Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2003, Az. VI ZR 155/02

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 2311

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/02Verkündet am:15. Juli 2003Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 823 [X.] Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.[X.], Urteil vom 15. Juli 2003 - [X.]/02 - [X.] [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die [X.], Pauge, [X.] und Zoll für Recht erkannt:Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des [X.] [X.] in [X.] vom26. März 2002 aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auchüber die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Der [X.] ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden [X.]. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im [X.] in den Betrieb des [X.]n, um daraus Schalbretter undKanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das ge-schnittene Holz abholen.Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des [X.] und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichenSchuppen, in dem ein [X.] ([X.]) in Betrieb war. Als der Klägerden Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem [X.] heraus-geschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt.Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldessowie die Feststellung der Ersatzpflicht des [X.]n für alle materiellen undimmateriellen [X.]. Das [X.] hat die Klage abgewiesen.Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] die Zahlungsansprü-che dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der [X.]; wegen des [X.] hat es den Rechtsstreit an das[X.] zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der [X.] mitder vom [X.] zugelassenen Revision.- 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der [X.] das [X.] in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die [X.] bedient worden sei. Es meint, der [X.] habe seine Verkehrssi-cherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des [X.] herbeigeführt.Allerdings handele es sich beim Sägen an einem [X.] nach [X.] Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. [X.] aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsun-gen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sä-gen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich [X.] senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeil-ten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei fürden [X.] auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangsnicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der [X.] nach Auffas-sung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu [X.] durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müs-sen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, [X.] tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als [X.] habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kant-hölzern rechnen [X.] 5 -I[X.] angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung [X.]. Das Berufungsgericht überspannt die dem [X.]n als Betreiber [X.] obliegenden Verkehrssicherungspflichten.1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß [X.], der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die [X.] und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung [X.] zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des[X.] (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - [X.]/89- VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - [X.]/00 - [X.], 247, 248; jeweils m.w.[X.]; vgl. auch [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992 [X.] - VersR 1993, 586, 587 m.w.[X.]; [X.]Z 121, 368, 375 und [X.],Urteil vom 13. Juni 1996 - [X.] - [X.], 109, 111). Die rechtlichgebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die einumsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch fürnotwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. [X.] ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil dienaheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können(Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - [X.]/00 - aaO m.w.[X.]).2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für ge-geben, weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge dieMöglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oderKanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Die-ser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mageine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. [X.] nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des [X.] -digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht dieSchlußfolgerung, daß der [X.] betriebsfremden Personen den Zutritt zu [X.] hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jederabstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. [X.] Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch ([X.] 15. April 1975 - [X.] - [X.], 812). So ist eine Verkehrssi-cherung, die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom21. April 1964 - [X.] - [X.], 746). [X.] wird eineGefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Mög-lichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können ([X.] 15. April 1975 - [X.] [X.] aaO m.w.[X.]; vom 10. Oktober 1978 - [X.] u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - [X.] -VersR 1987, 1014, 1015).Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Scha-denseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungengeboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl.Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - [X.] u. 99/77 - aaO; [X.]Z 14, 83, 85;[X.], Urteil vom 13. November 1970 - 1 [X.] - NJW 1971, 1093, 1094m.w.[X.]). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), derenVerletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wennim Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechen-den Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senats-urteil vom 16. Februar 1972 - [X.] - [X.], 559, 560 m.w.[X.]).Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Aus-übung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungs-vorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und [X.] Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, umandere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den [X.] -nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - [X.]/62 -VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - [X.] - VersR 1967, 801, [X.] m.w.[X.]).Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getrof-fen werden mußten und eine Gefährdung von anderen [X.] wenn auch nicht völligausgeschlossen [X.] nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegendenUmständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Scha-den, so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies [X.] hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädigerkein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - [X.] - aaO).3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen [X.] eine Haftung des [X.]n gem. § 823 BGB nicht zu [X.]) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß [X.] eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen [X.]en ([X.]) für Maschinen und Anlagen zur Be- und [X.] Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings [X.] noch nicht geklärt, ob der [X.] dennoch gehalten gewesen wäre,insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zuverwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus,daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Per-sonen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können alsgegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die [X.] in erster [X.] bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - [X.] [X.] aaOS. 812 f. m.w.[X.]). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfall-verhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich [X.] abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. [X.] -1985 - [X.] - [X.], 781; vom 12. November 1996 - [X.]/95 - [X.], 249, 250; vom 26. Mai 1998 - [X.]/97 - VersR 1998,1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - [X.] - [X.], 1033, 1034 undvom 13. März 2001 - [X.] [X.] VersR 2001, 1040 jeweils m.w.[X.]). [X.] können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Um-fang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senats-urteile vom 9. Juli 1985 - [X.]/84 - [X.], 1147 f. und vom 13. März2001 - [X.] - aaO, jeweils m.w.[X.]). Namentlich die Unfallverhütungs-vorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stellekraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe ge-machten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten(vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - [X.]/52 - [X.], 196 undvom 9. Juli 1985 - [X.]/84 - [X.], 1147 f., jeweils m.w.[X.]). [X.] die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen,die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der [X.] nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seinerVerkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die [X.] eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur [X.] erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegendie Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sichspäter in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem [X.] nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehendenSchutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvor-schrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - [X.] - aaO undvom 12. November 1996 - [X.] - aaO, jeweils m.w.[X.]).b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeitmaßgebenden [X.] keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Heraus-schleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-- 9 -zen Stämmen an einem [X.] solche Vorrichtungen bereitzuhalten undzu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der [X.]am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. [X.] ist im [X.] zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die [X.] und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvor-kehrungen waren nach den [X.] nicht zu treffen. Hat der [X.] aber [X.] beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr [X.] der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad ge-schaffen, den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafterAngehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, umandere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem [X.] ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhalten-den Personen und damit für Betriebsangehörige wie für [X.] in [X.] Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorg-faltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen we-gen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dannVeranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigemUrteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte.Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall.Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebote-nen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß [X.] Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis da-hin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls alsbloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des [X.] in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einerHaftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzennicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - [X.] - aaO m.w.[X.];vom 10. Oktober 1978 - [X.] u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - [X.] -181/86 - aaO). Nach alledem mußte der [X.] den Zutritt zu der Anlage [X.] seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob erden Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zu-gänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber des-halb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, dassich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht blei-ben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - [X.] - VersR 1978,739, 740; [X.], [X.], 1992, [X.] alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. [X.] ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des [X.] durch einefehlerhafte Bedienung des [X.]s verursacht worden ist.MüllerWellnerPauge[X.]Zoll

Meta

VI ZR 155/02

15.07.2003

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2003, Az. VI ZR 155/02 (REWIS RS 2003, 2311)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 2311

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