Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.06.2010, Az. 7 AZR 1021/08

7. Senat | REWIS RS 2010, 5580

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Gegenstand

Altersgrenze für Flugbegleiter - MTV Nr 11 Kabinenpersonal LTU


Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. November 2008 - 12 Sa 860/08 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer tariflichen Altersgrenzenregelung am 30. November 2009 geendet hat.

2

Die am 23. November 1949 geborene Klägerin war seit 1970 als Flugbegleiterin bei der [X.] beschäftigt. Sie ist Mitglied der [X.]. In dem von der [X.] und der [X.] abgeschlossenen Manteltarifvertrag Nr. 11 Kabinenpersonal [X.] in der Fassung vom 1. Januar 2007 (im Folgenden: [X.]) ist ua. bestimmt:

        

„§ 47 

        

Erreichen der Altersgrenze

        

Das Arbeitsverhältnis endet - ohne dass es einer Kündigung bedarf - mit Ablauf des Monats, in dem die Zahlung einer Altersrente durch den gesetzlichen Versicherungsträger eintritt, spätestens jedoch mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet hat.“

3

Die Klägerin bat die Beklagte mit Schreiben vom 12. März und 23. April 2007 um die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses über die tarifliche Altersgrenze hinaus. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 20. März und 8. Mai 2007 ab.

4

Mit der am 4. Dezember 2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der Altersgrenzenregelung gewandt und gemeint, diese sei unwirksam. Für eine Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal gebe es keinen sachlichen Grund. Außerdem bewirke die Regelung eine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

5

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

1.   

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung nach § 47 des Manteltarifvertrags Nr. 11 für das Kabinenpersonal [X.] zum 30. November 2009 beendet wird,

        

2.   

die Beklagte zu verurteilen, sie über den 30. November 2009 hinaus zu den bisherigen vertraglichen Arbeitsbedingungen als Flugbegleiterin tatsächlich weiterzubeschäftigen.

6

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Regelung in § 47 [X.] sei wirksam und habe das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2009 beendet. Die tarifliche Altersgrenze diene - ebenso wie die Altersgrenze von 60 Jahren für [X.] - der Flugsicherheit und sei daher von der [X.] gedeckt. Das Kabinenpersonal sei in gleicher Weise wie das [X.] außergewöhnlich hohen physischen und psychischen Belastungen wie zB [X.], [X.], Temperaturschwankungen, verschiedenen Zeitzonen und Schichtdienst ausgesetzt. Wegen dieser besonderen Belastungen sei die Wahrscheinlichkeit eines altersbedingten [X.] höher als bei anderen Arbeitnehmern. Der Ausfall eines Mitglieds des [X.] könne die Flugsicherheit erheblich gefährden. Das Kabinenpersonal trage ebenso wie das [X.] die Verantwortung für die Sicherheit der Passagiere, der Allgemeinheit und wertvoller Wirtschaftsgüter. Nach dem [X.] und den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen in [X.] „Gewerbsmäßige Beförderung in Flugzeugen“, Abschn. O „Kabinenbesatzung“ dürfe nur eine geringere Anzahl von Passagieren befördert werden, wenn bereits vor Flugbeginn feststehe, dass ein Flugbegleiter ausfalle. Dies beruhe darauf, dass ein Flugbegleiter nur für eine bestimmte Anzahl von Passagieren verantwortlich sein könne. In Notfällen, in denen das Flugzeug innerhalb von 90 Sekunden evakuiert werden müsse, führe der Ausfall eines Flugbegleiters zu einer erheblichen Gefährdung der Passagiere. Auch während des normalen Flugbetriebs sei die Tätigkeit des [X.] sicherheitsrelevant. Das zeigten die Vorschriften des [X.] über die Unterbringung von Kindern an Bord, über nicht gehfähige Passagiere, über Sicherheitsausrüstungen der Kabine, die Unterbringung von Handgepäck, die Sicherheitsbelehrung der Passagiere, über das Verfahren nach der Landung, über Feuerschutzvorschriften, den Betrieb elektronischer Geräte sowie die Vorschriften über die vom Kabinenpersonal durchzuführenden Checks. Auch das [X.] enthalte im normalen Flugbetrieb zu beachtende sicherheitsrelevante Regelungen für das Kabinenpersonal. Die Altersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal sei auch aus Gründen der Gleichbehandlung mit [X.] nach Art. 3 Abs. 1 GG sowie zur Verhinderung einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung des zu 95,79 % männlichen [X.]s geboten.

