Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.
Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"
Antrag und Verfassungsbeschwerde gegen die Terminierung der 2. und 3. Lesung des EU-Verfassungsvertrages durch den Ältestenrat des Deutschen Bundestages
[X.]
- 2 [X.] - - 2 BvR 636/05 -
I. | über den Antrag, im [X.]verfahren
festzustellen, der Beschluss des Ältestenrates des [X.], im [X.] am 12./13. Mai 2005 über das Zustimmungsgesetz zum [X.] über eine Verfassung für Europa in zweiter und dritter Lesung zu beschließen, verstößt gegen Art. 2 Abs. 1 [X.], Art. 20 Abs. 1 und 2 [X.], Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 [X.] sowie gegen Art. 23 Abs. 1 [X.], |
Antragsteller: | Dr. G., Mitglied des [X.], Staatsminister a.D., Platz der [X.], 11011 [X.], |
Antragsgegner: | Deutscher [X.], vertreten durch den
Präsidenten, Platz der [X.], 11011 [X.], |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung |
- 2 [X.] –,
II. über die Verfassungsbeschwerde
des [X.],
Mitglied des Deutschen [X.]es, Staatsminister
a.D.,
Platz der [X.], 11011 [X.],
gegen | den Beschluss des Ältestenrates des Deutschen [X.]es, im [X.] am 12./13. Mai 2005 über das Zustimmungsgesetz zum [X.]vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa in zweiter und dritter Lesung zu beschließen |
und | den Antrag, dem Beschwerdeführer gemäß Art. 20 Abs. 4 [X.] andere Abhilfe zum Schutz der grundgesetzlichen Verfassungsordnung dadurch zu geben, dass dem Deutschen [X.] die zweite und dritte Lesung des [X.] zum [X.] über eine Verfassung für Europa, die für den 12./13. Mai 2005 auf dessen Tagesordnung gesetzt ist, untersagt wird |
und | Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, |
- 2 BvR 636/05 -
hat das [X.] - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der [X.]innen und [X.]
Vizepräsident [X.],
Jentsch,
Broß,
Osterloh,
[X.],
Mellinghoff,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt
gemäß § 24 [X.] ohne mündliche Verhandlung am 28. April 2005 beschlossen:
Der Antragsteller und Verfassungsbeschwerdeführer ist Mitglied des Deutschen [X.]es. Er wendet sich gegen den Beschluss des Ältestenrates, mit dem die zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Vertrages über eine Verfassung für Europa vom 29. Oktober 2004 für den 12./13. Mai 2005 festgesetzt wurde.
In seiner Eigenschaft als [X.] des Deutschen [X.]es sieht er sich durch diesen Beschluss in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] verletzt und macht geltend, das beabsichtigte Zustimmungsgesetz sei verfassungs- und staatswidrig.
Durch eine Zustimmung zu dem Vertrag werde er darüber hinaus als Bürger der [X.] in seinen Grundrechten der politischen Freiheit aus Art. 2 Abs. 1 [X.] und auf Vertretung durch den Deutschen [X.] aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] verletzt. Er könne sich auch auf das grundrechtsgleiche Recht des Widerstands aus Art. 20 Abs. 4 [X.] stützen. Der Vertrag sei mit der existenziellen Staatlichkeit [X.] und mit dem Fundamentalprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 [X.] unvereinbar. Er verletze auch die anderen Strukturprinzipien des Art. 20 [X.].
Der Antragsteller hat die aus dem Rubrum ersichtlichen Anträge gestellt.
Von einer Anhörung des Antragsgegners wurde abgesehen. Der Senat hat von der Möglichkeit, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, Gebrauch gemacht.
Der Antrag im [X.]verfahren ist unzulässig.
1. Der Antragsteller ist als [X.] des Deutschen [X.]es parteifähig im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 63 [X.] (vgl. [X.] 10, 4 <10>; 108, 251 <270>; stRspr). Es handelt sich hier auch um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit über den Umfang der Rechte und Pflichten von Beteiligten im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 [X.]. Gegenstand des Verfahrens ist der Streit der Beteiligten darüber, inwieweit der Deutsche [X.] durch die Zustimmung zu einem von der [X.] unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrag die jedem Abgeordneten durch die Verfassung zugewiesenen und gewährleisteten Aufgaben und Rechte (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.]) einschränken kann.
2. Der Antragsteller ist jedoch nicht antragsbefugt. Im [X.] kann der einzelne Abgeordnete die Verletzung oder Gefährdung jedes Rechts, das mit seinem Status verfassungsrechtlich verbunden ist, geltend machen. Sein Antrag ist nach § 64 Abs. 1 [X.] zulässig, wenn nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass die beanstandete Maßnahme Rechte des Antragstellers, die aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten erwachsen, verletzt oder unmittelbar gefährdet (vgl. [X.] 94, 351 <362 f.>; 99, 19 <28>; 104, 310 <325>; 108, 251 <271 f.>).
Der Antragsteller rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch die vom Antragsgegner beschlossene Terminierung der zweiten und dritten Beratung über das Gesetz zu dem [X.] über eine Verfassung für Europa (vgl. BTDrucks 15/4900) auf den 12./13. Mai 2005. Der Beschluss des Ältestenrates ist eine im Rahmen der parlamentarischen Autonomie getroffene Entscheidung, die eine rechtserhebliche Maßnahme im Sinne des § 64 Abs. 1 [X.] - die Zustimmung oder Ablehnung des Gesetzentwurfs durch den Deutschen [X.] - erst vorbereitet.
