Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2010, Az. VI R 27/10

6. Senat | REWIS RS 2010, 289

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Gegenstand

(Steuerfreiheit von pauschalen Zuschlägen für Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit - Grundlohn i.S. des § 3b EStG bei einem Flugkapitän)


Leitsatz

Pauschale Zuschläge sind nicht nach § 3b EStG steuerfrei, wenn sie nicht als Abschlagszahlungen oder Vorschüsse auf Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntagsarbeit, Feiertagsarbeit oder Nachtarbeit gezahlt werden, sondern Teil einer einheitlichen Tätigkeitsvergütung sind (Abgrenzung zu VI R 16/08) .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob eine pauschale Flugzulage, die neben den allgemeinen Berufserschwernissen des fliegenden Personals auch Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit entgelten soll, insoweit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei ist.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Flugkapitän und war in den Streitjahren als [[X.].]rbeitnehmer bei der Firma [[X.].] --2002-- und anschließend bei der Firma [[X.].] --2005-- beschäftigt, beide ansässig in [[X.].], [[X.].]. Er absolvierte ausschließlich Langstreckenflüge von [[X.].] nach [[X.].] Grundlage für das [[X.].]rbeitsverhältnis bildete der Kollektivvertrag, abgeschlossen zwischen der Wirtschaftskammer [[X.].] und dem [[X.].]ischen Gewerkschaftsbund vom 1. Juli 2001 und dessen Neufassung vom 1. [[X.].]pril 2004 ("Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Firma [[X.].] und Firma [[X.].]") mit dem [[X.].]nhang I (Einstufung, Umstufung und Verwendungsgruppen), dem [[X.].]nhang II ([X.] gültig ab dem 1. [[X.].]pril 2004) und dem [[X.].]nhang III ([X.]). Nach [[X.].]nhang I 1. setzte sich das Brutto-Monatsentgelt des [X.] aus Grundgehalt und einer Flugzulage (§ 9 des Kollektivvertrages) in Höhe von 36,90 % des Grundgehalts zusammen. Zwischen den [X.] wurde bezüglich der Flugzulage eine Widmung erstellt, in der eine [[X.].]ufteilung nach Nachtarbeit, Samstagsarbeit, Sonntagsarbeit und für allgemeine Berufserschwernisse erfolgt (in der vor dem 1. [[X.].]pril 2004 gültigen Fassung). In dieser "Widmung Flugzulage Fliegendes Personal" wird ausgeführt:

3

"Um im Einzelfall keine separate Berechnung der tatsächlichen Höhe der aus den wechselnden Einsätzen eines Dienstnehmers während der Nachtzeit, für [[X.].]rbeiten an Samstagen und Sonntagen sowie für die speziellen Berufserschwernisse gebührenden Flugzulage durchführen zu müssen, werden die zustehenden Zulagenkomponenten pauschal im Wege einer monatlich gleichbleibenden Flugzulage abgegolten, da davon ausgegangen werden kann, dass die Dienstnehmer ... wechselnd zwischen Mittel- und Langstrecke eingesetzt werden. Bezüglich der [[X.].]ufteilung der Flugzulage auf einzelne Zulagenkomponenten kann von folgender grundsätzlicher Verteilung ausgegangen werden:

Für Nachtarbeit:

auf 20 % des Grundgehalts

eine 100 % Zulage

= 20 %

Für Samstagarbeit:

auf 14,3 % des Grundgehalts

eine 50 % Zulage

= 7 %

Für Sonntagarbeit:

auf 14,3% des Grundgehalts

eine 100 % Zulage

= 14 %

Für allgem.

auf 100 % des Grundgehalts

Berufserschwernisse

eine 25 % Zulage".

= 25 %

4

Im Veranlagungszeitraum 2002 erhielt der Kläger einen Betrag in Höhe von 21.479,86 € und im Veranlagungszeitraum 2005 einen Betrag in Höhe von 27.765,52 € an [X.] vergütet.