7

Das Arbeitsgericht hat der - erstinstanzlich noch gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 23. November 2009 sowie auf Weiterbeschäftigung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres gerichteten - Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] mit einer den zuletzt gestellten Klageanträgen entsprechenden Maßgabe zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag zu 1. zu Recht stattgegeben. Die Befristungskontrollklage ist zulässig und begründet. Das [X.]rbeitsverhältnis der Parteien hat nicht nach § 47 [X.] Nr. 11 am 30. November 2009 geendet. Die in dieser Bestimmung festgelegte [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal ist unwirksam. Für sie besteht kein sachlicher Grund iSv. § 14 [X.]bs. 1 [X.]. Der Klageantrag zu 2. ist dem [X.] nicht zur Entscheidung angefallen.

9

I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig und begründet.

1. Der Klageantrag ist zulässig.

a) Mit dem Klageantrag zu 1. wendet sich die Klägerin im Wege einer Befristungskontrollklage iSv. § 17 Satz 1 [X.] gegen die Beendigung ihres [X.]rbeitsverhältnisses aufgrund der [X.]ltersgrenzenregelung in § 47 [X.] Nr. 11 zum 30. November 2009. Der erstinstanzlich gestellte [X.]ntrag war zwar auf die Feststellung gerichtet, dass das [X.]rbeitsverhältnis nicht mit Erreichen des 60. Lebensjahres am 23. November 2009 geendet hat. Die Beklagte hatte sich allerdings nicht auf eine Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses zu diesem Zeitpunkt, sondern zum 30. November 2009 nach § 47 [X.] Nr. 11 berufen. Die Vorschrift sieht die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses nicht am [X.] des 60. Lebensjahres, sondern erst mit [X.]blauf des Monats, in dem der [X.]rbeitnehmer das 60. Lebensjahr vollendet, vor. Nach der zur [X.]uslegung des Klageantrags heranzuziehenden Klagebegründung war jedoch zweifelsfrei erkennbar, dass sich die Klägerin von [X.]nfang an gegen die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses aufgrund der [X.]ltersgrenzenregelung in § 47 [X.] Nr. 11 gewandt hat. Deshalb war trotz der fehlerhaften Datumsangabe in dem ursprünglichen Klageantrag zu 1. ausschließlich die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses zum 30. November 2009 Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. In diesem Sinne hat die Klägerin den Klageantrag zu 1. in der Berufungsverhandlung vor dem [X.] ausdrücklich klargestellt.

b) Für die Befristungskontrollklage besteht nach § 17 Satz 1 [X.] das erforderliche Feststellungsinteresse. Dem steht nicht entgegen, dass die Klage bereits nahezu zwei Jahre vor dem Erreichen der [X.]ltersgrenze erhoben wurde. [X.]n der alsbaldigen Klärung der Frage, ob eine Befristung wirksam ist, besteht in der Regel bereits vor dem vereinbarten Vertragsende ein rechtliches Interesse der Parteien. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sich der [X.]rbeitgeber - wie im Streitfall - auf die Wirksamkeit der Befristung beruft. Dementsprechend wird die materiell-rechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1 [X.] nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s auch durch die Erhebung einer Klage vor dem [X.]blauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt(vgl. etwa [X.] 13. Oktober 2004 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.] [X.] § 14 Nr. 13 = Ez[X.] [X.] § 14 Nr. 14; 10. März 2004 - 7 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 110, 38).

2. Der Klageantrag zu 1. ist begründet. Das [X.]rbeitsverhältnis der Parteien hat nicht nach § 47 [X.] Nr. 11 am 30. November 2009 geendet. Die tarifliche [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für Mitglieder des [X.] ist mangels eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes iSv. § 14 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] unwirksam. Beim Einsatz von Kabinenpersonal besteht kein annähernd vergleichbares Risiko für die Sicherheit des Flugverkehrs wie beim Einsatz von [X.], für das nach der bisherigen Rechtsprechung des [X.]s eine [X.]ltersgrenze von 60 Jahren sachlich gerechtfertigt ist.

a) Die in § 47 [X.] Nr. 11 normierte [X.]ltersgrenze ist nicht durch einen sachlichen Grund iSv. § 14 [X.]bs. 1 Satz 1 [X.] gerechtfertigt.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s unterliegen tarifliche Regelungen über die Beendigung von [X.]rbeitsverhältnissen aufgrund von Befristungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle. Dazu gehören auch tarifliche [X.]ltersgrenzen(vgl. etwa [X.] 27. November 2002 - 7 [X.] - zu B I[X.] a der Gründe, [X.] BGB § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 22 = Ez[X.] BGB 2002 § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 2).

