Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.01.2020, Az. IV R 48/16

4. Senat | REWIS RS 2020, 3413

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Gegenstand

Keine Klagebefugnis des Personengesellschafters bei Streit über Grund oder Höhe des Gesamthandsgewinns


Leitsatz

NV: Besteht Streit über Grund oder Höhe des in einem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Gesamthandsgewinns einer Personengesellschaft, ist nur die Gesellschaft selbst klagebefugt. Eine Klagebefugnis des Gesellschafters ergibt sich nicht schon daraus, dass ihm der streitige Gewinn alleine zugerechnet wurde .

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 06.09.2016 - 6 K 6064/14 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kommanditist der [X.] & Co. KG (Beigeladene), die früher als B-GmbH & Co. KG firmierte. [X.] hatten die Kommanditisten Teile ihrer Kommanditbeteiligungen an die [X.] veräußert. Für die restlichen Anteile waren Call- und Put-Optionen vereinbart worden. Im Streitjahr 2003 reduzierte die [X.] ihren Anteil an der Beigeladenen wieder und veräußerte Anteile an die früheren Kommanditisten zurück. Dabei wurden auch die 2001 vereinbarten Optionen aufgehoben.

2

Der Kläger war ursprünglich mit 62 % an der Beigeladenen beteiligt gewesen. Davon hatte er im Jahr 2001  44 % an die [X.] für ... DM veräußert. Für die restlichen Anteile von 18 % bestand eine Put-Option des Klägers gegenüber der [X.], die erstmals am 31.12.2003 ausgeübt werden konnte. Mit Kaufvertrag vom 17.12.2003 erwarb der Kläger einen Anteil von 24,24 % von der [X.] zurück. Der Kaufpreis, mit dem auch ein Verzicht auf die Put-Option abgegolten sein sollte, betrug ... €.

3

Der Kläger behandelte den Verzicht als Vorgang im Privatvermögen und erklärte diesbezüglich bei seiner Einkommensteuererklärung 2003 einen Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft von 0 €, weil die Jahresfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) überschritten gewesen sei.

4

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) schloss sich nach einer Außenprüfung der Meinung der Prüferin an, der entgeltliche Verzicht auf die Put-Option habe zu einem Gewinn aus Gewerbebetrieb geführt. Die Put-Option sei ein Annex zu der Kommanditbeteiligung gewesen. Der Prüferin folgend erhöhte das [X.] den [X.] der Beigeladenen um ... € und rechnete diesen Betrag ausschließlich dem Kläger zu. Auf dieser Grundlage erging gegenüber der Beigeladenen am 12.03.2014 ein geänderter Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003.

5

Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene durch ihre Bevollmächtigte am 31.03.2014 Einspruch ein, mit dem inhaltlich die fehlerhafte Erfassung von [X.] geltend gemacht wurde. Zugleich erklärte die Beigeladene, sie behalte sich vor, gesondert dagegen vorzugehen, dass der vom Kläger erzielte [X.] in die gewerblichen Einkünfte einbezogen worden sei. Das [X.] half dem Begehren in Bezug auf das [X.] ab und erließ unter dem 21.05.2014 einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) insoweit geänderten Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003. In den Erläuterungen hieß es, mit dem Bescheid erledige sich der Einspruch vom 27.03.2014. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde ausgeführt, die gesonderte und einheitliche Feststellung könne mit dem Einspruch angefochten werden, wozu der in § 352 [X.] bezeichnete Personenkreis befugt sei.

6

Bereits zuvor, nämlich am 01.04.2014, hatte der Kläger durch seine Bevollmächtigte beim Finanzgericht ([X.]) Sprungklage gegen den Bescheid vom 12.03.2014 erhoben, mit der die Erfassung des Gewinns aus dem Optionsverzicht beanstandet wurde. Das [X.] stimmte der Sprungklage zu, wies aber zugleich darauf hin, dass vorrangig der Einspruch der Beigeladenen bearbeitet werde. Nach Ergehen des Bescheids vom 21.05.2014 vertrat das [X.] die Auffassung, dass dieser Bescheid gemäß § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zum Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei.

7

Das [X.] lud die Beigeladene nach § 60 Abs. 3 [X.]O bei, weil sie selbst nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O klagebefugt gewesen sei.

