, wenn der fristgebundene Schriftsatz so zeitig eingereicht worden ist, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann (z.B. [X.]-Beschluss vom 28. Juni 2012 XI B 44/12, [X.]/NV 2012, 1811).

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall jedoch nicht vor. [X.]schrift wurde erst am letzten Tag der Frist gegen Dienstschluss eingereicht. Dass der Schriftsatz dann am Folgetag der Vorsitzenden des im Schriftsatz durch das angegebene Aktenzeichen benannten Senats übermittelt und erst im Laufe eines weiteren Tages an den [X.] übermittelt wurde, ist als Bearbeitung im ordentlichen Geschäftsgang zu werten (vgl. etwa [X.]-Beschluss vom 9. März 2004 [X.], [X.]/NV 2004, 976).

c) Der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] die fehlerhafte Adressierung bei Unterzeichnung der Beschwerdeschrift nicht bemerkt hat, ist deshalb als ihm allein (und nicht seinen Bürokräften oder den Bediensteten des [X.]) zuzurechnendes Verschulden anzusehen. Mangels Vorliegens eines Wiedereinsetzungsgrundes kommt es nicht darauf an, ob auch die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 [X.]O gewahrt wurden.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O ab.

4. [X.] folgt aus § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III B 16/14

18.08.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 21. November 2013, Az: 15 K 9073/11, Urteil

§ 56 FGO, § 116 Abs 2 S 1 FGO, § 85 Abs 2 ZPO, § 155 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 18.08.2014, Az. III B 16/14 (REWIS RS 2014, 3459)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 3459

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Referenzen
Wird zitiert von

B 9 SB 47/15 B

4 B 36/20

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