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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 93/12
vom
16. April 2015
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat dur[X.]h [X.] Dr.
Kayser, [X.] Dr. Gehrlein, [X.],
Dr. Fis[X.]her
und Grupp
am
16. April 2015
bes[X.]hlossen:
Auf die Re[X.]htsbes[X.]hwerde des S[X.]huldners wird der Bes[X.]hluss der 5. Zivilkammer des [X.] vom 7. August 2012 aufgehoben.
Die Sa[X.]he wird zur erneuten Ents[X.]heidung, au[X.]h über die Kosten des Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahrens, an das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht zu-rü[X.]kverwiesen.
t-gesetzt.
Gründe:
I.
Am 10.
November 2010 beantragte die weitere Beteiligte zu 1 das
Insol-venzverfahren
über das Vermögen des S[X.]huldners
zu eröffnen. Hierauf stellte das Insolvenzgeri[X.]ht diesen Antrag dem S[X.]huldner zu und wies ihn darauf hin, dass er Rests[X.]huldbefreiung erlangen könne, hierfür jedo[X.]h ein binnen einer Frist von vier Wo[X.]hen zu stellender eigener Insolvenzantrag erforderli[X.]h sei. Na[X.]hdem der S[X.]huldner am 16.
Januar 2011 sowohl die Eröffnung des [X.]
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venzverfahrens als au[X.]h die Rests[X.]huldbefreiung und -
auf einen weiteren Hin-weis des Insolvenzgeri[X.]hts
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eine Überleitung in das Verbrau[X.]herinsolvenzver-fahren beantragt hatte, teilte das Insolvenzgeri[X.]ht dem S[X.]huldner mit S[X.]hreiben vom 23.
Februar 2011 mit,
er habe binnen einer Frist von drei Monaten einen außergeri[X.]htli[X.]hen S[X.]huldenbereinigungsversu[X.]h dur[X.]hzuführen und die erfor-derli[X.]hen Unterlagen vorzulegen; anderenfalls werde die Rü[X.]knahme seines [X.] fingiert. Da der S[X.]huldner in der Folge dem Insolvenzgeri[X.]ht auf dessen Aufforderung
die Dur[X.]hführung des S[X.]huldenbereinigungsplanverfah-rens ni[X.]ht na[X.]hwies, stellte das Geri[X.]ht fest, dass der Eigenantrag des [X.] als zurü[X.]kgenommen gelte und eröffnete mit Bes[X.]hluss vom 6.
Juli 2011 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des S[X.]huldners auf den [X.].
Den dur[X.]h den S[X.]huldner am 11.
Oktober 2011 erneut gestellten Antrag auf Rests[X.]huldbefreiung hat das Insolvenzgeri[X.]ht
mangels Vorliegen des erfor-derli[X.]hen [X.]
als unzulässig zurü[X.]kgewiesen. Die hiergegen [X.] sofortige Bes[X.]hwerde des S[X.]huldners hat das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht zurü[X.]kge-wiesen.
Mit der
vom Einzelri[X.]hter
wegen grundsätzli[X.]her Bedeutung zugelasse-nen
Re[X.]htsbes[X.]hwerde verfolgt der S[X.]huldner seinen Antrag auf Erteilung der Rests[X.]huldbefreiung weiter.
II.
Die Re[X.]htsbes[X.]hwerde ist statthaft (§
574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§
6, 289 Abs.
2 Satz 1 [X.]
aF) und au[X.]h im Übrigen zulässig. Sie führt zur Aufhe-bung der angefo[X.]htenen Ents[X.]heidung und zur Zurü[X.]kverweisung der Sa[X.]he an das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht.
