11. Senat | REWIS RS 2024, 374
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Zurechnung der Umsätze in einem Bordell
1. NV: Die Zurechnung von Umsätzen in einem Bordell ist höchstrichterlich geklärt.
2. NV: Daran hat sich durch das BGH-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 (Umsatzsteuer-Rundschau 2022, 794) nichts geändert.
Die Beschwerde des Klägers wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom [X.] - 3 K 3128/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind teilweise nicht hinreichend dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
a) Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) kommt einer Rechtssache zu, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des [[X.].] --[[X.].]-- vom 12.07.2023 - [X.]I B 1/23, [[X.].] --[X.]-- 2023, 719, Rz 8; vom 31.08.2023 - [X.]I B 89/22, [[X.].]NV 2023, 1322, Rz 22).
Eine Rechtsfrage, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, ist nicht grundsätzlich bedeutsam, so dass es nicht ausreicht, eine derartige Frage aufzuwerfen (vgl. [[X.].] vom 29.10.2013 - V B 58/13, [[X.].]NV 2014, 192, Rz 10; vom 04.01.2023 - [X.]I B 51/22, [[X.].]NV 2023, 279, Rz 4; vom 31.05.2023 - [X.] B 111/22, [[X.].]NV 2023, 958, Rz 23).
b) Ausgehend davon hat die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage
"Waren die von den Prostituierten im … erbrachten und alleine von diesen vereinnahmten Anteile ihrer sexuellen Dienstleistungen der Firma [X.] sowie nachfolgend der Firma [X.] aus der hier maßgeblichen Sicht der Leistungsempfänger vollständig umsatzsteuerrechtlich zuzurechnen oder nicht?"
keine grundsätzliche Bedeutung. Sie hängt von den Umständen des vom [X.] entschiedenen Einzelfalls ab. Ihre Beantwortung liegt daher auch nicht im (abstrakten) Interesse der Allgemeinheit.
c) Darüber hinaus ist die Zurechnung von Umsätzen in einem Bordell höchstrichterlich geklärt (vgl. [[X.].] vom 31.03.2006 - V B 181/05, [[X.].]NV 2006, 2138; vom 29.01.2008 - V B 201/06, [[X.].]NV 2008, 827; vom 25.11.2009 - V B 31/09, [[X.].]NV 2010, 959; vom 07.02.2017 - V B 48/16, [[X.].]NV 2017, 629; vom 26.09.2017 - [X.]I B 65/17, [[X.].]NV 2018, 240). Regelmäßig ergibt sich sowohl nach der Rechtsprechung des [[X.].] als auch nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als [X.] anzusehen ist. [X.] ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber [X.] im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (vgl. [[X.].]-Urteil vom 27.09.2018 - V R 9/17, [[X.].]NV 2019, 127, Rz 15; [X.]-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21, [X.] 2022, 794, Rz 12, m.w.N.).
Eine tatsächliche, in diesem Zusammenhang vorgenommene Würdigung des [X.] ist im finanzgerichtlichen Verfahren für den [[X.].] nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindend, wenn sie möglich ist und das [X.] nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen hat ([[X.].]-Urteil vom 27.09.2018 - V R 9/17, [[X.].]NV 2019, 127, Rz 17), was bereits im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu berücksichtigen ist (vgl. [[X.].]-Beschluss vom 12.07.2023 - [X.]I B 1/23, [X.] 2023, 719, Rz 11). Ohne Bedeutung ist, ob für den [X.] im Strafverfahren eine vergleichbare Bindung besteht (vgl. dazu [X.]-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21, [X.] 2022, 794, Rz 14 ff.; s. aber auch [X.]-Beschluss vom 22.03.2023 - 1 StR 361/22, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht 2023, 313 zur Zurechnung von Umsätzen an die Betreiberin und zur Arbeitnehmereigenschaft der Sexarbeiterinnen).
2. Soweit die Beschwerde dahin gehend verstanden werden könnte, dass sie konkludent (auch) den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 [X.]O) geltend macht, weil das [X.] vom [X.]-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 ([X.] 2022, 794) abgewichen sei, liegt diese ebenfalls nicht vor.
a) Eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O wegen Divergenz setzt voraus, dass das [X.] bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als unter anderem ein anderes oberstes [X.]; das [X.] muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. z.B. [[X.].] vom 14.11.2022 - [X.]I B 105/21, [[X.].]NV 2023, 155, Rz 9; vom 05.10.2023 - [X.]I B 13/23, [[X.].]NV 2023, 1411, Rz 2).
