Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. XII ZB 38/15

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 16449

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[X.]:[X.]:BGH:2016:100216BXIIZB38.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 38/15
vom

10. Februar 2016

in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

[X.] [X.]. 8, 20, 28 ff.
a)
Enthält die eine einstweilige Maßnahme anordnende Entscheidung keine eindeutige Be-gründung für die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts in der Hauptsache unter [X.] auf eine der in den Art.
8 bis 14 [X.] [X.] genannten Zuständigkeiten, und ergibt sich die Hauptsachezuständigkeit auch nicht offensichtlich aus der erlassenen Entschei-dung, ist davon auszugehen, dass die Entscheidung nicht nach den [X.] der [X.] [X.] ergangen ist. In diesem Fall ist zu prüfen, ob die Entscheidung unter die Öffnungsklausel des Art.
20 [X.] [X.] fällt (im [X.] an [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542).
b)
Sind auch die Voraussetzungen des Art.
20 [X.] [X.] nicht gegeben, kommt eine Anerkennung und Vollstreckung der von einem nach der [X.]
[X.] unzuständigen Gericht erlassenen einstweiligen Maßnahme nicht in Betracht (im [X.] an [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542).
c)
Dringlichkeit i.S.d. Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] bezieht sich sowohl auf die Lage, in der sich das Kind befindet, als auch auf die praktische Unmöglichkeit, den die elterliche Ver-antwortung betreffenden Antrag vor dem Gericht zu stellen, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist (im [X.] an [X.] [X.], 525).
d)
Einstweilige Maßnahmen [X.]. Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] können nur in Bezug auf Per-sonen erlassen werden, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das für den Erlass dieser Maßnahmen zuständige Gericht seinen Sitz hat. Das gilt in Verfahren über die elter-liche Verantwortung nicht nur für das Kind selbst, sondern auch für den Elternteil, dem durch den Erlass der Maßnahme das Sorgerecht genommen wird (im [X.] an [X.] [X.], 525).
BGH, Beschluss vom 10. Februar 2016 -
XII ZB 38/15 -
OLG [X.]

[X.]
-
2
-

Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 10.
Februar 2016
durch den Vorsitzenden Richter Dose und [X.], Dr.
Günter, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Be-schluss des 12.
Zivilsenats

Familiensenat

des [X.] vom 22.
Januar 2015 aufgehoben.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 15.
Oktober 2014 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Kosten des [X.] trägt die Antragstel-lerin.
Wert: 3.000

Gründe:
A.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung einer [X.] Entscheidung über die [X.]herausgabe.
Aus der Ehe der Antragstellerin und des
Antragsgegners ging das am 10.
September 2012 in [X.] geborene Kind R. hervor. Die nunmehr ge-trennt lebenden Eltern

beide [X.] Staatsangehörige

wohnten [X.] mit dem Kind in [X.]. Im Mai 2013 reiste die Antragstellerin mit dem 1
2
-
3
-

Kind nach [X.] und verblieb dort.
Der Antragsgegner, der hiermit nicht einver-standen war, leitete daraufhin in [X.] ein Verfahren nach dem [X.] Über-einkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler [X.]entführung vom 25.
Oktober 1980 ([X.] 1990 II S.
206; im Folgenden:
[X.] [X.]ent-führungsübereinkommen

HKÜ)
ein. Anfang September 2013 kehrte die [X.] mit dem Kind nach [X.] zurück.
Bereits
am 30.
September 2013 zog sie mit dem Kind gegen den Willen des Antragsgegners wieder nach [X.]. Der Antragsgegner stellte
daraufhin erneut in [X.] einen Antrag
nach dem [X.] [X.]entführungsübereinkommen
auf Rückführung des [X.]. Vor einer Entscheidung hierüber verbrachte er das Kind am 13.
Juli 2014 ei-genmächtig wieder nach [X.].
Sein Rückführungsantrag wurde [X.] abgewiesen.
Zwischen den Eltern ist in [X.] ein Scheidungsverfahren anhängig, in dessen
Rahmen auch ein Sorgerechtsverfahren eingeleitet wurde. In diesem Verfahren ordnete
das Bezirksgericht L.
am 14.
Juli 2014 auf Antrag der [X.]
in einer Sicherungsverfügung an, dass der Aufenthalt des [X.] für die Dauer des Verfahrens bei der Mutter liege. Zudem verpflichtete es den Antragsgegner, das Kind an die Antragstellerin herauszugeben.
Die Antragstellerin hat in [X.]
beantragt, die Sicherungsverfü-gung für vollstreckbar zu erklären und sodann die Vollstreckung vorzunehmen. Das Amtsgericht hat die
Anträge
abgewiesen. Auf die Beschwerde der Antrag-stellerin hat das Beschwerdegericht die Entscheidung des [X.] und die Sicherungsverfügung hinsichtlich der Herausgabeverpflichtung mit einer Vollstreckungsklausel versehen. Hiergegen wendet sich der Antrags-gegner mit der
Rechtsbeschwerde.