Die hier angegriffene Terminierung kann Rechte des Antragstellers nicht verletzen. Mit der zweiten und dritten Beratung erfüllt der Antragsgegner die im parlamentarischen Binnenrecht vorgesehenen Voraussetzungen (vgl. § 20 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 78 ff. der Geschäftsordnung des Deutschen [X.]es) eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahrens. Zugleich ermöglicht er die von der Verfassung formulierte Erwartung, dass sich die Abgeordneten des Deutschen [X.]es in der öffentlichen Beratung (vgl. Art. 42 Abs. 1 Satz 1 [X.]) eine Meinung über den Gesetzentwurf bilden können. Erst die freie Debatte im Deutschen [X.] verbindet das rechtstechnische Gesetzgebungsverfahren mit einer substantiellen, auf [X.] des Arguments gegründeten Willensbildung, die es dem demokratisch legitimierten Abgeordneten ermöglicht, die Verantwortung für seine Entscheidung zu übernehmen.
[X.] wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.
1. Eine Verfassungsbeschwerde ist nur dann zulässig, wenn der Beschwerdeführer geltend macht, durch den angegriffenen Hoheitsakt in einem verfassungsbeschwerdefähigen Recht (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.]) unmittelbar und gegenwärtig verletzt zu sein. Der Beschwerdeführer muss hinreichend substantiiert darlegen, dass eine solche Verletzung möglich ist (vgl. [X.] 28, 17 <19>; 52, 303 <327>; 65, 227 <232 f.>; 89, 155 <171>).
[X.] fehlt es hier. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Ältestenrates des Deutschen [X.]es, am 12./13. Mai 2005 im [X.] über das Zustimmungsgesetz zum Vertrag vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa in zweiter und dritter Lesung zu beschließen. Tauglicher Gegenstand der Verfassungsbeschwerde wäre erst das Zustimmungsgesetz selbst (vgl. [X.] 89, 155 <177>), nicht bereits dessen Lesung und die Beschlussfassung hierüber im Deutschen [X.]. Insoweit fehlt es an einem Akt der öffentlichen Gewalt, der Rechte des Beschwerdeführers berühren könnte (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a [X.], § 90 Abs. 1 [X.]). Lesung und Beschlussfassung sind integrale Bestandteile des Gesetzgebungsverfahrens; sie entfalten dem Bürger gegenüber keine unmittelbare Außenwirkung.
Ebenso wenig kann sich der Beschwerdeführer hier dagegen wenden, dass sich der Deutsche [X.] überhaupt mit der Angelegenheit befasst und diese auf die Tagesordnung setzt. Der Beschluss des Ältestenrates erzeugt dem Bürger gegenüber keine rechtserheblichen Wirkungen.
3. Den Interessen des Beschwerdeführers ist hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass er gegen das Zustimmungsgesetz zum [X.] über eine Verfassung für Europa unmittelbar nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens in [X.] und Bundesrat, anders als sonst bei Gesetzen üblich, schon vor Ausfertigung und Verkündung mit der Verfassungsbeschwerde vorgehen kann (vgl. [X.] 1, 396 <411 ff.>; 24, 33 <53 f.>). Eines weiterreichenden Schutzes unter dem Gesichtspunkt einer Grundrechtsgefährdung bedarf es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.
Der Bundespräsident hat etwa im Verfahren betreffend das Zustimmungsgesetz zum [X.], in dem die Beschwerdeführer den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt hatten, um eine völkerrechtliche Bindung der [X.] an den [X.] zu verhindern, erklärt, er werde die Ratifikationsurkunde erst unterzeichnen, wenn das [X.] in der Hauptsache entschieden habe. Desgleichen sicherte die Bundesregierung im damaligen Verfahren zu, die Ratifikationsurkunde vorerst nicht zu hinterlegen (vgl. [X.] 89, 155 <165>).
Vor diesem Hintergrund erweist sich der Antrag auf andere Abhilfe (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a in Verbindung mit Art. 20 Abs. 4 [X.]), ungeachtet der Frage seiner Statthaftigkeit, gegenüber der Verfassungsbeschwerde gegen das Zustimmungsgesetz zum [X.]vom 29. Oktober 2004 über eine Verfassung für Europa als subsidiär (vgl. § 90 Abs. 2 [X.]).
Mangels Zulässigkeit der Hauptsacheanträge erledigen sich die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
[X.] | Jentsch | Broß |
Osterloh | Di Fabio | Mellinghoff |
Lübbe-Wolff | Gerhardt |
Meta
28.04.2005
Sachgebiet: BvR
Zitiervorschlag: Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 28.04.2005, Az. 2 BvE 1/05, 2 BvR 636/05 (REWIS RS 2005, 3794)
Papierfundstellen: REWIS RS 2005, 3794 BVerfGE 112, 363-368 REWIS RS 2005, 3794
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, u.a. (Bundesverfassungsgericht)
Vertrag von Lissabon
2 BvR 987, 1485, 1099/10) (Bundesverfassungsgericht)
Zur Vereinbarkeit von Griechenlandhilfe und Eurorettungsschirm mit dem Grundgesetz
2 BvR 508/01, 2 BvE 1/01 (Bundesverfassungsgericht)
Zur personellen und sachlichen Reichweite des Durchsuchungs- und Beschlagnahmeverbots aus Art. 47 Satz 2 GG
2 BvE 6/12, 2 BvR 1390/12, 2 BvR 1421/12, u.a. (Bundesverfassungsgericht)
Zur Verfassungsmäßigkeit des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und anderer deutscher und europäischer …
2 BvR 1368/16 u.a., 2 BvE 3/16 (Bundesverfassungsgericht)
CETA – Vorläufige Anwendung
Keine Referenz gefunden.
Keine Referenz gefunden.