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Ents[X.]heidet der originäre Einzelri[X.]hter
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wie hier
-
in einer Sa[X.]he, der er re[X.]htsgrundsätzli[X.]he Bedeutung beimisst, über die Bes[X.]hwerde und lässt er die Re[X.]htsbes[X.]hwerde zu, so ist die Zulassung
wirksam. Auf die [X.] unterliegt die Ents[X.]heidung jedo[X.]h wegen der fehlerhaften
Besetzung des [X.] der Aufhebung von Amts wegen, weil der Einzelri[X.]hter
in Re[X.]htssa[X.]hen, denen er grundsätzli[X.]he Bedeutung beimisst, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen hat. [X.] er mit der Zulassungs-ents[X.]heidung
zuglei[X.]h die grundsätzli[X.]he Bedeutung der Re[X.]htssa[X.]he, ist seine Ents[X.]heidung objektiv willkürli[X.]h und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzli[X.]hen Ri[X.]hters na[X.]h Art.
101 Abs.
1 Satz 2 GG
([X.], Bes[X.]hluss vom 13.
März 2003 -
IX
ZB 134/02, [X.]Z 154, 200, 201
ff; vom 28.
Juni 2012 -
IX
ZB 298/11, [X.], 1439
Rn.
3; vom 20.
November 2014 -
IX
ZB 56/13, [X.], 108 Rn.
4).
III.
1. Die angefo[X.]htene Ents[X.]heidung ist bereits aus diesem Grund
aufzu-heben und die Sa[X.]he zur erneuten Ents[X.]heidung an den Einzelri[X.]hter
zurü[X.]k-zuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz 1 ZPO), damit er die gegebenenfalls na[X.]h §
568 Satz 2 ZPO
erforderli[X.]he Übertragungsents[X.]heidung treffen kann.
2. [X.] kann daher, ob der
Bes[X.]hluss des [X.] au[X.]h mangels wirksamer ri[X.]hterli[X.]her Unters[X.]hrift aufzuheben ist. Sollte der Bes[X.]hluss
entspre[X.]hend der bei der Akte befindli[X.]hen beglaubigten Abs[X.]hrift
von dem ni[X.]ht an der Bes[X.]hlussfassung beteiligten Vertreter des erkennenden Einzelri[X.]hters unterzei[X.]hnet worden sein,
hätte dies die Unwirksamkeit der an-4
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gefo[X.]htenen Ents[X.]heidung zur Folge
(vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober 1997 -
IX
ZR 249/96, [X.]Z 137, 49, 51
f). Gemäß § 329 Abs.
1 Satz 2, §
317 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit §
315 Abs.
1 ZPO ist für den Bes[X.]hluss, ebenso wie für das Urteil, die Unters[X.]hrift des allein ents[X.]heidenden Ri[X.]hters unentbehrli[X.]h (vgl. [X.], Urteil vom 23.
Oktober
1997, aaO).
Diese Grundsätze gelten gemäß §
4 [X.]
grundsätzli[X.]h au[X.]h im Geltungsberei[X.]h der Insolvenzordnung ([X.], Urteil vom 23.
Oktober 1997,
aaO).
3. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Ansi[X.]ht der Re[X.]htsbes[X.]hwerde die Vorinstanzen zutreffend
von der Unzu-lässigkeit des
isoliert
gestellten Antrages auf Rests[X.]huldbefreiung ausgegangen sind.
Die vom Insolvenzgeri[X.]ht
erteilten Hinweise haben dem
S[X.]huldner ermög-li[X.]ht, si[X.]h die
Aussi[X.]ht auf Rests[X.]huldbefreiung zu erhalten. Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG liegt ni[X.]ht vor.
a) Grundsätzli[X.]h ergibt si[X.]h für das Verbrau[X.]herinsolvenzverfahren be-reits aus
der gesetzli[X.]hen Regelung der §
305 Abs.
1, §
306 Abs.
3 [X.], dass ein Eigenantrag des S[X.]huldners
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Voraussetzung für die Gewährung der Rests[X.]huldbefreiung ist. Dur[X.]h diese
Verpfli[X.]htung des S[X.]huldners, einen
Eigenantrag zu stellen, soll
na[X.]h dem [X.] Willen die Dur[X.]hführung des
außergeri[X.]htli[X.]hen und geri[X.]htli-[X.]hen S[X.]huldenbereinigungsverfahrens gewährleistet
werden (vgl.
Mün[X.]h-Komm-[X.]/[X.]/[X.], 3.