(1) Nach der bereits vor Inkrafttreten des [X.] am 1. Januar 2001 entwickelten ständigen Rechtsprechung des [X.] waren [X.]ltersgrenzen, die eine Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt vorsehen, in dem der [X.]rbeitnehmer noch nicht die Möglichkeit hat, eine gesetzliche [X.]ltersrente zu beziehen, sachlich gerechtfertigt, wenn das Erreichen eines bestimmten Lebensalters wegen der vom [X.]rbeitnehmer ausgeübten Tätigkeit zu einer Gefährdung wichtiger Rechtsgüter führen kann. [X.]ltersgrenzen, welche die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses von Mitgliedern der Besatzung von Luftfahrzeugen vorsehen, hat das [X.] für zulässig gehalten, wenn durch die Beschäftigung des [X.]rbeitnehmers über ein bestimmtes Lebensalter hinaus nach einer nachvollziehbaren Einschätzung der Tarifvertragsparteien das Risiko unerwarteter altersbedingter [X.]usfallerscheinungen zunimmt und dadurch die Gefahr für Leben und Gesundheit der Besatzungsmitglieder, der Passagiere sowie der Personen am Boden ansteigt(vgl. die zahlreichen Nachweise in [X.] 16. Oktober 2008 - 7 [X.] ([X.]) - Rn. 17, [X.] [X.] § 14 Nr. 55 = Ez[X.] [X.] § 14 Nr. 54). Zwar hängt das zur Minderung der Leistungsfähigkeit führende [X.]ltern nicht allein vom Lebensalter ab, sondern ist ein schleichender Prozess, der individuell verschieden schnell vor sich geht. Es entspricht jedoch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Gefahr einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit generell mit zunehmenden [X.]lter größer wird ([X.] 27. November 2002 - 7 [X.] - zu B I[X.] a der Gründe, [X.] BGB § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 22 = Ez[X.] BGB 2002 § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 2). Wie der [X.] wiederholt ausgeführt hat, sind insbesondere Flugzeugführer überdurchschnittlichen physischen und psychischen Belastungen ausgesetzt, in deren Gefolge auch bei guter individueller gesundheitlicher Verfassung mit höherem Lebensalter das Risiko plötzlicher [X.]usfallerscheinungen und unerwarteter Fehlreaktionen zunimmt (vgl. [X.] 20. Februar 2002 - 7 [X.]ZR 748/00 - zu [X.] 3 [X.] der Gründe mwN, [X.]E 100, 292). Die Vereinbarung einer [X.]ltersgrenze, die das Ende des [X.]rbeitsverhältnisses eines Mitglieds des [X.]s von dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters abhängig macht, trägt dieser möglichen Gefahrenlage Rechnung und schützt damit zugleich das Besatzungsmitglied vor einer Überbeanspruchung durch seine berufliche Tätigkeit (vgl. [X.] 16. Oktober 2008 - 7 [X.] ([X.]) - aaO). Bei der Beurteilung des [X.] haben die Tarifvertragsparteien einen Einschätzungsspielraum, der von den Gerichten für [X.]rbeitssachen bei der Würdigung, ob für die tarifliche Regelung ein sachlicher Grund iSd. § 14 [X.]bs. 1 [X.] besteht, zu beachten ist ([X.] 21. Juli 2004 - 7 [X.]ZR 589/03 - zu I[X.] b der Gründe, Ez[X.] BGB 2002 § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 5).

(2) [X.]n diesen Grundsätzen, die das [X.] aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht beanstandet hat([X.] 25. November 2004 - 1 BvR 2459/04 - zu [X.] 3 c der Gründe, [X.] BGB § 620 [X.]ltersgrenze Nr. 25), hat der [X.] unter der Geltung des [X.] festgehalten ([X.] 16. Oktober 2008 - 7 [X.] ([X.]) - Rn. 17, [X.] [X.] § 14 Nr. 55 = Ez[X.] [X.] § 14 Nr. 54).

bb) Danach besteht für die in § 47 [X.] Nr. 11 enthaltene [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal kein sachlicher Grund. Das [X.] hat zutreffend erkannt, dass keine nachvollziehbaren [X.]nhaltspunkte für die [X.]nnahme dargelegt oder sonst ersichtlich sind, das altersbedingte Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Mitgliedern des [X.] könne zu einer ernsthaften Gefährdung von Leben und Gesundheit der Passagiere, der Flugbesatzung oder der Personen in den überflogenen Gebieten führen. Die Tarifvertragsparteien haben daher die ihnen zustehende [X.] und ihren Gestaltungsspielraum bei der Normsetzung überschritten.