5

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger anhand nachfolgender Berechnung

2002

Nachtarbeit

20 % des Grundgehalts

7.359,97 €

(36.799,86 €)

Sonntagsarbeit

14,3 % des Grundgehalts

5.262,38 €

(36.799,86 €)

Insgesamt

12.622,35 €

2005

Nachtarbeit

20 % des Grundgehalts

9.495,94 €

(47.479,72 €)

Sonntagsarbeit

14,3 % des Grundgehalts

6.789,60 €

(47.479,72 €)

Insgesamt

16.285,54 €

erfolglos geltend, dass hiervon im Streitjahr 2002 ein Betrag in Höhe von 12.622,35 € und im Streitjahr 2005 ein Betrag in Höhe von 16.285,54 € auf Nacht- und Sonntagsarbeit entfielen und deshalb steuerfrei zu belassen seien. [[X.].]uch der Einspruch des [X.] blieb ohne Erfolg.

6

Die daraufhin erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit den in Entscheidungen der [X.]e 2010, 1871 veröffentlichten Gründen ab.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

8

Er beantragt,

das Urteil des [X.] Baden-Württemberg vom 8. März 2010  6 K 2/08 sowie die Einspruchsentscheidung vom 26. November 2007 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für das [X.] und 2005 jeweils vom 22. Januar 2010 in der Weise zu ändern, dass Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit im [X.] in Höhe von 12.622,35 € und im Jahr 2005 in Höhe von 16.285,54 € steuerfrei gestellt werden.

9

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keine nach § 3b EStG steuerfreien Zuschläge erzielt hat.

a) Nach § 3b Abs. 1 EStG i.d.F. der Streitjahre sind neben dem Grundlohn gewährte Zuschläge steuerfrei, wenn sie für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden.

aa) § 3b Abs. 2 Satz 1 EStG definiert Grundlohn als laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt (s. auch [X.] Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a der Lohnsteuer-Richtlinien), von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen); er ist in einen Stundenlohn umzurechnen (Urteil des [X.] --BFH-- vom 17. Juni 2010 [X.]/09, [X.], 150, [X.], 43, m.w.N.).

bb) Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 3b EStG Rz 21). Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den [X.] unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Nacht- und Sonntagsarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist (vgl. Urteil des [X.] vom 27. Mai 2003  9 [X.], Zeitschrift für Tarifrecht 2004, 212). Die Steuerbefreiung tritt zudem nur ein, wenn die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind (BFH-Urteil in [X.], 150, [X.], 43, m.w.N.).

cc) Nach den Feststellungen des [X.], die vom Kläger nicht angegriffen wurden und an die der Senat daher gebunden ist, hat der Kläger im Streitfall neben dem Grundlohn keine Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit bezogen. Die streitige Flugzulage, die auch die Erschwernisse der Nacht- und Sonntagsarbeit entgilt, ist vielmehr Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte auch nachts und sonntags geleistete Tätigkeit des [X.].

Nach Anhang I 1.1 zum Kollektivvertrag setzte sich das Brutto-Monatsentgelt des [X.] aus Grundgehalt und einer Flugzulage (§ 9 des Kollektivvertrages) in Höhe von 36,90 % des Grundgehalts zusammen. Der Schluss des [X.], dass es aufgrund dieser arbeitsvertraglichen Bestimmung an der vom Gesetz verlangten Trennung von Grundlohn und Zuschlägen fehlt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine derartige Auslegung des Arbeitsvertrags erscheint dem erkennenden Senat vorliegend nicht nur möglich, sondern naheliegend. Denn im Streitfall steht das monatliche Entgelt des [X.] in keinem Bezug zu seiner tatsächlich erbrachten zuschlagswürdigen Arbeitsleistung. Grundgehalt und Flugzulage werden vielmehr ungeachtet der Einsatzzeiten des [X.] in stets gleicher Höhe geschuldet. Außerdem wird diese monatlich gleichbleibende Pauschale auch im Rahmen der Urlaubs- und Weihnachtssonderzahlung sowie im Krankheitsfall gewährt. Überdies spricht der Umstand, dass die Flugzulage als Teil des [X.] in die Berechnung von Abfertigungen (Abfindungen) und dem [X.] eingeht, für die Sicht des [X.], dass im Streitfall der Grundlohn des [X.] [X.] von § 3b Abs. 2 EStG aus Grundgehalt und Flugzulage besteht.

