Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 140/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 7209

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[X.][X.]/10 vom 28. April 2011 in der Zurückschiebungshaftsache - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 28. April 2011 durch [X.] Dr. [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub beschlossen: Dem Betroffenen wird Verfahrenskostenhilfe für das [X.] bewilligt und Rechtsanwalt [X.]. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 12. Mai 2010 und der Beschluss des [X.] vom 4. April 2010 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der [X.] auferlegt. Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.000 •. Gründe: [X.] Der Betroffene reiste am 30. März 2010 ohne Aufenthaltstitel in das [X.] ein und wurde am 3. April 2010 in [X.] festgenommen. 1 Er hatte 1994 erfolglos Asyl in der [X.] bean-tragt. Durch Zuweisungsentscheidung vom 6. Oktober 1994 war sein Aufenthalt 2 - 3 - auf den [X.] beschränkt worden. Die im Rahmen von Asylfolgean-tragsverfahren erteilten Duldungen nach § 55 Abs. 2 [X.] (jetzt § 60a [X.]) enthielten eine entsprechende räumliche Beschränkung. Im November 2009 war der Betroffene aufgrund einer bestandskräftigen Abschiebungsanord-nung des [X.] (nachfolgend [X.]) vom 20. März 2009 durch die [X.] nach [X.] abgeschoben worden. Auf Antrag der [X.] (Beteiligte zu 2) ordnete das Amtsgericht am 4. April 2010 [X.] für die Dauer von längstens drei Monaten an. Am 8. April 2010 stellte der Betroffene einen [X.] bei dem [X.]. 3 Das [X.] hat die gegen die Haftanordnung gerichtete [X.] durch Beschluss vom 12. Mai 2010 zurückgewiesen. Mit der Rechtsbe-schwerde will der Betroffene, der zwischenzeitlich (erneut) nach [X.] zu-rückgeschoben worden ist, die Feststellung erreichen, dass die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung ihn in seinen Rechten verletzt haben. 4 I[X.] Das Beschwerdegericht hält den Haftgrund der unerlaubten Einreise ge-mäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] für gegeben, weil der Betroffene nicht glaubhaft gemacht habe, dass er sich der Abschiebung nicht entziehen werde. Der Haftantrag sei von der zuständigen Behörde gestellt worden. Wegen der in [X.] erfolgten Festnahme sei dies nach § 88 Abs. 1 Satz 2 [X.] LSA die [X.] zu 2 gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass der Betroffene zwi-schenzeitlich einen [X.] gestellt habe. Hierdurch sei, weil die letzte räumliche Beschränkung fortgelte, zwar wieder die Zuständigkeit der Auslän-derbehörde der [X.] begründet worden. Für [X.] - 4 - che Maßnahmen nach § 71 Abs. 7 Satz 2 [X.] sei daneben aber auch die Ausländerbehörde zuständig, in deren Bezirk sich der Ausländer aufhalte. [X.] habe die Beteiligte zu 2 in der Beschwerdeinstanz zugleich in Amtshilfe für die [X.] gehandelt. II[X.] Die auch nach der Zurückschiebung des Betroffenen zulässige Rechts-beschwerde (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 210 Rn. 9; Beschluss vom 17. Juni 2010 - [X.], Rn. 7, juris) ist begründet. 6 Die Haftanordnung des Amtsgerichts und die Entscheidung des [X.] verletzen den Betroffenen in seinen Rechten. Die Beteiligte zu 2 war für die Beantragung von [X.] nicht zuständig. Da § 417 Abs. 1 FamFG einen Haftantrag der zuständigen Behörde voraussetzt, fehlt es an einer rechtmäßigen Haftanordnung. Das Vorliegen eines wirksamen Haftan-trags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (Senat, [X.] vom 18. März 2010 - [X.] 194/09, [X.] 2010, 156 Rn. 11). Darauf, ob die [X.] materiell zu Recht angeordnet worden ist, kommt es nicht an. Denn nach Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG darf die in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit der Person nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden ([X.], NVwZ-RR 2009, 304 Rn. 10 f. [zu § 3 u. § 11 FrEntzG]). 