(1) Der [X.] hat durch Urteil vom 31. Juli 2002(- 7 [X.]ZR 140/01 - zu B I[X.] b der Gründe, [X.]E 102, 65) entschieden, dass eine auf die Vollendung des 55. Lebensjahres bezogene tarifvertragliche [X.]ltersgrenze für das Kabinenpersonal, die mit dem möglichen altersbedingten Nachlassen des physischen und psychischen Leistungsvermögens begründet wird, die Beendigung des [X.]rbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen kann. Er hat dies damit begründet, dass das Sicherheitsrisiko beim Einsatz von Kabinenpersonal demjenigen von [X.] nicht annähernd vergleichbar sei. Fälle, in denen der altersbedingte [X.]usfall eines Mitglieds des [X.] die Passagiere, die Besatzung oder gar Menschen in überflogenen Gebieten in ernste Gefahr bringen könnte, seien derart theoretisch und unwahrscheinlich, dass sie nicht geeignet seien, eine generelle [X.]ltersgrenze von 55 Jahren für diese Personengruppen zu rechtfertigen. Falls ein Mitglied des [X.] tatsächlich während eines Flugs altersbedingt ausfallen sollte, würden dadurch Leib und Leben der Flugpassagiere und der Besatzungsmitglieder oder sonstige wichtige Rechtsgüter nicht gefährdet. [X.]llein mit der extremen [X.]usnahmesituation einer etwaigen Notlandung lasse sich die [X.]ltersgrenze nicht rechtfertigen. Diese Rechtsprechung hat der [X.] für eine tarifliche [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal im Beschluss vom 16. Oktober 2008 (- 7 [X.] ([X.]) - Rn. 20 ff., [X.] [X.] § 14 Nr. 55 = Ez[X.] [X.] § 14 Nr. 54) bestätigt.

(2) Für die in § 47 [X.] Nr. 11 normierte [X.]ltersgrenze von 60 Jahren gilt nichts anderes. Der altersbedingte Leistungsabbau oder das mit zunehmendem [X.]lter erhöhte Risiko plötzlicher, unvorhersehbarer gesundheitlicher [X.]usfallerscheinungen können bei einem Mitglied des [X.] nicht zu einer annähernd vergleichbaren Gefährdung für die Sicherheit des Flugverkehrs führen wie bei einem Mitglied des [X.]s. Fälle, in denen der altersbedingte [X.]usfall eines Flugbegleiters andere Menschen in ernste Gefahr bringen könnte, sind derart theoretisch und unwahrscheinlich, dass sie nicht geeignet sind, eine generelle [X.]ltersgrenze von 60 Jahren zu rechtfertigen.

(a) Beim [X.]usfall eines Mitglieds des [X.] während des Flugs werden Leib und Leben anderer Menschen oder sonstige wichtige Rechtsgüter nicht ernsthaft gefährdet. Zwar hat sich die Beklagte darauf berufen, dass ein Flugbegleiter nur eine bestimmte [X.]nzahl von Fluggästen hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheitsvorschriften nach dem sog. [X.] betreuen könne, zB was die ordnungsgemäße Unterbringung des Gepäcks, die Betätigung der Sitze und Sicherheitsgurte, das Freihalten von [X.]usgängen sowie die Sicherheitsbelehrung der Passagiere betreffe. Die durch den [X.]usfall eines Flugbegleiters während des Fluges entstehende Gefahrenlage ist jedoch derjenigen beim [X.]usfall eines Mitglieds des [X.]s, das für die Führung des Flugzeugs verantwortlich ist, nicht vergleichbar. Selbst wenn der [X.]usfall eines Flugbegleiters zur Vernachlässigung einzelner nach dem [X.] oder dem First [X.]id Manual bestehender Sicherheitsbestimmungen führen sollte, erscheint es völlig unwahrscheinlich, dass dies den [X.]bsturz des Flugzeuges zur Folge haben könnte.