8

Anschließend wies es die Klage mit Urteil vom 06.09.2016 - 6 K 6064/14 als unbegründet ab.

9

Mit der Revision trägt der Kläger vor, die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes i.S. von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) erfordere, dass ihm eine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O zugestanden werde, um die Feststellung ihm zugewiesener Einkünfte anfechten zu können. Jeder Gesellschafter sei insoweit klagebefugt, wie Einnahmen in den [X.] eingegangen seien, die nur der Gesellschafter erzielt habe und die nur ihm zuzurechnen seien. Auch wenn der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft in zwei Stufen ermittelt werde, bedeute dies nicht, dass eine Anfechtung der Einkünftezurechnung bzw. der Höhe des [X.] nicht möglich sei bzw. der Kläger sich festlegen müsse, ob er gegen die Einkünfteermittlung auf der ersten oder zweiten Stufe klage. Soweit der erkennende Senat mit seinem Urteil vom 16.03.2017 - IV R 31/14 ([X.], 292, BStBl II 2019, 24) davon abgerückt sein sollte, sei dies nach Klageerhebung geschehen und könne ihm nicht entgegengehalten werden. Außerdem bedeute die Versagung der Klagebefugnis eine Abweichung von dem Urteil des [X.] ([X.]) vom 18.08.2015 - I R 42/14, was eine Befassung des Großen Senats des [X.] erforderlich mache. Selbst wenn er, der Kläger, nicht klagebefugt gewesen sein sollte, sei der Klage dadurch zur Zulässigkeit verholfen worden, dass die Geschäftsführer der Beigeladenen die Prozessführung unter dem 06.11.2019 genehmigt hätten.

In der Sache hält der Kläger an seinem Vorbringen fest, das Entgelt für den Verzicht auf die Option sei weder eine ihm zuzurechnende Sonderbetriebseinnahme, noch habe es den Gewinn der Beigeladenen erhöht.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,
das Urteil des [X.] vom 06.09.2016 - 6 K 6064/14 aufzuheben und den Bescheid über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003 vom 21.05.2014 dahingehend zu ändern, dass der [X.] um dem Kläger zugerechnete ... € gemindert wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Der Entscheidung des [X.] sei im Ergebnis zuzustimmen. Allerdings sei das Entgelt für die Glattstellung nicht als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, sondern erhöhe den dem Kläger zuzurechnenden Anteil am Gewinn der Beigeladenen auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet und war mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 [X.]O).

[X.] ist die Feststellung des [X.]sgewinns der Beigeladenen (1.). Zur Erhebung einer Klage gegen die Feststellung des [X.]sgewinns war der Kläger nicht befugt (2.).

1. Gegenstand des Verfahrens ist die Feststellung des [X.]sgewinns der Beigeladenen in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2003 vom 21.05.2014.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kann ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können. Solche selbständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft und wer an ihr beteiligt ist, die Höhe des laufenden [X.]sgewinns sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer und die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung (z.B. [X.]-Urteil vom 01.03.2018 - IV R 38/15, [X.]E 260, 543, [X.] 2018, 587, Rz 23 ff., m.w.N.). Selbständig anfechtbar ist auch die Feststellung eines Veräußerungs- oder Aufgabegewinns der [X.] nach § 16 EStG sowie eines Gewinns des einzelnen Mitunternehmers aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Mitunternehmeranteils nach § 16 EStG. Eine weitere selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage ist die Qualifikation eines Gewinns als außerordentlich i.S. des § 34 EStG. Zwischen den verschiedenen selbständigen Besteuerungsgrundlagen kann --entgegen der vom [X.] konkludent vertretenen [X.] in einem Klageverfahren nicht saldiert werden. Der in Feststellungsbescheiden häufig angegebene "Gesamtgewinn" bezeichnet lediglich rechnerisch die Summe der verschiedenen Besteuerungsgrundlagen, entfaltet aber keinerlei Rechtswirkungen.