b) Soweit der Kläger hiergegen einwendet, dass die pauschale Flugzulage ausweislich der "Widmung Flugzulage Fliegendes Personal" einen Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 20 % des Grundgehalts und einen Sonntagsarbeitszuschlag in Höhe von 14 % enthalte und deshalb insoweit steuerfrei zu belassen sei, verkennt er, dass pauschale Zuschläge, die dem Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags- oder Nachtarbeit gezahlt werden, nur dann und insoweit steuerfrei sind, als sie den im Einzelnen ermittelten Zuschlägen für tatsächlich geleistete Stunden zu diesen Zeiten entsprechen. Auch sind die Zuschläge jeweils vor Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung, somit regelmäßig spätestens zum Ende des Kalenderjahres bzw. beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Dienstverhältnis zu errechnen. Dabei ist für die Ermittlung der im Einzelnen nachzuweisenden Zuschläge auf das Kalenderjahr oder, im Fall des Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis, auf den Zeitraum vom Beginn des Kalenderjahres bis zum Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis abzustellen. Stimmt die Summe der [X.] mit der Summe der für den in Betracht kommenden Zeitraum ermittelten steuerfreien Zuschläge nicht überein und hat der Arbeitnehmer weniger zuschlagspflichtige Stunden geleistet als durch die [X.] abgegolten sind, so ist die Differenz zwischen der Pauschale und dem sich bei der Einzelberechnung ergebenden Betrag steuerpflichtiger Arbeitslohn (BFH-Urteile vom 28. November 1990 VI R 90/87, [X.], 73, [X.] 1991, 293; vom 25. März 1988 VI R 20/84, [X.] 1988, 496; vom 23. Oktober 1992 [X.], [X.], 515, [X.] 1993, 314; s. auch BFH-Urteile vom 25. Mai 2005 [X.], [X.], 113, [X.] 2005, 725, und vom 22. Oktober 2009 [X.], [X.] 2010, 201).

Daran fehlt es im Streitfall. Das [X.] hat bindend festgestellt, dass der Kläger die anteiligen Zuschläge nicht als Abschlagszahlungen, sondern endgültig erhalten hat. Folgerichtig sind die Zuschläge weder zum Ende des Kalenderjahres errechnet noch ist eine Einzelabrechnung bis zum jährlichen Abschluss des [X.] vorgenommen worden, obwohl eine solche Abrechnung grundsätzlich unverzichtbar ist (BFH-Entscheidungen in [X.], 515, [X.] 1993, 314; in [X.], 113, [X.] 2005, 725; vom 18. Mai 2005 [X.]/04, [X.] 2005, 1553; vom 18. November 2003 [X.], [X.] 2004, 335).

Die grundsätzlich zu fordernde Aufzeichnung über tatsächlich erbrachte Arbeitsstunden sonntags und zur Nachtzeit sowie eine jährliche Abrechnung gemäß § 41b Abs. 1 Satz 1 EStG waren auch unter den besonderen Umständen des [X.] nicht entbehrlich. Denn die Höhe der Flugzulage und damit auch der streitigen Zuschlagsanteile beruht ausweislich der Revisionsbegründung auf Erfahrungswerten der Luftfahrtbranche. Aufgrund der elektronischen Aufzeichnungen an Bord des Flugzeugs mag zwar der Umfang der tatsächlich vom Kläger geleisteten Nacht- und Sonntagsarbeit erkennbar sein, nicht aber, ob die Zuschläge arbeitsvertraglich so bemessen sind, dass sie auch unter Einbeziehung von Urlaub und sonstigen Fehlzeiten --aufs Jahr bezogen-- die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllten (BFH-Urteil in [X.] 2010, 201). Da der Kläger seine Arbeitsleistung auch nicht fast ausschließlich zur Nachtzeit (§ 3b Abs. 2 Satz 2 EStG) erbracht hat, kann er sich nicht auf verminderte Anforderungen bezüglich dieser Nachweispflicht berufen (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1989 VI R 92/88, [X.], 157, [X.] 1990, 315).

Nach alldem konnte die Revision des [X.] keinen Erfolg haben.

Meta

VI R 27/10

16.12.2010

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 8. März 2010, Az: 6 K 2/08, Urteil

§ 3b EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.12.2010, Az. VI R 27/10 (REWIS RS 2010, 289)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 289

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

B 12 R 18/11 R

B 10 EG 20/11 R

B 10 EG 8/11 R

S 8 EG 1/14

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