7 1. Entgegen der Auffassung des [X.] war die Beteiligte zu 2 nicht deshalb für die Beantragung der Haft zuständig, weil der Betroffene in ihrem Bezirk aufgegriffen worden ist. 8 - 5 - a) Zwar lässt sich aus § 62 Abs. 4 [X.] in bestimmten Fällen eine Befugnis der für den Aufgriffsort zuständigen Ausländerbehörde ableiten, den Antrag auf Anordnung der [X.] zu stellen (dazu näher Senat, [X.] vom 18. März 2010 - [X.] 194/09, aaO, Rn. 21 ff.). Auch weist die von dem Beschwerdegericht herangezogene Vorschrift des § 71 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG die Zuständigkeit für ausländerrechtliche Maßnahmen der für den [X.] eines [X.]stellers zuständigen Ausländerbehörde zu. 9 Das Beschwerdegericht verkennt aber, dass sich die für den [X.] bzw. Aufenthaltsort zuständige Ausländerbehörde nach den Regelungen des Landesrechts richtet und deshalb die Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Allg-ZustVO-Kom LSA Anwendung findet. Sie bestimmt, dass für das gesamte Ge-biet des [X.] Ausländerbehörde im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 2 [X.] für die Abschiebung und Zurückschiebung (§§ 57 und 58 [X.]) der [X.] ist. Damit liegt auch die Zuständigkeit für die Beantragung von Abschiebungs- und Zurückschiebungshaft ausschließ-lich bei dem [X.] (vgl. [X.], Ausländerrecht, Stand [X.] 2010, § 71 [X.] Rn. 9 u. 12; GK-[X.]/[X.], Stand März 2011, § 71 Rn. 19 u. 73). 10 Angesichts dieser Regelung lässt sich eine Zuständigkeit der Beteiligten zu 2 auch nicht aus § 88 Abs. 1 Satz 2 [X.] LSA ableiten. Denn die für die Be-antragung von [X.] örtlich zuständige Behörde wird nur dann durch die Polizeigesetze der Länder bestimmt, wenn für die Durchführung ausländer-rechtlicher Maßnahmen landesrechtlich nichts anderes angeordnet worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - [X.] 194/09, aaO, Rn. 17; [X.] vom 8. April 2010 - [X.] 51/10, Rn. 9, juris). 11 - 6 - b) Ob die Beteiligte zu 2 im Rahmen einer aus § 3 Abs. 4 VwVfG i.V.m. der landesrechtlichen Verweisungsnorm (§ 1 Abs. 1 VwVfG LSA) abgeleiteten Not- oder [X.] hätte tätig werden können, bedarf keiner Entschei-dung. Abgesehen davon, dass sie sich nicht auf Gefahr im Verzug berufen hat, hätte sich aus einer solchen Zuständigkeit nur die Befugnis zur Durchführung unaufschiebbarer Maßnahmen ergeben, also die Berechtigung, Haft für die [X.] zu beantragen, in der die zuständige Ausländerbehörde - der Landkreis [X.] - nicht erreichbar war. Tatsächlich ist auf der Grundlage des [X.] der Beteiligten zu 2 aber [X.] für die Dauer von drei Monaten ange-ordnet worden. 12 2. Schließlich kann offen bleiben, ob die [X.] wegen der Zuweisungsentscheidung aus dem [X.] und der damit verbundenen Auf-enthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG (vgl. hierzu Senat, [X.] vom 18. März 2010 - [X.] 194/09, [X.] 2010, 156 Rn. 13; GK-[X.]/[X.], aaO, Rn. 9.1) weiterhin örtlich zuständig war und ob die Beteiligte zu 2 für diese im Wege der Amtshilfe einen Haftantrag hätte stellen können (gegen eine solche Möglichkeit wohl [X.], Beschluss vom 13. November 1998 - 20 W 442/98, juris, Rn. 27; offen gelassen von [X.], [X.] 2008, 228, 229). Eine etwaige Antragstellung im Wege der Amtshilfe hätte offengelegt werden müssen ([X.], aaO). Die [X.] hat den Haftantrag jedoch unter Hinweis auf eine aus § 71 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 13 AllgZustVO-Kom LSA abgeleitete originäre [X.] gestellt. Dass sie im Beschwerdeverfahren in Amtshilfe für die [X.] aufgetreten ist, führt im Hinblick darauf, dass der Mangel eines [X.] nicht nachträglich geheilt werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 29. April 2010 - [X.], [X.] 2010, 210 Rn. 19), zu keiner anderen Beurteilung. 13 - 7 - [X.] Die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe folgt aus § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Satz 1 ZPO, § 78 Abs. 1 FamFG. Die Kosten-entscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. 14 [X.] [X.] Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub Vorinstanzen: AG [X.] (Saale), Entscheidung vom [X.] - 70 [X.]/10 - LG [X.], Entscheidung vom 12.05.2010 - 2 T 122/10 -

Meta

V ZB 140/10

28.04.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 28.04.2011, Az. V ZB 140/10 (REWIS RS 2011, 7209)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 7209

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