b) Im Streitfall wendet sich der Kläger gegen die Feststellung des [X.]sgewinns der Beigeladenen, der nach der Außenprüfung um den Betrag von ... € erhöht worden ist. Der entgeltliche Verzicht auf die Put-Option des [X.] ist vom [X.] als ein Vorfall verstanden worden, der sich auf [X.] des Betriebsvermögens der Beigeladenen ereignet hat. Deshalb wurde der Gewinn der Beigeladenen um den aus diesem Vorfall erzielten Gewinn erhöht und der Betrag von ... € in die gesonderte und einheitliche Feststellung des [X.]sgewinns einbezogen. Demgegenüber vertritt der Kläger die Auffassung, die Put-Option habe zu seinem Privatvermögen gehört, so dass die Erhöhung des [X.]sgewinns rechtswidrig sei.

c) Gegenstand des Klageverfahrens ist der geänderte Feststellungsbescheid vom 21.05.2014. Dieser Bescheid ersetzt den mit der Sprungklage ursprünglich angegriffenen Bescheid vom 12.03.2014 und ist deshalb nach § 68 Satz 1 [X.]O Gegenstand des Klageverfahrens geworden.

2. Der Kläger war nicht zur Erhebung der Klage gegen die Feststellung des [X.]sgewinns befugt.

a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O können gegen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen zur Vertretung berufene Geschäftsführer oder, wenn solche nicht vorhanden sind, der [X.] 2 Klage erheben. Diese Bestimmung ist dahin zu verstehen, dass gegen den nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. [X.] (gesondert und einheitlich) ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid im Grundsatz nur die Personengesellschaft im eigenen Namen, vertreten durch ihre Geschäftsführer, Klage erheben kann, obwohl sich dieser Bescheid inhaltlich an die einzelnen [X.]er als Inhaltsadressaten richtet ([X.]-Beschluss vom 30.12.2003 - IV B 21/01, [X.]E 204, 44, [X.], 239, unter 2.a; [X.]-Urteil vom 01.07.2004 - IV R 4/03, [X.]/NV 2005, 162, unter 2.b, zur [X.] nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 AO). Für die Dauer des Bestehens der [X.] wird damit ein Teil der aus § 40 Abs. 2 [X.]O folgenden Klagebefugnis der [X.]er auf die [X.] verlagert.

Den [X.]ern selbst steht ein eigenes Klagerecht gegen solche Feststellungsbescheide nur in den Fällen zu, in denen die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 [X.]O vorliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.]-Beschluss in [X.]E 204, 44, [X.], 239, unter 2.a, m.w.N.). Nach der hier in Betracht kommenden Regelung in § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O steht einem [X.]er die Klagebefugnis zu, wenn es sich im Streitfall um eine Frage handelt, die diesen [X.]er persönlich angeht. Diese Voraussetzung ist nicht bereits dann erfüllt, wenn die gesondert und einheitlich festgestellten Besteuerungsgrundlagen Bedeutung für die Besteuerung des [X.]ers haben, wie der Kläger geltend macht. Der Wortlaut würde ein solches Verständnis zwar zulassen, ließe dann aber die bewusste Beschränkung der Klagebefugnis der [X.]er durch § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O leerlaufen. So würde etwa bei einer typischen [X.] immer auch der Kommanditist klagebefugt sein, weil ihm der Gewinn alleine zuzurechnen ist. Dem Zweck des § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O entspricht es vielmehr, nur die [X.] selbst als klagebefugt zu betrachten, wenn Uneinigkeit über die Qualifikation und/oder die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte besteht. Kennzeichen der in § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O angesprochenen persönlichen Streitfragen ist, dass sie nicht dem Bereich der gemeinschaftlichen Einkunftserzielung, sondern --wie beispielsweise die Frage über das Vorliegen oder die Höhe von [X.] der eigenen Sphäre des [X.]ers zugeordnet sind ([X.]-Urteile vom 18.08.2015 - I R 42/14, Rz 10; vom 28.09.2017 - IV R 17/15, Rz 21 f.).

b) Da Gegenstand des hiesigen Klageverfahrens ausschließlich der festgestellte [X.]sgewinn der Beigeladenen ist, hätte eine Klage nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O nur von der Beigeladenen selbst erhoben werden dürfen. Dem Kläger stand daneben keine eigene Klagebefugnis zu. Dass ihm der streitige Teil des [X.]sgewinns alleine zugerechnet wurde und sich deshalb die nach seiner Auffassung fehlerhafte Feststellung im Ergebnis nur auf ihn selbst auswirken konnte, reicht für eine Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O nicht aus. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, dass das [X.] die Auffassung vertreten hat, der streitige Gewinn sei im Sonderbetriebsvermögen des [X.] entstanden. Ungeachtet dessen, dass das [X.] im Streit um die Feststellung des [X.]sgewinns die angefochtene Feststellung nicht durch eine andere selbständige Feststellung hätte ersetzen können, hat die Klageabweisung zur Folge, dass auch im Revisionsverfahren nur die Feststellung eines [X.]sgewinns Verfahrensgegenstand sein kann.