3
4
-
4
-

B.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Be-schwerdeentscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerde der Antragstel-lerin.

I.
Die nach §§
28 des Gesetzes zur Aus-
und Durchführung bestimmter [X.] auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts ([X.] Familienrechtsverfahrensgesetz

IntFamRVG), 574 Abs.
1 Nr.
1
ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Eine Entscheidung des Senats ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§§
28 IntFamRVG, 574 Abs.
2 Nr.
2 Alt.
2 ZPO).
Mit Recht macht die Rechts-beschwerde geltend, dass die Beschwerdeentscheidung auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des [X.] ([X.] [X.], 525 Rn.
42)
beruht.

II.
Die
Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in [X.], 777 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Für die Vollstreckung der Sicherungsverfügung sei die Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.
November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in 5
6
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8
9
-
5
-

Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der [X.] ([X.]) Nr. 1347/2000 ([X.]. [X.] Nr.
L
338 S.
1; im Folgenden: [X.] [X.]) grundsätzlich anwendbar.
Die Entscheidung sei aber nicht nach Art.
11 Abs.
8, 40 Abs.
1 lit.
b, 42 [X.] [X.]
unmittelbar vollstreckbar.
Eine voll-streckbare
Entscheidung im Sinne von Art.
28 [X.] [X.]
liege ebenfalls
nicht vor, weil
nicht ersichtlich sei, dass das [X.] Gericht seine internatio-nale Zuständigkeit auf die Art.
8
ff. [X.] [X.]
gestützt habe.
Damit handele es sich allenfalls
um eine Entscheidung nach Art.
20 [X.] [X.], auf die die Art.
21
ff. [X.] [X.]
nicht anwendbar
seien. Art.
20 [X.] [X.]
lasse aber unter den dort genannten Voraussetzungen den Rückgriff auch auf an sich nachrangige Übereinkommen und [X.] das nationale Recht zu.
Hier habe sich
das [X.] Gericht auf Art.
20 [X.] [X.]
stützen können, denn aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Antragstellers, der das Kind in einem Akt der Selbstjustiz entführt und nach [X.] verbracht habe, habe ein dringendes Regelungsbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Maßnahme bestanden, um die Rückführung des [X.] zur Antragstellerin anzuordnen. Hier könne für die Anerkennung und Voll-streckbarerklärung auf das [X.] Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen
zum Schutz von Kindern vom 19.
Oktober 1996 ([X.]. 2003 Nr.
L
48 S.
3; im Folgenden: [X.]) zurückgegriffen werden. Die Sicherungsverfügung sei gemäß Art.
26 Abs.
1 [X.] für vollstreckbar zu erklären. Ein Ausschlussgrund nach Art.
23 Abs.
2 [X.] liege nicht vor, insbesondere sei das Bezirksgericht L.
international zuständig
gewesen. Zwar habe das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.]; es habe während des Aufenthalts in [X.] noch keinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt dort begründet. Die Zuständigkeit ergebe sich aber 10
-
6
-

aus Art.
11 [X.], weil sich das Kind in [X.] befunden habe und ein dringender Fall vorgelegen habe.
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
a) Zutreffend ist allerdings, dass die in der
Sicherungsverfügung ange-ordnete