(b) In Fällen einer Notlandung oder Notwasserung könnte das altersbedingte Nachlassen der Leistungsfähigkeit oder der vollständige [X.]usfall eines Mitglieds des [X.] zwar zu einer Gefährdung der Passagiere führen, wenn das Flugzeug nicht schnell genug oder nicht sachgerecht geräumt werden könnte oder - bei einer Notwasserung - nicht alle Rettungsboote ordnungsgemäß betreut werden könnten. Diese Fälle sind jedoch derart theoretisch und unwahrscheinlich, dass sie zur Rechtfertigung einer generellen [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für das Kabinenpersonal nicht geeignet sind(vgl. [X.] 16. Oktober 2008 - 7 [X.] ([X.]) - Rn. 19 - 21, [X.] [X.] § 14 Nr. 55 = Ez[X.] [X.] § 14 Nr. 54).

cc) Die [X.]ltersgrenze von 60 Jahren ist nicht deshalb sachlich gerechtfertigt, weil das Kabinenpersonal die Möglichkeit hat, [X.]nsprüche auf eine von der [X.] finanzierte, tariflich geregelte Übergangsversorgung zu erwerben. Eine Übergangsversorgung ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.]s allenfalls geeignet, eine an sich sachlich gerechtfertigte [X.]ltersgrenze als „noch eher zumutbar“ erscheinen zu lassen([X.] 31. Juli 2002 - 7 [X.]ZR 140/01 - zu [X.] 4 der Gründe, [X.]E 102, 65).

b) Da die Gefahrenlage für die Sicherheit des Flugverkehrs beim [X.]usfall von Mitgliedern des [X.] derjenigen beim [X.]usfall von [X.] nicht annähernd vergleichbar ist, ist die Normierung einer [X.]ltersgrenze von 60 Jahren für Kabinenpersonal nicht aus Gründen der Gleichbehandlung mit [X.] geboten. Eine Ungleichbehandlung beider Personengruppen in Bezug auf die [X.]ltersgrenze verstößt daher weder gegen [X.]rt. 3 [X.]bs. 1 GG, noch bewirkt sie eine unzulässige geschlechtsspezifische Diskriminierung iSv. §§ 7, 1 [X.]GG des überwiegend männlichen [X.]s gegenüber dem überwiegend weiblichen Kabinenpersonal.

II. Der Klageantrag zu 2. ist dem [X.] nicht zur Entscheidung angefallen. Mit diesem [X.]ntrag macht die Klägerin den vom [X.] des [X.] entwickelten [X.] für die Dauer des Rechtsstreits([X.] 27. Februar 1985 - [X.] - [X.]E 48, 122) geltend. In diesem Sinne hat das [X.]rbeitsgericht den [X.]ntrag nach den [X.]usführungen zu II des erstinstanzlichen Urteils ausgelegt. Gegen diese Würdigung haben sich die Parteien nicht gewandt. Der Rechtsstreit ist mit der Verkündung der Entscheidung des [X.]s über den Klageantrag zu 1. rechtskräftig abgeschlossen. Der [X.] hat daher nicht zu prüfen, ob das [X.] dem Weiterbeschäftigungsantrag zu Recht stattgegeben hat.

III. [X.] beruht auf § 97 [X.]bs. 1 ZPO.

        

    Linsenmaier    

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

        

        

    G. Güner    

        

    Hansen    

                 

Meta

7 AZR 1021/08

23.06.2010

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Düsseldorf, 29. April 2008, Az: 7 Ca 7849/07, Urteil

§ 611 Abs 1 BGB, § 1 Abs 1 TVG, § 17 S 1 TzBfG, § 14 Abs 1 S 1 TzBfG, Art 3 Abs 1 GG, § 1 AGG, § 7 Abs 1 AGG, § 10 S 1 AGG, § 7 Abs 2 AGG, § 133 BGB, § 253 Abs 1 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.06.2010, Az. 7 AZR 1021/08 (REWIS RS 2010, 5580)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5580


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 7 AZR 1021/08

Bundesarbeitsgericht, 7 AZR 1021/08, 23.06.2010.


Az. 7 Ca 7849/07

Arbeitsgericht Düsseldorf, 7 Ca 7849/07, 29.04.2008.


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15 Sa 318/17

3 Sa 1126/18

11 Sa 1775/17

3 Sa 1002/12

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