Aufl., §
306 Rn.
1; [X.]/[X.], [X.], 18.
Aufl., §
306 Rn.
1). Dieses Ziel einer Entlastung der Geri[X.]hte dur[X.]h das vorges[X.]halte-te S[X.]huldenbereinigungsverfahren kann
regelmäßig na[X.]h Eröffnung des [X.] auf einen Gläubigerantrag ni[X.]ht mehr errei[X.]ht
werden, weil dem S[X.]huldner zu diesem Zeitpunkt
gemäß §
81 [X.] die Re[X.]htsma[X.]ht fehlt, seinen 7
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Gläubigern eine teilweise Befriedigung ihrer Forderungen anzubieten
(vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 17.
Februar 2005 -
IX
ZB 176/03, [X.]Z 162, 181, 187).
b) Um dem S[X.]huldner
sofern es si[X.]h um eine natürli[X.]he Person han-delt
die Wahrung seiner Re[X.]hte zu ermögli[X.]hen, ist er
umfassend auf die [X.] zur Erlangung der Rests[X.]huldbefreiung hinzuweisen ([X.], [X.] vom 17.
Februar 2005, aaO S.
183 f).
Ein fehlerhafter, unvollständiger oder verspäteter Hinweis des Insolvenzgeri[X.]hts verletzt regelmäßig das Re[X.]ht des S[X.]huldners auf re[X.]htli[X.]hes Gehör und darf ni[X.]ht dazu führen, dass der S[X.]huldner aus [X.] die Mögli[X.]hkeit der Rests[X.]huldbefreiung ver-liert ([X.], Bes[X.]hluss vom 17.
Februar 2005, aaO
S. 186; [X.], Bes[X.]hluss vom 3.
Juli 2008 -
IX
ZB 182/07, [X.], 3494 Rn. 20 f). Daher
ist in diesen Aus-nahmefällen die Stellung eines isolierten Rests[X.]huldbefreiungsantrages zuläs-sig (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 17.
Februar 2005, aaO; [X.], Bes[X.]hluss vom 3.
Juli 2008,
aaO).
[X.])
In zutreffender Weise ist das Bes[X.]hwerdegeri[X.]ht davon ausgegangen, dass die dur[X.]h das Insolvenzgeri[X.]ht erteilten Hinweise
hinrei[X.]hend klar und vollständig waren und deshalb
den S[X.]huldner ni[X.]ht in seinem Grundre[X.]ht auf re[X.]htli[X.]hes Gehör
verletzten. Der
na[X.]h Eintritt der Rü[X.]knahmefiktion des §
305 Abs.
3 Satz 2 [X.] gestellte Antrag auf Rests[X.]huldbefreiung
war dana[X.]h
unzu-lässig.
aa) Bereits mit Verfügung vom 11.
November 2010 hat das Insolvenzge-ri[X.]ht den S[X.]huldner in
einer
den Anforderungen des §
20 Abs. 2 [X.] genügen-den
Weise auf die Mögli[X.]hkeit der Rests[X.]huldbefreiung, das Erfordernis der eigenen Antragsstellung binnen einer Frist von vier Wo[X.]hen und die Folgen ei-nes unterbliebenen [X.] hingewiesen. Den Inhalt dieses klar und für 9
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einen juristis[X.]hen Laien verständli[X.]h formulierten Hinweises hat der S[X.]huldner in zutreffender Weise erfasst
und befolgt, was si[X.]h in der Stellung des [X.] und des Antrags auf Rests[X.]huldbefreiung am 16.
Januar 2011 widerspie-gelt.
Dass das Insolvenzgeri[X.]ht hierbei seine Hinweise zunä[X.]hst
vorwiegend an der Dur[X.]hführung eines
Regelinsolvenzverfahrens
ausri[X.]htete, ist mangels ei-nes ausdrü[X.]kli[X.]h auf Eröffnung eines Verbrau[X.]herinsolvenzverfahrens zielen-den Gläubigerantrags ni[X.]ht zu beanstanden
(vgl. Uhlenbru[X.]k/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
306 Rn. 64; HmbKomm-[X.]/Stre[X.]k/[X.], 5.
Aufl., §
306 Rn.
12).
bb) Au[X.]h der na[X.]h
Überleitung
in ein Verbrau[X.]herinsolvenzverfahren er-teilte Hinweis vom 23.