aus der elterlichen Sorge resultierende

Aufenthaltsbestimmung und die damit einhergehende Herausgabeverpflichtung in den sachlichen Anwen-dungsbereich der [X.] [X.]
fallen
(Art.
1 Abs.
1 lit.
b Alt.
2, Art.
2 Nr.
7 und Nr.
9 [X.] [X.])
und dass die Voraussetzungen für eine Vollstre-ckung ohne Vollstreckbarerklärung nach Art.
42 Abs.
1, 40 Abs.
1 lit.
b, 11 Abs.
8 [X.] [X.] nicht vorliegen.
b) Ebenso wenig ist etwas dagegen zu erinnern, dass das Berufungsge-richt das Vorliegen einer vollstreckbaren
Entscheidung im Sinne von Art.
28 [X.] [X.] verneint hat, weil nicht ersichtlich sei, dass das [X.] Ge-richt seine internationale Zuständigkeit auf die Art.
8
ff. [X.] [X.] gestützt habe.
aa) [X.] das Gericht eine einstweilige Maßnahme, die den Bereich der elterlichen Sorge betrifft,
ist für die Anwendung der Art.
21
ff. [X.] [X.] darauf abzustellen, ob das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit auf Art.
8
ff. [X.] [X.] gestützt hat. Ist dies zweifelhaft, ist anhand der Ausführungen in der Entscheidung zu prüfen, ob das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit auf eine Vorschrift der [X.] [X.] stützen wollte (Senatsbeschlüsse [X.], 10 =
[X.], 1011 Rn.
19
und
[X.], 270 =
FamRZ 2011, 542 Rn.
23; [X.] [X.], 1521 Rn.
73
ff.).
Kann das nicht [X.] werden, so ist davon auszugehen, dass die zu vollstreckende Entschei-dung nicht nach den Zuständigkeitsvorschriften der [X.] [X.]
er-11
12
13
14
-
7
-

gangen ist ([X.] [X.], 1521 Rn.
76; Senatsbeschluss [X.], 270
=
FamRZ 2011, 542 Rn.
24). In diesem Fall kann eine Maßnahme nach Art.
20 [X.] [X.]
vorliegen. Diese Vorschrift
begründet aber keine Zuständigkeit im Sinne der Verordnung, weshalb auf derartige Verfahren die Art.
21
ff. [X.]
[X.]
nicht anwendbar sind ([X.] [X.], 1521 Rn.
83
ff.; Se-natsbeschluss [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542 Rn.
17).
bb) Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht zu Recht die Anwend-barkeit der Art.
21
ff. [X.]
[X.]
verneint.
Das Bezirksgericht L.
hat in seiner Entscheidung auf die [X.] [X.] nicht Bezug genommen. Soweit es ausführt, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] habe, gibt es nur den Vortrag der Antragstel-lerin wieder, ohne dass erkennbar wird, inwieweit hieraus ein Grund für die in-ternationale Zuständigkeit abgeleitet werden soll.
Zutreffend hat das Beschwer-degericht ausgeführt, dass es für die Zuständigkeit vielmehr ausschließlich Normen des [X.] Rechts
zitiert und diese
im Wesentlichen aus
dem lau-fenden Verfahren in der Hauptsache
hergeleitet
hat,
ohne dass die [X.] hierfür begründet wird.
Damit liegt weder eine eindeutige Begründung der Zuständigkeit nach der [X.] [X.] vor,
noch ergibt sich diese of-fensichtlich aus der Entscheidung.
c) Nicht zutreffend
ist jedoch die Annahme des [X.], dass die Voraussetzungen der
Öffnungsklausel des Art.
20 [X.] [X.]
vor-gelegen
hätten.
aa) Die fehlende Anwendbarkeit der Art.
21
ff. [X.] [X.] steht indes der Anerkennung und Vollstreckung einer auf der Grundlage des Art.
20 [X.]
[X.] ergangenen Maßnahme in anderen Mitgliedstaaten nicht von vornherein entgegen. Vielmehr handelt es sich bei Art.
20 [X.] [X.] um 15
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17
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-
8
-