Auch aus § 48 Abs. 1 Nr. 4 [X.]O kann sich eine Klagebefugnis des [X.] nicht ergeben. Danach ist, wenn es im konkreten Streitfall darum geht, wer an dem festgestellten Betrag beteiligt ist und wie dieser sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, jeder klagebefugt, der durch die Feststellungen hierzu berührt wird. Der Kläger macht hier nicht geltend, dass der Gewinn aus der Glattstellung der Option ganz oder teilweise anderen [X.]ern zuzurechnen sei, sondern dass aus dem Vorgang dem Grunde nach ein [X.]sgewinn nicht entstanden ist.

c) Mit der Einräumung einer Klagebefugnis für die [X.] unter gleichzeitiger Einschränkung der Klagebefugnis für die [X.]er in Bezug auf Grund und Höhe des [X.]sgewinns beinhaltet § 48 Abs. 1 [X.]O keine Verletzung des Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Auch wird die Bedeutung dieses Grundsatzes bei der Auslegung der Norm durch die ständige Rechtsprechung des [X.] nicht verkannt.

Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, das Rechtsschutzsystem auszuformen und sicherzustellen, dass effektiver Rechtsschutz für den einzelnen Rechtsuchenden besteht. Der Gesetzgeber ist auch bei der Ausgestaltung des Rechtsschutzes dazu berufen, die miteinander kollidierenden und verflochtenen Interessen in einen Ausgleich zu bringen, der allen in verhältnismäßiger Weise gerecht wird. Dabei kommt ihm ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der sich auf die Beurteilung der Vor- und Nachteile für die jeweils betroffenen Güter sowie auf die Güterabwägung mit Blick auf die Folgen für die verschiedenen rechtlich geschützten Interessen bezieht. Der Gesetzgeber hat insbesondere grundrechtliche Schutzaussagen zugunsten des Rechtsuchenden, aber auch zugunsten Dritter, deren Belange durch den begehrten Rechtsschutz berührt werden, zu beachten und hierbei bereichsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Sollen Rechtsschutzmöglichkeiten aufgrund öffentlicher Belange erweitert oder beschränkt werden, muss auch das Gewicht dieser Belange in die Abwägung eingestellt werden (Beschluss des [X.] vom 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03, [X.] 116, 135). Diesen Anforderungen ist der Gesetzgeber mit § 48 [X.]O gerecht geworden.

Die Auslegung des § 48 Abs. 1 [X.]O durch die Rechtsprechung des [X.] berücksichtigt die Ziele des Gesetzgebers und bewirkt keine über die vom Gesetzgeber vorgesehene Beschränkung der Klagebefugnis hinausgehende Beeinträchtigung des Rechtsschutzes von [X.]ern einer Personengesellschaft. Dies betrifft insbesondere auch die Bestimmung des Verhältnisses der Klagebefugnis der [X.] nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O und der Klagebefugnis des [X.]ers nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 [X.]O. Solange der [X.]er nicht aus der [X.] ausgeschieden ist und keine ernstlichen Meinungsverschiedenheiten i.S. des § 183 Abs. 2 Satz 1 AO bestehen, die zu einer Bekanntgabe des Feststellungsbescheids an den [X.]er selbst nötigen, kann dem [X.]er zugemutet werden, dass eine Klage betreffend Grund oder Höhe des [X.]sgewinns nur von der [X.] selbst erhoben werden darf.

d) Entgegen der Auffassung des [X.] wird auch der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass dem [X.]er eine Klagebefugnis zwar in Bezug auf Sonderbetriebseinnahmen, nicht aber in Bezug auf ihm zugerechnete Einnahmen der [X.] zugebilligt wird. Die Unterscheidung zwischen [X.]s- und Sonderbetriebsgewinn ist ein ausreichender sachlicher Grund für die unterschiedliche Ausgestaltung des Prozessrechts.

e) Zu Unrecht beruft sich der Kläger darauf, ihm werde effektiver Rechtsschutz verweigert, weil ihm die Klagebefugnis von der Behörde willkürlich entzogen werden könne, indem diese einen Gewinn ohne Rechtsgrund der [X.] zuordne.

