Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 30 W (pat) 803/18

30. Senat | REWIS RS 2018, 4085

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Gegenstand

Designbeschwerdeverfahren – Nichtigkeitsverfahren - "medizinisches Steckgerät" - zur Wirksamkeit eines Beschlusses der Designabteilung – Fehlen der dritten erforderlichen Unterschrift des weiteren Beisitzers – wesentlicher Verfahrensmangel – Zurückverweisung an das DPMA - Rückzahlung der Beschwerdegebühr


Tenor

In der [X.]

...

betreffend das Design 40 203 865-0001

(hier: [X.] 3/17)

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des Bundespatentge-richts in der Sitzung vom 6. September 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Der Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.] vom 12. März 2018 wird aufgehoben und die Sache zur Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet. Im Übrigen bleibt die Entscheidung über die Kosten des Be-schwerdeverfahrens dem [X.] vorbehalten.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des am 30. April 2002 angemeldeten und am 8. Juli 2002 in das beim [X.] ([X.]) geführte Designregister eingetragenen Designs 40 203 865-0001, das ein medizinisches Steckgerät darstellt.

2

Gegen das eingetragene Design hat die Antragstellerin mit am 27. Januar 2017 beim [X.] eingegangenem Schriftsatz Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 34a [X.] gestellt. Die Antragsgegnerin und Designinhaberin hat dem Antrag widersprochen.

3

Mit Beschluss vom 12. März 2018 hat die Designabteilung 3.5 des [X.] den Löschungsantrag kostenpflichtig zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde von dem Vorsitzenden sowie einer Besitzerin unterschrieben. Die dritte Unterschrift fehlt. Gleiches gilt für das Beratungsprotokoll, in welchem die Beschlussfassung vom gleichen Tage dokumentiert wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf [X.]. 456 und 457 ff. der [X.] Bezug genommen.

4

Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 16. März 2018 und der Antragsgegnerin am 20. März 2018 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 12. April 2018 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den den Löschungsantrag zurückweisenden Beschluss eingelegt.

5

Der Senat hat mit Schreiben vom 9. Mai 2018 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die angefochtene Entscheidung der Designabteilung ohne Sachprüfung aufzuheben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen. Der angefochtene Beschluss sei formell mängelbehaftet, weil die Unterschrift des zweiten Beisitzers – des Regierungsdirektors K... – auf dem Originalbeschluss fehle. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass der [X.] an der Entscheidung mitgewirkt habe, da die Unterschrift auch auf dem Beratungsprotokoll der Designabteilung vom 12. März 2018 fehle.

6

Die Beteiligten haben sich zu diesem Schreiben nicht geäußert.

7

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

8

Die Beschwerde ist zulässig. Der angefochtene Beschluss der Designabteilung 3.5 des [X.]es vom 12. März 2018, mit dem der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben. Die Sache wird an das [X.] zur Entscheidung zurückverwiesen, da das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet, § 23 Abs. 4 Satz 4 [X.] i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] Nach Aktenlage muss davon ausgegangen werden, dass die Designabteilung bei der angefochtenen Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt war.

9

1. Die Designabteilung beschließt im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a [X.] gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 [X.] grundsätzlich mit drei rechtskundigen Mitgliedern. Sofern die Entscheidung nicht bereits in einem Anhörungstermin verkündet worden ist, wird die Entscheidung erst mit der Unterschrift der an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Designabteilung existent und erlangt erst mit der Zustellung an die Beteiligten Außenwirkung. Das bei einer internen Beratung erarbeitete [X.] stellt nur ein vorläufiges Ergebnis dar, da die Entscheidung jederzeit noch geändert werden könnte.

Nach überwiegender Ansicht bedarf es bei Beschlüssen eines Kollegialgerichts zu ihrer Wirksamkeit der Unterschrift aller mitwirkenden Richter (vgl. [X.], 913, 916 (Patentrecht); [X.], 30 W (pat) 73/10; 28 W (pat) 114/10 (Markenrecht); [X.]/Feskorn, ZPO, 32. Aufl., § 329 Rn. 42 m. w. N.; Musielak, in: [X.], 5. Aufl., §329 Rn. 2 mit Nachweisen zur Gegenansicht). Diese Grundsätze finden auch im [X.] Anwendung. Es sind keine Gründe ersichtlich, von den allgemeinen Verfahrensgrundsätzen abzuweichen. Durch ihre Unterschrift bringen die zur Entscheidung berufenen Mitglieder zum Ausdruck, dass der Inhalt des Beschlusses ihrer gemeinsamen Willensbildung entspricht und sie dafür die Verantwortung tragen. Dies wird durch die Unterschrift unter die Entscheidung dokumentiert. Nur dieser ist auch Gegenstand der Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht.