eine Öffnungsklausel. Während die [X.] [X.] grundsätzlich unter den in Art.
59 bis 63 der Verordnung genannten Voraussetzungen Vorrang vor den meisten einschlägigen internationalen Übereinkommen hat, lässt Art.
20 [X.] [X.] unter den dort genannten Voraussetzungen den Rückgriff auch auf an sich nachrangige Übereinkommen und gegebenenfalls auf das nationale Recht zu. Dies bedeutet nicht nur, dass sich die Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen unter den Voraussetzungen des Art.
20 [X.] [X.] aus nach-rangigen Übereinkommen und dem nationalen Recht ergeben kann, sondern auch, dass die Anerkennung und Vollstreckung solcher Maßnahmen auf der Grundlage der dort enthaltenen [X.] in Betracht kommt (Senats-beschluss [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542 Rn.
18 mwN).
bb) Jedoch liegen die Voraussetzungen des Art.
20 Abs.
1 [X.]
[X.] nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
(1) Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] hat drei Voraussetzungen, die allesamt erfüllt sein müssen, damit die Öffnungsklausel Platz greift.
Die Maßnahme muss dringlich sein, sie muss in Bezug auf Personen oder Vermögensgegen-stände getroffen werden, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das Gericht seinen Sitz hat,
und sie muss vorübergehender Art sein ([X.] [X.],
525 Rn.
39 und [X.], 1521
Rn.
77; Senatsbeschluss [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542 Rn.
19).
(a) Der Begriff der Dringlichkeit bezieht sich dabei sowohl auf die Situati-on des [X.] als auch auf die praktische Unmöglichkeit, eine Entscheidung des in der Hauptsache zuständigen Gerichts zur elterlichen Verantwortung her-beizuführen ([X.] [X.], 525 Rn.
42
und [X.], 1521 Rn.
94).
Bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals ist das Ziel der [X.] [X.] zu beachten, die Beteiligten davon abzuhalten, die Kinder rechts-widrig in einen anderen Mitgliedstaat zu verbringen oder in einem solchen zu-19
20
21
-
9
-

rückzuhalten. Dürfte eine Maßnahme, die zu einer Veränderung der elterlichen Verantwortung und damit zu einer Verfestigung der aus rechtswidrigem Han-deln entstandenen tatsächlichen Situation führt, nach Art.
20 Abs.
1 [X.]
[X.] erlassen werden, liefe das darauf hinaus, die Position des hierfür ver-antwortlichen Elternteils zu stärken (vgl. [X.] [X.], 525 Rn.
49, 57).
(b) Daneben ist schon dem Wortlaut von Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] zu entnehmen, dass einstweilige Maßnahmen nur in Bezug auf Personen zu [X.] sind, die sich in dem Mitgliedstaat befinden, in dem das für den Erlass die-ser Maßnahmen zuständige Gericht seinen Sitz hat. Handelt es sich bei der einstweiligen Maßnahme um eine Sorgerechtsentscheidung
(hier in Form der Aufenthaltsbestimmung und Herausgabeverpflichtung),
wird diese nicht nur in Bezug auf das Kind,
sondern auch in Bezug auf den Elternteil getroffen, dem die
elterliche Sorge entzogen wird, so dass die Anwesenheit des [X.] und des betroffenen Elternteils im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts [X.] ist (vgl. [X.] [X.], 525 Rn.
50
f.).
(c) Schließlich muss die Maßnahme vorübergehender Art sein, es darf sich also nicht um eine Hauptsacheentscheidung handeln.
(2) Hier hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft Art.
20 [X.]
[X.] angewandt, obgleich weder die Dringlichkeit noch die Anwesenheit der betroffenen Personen gegeben waren.
(a) Das Beschwerdegericht hat einen dringenden Fall i.S.d. Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] angenommen ohne zu prüfen, ob es der Antragstellerin nicht möglich war, rechtzeitig eine Entscheidung zur elterlichen Verantwortung durch die [X.] Gerichte herbeizuführen. Von deren Zuständigkeit gemäß Art.
8 i.V.m. Art.
10 [X.] [X.] ist nach den getroffenen und nicht angegrif-fenen Feststellungen auszugehen. Das Kind hatte vor dem widerrechtlichen 22
23
24
25
-
10
-

