Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2015, Az. IV ZR 254/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 6440

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Gegenstand

Lebensversicherung nach dem Policenmodell: Ordnungsgemäßheit der Widerspruchsbelehrung bei Benennung zweier Widerspruchsadressaten; Berufung auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells als widersprüchliche Rechtsausübung


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision des [X.] gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juni 2014 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Diese wurde aufgrund eines Antrags [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Januar 1995 nach dem so genannten [X.] des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a [X.] a.F.) abgeschlossen. In der Folge zahlte er die Versicherungsprämien. Aufgrund eines Kündigungsschreibens [X.] zum 30. Juni 2000 zahlte der Versicherer den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 23. November 2010 erklärte er unter anderem den Widerspruch nach § 5a [X.]. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt [X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes ([X.]) und eine schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F.

2

Mit der Klage verlangt [X.] Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.

3

Nach Auffassung [X.] ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.

4

II. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. [X.] [X.] habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. Er sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 [X.] a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des [X.] verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt [X.] das Klagebegehren hinsichtlich des [X.] weiter.

6

III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

7

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, da es meinte, es sei eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das [X.] als solches europarechtskonform ist. Diese Frage stellt sich hier jedoch nicht.

8

a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt [X.] mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen, eine Verbraucherinformation, eine Widerspruchsbelehrung und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung in drucktechnisch deutlicher Form. Die Revision beanstandet ohne Erfolg, dass der Adressat des Widerspruchs nicht eindeutig erkennbar sei. Genannt sind zwar die Adressen der Hauptverwaltung und der betreuenden [X.]. Es ist für [X.] aber ohne weiteres erkennbar, dass beide zur Beklagten gehören und der Widerspruch an beide Adressen gerichtet werden kann.

9

b) Ob solchermaßen nach dem [X.] geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a [X.] a.[X.] unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - [X.], [X.], 102 Rn. 16 ff.; [X.] WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den [X.] scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das [X.] mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. [X.] [X.] ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des [X.] nach [X.] und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; [X.] aaO Rn. 42 ff.). [X.] [X.] verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsbeginn 1995 ungenutzt verstreichen. [X.] [X.] zahlte über mehr als fünf Jahre die Versicherungsprämien und ließ bis zur Erklärung des Widerspruchs nochmals zehn Jahre vergehen. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten [X.] haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet. Diese vertrauensbegründende Wirkung war für [X.] auch erkennbar.

2. Aus den dargelegten Gründen hält das Berufungsurteil jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Prüfung stand.

[X.]                             [X.]                                     [X.]

                 [X.]                                         Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 254/14

19.08.2015

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 4. Juni 2014, Az: 7 U 37/13

§ 5a Abs 1 VVG vom 21.07.1994, § 5a Abs 2 S 1 VVG vom 21.07.1994, EWGRL 619/90, EWGRL 96/92, § 242 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.08.2015, Az. IV ZR 254/14 (REWIS RS 2015, 6440)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6440

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Referenzen
Wird zitiert von

IV ZR 254/14

8 U 1345/15

Zitiert

IV ZR 73/13

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