Soweit die Zuordnung in einem Feststellungsbescheid fehlerhaft vorgenommen wird, besteht dagegen effektiver Rechtsschutz, der allerdings nur von demjenigen beansprucht werden kann, dem eine gesetzlich geregelte Klagebefugnis zusteht. Die Klagebefugnis hängt bei einer Anfechtungsklage entgegen dem Vorbringen des [X.] nicht von dem Sachverhalt ab, der sich tatsächlich ereignet hat und der der Besteuerung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Sie richtet sich vielmehr danach, inwieweit eine Rechtsverletzung durch den Feststellungsbescheid gerügt wird. Soll eine Rechtsverletzung durch die Feststellung eines [X.]sgewinns geltend gemacht werden, ist die [X.] klagebefugt, auch wenn richtigerweise etwa ein Sonderbetriebsgewinn des [X.]ers hätte festgestellt werden müssen.

Dass eine Behörde einen nach eigener Rechtsüberzeugung im Sonderbereich des [X.]ers entstandenen Gewinn bewusst der [X.] zuordnen könnte, um dem [X.]er die Klagebefugnis zu beschneiden, erscheint fernliegend. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Behörde bei einer solchen Handhabung nicht befürchten müsste, dass die klagebefugte [X.] doch Klage erhebt. Die Klageerhebung durch die [X.] hätte zur Folge, dass die Feststellung des [X.]sgewinns vom Gericht aufgehoben würde und die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen wären.

Im Übrigen gibt es im Streitfall keinerlei Anhaltspunkte für eine willkürliche Handhabung des [X.]. Im Gegenteil lässt sich dem Akteninhalt entnehmen, dass das [X.] nach eingehenden Überlegungen zu der Rechtsüberzeugung gelangt war, der Gewinn sei im [X.]svermögen entstanden. An dieser Auffassung hat es auch noch in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] festgehalten.

Nicht unbeachtet kann in diesem Zusammenhang schließlich bleiben, dass die Beigeladene ihre Einspruchs- und Klagebefugnis erkannt hat, was sich daraus ergibt, dass sich die Beigeladene bei Erhebung des Einspruchs vorbehalten hat, auch gegen die Erfassung des [X.] vorzugehen. Weshalb es dazu nicht kam, sondern nur einen Tag nach Einlegung des Einspruchs vom Kläger Sprungklage erhoben wurde, kann den Akten nicht entnommen werden. Die Ursache dafür lag jedenfalls in der Sphäre des [X.].

f) Sollte das Klagebegehren nicht als gegen den [X.]sgewinn, sondern als gegen den "Gesamtgewinn" gerichtet verstanden werden, wie der Kläger jetzt geltend macht, wäre die Klage ebenfalls wegen fehlender Klagebefugnis als unzulässig anzusehen. Ein [X.]er kann wegen der neben der Klagebefugnis der [X.] für ihn nur ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 [X.]O bestehenden persönlichen Klagebefugnis den "Gesamtgewinn" nicht allgemein angreifen, sondern eben nur dann, wenn einer der in § 48 Abs. 1 Nrn. 2 bis 5 [X.]O genannten Fälle gegeben ist. Das Urteil des Senats in [X.]E 257, 292, [X.] 2019, 24 enthält insoweit keine neuen Rechtsgrundsätze.