Verbringen durch seine Mutter seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.].
Die Voraussetzungen des Art.
10 [X.] [X.] für einen Wechsel der [X.] liegen ersichtlich nicht vor; ebenso wenig sind die Voraussetzungen der Zuständigkeit der [X.] Gerichte nach Art.
12 [X.]
[X.] erkennbar. Nach Auffassung des [X.] hat das Kind sei-nen gewöhnlichen Aufenthalt nach wie vor in [X.]. Gründe, warum die
Anrufung der [X.] Gerichte nicht möglich gewesen sein soll, sind nach alledem nicht ersichtlich.
Gegen die Annahme, dass hier ein
dringender Fall vorliegt, spricht im Übrigen das Ziel der [X.] [X.], die Beteiligten von einem rechts-widrigen
Verbringen oder Zurückhalten der
Kinder abzuhalten. Denn die Voll-streckung der Sicherungsverfügung hätte zur Folge, dass der Aufenthalt des [X.] in [X.] verfestigt und legitimiert wird, obgleich die Antragstellerin
das Kind nach den Feststellungen des [X.] zuvor wiederholt wider-rechtlich nach [X.] verbracht hat.
Dass der Antragsgegner durch die eigen-mächtige Rückholung
des [X.] selbst rechtswidrig gehandelt hat, führt für sich genommen nicht zu einer anderen Bewertung der Dringlichkeit.
(b) Des Weiteren hat das Beschwerdegericht nicht beachtet, dass es an der nach Art.
20 Abs.
1 [X.] [X.] erforderlichen Anwesenheit der von der Maßnahme Betroffenen fehlt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Antragsgegner mit dem Kind [X.] bereits am 13.
Juli 2014 v[X.].
Die Sicherungsverfügung datiert demgegenüber vom 14.
Juli 2014.
Die Voraussetzungen des
Art.
20 [X.] [X.], wonach der Antragsgegner und das Kind

als die von der Sicherungsverfügung betroffenen Personen

bei Er-lass der
Sicherungsverfügung
in [X.] hätten anwesend sein müssen, waren demnach nicht erfüllt.

26
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-
11
-

d) Sind schließlich

wie hier

auch die Voraussetzungen des Art.
20 [X.] [X.] nicht gegeben, kommt eine Anerkennung und Vollstreckung der von einem nach der [X.] [X.] unzuständigen Gericht erlassenen einstweiligen Maßnahme nicht in Betracht. Art.
20 [X.] [X.] erlaubt den Rückgriff auf die genannten anderen [X.] nur, wenn die zu tref-fende Maßnahme dringlich ist, einstweiligen Charakter hat und sich auf Perso-nen oder Vermögensgegenstände bezieht, die sich in dem Mitgliedstaat befin-den, in dem das mit der Sache befasste Gericht seinen Sitz hat. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei dem abschließenden Charakter der [X.] IIa-Verord-nung
(Senatsbeschluss [X.], 270 =
FamRZ 2011, 542 Rn.
19 mwN; vgl. auch [X.] [X.], 525 Rn.
38
ff.; Helms
FamRZ 2011, 546).
e) Da eine Vollstreckbarerklärung damit ohnehin ausscheidet, kann die Frage dahinstehen, ob auch Art.
16 HKÜ einer Vollstreckbarerklärung der wäh-rend des laufenden [X.] erlassenen Sicherungsverfügung entge-gensteht
(vgl. dazu
Senatsbeschluss vom 28.
April 2011

XII
ZB
170/11

FamRZ
2011, 959 Rn.
13
mwN).
28
29
-
12
-

3. Die Beschwerdeentscheidung ist daher aufzuheben. Da keine weite-ren
Ermittlungen erforderlich sind, kann der Senat in der Sache abschließend entscheiden. Weil
weder eine unmittelbare Vollstreckung aus der Sicherungs-verfügung noch deren Vollstreckbarerklärung in Betracht kommt, hat das Amts-gericht
die Anträge im Ergebnis
zu Recht abgelehnt.
Die Beschwerde der [X.] war
daher unbegründet und ist zurückzuweisen.

Dose

Schilling

Günter

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.10.2014 -
517 F 8888/14 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.01.2015 -
12 UF 1821/14 -

30

Meta

XII ZB 38/15

10.02.2016

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.02.2016, Az. XII ZB 38/15 (REWIS RS 2016, 16449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16449

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 38/15

12 UF 1821/14

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