Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2018, Az. AnwZ (Brfg) 61/18

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2018, 1925

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Gegenstand

Ausnahme vom Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls


Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 11. Juni 2018 verkündete Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 1995 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit [X.]escheid vom 27. März 2017 widerrief die [X.]eklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen [X.] (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die hiergegen gerichtete Klage hat der [X.] abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der [X.]erufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

3

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], [X.]eschluss vom 28. Oktober 2011 - [X.] ([X.]) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Daran fehlt es.

4

a) Der Kläger hat sich, wie der [X.] zutreffend festgestellt hat und vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird, zum maßgeblichen Zeitpunkt des [X.] vom 27. März 2017 in Vermögensverfall befunden.

5

b) [X.]) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Im vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden kann sie nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2018 - [X.] ([X.]) 3/18, juris Rn. 11; vom 22. Mai 2013 - [X.] ([X.]) 73/12, juris Rn. 4 und vom 22. Juni 2011 - [X.] ([X.]) 12/11, juris Rn. 3; [X.]/Göcken, Anwaltliches [X.]erufsrecht, 2. Aufl., § 14 [X.], Rn. 39). Eine solche Sondersituation kann vorliegen, wenn der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ausgeübt und den Insolvenzantrag selbst gestellt hat, im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen und vor allem dieser seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, sie nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 22. Mai 2013, [X.]O Rn. 5; vom 22. Juni 2011, [X.]O und vom 18. Oktober 2004 - [X.] ([X.]) 43/03, [X.], 511; [X.], [X.], 4. Aufl., § 14 Rn. 35). Dabei ist die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit für eine Rechtsanwaltssozietät unter Verabredung der vorgenannten Maßnahmen die Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Ausnahmefalls im vorstehenden Sinne (Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2018, [X.]O; vom 20. November 2017 - [X.] ([X.]) 46/17, juris Rn. 11 und vom 16. März 2015 - [X.] ([X.]) 47/14, juris Rn. 5; jeweils mwN).

6

bb) Diese Grundsätze hat der [X.] zutreffend erkannt und angewendet. Seine Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Senats ab. Der [X.] hat eine Ausnahme von der mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich einhergehenden Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint, weil der Kläger als Einzelanwalt tätig ist. Die hiergegen gerichteten Angriffe des [X.] sind nicht begründet.

7

Zwar entscheidet, worauf der Kläger hinweist, nach der Rechtsprechung des Senats eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände darüber, ob die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden hinreichend sicher ausgeschlossen ist (Senat, [X.]eschlüsse vom 22. September 2015 - [X.] ([X.]) 38/15, juris Rn. 9; vom 18. Oktober 2010 - [X.] ([X.]) 21/10, juris Rn. 10 und vom 25. Juni 2007 - [X.] ([X.]) 101/05, NJW 2007, 2924 Rn. 8; [X.], [X.]O). Dabei ist - wie ausgeführt - auch zu berücksichtigen, ob der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ausgeübt, einen etwaigen Insolvenzantrag selbst gestellt hat und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen (so auch Senat, [X.]eschluss vom 18. Oktober 2004, [X.]O).

8

Daraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit für eine Rechtsanwaltssozietät unter Verabredung von Maßnahmen, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern, nicht erforderlich ist, wenn der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher ohne jede [X.]eanstandung ausgeübt, einen etwaigen Insolvenzantrag selbst gestellt hat und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorliegen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammen. Sie ist vielmehr eine Mindestvoraussetzung für die Annahme eines Ausnahmefalls, in dem trotz [X.] des Rechtsanwalts nicht von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgegangen werden kann. In den vorgenannten, vom Kläger herangezogenen Senatsentscheidungen lag jeweils ein Anstellungsvertrag des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts mit einer Anwaltssozietät vor (Senat, [X.]eschlüsse vom 22. September 2015, [X.]O Rn. 5, 8; vom 18. Oktober 2010, [X.]O Rn. 8; vom 25. Juni 2007, [X.]O Rn. 9 und vom 18. Oktober 2004, [X.]O). Soweit er den Anforderungen der Senatsrechtsprechung nicht genügte, wurde eine Ausnahme von der bei einem Vermögensverfall grundsätzlich gegebenen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint (Senat, [X.]eschluss vom 18. Oktober 2010, [X.]O Rn. 11 f.). Genügt der Anstellungsvertrag den Anforderungen, kann die erforderliche Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände dennoch zu der Annahme führen, dass infolge des [X.] des Rechtsanwalts die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind (vgl. Senat, Urteil vom 20. Juni 2016 - [X.] ([X.]) 38/15, juris Rn. 12 ff.: nicht beanstandungsfreie [X.]erufsausübung; [X.], [X.]O).

9

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist ebenfalls nicht gegeben. Er setzt voraus, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (Senat, [X.]eschluss vom 28. Juni 2018 - [X.] ([X.]) 5/18, juris Rn. 18 mwN).

Eine solche Abweichung hat der Kläger nicht dargelegt. Der [X.] hat ausgeführt, weil der Kläger nicht angestellter Anwalt, sondern selbständig tätig sei, komme es auf die weiteren (vom Kläger vorgetragenen) Umstände, wie zum [X.]eispiel die Tatsache, dass der Rechtsanwalt seinen [X.]eruf bisher beanstandungsfrei ausgeübt habe, den Insolvenzantrag selbst gestellt habe und im Insolvenzverfahren keine Anmeldungen von Gläubigern vorlägen, die aus Mandaten des Rechtsanwalts stammten, nicht an. Dies weicht nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des Senats ab. Soweit der Senat in seinem [X.]eschluss vom 26. März 2007 ([X.] ([X.]) 23/06, juris Rn. 5 f.) eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verneint hat, obwohl der dortige Antragsteller als Einzelanwalt tätig war, handelte es sich um einen besonderen, in der Gesamtschau seiner Umstände sehr seltenen Einzelfall (Vermögensverfall wegen eines einzigen Immobilienengagements; vertragliche Verpflichtung der Gläubigerin, bei Erfüllung von [X.] und Informationspflichten aus Verbindlichkeit nicht vorzugehen; [X.]emessung der Raten so, dass der Antragsteller sie aus Einnahmen bestreiten kann). Solche oder vergleichbare Umstände sind vorliegend nicht gegeben.

3. Rechtsfragen von grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], [X.]eschluss vom 27. März 2003 - [X.], [X.]Z 154, 288, 291).

Die vom Kläger aufgeworfene Frage zu Art. 12 Abs. 1 GG ist geklärt. Nach der Rechtsprechung des Senats verstoßen die in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an die Ausräumung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG ([X.]eschlüsse vom 4. Januar 2014 - [X.] ([X.]) 62/13, Anw[X.]l. Online 2014, 128 Rn. 9 und vom 22. Juni 2011, [X.]O Rn. 6). Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts. [X.], ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen, kommen nicht in [X.]etracht (Senat, [X.]eschluss vom 4. Januar 2014, [X.]O Rn. 10).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

Limperg     

        

[X.]ünger     

        

Remmert

        

Kau     

        

Lauer     

        

Meta

AnwZ (Brfg) 61/18

09.11.2018

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 11. Juni 2018, Az: BayAGH I - 5 - 13/17

§ 14 Abs 2 Nr 7 BRAO, Art 12 Abs 1 S 1 GG, Art 12 Abs 1 S 2 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.11.2018, Az. AnwZ (Brfg) 61/18 (REWIS RS 2018, 1925)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 1925

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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