Februar 2011
zeigt einem
re[X.]htsunkundigen S[X.]huldner in hinrei[X.]hender Deutli[X.]hkeit die Notwendigkeit der Dur[X.]hführung des S[X.]hulden-bereinigungsverfahrens binnen einer Frist von drei Monaten auf. Auf die dro-hende Folge des §
305 Abs.
3 Satz 2 [X.] nimmt der Hinweis insoweit aus-drü[X.]kli[X.]h Bezug. Allein die Verwendung des Re[X.]htsbegriffs der Rü[X.]knahmefik-tion lässt den Hinweis
für si[X.]h betra[X.]htet
ni[X.]ht als für den juristis[X.]hen Laien un-verständli[X.]h ers[X.]heinen.
Vielmehr musste es si[X.]h dem S[X.]huldner aufdrängen, dass er -
sofern er si[X.]h entgegen dem
klar formulierten geri[X.]htli[X.]hen Hinweis zur Ni[X.]htdur[X.]hführung des S[X.]huldenbereinigungsverfahrens ents[X.]hließt
-
Re[X.]htsna[X.]hteile in Kauf nimmt. Ers[X.]heint
einem der Verfahrensbeteiligten ein Re[X.]htsbegriff ni[X.]ht verständli[X.]h, ist es ihm unbenommen und regelmäßig au[X.]h zumutbar,
si[X.]h binnen der dreimonatigen Frist des §
305 Abs.
3 Satz 3 [X.] kundigen Re[X.]htsrat zu su[X.]hen oder das Insolvenzgeri[X.]ht um Erläuterung zu bitten. Die insofern großzügig bemessene Frist dient gerade dem S[X.]hutz des S[X.]huldners vor übereilten Ents[X.]heidungen (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 23.
Oktober 2008 -
IX
ZB 112/08, [X.], 120
Rn.
9).
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Dass der am 23.
Februar 2011 erteilte Hinweis ni[X.]ht ausdrü[X.]kli[X.]h die aufgrund einer Ni[X.]htdur[X.]hführung des S[X.]huldenbereinigungsverfahrens dro-hende Rü[X.]knahmefiktion mit dem Verlust der Mögli[X.]hkeit auf Erteilung der Rests[X.]huldbefreiung verknüpft, steht der Wirksamkeit der dem S[X.]huldner erteil-ten Belehrung ni[X.]ht entgegen. Aufgrund des engen zeitli[X.]hen Zusammenhangs
zu dem am 11.
November 2010 erteilten Hinweis na[X.]h §
20 Abs.
2 [X.] ist re-gelmäßig davon auszugehen, dass einem
verständigen
und gewissenhaften
S[X.]huldner
der Beweggrund für die überdies erst am 16.
Januar 2011 erfolgte Stellung
des [X.],
nämli[X.]h
die erstrebte Rests[X.]huldbefreiung, bewusst ist. Dem S[X.]huldner ist hierbei entgegen der Ansi[X.]ht der Re[X.]htsbes[X.]hwerde zu-zumuten, au[X.]h vorangegangene geri[X.]htli[X.]he Hinweise
(erneut) heranzuziehen.
Kayser
Gehrlein
[X.]
Fis[X.]her
Grupp
Vorinstanzen:
[X.], Ents[X.]heidung vom 22.12.2011 -
2 [X.] 93/11 -
LG [X.], Ents[X.]heidung vom 07.08.2012 -
5 T 30/12 -
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Meta
16.04.2015
Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat
Sachgebiet: ZB
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.04.2015, Az. IX ZB 93/12 (REWIS RS 2015, 12575)
Papierfundstellen: REWIS RS 2015, 12575
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IX ZB 93/12 (Bundesgerichtshof)
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IX ZB 1/08 (Bundesgerichtshof)
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2 W 76/00 (Oberlandesgericht Köln)