2. Vorliegend fehlt es dem angefochtenen Beschluss an der dritten, erforderlichen Unterschrift des weiteren Beisitzers, wie die den Beteiligten in Kopie übersandten Auszüge der [X.] belegen. Insoweit besteht Übereinstimmung zu der von der Designabteilung dokumentierten Beschlussprotokollierung, auf welcher ebenfalls die Unterschrift des dritten mitwirkenden Mitglieds der Designabteilung – des Regierungsdirektors K.. – fehlt.

3. Die fehlende Unterschrift kann bei einem im schriftlichen Verfahren vor dem [X.] erlassenen Beschluss auch nicht nachgeholt werden. Während nämlich verkündete Beschlüsse im Zeitpunkt der Verkündung existent und zugleich wirksam werden, wird bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren der Beschluss erst existent, wenn er - mit den Unterschriften versehen - den Gerichts- bzw. [X.] verlassen hat (vgl. [X.]E 38, 16 f.; [X.], 33 W (pat) 14/10).

4. Unabhängig von der Frage, ob eine wirksame, das Verfahren vor dem [X.] abschließende Entscheidung überhaupt vorlag, ist mit ihrer Ausfertigung und Zustellung an die Beteiligten mindestens der äußere Anschein eines dem [X.] zurechenbaren Aktes entstanden. Schon allein deshalb ist es geboten, den Parteien die Gelegenheit zu geben, die auf diese Weise in Erscheinung getretene Entscheidung zu beseitigen ([X.] NJW 1985, 788; [X.], 724 – Spinnmaschine).

5. Nachdem das Verfahren vor dem [X.] an einem wesentlichen Mangel im Sinne des § 23 Abs. 4 Satz 3 [X.] i. V. m. § 79 Abs. 3 Nr. 2 [X.] leidet, war das Verfahren an das [X.] zurückzuverweisen.

Die Zurückverweisung steht im Ermessen des Gerichts. Im Einzelfall ist abzuwägen zwischen dem Interesse an einer erneuten Befassung des [X.]s mit der Sache einerseits und der Verfahrensbeschleunigung andererseits ([X.], 30 W (pat) 73/10). Nachdem durch die fehlende Unterschrift des Beisitzers im Beschluss und dem Protokoll über die Beschlussfassung davon ausgegangen werden muss, dass die Entscheidung nicht – wie erforderlich – von drei Mitgliedern getroffen worden ist, besteht ein erhebliches Interesse daran, dass die Designabteilung sich erneut mit dem Nichtigkeitsantrag befasst, um zu einer in gesetzlich bestimmter Besetzung getroffenen Entscheidung zu gelangen.

6. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen. Nach § 23 Abs. 4 Satz 5 [X.] i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 2, 1. HS [X.] sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert. Letzteres ist hier der Fall. Insoweit ist auf den Rechtsgedanken des § 80 Abs. 3 [X.] zurückzugreifen. Diese in § 23 Abs. 4 Satz 4 [X.] in Bezug genommene Vorschrift sieht vor, dass das [X.] die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anordnen kann. Dies ist dann der Fall, wenn es der Billigkeit entspricht, wie zum Beispiel bei einer fehlerhaften Verfahrensführung durch das [X.] (vgl. [X.], 6 W (pat) 9/11; 11 W (pat) 4/08; [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 73 Rn. 161). Da das Verfahren aufgrund der Beschwerde der Antragstellerin ohne die von ihr begehrte Sachprüfung aufgrund eines Fehlers des [X.] zurückverwiesen wird, ist es sachgerecht, anzuordnen, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Im Übrigen bedarf es keiner Kostenentscheidung, da im Falle der Aufhebung und Zurückverweisung das [X.] über die angefallenen Kosten des Beschwerdeverfahrens entscheidet (vgl. [X.], 4 Ni 24/09; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 97 Rn. 7).

Meta

30 W (pat) 803/18

06.09.2018

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 06.09.2018, Az. 30 W (pat) 803/18 (REWIS RS 2018, 4085)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 4085

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30 W (pat) 73/10

28 W (pat) 114/10

33 W (pat) 14/10

4 Ni 24/09

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