Soweit in älteren Entscheidungen von der Anfechtbarkeit des Gesamtgewinns ausgegangen wurde, betraf dies jeweils die Klagebefugnis der [X.] (vgl. etwa [X.]-Urteil vom 10.02.1988 - VIII R 352/82, [X.]E 152, 414, [X.] 1988, 544, unter I.2.), Fallgestaltungen, in denen die [X.] nicht oder nicht mehr klagebefugt war (so etwa in dem vom Kläger zitierten [X.]-Urteil vom 02.05.1984 - VIII R 276/81, [X.]E 141, 498, [X.] 1984, 820, und im [X.]-Urteil vom 18.12.1970 - VI R 313/68, [X.]E 102, 202, [X.] 1971, 591), oder Fälle, in denen Einwendungen betreffend den Sonderbetriebsgewinn des [X.]ers erhoben wurden (so etwa im Fall des [X.]-Urteils vom 26.04.1995 - XI R 80/94, [X.]/NV 1996, 37). Auch bei Anfechtung des Gesamtgewinns wurde die Klagebefugnis nach dem durch den Klageantrag bestimmten Streitgegenstand beurteilt (vgl. [X.]-Urteil vom [X.] - IV R 3/75, [X.]E 122, 2, [X.] 1977, 509; [X.]-Beschluss vom 29.07.1992 - IV B 7/91, [X.]/NV 1993, 43; [X.]-Urteil vom 21.01.1999 - IV R 40/98, [X.]E 188, 523, [X.] 1999, 563). Die sich inhaltlich auf den [X.]sgewinn beziehende Klage des [X.] wäre also auch nach damaliger Handhabung unzulässig gewesen. Schon deshalb beruft sich der Kläger zu Unrecht darauf, dass ihm Vertrauensschutz zu gewähren sei.

g) Das Fehlen der Klagebefugnis nach § 48 [X.]O kann nicht durch Genehmigung eines Klagebefugten geheilt werden. Zwar kann die von einem vollmachtlosen Vertreter erhobene Klage von dem Vertretenen genehmigt und dadurch die Zulässigkeit noch nach Klageerhebung und Ablauf der Klagefrist bewirkt werden. Ein solcher Fall liegt u.a. auch dann vor, wenn ein nicht allein vertretungsbefugter Geschäftsführer für die [X.] unter Berufung auf die Klagebefugnis nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 [X.]O Klage erhebt. Genehmigen die weiteren vertretungsbefugten Personen die Klageerhebung nach Ablauf der Klagefrist, ist die Klage der [X.] als zulässig anzusehen. Wird die Klage aber unter Berufung auf eine eigene Klagebefugnis erhoben, tritt der Kläger nicht als Vertreter eines Anderen unter Berufung auf dessen Klagebefugnis auf, so dass auch eine Genehmigung der Prozessführung durch einen Anderen nicht in Betracht kommen kann. Soweit Äußerungen im Schrifttum eine abweichende Meinung zu entnehmen sein sollte, kann diese sich nicht auf Entscheidungen des [X.] stützen und der erkennende Senat könnte sich ihr nicht anschließen (vgl. auch zur Frage, ob eine solche Klage in die Zulässigkeit hineinwachsen kann, [X.]-Beschluss vom 20.11.2018 - IV B 44/18, Rz 13).

3. Die Sache ist entscheidungsreif. Hat das [X.] durch klageabweisendes Sachurteil entschieden, obwohl es die Klage durch [X.] hätte abweisen müssen, ist das Urteil nach ständiger Rechtsprechung des [X.] nicht aufzuheben, sondern die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen, dass die Klage unzulässig ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 12.09.1985 - VIII R 371/83, [X.]E 146, 99, [X.] 1986, 537; vom 07.05.2013 - VIII R 17/09, Rz 11).

4. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O. Der Beigeladenen waren Kosten nicht nach § 135 Abs. 3 [X.]O aufzuerlegen, weil ihr Antrag mit dem des unterlegenen [X.] übereinstimmt und nicht zu Mehrkosten geführt hat. Aus demselben Grund waren andererseits auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht aus Billigkeitsgründen nach § 139 Abs. 4 [X.]O zu erstatten (vgl. [X.]-Urteil vom 11.11.2010 - IV R 17/08, [X.]E 232, 28, [X.] 2011, 716, Rz 26).

Meta

IV R 48/16

23.01.2020

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 6. September 2016, Az: 6 K 6064/14, Urteil

§ 48 Abs 1 Nr 1 FGO, § 48 Abs 1 Nr 4 FGO, § 48 Abs 1 Nr 5 FGO, Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 23.01.2020, Az. IV R 48/16 (REWIS RS 2020, 3413)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 3413

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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