b) Eine zur Zulassung wegen Divergenz führende Nichtübereinstimmung im [X.] liegt jedoch nicht vor, wenn das [X.] einen Sachverhalt lediglich abweichend würdigt (vgl. z.B. [[X.].] vom 11.05.2007 - V B 49/06, [[X.].]NV 2007, 1683, unter [X.]; vom 03.02.2021 - [X.]I B 45/20, [[X.].]NV 2021, 673, Rz 14) oder wenn ein Gericht von den Rechtsgrundsätzen der [[X.].]-Rechtsprechung ausgeht und diese lediglich unzutreffend auf den von ihm zu entscheidenden Einzelfall anwendet (vgl. z.B. [[X.].] vom 07.02.2017 - V B 48/16, [[X.].]NV 2017, 629, Rz 11; vom 05.07.2018 - [X.]I B 18/18, [[X.].]NV 2018, 1284, Rz 18).
c) Ausgehend davon liegt eine Divergenz aus mehreren Gründen nicht vor.
aa) Zunächst liegen, worauf der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) zutreffend hingewiesen hat, dem [X.]-Urteil vom 05.05.2022 - 1 StR 475/21 ([X.] 2022, 794) und dem Streitfall unterschiedliche Sachverhalte zugrunde. Die Beschwerde geht selbst davon aus, dass die Prostituierten in die [X.] eingebunden gewesen seien und kein wirtschaftliches Risiko getragen haben, was bereits nicht nahe legt, dass es sich bei ihnen um Unternehmerinnen im Sinne des § 2 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes gehandelt haben könnte. Weiter hat das [X.] festgestellt, dass für die Prostituierten Bekleidungsvorschriften und Verhaltensregeln existierten, der Leistungskatalog und die Preise vom Club ebenso vorgegeben wurden wie die Arbeitszeiten. Es existierten wöchentliche Schicht- und Urlaubspläne. Diese tatsächlichen Feststellungen bestätigen das Ergebnis des [X.]. Aus den genannten, vom [X.] festgestellten Gründen entspricht das von ihm gefundene Ergebnis der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität, die auch bei der Bestimmung des Leistenden mit zu berücksichtigen ist (vgl. dazu allgemein Urteile des Gerichtshofs der [X.] vom 12.11.2020 - [X.]/19, [X.]:C:2020:919, Rz 48; [X.] vom 28.02.2023 - [X.]/20, [X.]:[X.], Rz 72; [[X.].]-Urteile vom 21.04.2022 - V R 18/19, [[X.].]E 276, 493, Rz 17; vom 15.03.2022 - V R 35/20, [[X.].]E 276, 377, BStBl II 2023, 150, Rz 14; vom 29.11.2022 - [X.]I R 18/21, [[X.].]E 279, 298, Rz 26).
bb) Aber selbst wenn das [X.] bei vergleichbarem Sachverhalt den Streitfall abweichend von der Würdigung durch den [X.] gewürdigt hätte, läge darin aus den hier unter 2.b genannten Gründen keine Divergenz. [[X.].] und [X.] gehen insoweit von denselben abstrakten Rechtsgrundsätzen aus, die nicht voneinander abweichen.
3. Die Verfahrensrüge, das Urteil des [X.] sei teilweise nicht mit Gründen versehen, weil es nicht auf den Schriftsatz vom 22.03.2022 und den Vortrag in der mündlichen Verhandlung eingehe, dass Verjährung eingetreten sei, greift nicht durch. Das [X.] hat sich mit dem Einwand aus dem Schriftsatz vom 22.03.2022, der Kläger habe aus seiner Sicht nicht vorsätzlich gehandelt, auf den Seiten 33 ff. seines Urteils intensiv auseinandergesetzt und einen Vorsatz des [X.] ebenso bejaht wie das Vorliegen einer Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 der Abgabenordnung. Es hat dazu auch auf das rechtskräftige Urteil des [X.] Bezug genommen. Daraus ergibt sich, warum aus Sicht des [X.] für das Jahr 2006 auch keine "Verjährung" eingetreten ist.
4. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 [X.]O von der Wiedergabe des Tatbestands sowie einer weiteren Begründung ab.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.
Meta
10.01.2024
Beschluss
vorgehend FG München, 29. Juni 2022, Az: 3 K 3128/18, Urteil
§ 2 Abs 1 UStG 2005, Art 2 Abs 1 Buchst c EGRL 112/2006, Art 9 Abs 1 EGRL 112/2006, Art 10 EGRL 112/2006, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO
Zitiervorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.01.2024, Az. XI B 117/22 (REWIS RS 2024, 374)
Papierfundstellen: REWIS RS 2024, 374
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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