Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. AnwZ (Brfg) 40/23

Senat für Anwaltssachen | REWIS RS 2024, 956

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Tenor

Der Antrag des [X.] auf Zulassung der Berufung gegen das am 25. August 2023 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes [X.] wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit 2001 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 2. März 2023 widerrief die Beklagte die Zulassung des [X.] zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.]). Die Klage gegen den [X.] hat der [X.] abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des [X.]s.

II.

2

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 [X.], § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Insbesondere bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 [X.], § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

3

1. Soweit der [X.] von einem Vermögensverfall des [X.] im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] ausgegangen ist, wird dies vom Kläger nicht angegriffen.

4

2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen auch nicht, soweit dort ausgeführt wird, die Voraussetzungen, unter denen im Ausnahmefall trotz eines Vermögensverfalls des Rechtsanwalts nicht von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszugehen sei, lägen nicht vor.

5

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Von einem solchen Ausnahmefall kann nur ausgegangen werden, wenn im Zeitpunkt des Widerrufs eine sichere Prognose dahingehend getroffen werden kann, dass sich im zu entscheidenden Einzelfall die typischen Gefahren, die mit dem Vermögensverfall eines Anwalts verbunden sind, nicht realisieren werden (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senat, Beschlüsse vom 1. September 2023 - [X.] ([X.]) 21/23, [X.], 2388 Rn. 6 und vom 11. Mai 2023 - [X.] ([X.]) 33/22, [X.]. 2023, 328 Rn. 11; jew. [X.].N.).

6

b) Eine derartige Ausnahme liegt nicht schon dann vor, wenn es - wie der Kläger für sich beansprucht - im Rahmen der bisherigen Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht zu Beanstandungen bezüglich der Interessen der Rechtsuchenden und insbesondere des Umgangs mit Fremdgeld gekommen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 1. September 2023, aaO Rn. 7). Denn eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden kann auch völlig unabhängig vom Verhalten des Betroffenen, etwa dadurch, dass bei einem in Vermögensverfall befindlichen Rechtsanwalt das Risiko eines Zugriffs von Gläubigern auf [X.] erheblich größer ist als im Fall eines Rechtsanwalts mit geordneten Einkommens- und Vermögensverhältnissen, eintreten (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2022 - [X.] ([X.]) 22/22, [X.] 2023, 260 Rn. 24 [X.]). Die Annahme einer Sondersituation setzt vielmehr mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (Senat, Beschlüsse vom 11. Mai 2023, aaO und vom 10. Oktober 2022 - [X.] ([X.]) 19/22 juris Rn. 7 [X.]). Diese Voraussetzungen sind, wie der [X.] zutreffend festgestellt hat, vorliegend nicht gegeben.

7

c) Entgegen der Auffassung des [X.] ist auch keine "Anpassung" der vorgenannten Senatsrechtsprechung an die Entwicklungen des Berufsbildes des heutigen Rechtsanwalts vorzunehmen. Dabei kann dahinstehen, ob - wie der Kläger vorbringt - zahlreiche Rechtsanwälte keinen Umgang mehr mit [X.]n haben. Entscheidend ist, dass es solchen Rechtsanwälten, wie auch dem Kläger selbst, möglich ist, jederzeit ihre Tätigkeit zu ändern und künftig - unüberwacht - wieder mit Mandantengeldern in Berührung zu kommen (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - [X.] ([X.]) 82/18, juris Rn. 8).

8

d) Die in der Rechtsprechung des Senats aufgestellten strengen Anforderungen an die Ausräumung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verstoßen nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 [X.] dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts. [X.], ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen, kommen nicht in Betracht (Senat, Beschlüsse vom 9. November 2018 - [X.] ([X.]) 61/18, [X.], 95 Rn. 12 und vom 4. Januar 2014 - [X.] ([X.]) 62/13, [X.]. 2014, 359 Rn. 9 f.; jew. [X.]). Der Kläger irrt, wenn er meint, auch die [X.] müsse sich dem Risiko ausgesetzt sehen, dass im Einzelfall ihre Interessen durch Rechtsanwälte im Vermögensverfall gefährdet würden.

III.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 [X.], § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 [X.].

[X.]     

      

[X.]     

      

Liebert

      

Lauer     

      

Niggemeyer-Müller     

      

Meta

AnwZ (Brfg) 40/23

12.01.2024

Bundesgerichtshof Senat für Anwaltssachen

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend Anwaltsgerichtshof Hamm, 25. August 2023, Az: 1 AGH 15/23, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2024, Az. AnwZ (Brfg) 40/23 (REWIS RS 2024, 956)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2024, 956

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